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Der Wunsch, der Bestrafung für einen Gesetzesverstoß zu entgehen, ist nur allzu menschlich. Doch der Versuch, sich vor Gericht herauszureden, scheitert oft kläglich. Patrick Burow, seines Zeichens Richter, muss sich seit über zwanzig Jahren unfassbar dreiste, dumme, mitunter aber auch sehr originelle Ausflüchte anhören. In diesem Buch sind die haarsträubendsten und witzigsten davon gesammelt – nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Lernen: etwa, warum eine Ausrede nicht akzeptiert wurde und mit welcher man möglicherweise Erfolg gehabt hätte!
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Ich habe nicht geschossen, nur ein bisschen
Dr. iur. Patrick Burow, geboren 1965 in Hamburg, promovierte in seiner Geburtsstadt und ist seit 1996 Richter in Sachsen-Anhalt. Unter seinem Pseudonym Falk van Helsing veröffentlichte er bereits vierzehn Humorbücher mit einer Gesamtauflage von rund 130 000 Exemplaren. Als Amtsrichter wird er täglich mit Ausreden aller Arten konfrontiert.
Unglaublich, mit welchen Geschichten Delinquenten ihren Kopf aus der Schlinge ziehen wollen. Ein Todesschütze verteidigt sich damit, er habe seine Frau versehentlich bei der Rattenjagd erschossen. Ein Drogenkurier bezeichnet Rauschgift als Vitamine. Das »Hi Arschloch« zur Chefin war nicht als Beleidigung gemeint, sagt ein anderer. Und die Begründungen, weswegen man in eine Radarfalle geraten ist, sind Legion. Der Wunsch, nicht bestraft zu werden, ist allzu menschlich. Vor Gericht droht Ungemach in Form von Geldstrafen, Führerscheinentzug bis hin zu lebenslang hinter Gittern. Da konzentriert man sich zwangsläufig auf die Suche nach einem Weg, ungeschoren davonzukommen. Meist bleiben die fadenscheinigen Ausreden erfolglos. Dieses Buch versammelt absurde und dreiste Ausflüchte aus verschiedenen Rechtsgebieten. Deren Lektüre ist unterhaltsam und lehrreich zugleich: Man kann daraus lernen, wie man es nicht machen sollte – und womit man vielleicht Erfolg hätte.
Patrick Burow
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage August 2018 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018 Lektorat: Birthe VogelmannUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, MünchenE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.
ISBN 978‑3-8437-1786-1
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Der Autor / Das Buch
Titelseite
Impressum
Vorwort: Die trügerische Hoffnung, davonzukommen
1 »Der Katzenkönig hat es befohlen« –
Körperverletzung und Mord
2 Faule Ausreden von Kleptomanen –
Diebstahl und Raub
3 High durch Kekse –
Drogendelikte
4 Von Arschlöchern und Stinkefingern –
Beleidigungen
5 Auch Schwindler müssen ins Gefängnis –
Beförderungserschleichung und Betrug
6 Intergalaktische Kampfsatelliten –
Fälle aus dem Waffenrecht
7 Im Tiefflug durch die Radarfalle –
Raser
8 »Ich musste fahren. Ich war zu betrunken, um zu Fuß zu gehen« –
Alkohol im Straßenverkehr
9 Wenn Ampeln nur für andere gelten –
Rotlichtverstöße
10 »Es ist nicht das, wonach es aussieht« –
Handy am Steuer
11 »Abschleppen ist verboten« –
Falschparker
12 Schuld sind immer die anderen –
Verkehrsunfälle
13 Frust durch Frustzwerge –
Ausreden im Zivilprozess
14 Wohnen zum Nulltarif –
Dreiste Gründe, die Miete zu mindern
15 »Der Strand war zu sandig« –
Kuriose Urlaubsmängel
16 Impotenz, Scheinehen, Väterroulette –
Familienrecht
17 Von Aliens entführt –
Bluffen im Job
18 Faulenzia vulgaris extremica –
Die Ausflüchte von Arbeitslosen
19 Die geheime Ufo-Akte des Bundestages –
Skurrile Klagen vor dem Verwaltungsgericht
20 »Das Finanzamt bummelt auch« –
Notlügen vorm Finanzgericht
21 Null Bock auf Lernen –
Schul- und Prüfungsrecht
22 Keine Post bekommen –
Wenn Fristen und Termine verpennt werden
23 Die Reichsdeppen-Ausrede – Rechtsfreie Räume selbst gemacht
Nachwort
Social Media
Cover
Titelseite
Inhalt
Vorwort: Die trügerische Hoffnung, davonzukommen
Wie kann ich mich herausreden, wenn ich mit dem Messer in der Hand über die Leiche gebeugt erwischt werde? Wie kann ich davonkommen, wenn ich jemanden als »Arschloch«tituliert habe? Mit welchem Spruch kann ich Bußgeld und Punkte vermeiden, wenn ich quasi im Tiefflug in eine Radarfalle geraten bin?
