Ihr Handwerker - Das unbekannte Wesen - Alexander Bernitt - E-Book

Ihr Handwerker - Das unbekannte Wesen E-Book

Alexander Bernitt

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Beschreibung

Sie sind Kunde und haben Verständigungsprobleme mit Ihrem Handwerker? Sind sie Handwerker und verstehen kein Wort von dem, was der Kunde Ihnen mitteilen möchte? Oder besser noch: Sie sind Geschäftsführer eines Handwerksbetriebs und verstehen grundsätzlich niemanden? Alles kein Problem! In den folgenden Kapiteln werden sämtliche Unklarheiten beseitigt. Auf humorvolle Art und Weise werden die Lebenserfahrungen des Autors dazu genutzt, die Lücken zwischen den "Parteien" zu schließen. Die Regeln des Handwerks werden beispielsweise erläutert und reale Geschichten in knackigen Kapiteln unter das Volk gebracht. Natürlich immer mit einem Augenzwinkern. Auch gesellschaftskritische Untertöne werden hier und da eingeflochten. Auf den folgenden Seiten wird sich jeder in irgendeiner Form wiedererkennen. So viel ist schon mal sicher. Also tauchen sie ein in die Welt Ihres Handwerkers. Dem unbekannten Wesen.

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Seitenzahl: 138

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Die Kollegen

Der Berufsschullehrer

Der Unternehmensberater

Die goldenen Regeln des Handwerks

Frei nach Schnauze

Geschichten die das Handwerk schrieb

Der Flug des Arschzubis

Mit dem Dritten sieht man besser

Mutter in Not

Der Schaumschläger

Das Haus der Irren

Die Dynamik einer Fuge

Der Dosen(-vor-)Fall

Die rasende Tupperdose

Der Großhandel

Die Selbstschutzmelodie

Hilfe oder Leid?

Der Berufsverkehr erregt uns sehr

Die Anomalie der Werte

Eure Eminenz und der Student der Künste

Kleine Hirne hart zerfickt

Tischlein deck dich!

Mit Sicherheit der Streifenkarl

Alter Verwalter

Das Bernsteinzimmer

Initiationsrituale

Deutschland sucht den Vollidioten

Dumme Fragen gibt es … doch!

Nachwort

Fremdworterklärung

1.Vorwort

Bei mir tauchte irgendwann im Leben, wie wohl bei jedem Jugendlichen, zwangsläufig, die entscheidende Frage auf:

„Was will ich denn einmal werden?“

Dabei ging es bei weitem nicht darum, was ich beruflich erlernen wollte, sondern vielmehr darum, was der Beruf mich lehren würde. Mein Weg hingegen war vorbestimmt. Als Sohn eines stolzen Kruppianers1 und einer Verkäuferin konnte es nur auf eines hinauslaufen: Der Bursche wird Handwerker! Kein Wunder, dass der abgedroschene Spruch zum Tragen kam:

„Das Handwerk hat goldenen Boden.“!

Damals glaubte ich es -> heute bin ich davon überzeugt! Die Wahl wurde dadurch erleichtert, da ich an der Grenze vom Ruhrgebiet/Niederrhein aufwuchs. Hier ist das Handwerk zu Hause. Noch heute grüßt man sich, indem man seinem Gegenüber seinen Berufszweig entgegenschmettert. Nicht selten hört man es über den Marktplatz schallen: „Ey Klempner, wie isset Dich?“ oder „Wat bisse am planen dran, Maurer?“ Das Handwerk hat also seine eigene Sprache. Für annähernd jede Lebenssituation gibt es den passenden Spruch. Jede Zote enthält mehr als nur einen Funken Wahrheit. Faszinierend! Aus diesem Grunde werde ich diese Sätze im Laufe der nächsten Kapitel immer wieder hervorheben. Das Ragout aus Ruhrdeutsch und verwässertem niederrheinischen Platt bitte ich jetzt schon zu entschuldigen. Aber ohne dieses Sprachgulasch, wie ich es nenne, greifen einige Zoten einfach nicht.

Wie Sie sicherlich schon bemerkt haben, sind Handwerker Lokalpatrioten. Aufgrund seiner Ausdrucksweise möchte er sämtliche Fragen nach seiner Herkunft im Keime ersticken. Jeder soll doch bitteschön auf Anhieb hören, mit wem er es zu tun hat. Der direkte Ruhrpottler oder der mitteilungsbedürftige Niederrheiner. Man könnte jetzt meinen, dass ich unter einer Art Heimatlosigkeit leide, da ich zwischen beiden “Welten“ hin- und hergerissen bin. Aber weit gefehlt! Die „doppelte Staatsbürgerschaft“ hat meinen Horizont erweitert. Kohlenstaub auf bestellten Feldern. Es hat seinen Charme. Vertrauen Sie mir!