Der Wunsch, nicht bestraft zu werden, ist nur allzu menschlich. Vor Gericht droht Ungemach in Form von Geldstrafen, Führerscheinentzug bis hin zu lebenslang hinter Gittern. Mit einem Bein im Gefängnis konzentriert sich der Verstand zwangsläufig auf die Suche nach einem Weg, aus der Sache ungeschoren rauszukommen.
Die Menschheitsgeschichte begann mit einer Ausrede: Eva, die erste Frau auf Erden, pflückte verbotenerweise den Apfel vom Baum der Erkenntnis. Doch sie gab sich unschuldig, denn die Schlange hatte sie dazu überredet. Schon seit die Zehn Gebote in Steintafeln gemeißelt wurden, haben die Menschen sich eine Enzyklopädie an Ausflüchten ausgedacht, um für ihre Übertretungen nicht bestraft zu werden.
Ausreden sind eigentlich Lügen. Der Ertappte biegt die Wirklichkeit für das Gericht zurecht, um straflos davonzukommen. Das reicht von »Ich war’s nicht« über »Ich konnte nichts dafür« bis hin zu »So schlimm war’s doch gar nicht«. Richter sind vornehme Leute. Sie würden niemandem ins Gesicht sagen, dass er lügt. Im Jurasprech ist eine Ausrede deshalb eine »unglaubwürdige Schutzbehauptung«.
Wer erwischt wird und eine gute Ausrede hat, kommt vielleicht davon, so die trügerische Hoffnung. Doch meist bleibt der Versuch, sich herauszureden, erfolglos. Schlimmer noch: Fadenscheinige Ausreden verschlechtern die Situation des Angeklagten sogar. Statt Straflosigkeit droht Strafschärfung. Denn Ausreden machen dem Richter Mehrarbeit und verärgern ihn, weil er sie widerlegen muss. Und sie lassen auch jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen.
Es ist unglaublich, mit welch dummdreisten Geschichten viele Angeklagte ihren Kopf aus der Schlinge ziehen wollen. Ein Todesschütze verteidigte sich allen Ernstes damit, er sei bei der Rattenjagd gestolpert und habe versehentlich seine Frau erschossen. Ein Drogenkurier versuchte sich damit rauszureden, bei den 20 Kilogramm Rauschgift handele es sich um Vitamine. Ein Autofahrer versuchte den hohen Kokaingehalt in seinem Blut mit Red Bull zu erklären. Das »Hi Arschloch« zur Chefin sei keine Beleidigung gewesen, sondern entspreche dem legeren Umgangston am Arbeitsplatz. Spucken ins Gesicht wurde als feuchte Aussprache wegerklärt. Der illegale Totschläger sei keine Waffe, sondern ein Sexspielzeug, hieß es. Ein anderer Waffensammler rechtfertigte sich damit, die Waffen brauche er, um sich gegen die Bedrohung durch »intergalaktische Kampfsatelliten« zu verteidigen. Ein Raser versuchte, dem Bußgeld zu entgehen, indem er eine Rettungsfahrt des im Koma liegenden Wellensittichs zum Tierarzt behauptete. Ein Unfallverursacher meinte, nicht auf die Polizei warten zu können, denn er habe Viagra genommen und müsse schnell ins Bordell. Andere Angeklagte meinten herausgefunden zu haben, dass das Deutsche Reich fortbestehe und die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere. Deshalb würden alle deutschen Gesetze gar nicht gelten.
Dieses Buch versammelt absurde, dreiste und kuriose Ausreden aus verschiedenen Rechtsgebieten, deren Lektüre gleichzeitig unterhaltsam und lehrreich ist. Denn sie sind oft nicht nur amüsant, sondern man kann aus ihnen auch lernen, wie man es nicht machen sollte und was vielleicht erfolgreich gewesen wäre – denn neben einer Reihe gescheiterter Ausreden gibt es pro Rechtsbereich jeweils auch eine, die Erfolg hatte.
Haustyrannen, streitlustige Ehefrauen und zänkische Nachbarn – jeder kennt sie.Wer hätte da nicht schon mal an Mord gedacht? Doch demjenigen, der seine Wünsche in die Tat umsetzt, droht »lebenslänglich«. Deshalb versuchen ertappte Mörder, ihren Kopf mit einer vermeintlich cleveren Ausrede aus der Schlinge zu ziehen.
Der Gastwirt Ulrich S. (55) war vor dem Landgericht Coburg angeklagt, seine Frau im Oktober 2012 erschossen zu haben. Ein Schuss aus seiner doppelläufigen Schrotflinte hatte Marie S. (44) in den Bauch getroffen. Sie war verblutet.
Ein tragischer Unfall, beteuerte der Angeklagte. Er habe mit dem Gewehr Ratten im Keller jagen wollen. Gerade als seine Frau aus dem Badezimmer gekommen sei, sei ihm ihr Yorkshireterrier zwischen die Beine gesprungen. Er sei gestolpert und der tödliche Schuss habe sich gelöst.
Die Unfallversion hatte mit der Wahrheit nichts zu tun. Denn Ulrich S. erschoss seine Frau aus Eifersucht. Marie S. hatte einen Geliebten und wollte sich von ihrem Mann trennen. »Ich lasse dich nicht gehen!«, schrieb Ulrich S. daraufhin seiner Frau in einer SMS. Zudem stellte ein Sachverständiger fest, dass der tatsächliche Schusswinkel nicht mit dem beim Stolpern zu erwartenden übereinstimmte. Das Landgericht Coburg verurteilte Ulrich S. wegen Totschlags zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe.
www.infranken.de/regional/coburg/Richter-bescheinigt-Ulrich‑S-narzisstische-Zuege;art214,501248
Barbara H. und Peter P. brachten den Polizeibeamten Michael R. dazu, an die Existenz des »Katzenkönigs« zu glauben. Dieser würde seit Jahrtausenden das Böse verkörpern und die Welt bedrohen. Michael R. war in Barbara H. verliebt und wähnte sich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den »Katzenkönig« aufzunehmen.
Als Barbara H. von der Heirat ihres Exfreundes Udo N. erfuhr, entschloss sie sich aus Hass und Eifersucht, dessen Frau Annemarie N. von Michael R. töten zu lassen. Der »Katzenkönig« verlange ein Menschenopfer in der Gestalt von Annemarie N., sagte Barbara H. zu Michael R.; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen und die Menschheit werde vom »Katzenkönig« vernichtet.
Am 30. Juli 1986 suchte Michael R. Annemarie N. in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend seinem Auftrag stach der Polizist mit einem Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen Frau N. in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. Als Dritte der sich nun verzweifelt wehrenden Frau zu Hilfe eilten, ließ R. ab und flüchtete. Annemarie N. überlebte.
Vor dem Landgericht Bochum konnte sich der Messerstecher nicht mit dem göttlichen Auftrag des »Katzenkönigs« herausreden. Eine Begutachtung hinsichtlich seiner Schuldfähigkeit ergab, dass R. nicht schwachsinnig war und auch nicht an einer krankhaften seelischen Störung litt. Zudem war er Polizeibeamter und wusste, dass Mord verboten war. R. wurde wegen versuchten heimtückischen Mordes zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. 09. 1988–4 StR 352/88
Der hoch verschuldete Hausmeister Rainer H. träumte vom großen Geld. Er wollte einen Teil seiner Schulden loswerden, indem er den Investmentbanker Dirk von P.‑C. um seinen Luxuswagen brachte. Dirk von P.‑C. bot nämlich im Internet einen fast neuen Audi A8 für 54 000 Euro an.
Rainer H. nahm Kontakt zu ihm auf und spiegelte Kaufinteresse vor. Bei dem Verkaufsgespräch am 14. Januar 2010 brachte Rainer H. Dirk von P.‑C. mit dreizehn Schüssen aus kurzer Entfernung um. Um keine Spuren zu hinterlassen, transportierte er das Opfer in einem Leichensack vom Tatort weg und wollte es später unauffällig entsorgen.