Gibt es einen triftigeren Grund ein Buch über das Handwerk zu schreiben? Auf den ersten Blick nicht. Auf den zweiten sicherlich auch nicht. Aber, wenn man sich vor Augen hält, welche Masse an Filmen oder Büchern sich mit dem Thema „Handwerk“ befassen und einfach nicht das Lebensgefühl transportieren, ist es ein Muss! Warum reden wir eigentlich ständig vom Handwerk und nicht von spezifischen Berufen?

Die Antwort ist erschreckend einfach:

Jeder kann einen handwerklichen Beruf erlernen! Ist er deswegen auch gleich Handwerker? Natürlich nicht!

Ein Elektriker, der nur stumpf Strippen ziehen kann, ist Elektriker und kein Handwerker.

Ein Dachdecker, der nur Schindeln auf die Hütte schmeißen kann, ist auch “nur“ ein Dachdecker.

Wer sich wirklich Handwerker schimpft, muss den Mut besitzen in andere Gewerke vorzudringen:

Der Heizungsbauer darf nicht vor der Herausforderung zurückschrecken eine Trockenbauwand hochzuziehen.

Der Schreiner kann sich gerne auch mal am Garten und Landschaftsbau versuchen.

Allerdings sollten auch Grenzen eingehalten werden:

Der Fliesenleger hat mehr als nichts an einer Gasleitung zu suchen!

Elektrogeräte sollte der KFZ-Mechaniker nur bei gezogenem Stecker reparieren.

In einem mit Stroh gedämmten Altbaudach muss ein Hufschmied nicht das Schweißen erlernen.

Aber hier und da sollte jeder mal über seinen Tellerrand schauen. Wo wir auch bei unserem ersten Satz der Sätze wären:

„Mit die Augen kannze klauen!“

Dieser Satz vermittelt uns die Kunst der Aufmerksamkeit. Jeder, der mit offenem Augen und wachem Verstand durch sein Leben schreitet, kann lernen. Zu jeder Zeit, an jedem Ort. Mehr als nur eine hohle Phrase, wie ich finde. Die Vielseitigkeit zeichnet das Handwerk aus. Das beinhaltet auch, dass manche vermeintliche Rohrkrepierer im zweiten Anlauf erst zur vollen Entfaltung kommen.

„Mit die Augen kannze klauen!“

Welch Poesie! Bleibt zu hoffen, dass dieser geistige Erguss auch bei nicht handwerklich arbeitenden Menschen bleibenden Eindruck hinterlässt. Eine Weisheit fürs Leben, die jeden weiterbringt. Um noch mal kurz auf meine Wenigkeit zurück zu kommen:

Ich erlernte den Beruf des Zentral-, Heizungs- und Lüftungsbauers, welchen ich noch heute mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft ausführe. Und ja; auch ich klaute mit den Augen!

Ob es darum geht einen Kamin einzumauern oder eine, bei der Montage des Solarkollektors zertretene Dachpfanne, zu erneuern etc. All dies stahl ich mit den Augen. Als es darum ging die Terrasse eines Freundes zu pflastern, den Wintergarten abzudichten oder die Antriebswelle eines eigentlich schrottreifen PKW`s zu tauschen, war ich stets gewappnet. Visueller Diebstahl war auch hier dieRettung. Wo wir beim nächsten, alles entscheidenden Satz, wären:

„Entweder du hast et oder du brauchst et!“

Soll heißen: Manche Menschen tendieren nicht zum Handwerk. Klingt seltsam, ist es auch. Man sollte meinen, dass bei den niedrigen schulischen Anforderungen jeder in die Richtung Handarbeit gehen könnte. Aber aus irgendeinem unerfindlichem Grund gibt es auch Menschen, die für diese Mission „überpredistiniert“ sind. Weiß der Teufel, warum es Leute gibt, die komplexe Gleichungen lösen können, es aber nicht hinbekommen aus einem Meter Rohr zwei Stücke von fünfzig Zentimeter zu machen.

Man steckt manchmal einfach nicht drin. Muss man auch nicht. Es wird sich sehr schnell weisen, ob man selbst für das Handwerk taugt. Die Bereitschaft jeden Tag körperliche Anstrengungen über sich ergehen zu lassen, muss gegeben sein. Auch, dass man nicht immer mit Samthandschuhen angepackt wird, ist klar.