Die Polizei kam schnell auf die Spur von Rainer H., denn von seinem Computer aus waren E‑Mails an Dirk von P.‑C. zur Vorbereitung des Autokaufs verschickt worden.
»Hohes Gericht, ich bin unschuldig«, behauptete der Angeklagte. Er habe mit dem Mord nichts zu tun. Doch zum Verhängnis wurde ihm der Leichensack. Er hatte vor dem Mord zwei solcher Leichensäcke bei eBay unter dem Nutzernamen »der oberboss« für 45,30 Euro gekauft. In einem steckte der Körper des ermordeten Dirk von P.‑C. – die Polizei fand den Sack in Rainer H.s VW‑Transporter. Eine Ausrede dafür, was er mit den Leichensäcken anderes vorhatte, als Leichen darin zu entsorgen, hatte der Angeklagte dann nicht mehr. Rainer H. wurde wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu »lebenslänglich« verurteilt.
www.sueddeutsche.de/muenchen/landgericht-muenchen-lebenslange-haft-fuer-mord‑an-manager-11076688
Jürgen Bartsch wurde als der »Kirmesmörder« bekannt. Er sprach in vier Fällen Jungen im Alter von acht bis dreizehn Jahren auf der Kirmes an und überredete sie, ihm in einen stillgelegten Luftschutzbunker zu folgen. Dort missbrauchte er sie und brachte sie auf grausame Weise um. Das Landgericht Wuppertal verurteilte ihn deshalb 1967 zu lebenslanger Zuchthausstrafe.
Bartsch legte Revision ein. Er sei für die Morde nicht verantwortlich, da er das »Mörder-Chromosom« in sich trage. Dieser Argumentation folgte der Bundesgerichtshof nicht. »Dass die genetische Verankerung einer Triebanomalie die strafrechtliche Verantwortlichkeit ihres Trägers ausschließe oder erheblich vermindere, stellt nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft keine gesicherte Erkenntnis dar. Ein sogenanntes ›Mörder-Chromosom‹ ist (…) nicht nachweisbar. Was von der Revision in dieser Richtung vorgebracht wird, bewegt sich mehr auf dem Gebiete der Spekulation. Es mag zwar naheliegen, den mit der anomalen Chromosom-Konstellation XYY ausgestatteten Mann für besonders aggressiv zu halten. Zuverlässige wissenschaftliche Erkenntnisse, dass diese Chromosomenanomalie besondere verbrecherische Eigenschaften anzeige, liegen aber bis jetzt nicht vor.«
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. 11. 1969–3 StR 249/68
Der Angeklagte hatte mit Frau H. ein Festzelt besucht. Frau H. wurde zuletzt lebend gesehen, als sie das Auto des Angeklagten bestieg und mit diesem wegfuhr. In seinem Auto fand die Polizei später umfangreiche Blutspuren sowie mehrere Haare von Frau H., in seinem Haus zudem einen roten Schuh von ihr. Die Leiche der Frau wurde allerdings nie gefunden.
Der Angeklagte verteidigte sich gegen die Mordanklage damit, dass das vermeintliche Mordopfer noch lebe. Er könne das durch Vernehmung der Hellseherin K. N. auch beweisen. Diese besitze die Gabe der Telepathie und des Hellsehens und sei insbesondere in der Lage, den Aufenthaltsort eines verschwundenen Menschen mitzuteilen.
Der Bundesgerichtshof hielt dieses Beweismittel für vollkommen ungeeignet. Die Ergebnisse der Parapsychologie könnten nicht als naturwissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse anerkannt werden. Die hier in Rede stehenden Kräfte seien nicht beweisbar, sondern lediglich dem Glauben oder Aberglauben, der Vorstellung oder dem Wahn angehörend. Deshalb könnten sie vom Richter nicht als Quelle realer Wirkungen anerkannt werden. Der Angeklagte wurde wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. 02. 1978–1 StR 624/77
Die Anklage warf André H. vor, er habe seine Freundin erwürgt oder mit einem Kissen erstickt. Anschließend habe er sie in einem Wald vergraben. H. gestand die Tötung – er habe seine Freundin aber nur aus Versehen erwürgt. Sie habe einen Föhn eingestöpselt und versucht, ihn mit einem Stromschlag zu töten, als er in der Badewanne lag. Beim panikartigen Verlassen der Wanne sei er ausgerutscht und auf seine Freundin gefallen. Dann habe er einen Stromschlag erlitten, wodurch sich seine Hände um ihre Kehle verkrampft hätten. Als er sie wieder lösen konnte, sei seine Freundin bereits tot gewesen.
»Der geschilderte Hergang ist aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar«, stellte der Rechtsmediziner fest. Beim massiven Würgen hätte er Befunde am Hals erwartet. Tatsächlich hatte H. seine Freundin mehrfach vergewaltigt, was DNA-Spuren an ihrer Leiche bewiesen. Er hatte dies zuvor bereits einmal getan, war von ihr angezeigt und verhaftet worden. Zwischenzeitlich hatte sie ihm wieder verziehen. Um die erneute Vergewaltigung zu vertuschen, brachte er sie um.
Das Landgericht Rostock verurteilte André H. wegen Mordes, Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung zu lebenslanger Haft.
www.ostsee-zeitung.de/Region-Rostock/Rostock/Urteil‑im-Mordprozess-Lebenslang-fuer-Andre‑H
Alles begann mit einem Häufchen Hundekot auf seinem Grundstück. T. verdächtigte die Hunde seiner Nachbarn und verbalisierte seinen Verdacht auf äußerst drastische Weise: »Wenn ich deine Hunde dabei erwische, wie sie mir aufs Grundstück scheißen, dann hau ich ihnen den Kopf ab!« T. beleidigte seine Nachbarn wiederholt und wurde deshalb vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Seitdem betrachtete er seine Nachbarn als seine Feinde und sann auf Rache. Er besorgte sich eine Pistole und beleidigte seine Nachbarn fortlaufend. Sein Plan war, sie zu einem Angriff zu provozieren und auf diese Weise eine Notwehrlage herbeizuführen, in der er sie erschießen könnte. T. befürchtete unter diesen Umständen allenfalls eine kurze Freiheitsstrafe.
Ein Nachbar beschnitt zusammen mit zwei weiteren Nachbarn mit einer Astschere Kiefern, als T. ihn erneut beleidigte. Der Nachbar kam, wie erhofft, zu T. herüber und betrat dabei dessen Pkw-Stellplatz. T. machte mit seinem Handy ein Foto, um zu dokumentieren, dass der Nachbar mit einer Astschere »bewaffnet« auf sein Grundstück »eingedrungen« sei und dadurch eine »Notwehrlage« herbeigeführt habe. Dann holte T. seine Pistole aus dem Haus. Der Nachbar rannte weg, doch T. schoss auf den Flüchtenden und traf ihn in die Schulter. Ein zweiter Nachbar war beim Weglaufen gestürzt und lag mit dem Rücken auf dem Boden. T. schoss zweimal auf seinen Kopf. Einer dritten Nachbarin versuchte T. aus einem Meter Entfernung in den Kopf zu schießen, doch seine Pistole hatte nun Ladehemmung. Die beiden angeschossenen Nachbarn überlebten wie durch ein Wunder.
Im Prozess berief sich T. auf Notwehr. Zu Unrecht, wie das Landgericht feststellte. »Die Taten des Angeklagten sind nicht gemäß § 32 StGB durch Notwehr gerechtfertigt, weil ihn die Nachbarn zu keinem Zeitpunkt rechtswidrig angegriffen haben. Selbst wenn der Nachbar gegen das Hausrecht des Angeklagten verstoßen haben sollte, indem er dessen Grundstück betrat, wäre dieser Angriff zum Zeitpunkt der Schüsse, die der Angeklagte auf den Nachbar abfeuerte, längst beendet gewesen, denn der Nachbar hatte das Grundstück des Angeklagten bereits verlassen und befand sich auf dem Weg zu seiner Frau und dem weiteren Nachbarn, als er vom Angeklagten in den Rücken geschossen wurde. Ein Angriff der weiteren beiden Nachbarn auf den Angeklagten liegt ebenso wenig vor. Ein solcher Angriff der unbewaffneten Nachbarn auf den mit einer Pistole bewaffneten Angeklagten liegt schon wegen der damit verbundenen offensichtlichen Lebensgefahr, der sich die Nachbarn ausgesetzt hätten, außerhalb jeder Lebenserfahrung.«
Das Landgericht Lüneburg verurteilte T. wegen versuchten Mordes in drei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Über Hundehaufen auf seinem Grundstück muss er sich jetzt nicht mehr ärgern.
Landgericht Lüneburg, Urteil vom 13. 02. 2015–27 Ks 11/14
Der Angeklagte und Daniel K. waren afrikanische Gastarbeiter verschiedener Nationen. Sie lebten in Nachterstedt, Sachsen-Anhalt. Zwischen den Gruppierungen bestanden erhebliche Spannungen, es hatte auch schon Schlägereien gegeben.
Beim Verlassen einer Diskothek traf der Angeklagte auf Daniel K., der ihm entgegenkam und mit der Faust nach ihm schlug. Der Angeklagte rammte ihm daraufhin sein Taschenmesser in den Kopf. Das Messer drang infolge der großen Wucht des Stoßes mit der gesamten Klingenlänge in den Kopf des Opfers oberhalb des linken Ohres ein. Daniel K. starb.
Der Messerstich sei durch Notwehr gerechtfertigt, denn Daniel K. habe ihn verprügeln wollen, verteidigte sich der Angeklagte. Der Einsatz des Messers stelle keine erforderliche Verteidigung dar, wenn der Angreifer unbewaffnet gewesen sei, konstatierte dagegen der Bundesgerichtshof. Es reiche regelmäßig die Drohung mit der gefährlichen Waffe aus. Genüge dies aufgrund besonderer Umstände nicht, müsse der Verteidiger die Waffe zunächst in schonender Art und Weise einsetzen, eher er sich mit einem lebensgefährlichen Vorgehen zur Wehr setze. Die sofortige massive Gegenwehr unter schonungslosem Einsatz des Messers ohne Rücksicht auf das dadurch akut bedrohte Leben des Angreifers war ihm unter den gegebenen Umständen nicht erlaubt. Der Angeklagte war des Totschlags schuldig.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 07. 02. 1991–4 StR 544/90
Lothar K. fuhr zu schnell auf der Autobahn A4. Zwischen Bad Hersfeld und Kirchheim wurde er geblitzt. Er war geschockt, denn sein Punktekonto war übervoll. Ein weiterer Verstoß konnte den Führerscheinverlust bedeuten. Lothar K. fuhr zurück zur Messstelle. Er hatte nur einen Gedanken: Ich muss den Film haben. Mit einer Pistole wollte er den Messbeamten zur Herausgabe des Films zwingen.
Er klopfte an die Scheibe des Radarwagens, fragte nach Hilfe wegen einer vermeintlichen Autopanne, zog anschließend die Pistole aus dem Anorak und lud sie durch. Dann schoss er aus 30 bis 50 Zentimetern Abstand auf den Messbeamten. Die Kugel durchschlug dessen Brustkorb und tötete ihn auf der Stelle. Die Kugel flog weiter und traf den zweiten Messbeamten in den Unterarm. Dieser ließ sich aus dem Wagen fallen und konnte fliehen.
In der Hauptverhandlung versuchte K. sich damit herauszureden, der Schuss habe sich von selbst gelöst. Das wertete das Gericht als widerlegte Schutzbehauptung. Denn die Tatwaffe hatte einen hohen Abzugswiderstand von 2,2 Kilogramm. Hinzu kam, dass der Angeklagte im Umgang mit Schusswaffen erfahren war. Außerdem hatte er unmittelbar vor dem Schuss zur Intensivierung seiner Drohung die ungesicherte Pistole durchgeladen. Der Angeklagte unternahm verschiedene weitere Erklärungsversuche für den Schuss. Zuletzt hielt er als Erklärung ein Stolpern, Halt-Verlieren oder Erschrecken für möglich, ohne aber genau zu wissen, wie es zum Schuss kam. Unter diesen Umständen folgte das Landgericht den spekulativen Erklärungsversuchen des Angeklagten nicht. K. wurde wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. 12. 2002–2 StR 400/02
Der 71‑jährige Rentner war ein unbeholfener Autofahrer. Insbesondere das Ausparken von seinem Grundstück machte ihm Probleme, weshalb es ihn erheblich störte, wenn jemand gegenüber seiner Ausfahrt parkte, was dort allerdings erlaubt war.
Vom Küchenfenster aus sah er am 1. Februar 2008, wie ein Taxifahrer gegenüber seiner Ausfahrt parkte. Er folgte dem vermeintlichen Parksünder in die nahe gelegene Taxizentrale und forderte ihn auf, seinen Wagen umzusetzen. Der Taxifahrer weigerte sich und riet ihm, die Polizei zu rufen. Die würde ihn dann darüber aufklären, dass er nicht im Parkverbot stehe.
Die belehrende Antwort trieb dem Rentner die Zornesröte ins Gesicht. Er lief zurück in sein Haus und holte eine 70 Zentimeter lange Machete. Dann stürmte er in die Taxizentrale und hieb dem Taxifahrer die Machete wuchtig auf den Kopf. Dieser erlitt eine offene Schädelfraktur. Beim Versuch, einen zweiten Schlag abzuwehren, wurde der Zeigefinger abgetrennt und der Mittelfinger erheblich verletzt.
Vor Gericht sah der Rentner seine Tat als gerechtfertigt an. Er verteidigte sich damit, gegenüber seiner Ausfahrt sei Parken verboten. Seine Tat sei ein Akt der Selbstjustiz gewesen.
Die Richter ließen die Ausrede nicht gelten. Angesichts der Breite der Straße bestand objektiv keine Behinderung des Angeklagten. Und selbst wenn ein Parkverstoß vorgelegen hätte, hätte dieser nicht die beabsichtigte Tötung des Taxifahrers gerechtfertigt. Der Rentner wurde wegen versuchten Totschlags zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. 02. 2010–2 StR 391/09
Dem 20‑jährigen Vietnamesen Thai Phuong H. war zu Hause langweilig. »Ich wollte los und was erleben«, sagte der Fan von Gewaltfilmen später vor Gericht. Mit dem Fahrrad durchstreifte er die Innenstadt von Dresden. »Jemand war so dumm gewesen, die Balkontür offen zu lassen«, sagte er später bei der Vernehmung. In der Wohnung saß der 52 Jahre alte Frührentner Lutz S. auf dem Sofa und schaute fern. Thai Phuong H. stieg über den Balkon in die Wohnung ein. Mit einem faustgroßen Stein schlug er seinem Opfer dreizehnmal ins Gesicht. Da Lutz S. die Attacke überlebte, schnitt er ihm mit einem Messer den Hals durch. Anschließend stahl er einige Sachen aus der Wohnung.
Langeweile ist kein anerkannter Rechtfertigungsgrund. Der Angeklagte wurde wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und fünf Monaten verurteilt.
Landgericht Dresden, Urteil vom 29. 07. 2011–2 Ks 307 Js 1083/11
Im Untergeschoss des Hotels Hafen Hamburg verprügelte ein Gebäudereiniger einen Kollegen. Als dieser am Boden lag, trat er ihm noch mehr als 50‑mal ins Gesicht. Das Opfer erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma.
Khaled H., ein weiterer Gebäudereiniger, ging zweimal an dem schwer verletzten Mann vorbei, als der Schläger gerade Kräfte für die nächsten Tritte und Schläge sammelte. Er sah Blut aus dem Mund seines Kollegen sickern. Hilfe holte er nicht. Er wurde wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt.
»Warum haben Sie nicht die Polizei angerufen?«, wollte der Richter wissen.
»Ich kannte die Nummer der Polizei nicht«, lautete die Antwort.
Das glaubte das Gericht nicht, denn Khaled H. lebte schon seit über 20 Jahren in Hamburg. Er wurde zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.
»Hamburger Abendblatt«, 03. 11. 2014
Die alleinerziehende 36‑jährige Mutter zweier Kinder war froh, einen dreizehn Jahre jüngeren Freund zu haben. Leider hatte er einen aufbrausenden Charakter. Das Paar hatte sich schon dreimal getrennt, doch jetzt übernachtete ihr Freund wieder bei ihr.
Am Morgen des 24. Februar 2011 brachte sie ihren Sohn zur Schule. Ihr Freund blieb allein mit ihrer vierjährigen Tochter in der Wohnung zurück. Als die Mutter zurückkam, hatte ihre Tochter Blut an der Lippe und klagte über Schmerzen. Die aufgesuchte Kinderärztin schickte beide weiter ins Krankenhaus. Dort wurde ein Leberriss, eine neben dem Rückgrat gebrochene Rippe, die Stauchung eines Brustwirbels und zahlreiche Hämatome diagnostiziert. Das schwer verletzte Kind sagte der Polizei, es sei »ein böser Mann« gewesen, der ihr »wehgetan« habe. Der Freund ihrer Mutter habe sie auf den Boden geworfen.
Die Staatsanwaltschaft klagte den Lebensgefährten wegen gefährlicher Körperverletzung an. Der Angeklagte bestritt die Tat. Die Verletzungen erklärte er damit, das Kind sei aus dem Bett und dabei auf einige Holzklötzchen auf dem Teppich gefallen. Dann habe er das Mädchen zur Wiederbelebung an den Ohren gepackt und geschüttelt.
Das Landgericht Rottweil hielt das für eine unglaubhafte Schutzbehauptung. Das Gutachten der Mainzer Rechtsmedizin hatte einen Sturz von dem gerade mal 44 Zentimeter hohen Bett auf einen hochflorigen Teppich als Ursache der multilokalen Verletzungen ausgeschlossen, selbst wenn dort Holzklötzchen gelegen hätten.
Das Gericht fand auch ein Motiv für den Ausraster. Der Angeklagte hatte die Mutter heiraten wollen, das Kind war dagegen und lehnte den neuen Lebensgefährten strikt ab. Deshalb hatte der Angeklagte seine Wut an der Vierjährigen ausgelassen.
www.neckar-chronik.de/Nachrichten/23-jaehriger-Freudenstaedter-wegen-Misshandlung-vor-Gericht-155124.html
Die Angeklagte befand sich mit ihrer zweijährigen Tochter auf einer Geburtstagsfeier bei Nachbarn. Dort versetzte die Mutter ihr eine derart heftige Ohrfeige, dass das Kind das Gleichgewicht verlor, gegen die Tischkante prallte und auf den Boden fiel. Anschließend weinte das Mädchen bitterlich. Eine Nachbarin erstattete Anzeige.
Ihre Tochter sei frech geworden, rechtfertigte die Angeklagte sich. Sie habe Brause auf den Tisch gespuckt. Sie habe ihre Tochter ermahnt, das zu unterlassen; wenn sie das noch mal machen würde, »dann knallt es«, habe sie gedroht. Ihre Tochter spuckte noch einmal Brause auf den Tisch, und es knallte.
Das Verhalten der Kindesmutter ist nach geltendem Recht nicht gerechtfertigt. Das sogenannte Züchtigungsrecht wurde im Jahr 2000 durch die neue Fassung des § 1631 Abs. 2 BGB abgeschafft. Danach haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Die Angeklagte wurde wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Amtsgericht Burgwedel, Urteil vom 10. 11. 2004–64 Ds 3643 Js 8475/04 (20/04)
Die Fleischereifachverkäuferin L. H. entschloss sich, ihren Ehemann umzubringen. Sie wartete, bis er im Ehebett eingeschlafen war. Dann schnitt sie ihm mit einem 30 Zentimeter langen Fleischermesser fachgerecht die Kehle durch. Als er tot war, rief sie die Polizei.
L. H. wurde wegen heimtückischen Mordes angeklagt. Sie schilderte den Mord als einzige Möglichkeit, der unerträglich gewordenen Ehe zu entkommen. Ihr Mann sei im betrunkenen Zustand wiederholt gewalttätig geworden. Sie habe befürchtet, dass ihr Mann auch das gemeinsame Kind schlagen würde. Deshalb habe sie ihn umgebracht.
Das Landgericht hatte Mitleid und erkannte auf eine Freiheitsstrafe von lediglich zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die Rechtsprechung in den Haustyrannen-Fällen führt zur Teillegalisierung des Gattenmordes. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, ihren ermordeten Ehemann als echtes Ekelpaket zu charakterisieren. Durch die Do‑it-yourself-Sofortscheidung ersparen Sie sich eine langwierige Scheidung und entlasten zudem die Familiengerichte.
Landgericht Offenburg, Urteil vom 24. 07. 2002–1 Ks 2 Js 550/02Ausreden, die Sie nicht benutzen sollten, wenn Sie wegen Körperverletzung und Mordes angeklagt sind
»Er ist mir siebenmal ins Messer gelaufen.«
»Sie war von einem Dämon besessen.«
»Es war ein Rollenspiel.«
»Ich wollte mal sehen, wie die Mordkommission arbeitet.«
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