Hier und da setzte es in meiner Ausbildung auch mal eine gut gemeinte Ohrlasche, begleitet von den Worten:

„Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen.“

Medizinisch konnte diese Methode bis jetzt nicht als hilfreich erwiesen werden. Geschadet hat esmir persönlich aber auch nicht. Ich lernte sehr schnell mich durchzusetzen. Also: Der Weg war schon mal klar. Aber auf dem Weg zum richtigen Handwerker sollte noch einiges geschehen. Viel Gutes, hier und da auch weniger Gutes. Doch fast immer Amüsantes…

2.Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Wie wahr, wie wahr. Bereits am ersten Tag wird es dem frisch gebackenen Handwerks-Azubi vor Augen geführt Von der Mutter liebevoll mit Broten versorgt und vom Vater stolz zu der Entscheidung beglückwünscht, wird er in sein neues Leben entlassen. Nicht selten mit dem elterlichen Standartsatz: Jetzt beginnt der Ernst des Lebens! Seltsam: Der begann doch schon bei der Einschulung. Aber sei es drum. Man will ja nicht zu spät kommen!

Mit gemischten Gefühlen macht sich der frisch gebackene Azubi auf den Weg. Nach einem Blick auf die Uhr wird klar: So früh war er noch nie auf den Beinen.

Erste Müdigkeit macht sich breit. Dann der Gedankenblitz. Noch kann ich umdrehen. Es war doch alles nur ein Irrtum. Ich möchte mich lieber schulisch weiterbilden. Noch steht mir die Welt offen! Aber Pustefix. Völlig in Gedanken versunken, wurde bereits der erste Schritt ins Verderben getan. Der Betriebshof wurde betreten. Es gab kein Zurück mehr. Naja, vielleicht wird’s ja nicht so schlimm. Nach den ersten fragenden Blicken der neuen Arbeitskollegen steht für den Azubi bereits fest, dass er hier nicht alt wird. Er denkt schon mal über eine Umschulung nach. Man soll ja flexibel bleiben auf dem modernen Arbeitsmarkt.

Schüchtern gesellt sich der Azubi zu der größten Menschentraube, die er ausfindig machen kann. Ein gestammeltes „Moin“ verlässt seine Lippen. Einige der neuen Kollegen wissen gar nicht, was sie mit ihm anfangen sollen. Bei anderen beginnt es leicht zu dämmern. 01.08.! Der neue Stift, wie es im Handwerk heißt, ist da. Manche scheinen erfreut, manche entnervt und der Rest scheint irgendwie gleichgültig. Alle Stimmungen wiegen den Azubi nicht gerade in Sicherheit.

Dann kommt Bewegung in die eben noch so träge Menge. Kippen werden hektisch ausgedrückt, die Gespräche schlagen von Fußball und Frauen auf fachbezogenes Kauderwelsch um. Eine Tür fliegt auf und ein wirr aussehender Mann mittleren Alters taumelt fast apathisch über den Gang. Sein Blick ist leer und seine Worte stehen in keinem Zusammenhang. Dem Lehrling wird klar: Das muss der Meister sein. Nach einer kurzen Begrüßung beginnt er den völlig irritierten Jugendlichen vorzustellen. Vergebene Liebesmüh. Die anderen führen ihre Privatgespräche bereits im Lager weiter. Den Kleidungsstil des Meisters kann man durchaus als ausgefallen bezeichnen. Es ist ein gewagter Spagat zwischen Arbeitskleidung, Lumpen und Birkenstocks. Böse Zungen würden diese Kombination als Herbstmode für Heckenpenner bezeichnen. Und so berät man Kunden? „Wo bin ich hier nur gelandet?“ ist der einzige Gedanke, der das Lehrlingshirn durchströmt. Dann stellt sich im Bruchteil einer Sekunde der Blick des Meisters von leer auf komplett durchgeknallt um. Ein Jahr lang hatteer auf diesen Augenblick gewartet. Seine Augen begannen zu funkeln und wie ferngesteuert schleuderte er dem Neuling die Sätze entgegen:

Paragraph 1: Der Meister hat immer Recht!

Paragraph 2: Sollte dem mal nicht so sein, tritt automatisch Paragraph 1 in Kraft!

Der Ausbilder durchlief danach ein Wechselbad der Gefühle. Von euphorisch über belustigt bis hin zu leicht erregt, schien alles dabei gewesen zu sein. Das Hirn des Lehrlings meldet sich mit den Worten: „Wenn der jetzt ein Rohr kriegt, bin ich weg!“ Irgendwie war der Mann gruselig. Auch unfreiwillig komisch. Aber vor allem gruselig. Als der Meister seine Leidenschaft wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, fuhr er mit seiner Einweisung fort. Er wäre der Ausbilder. Für die nächsten Jahre würde er für den Jungspund sorgen, ihn formen und den rechten Weg weisen. Geradezu wie eine Mutter ohne Brust. In diesem Moment wurde es noch schräger. Mutter ohne Brust? Ein Heckenpenner mit Birkenstocks und wirrem Sprechdurchfall? Das Lehrlingshirn wieder mit einer Meldung: „Morgen ziehen wir uns `nen Gelben. Kein Bock auf das Irrenhaus!“

Erneut öffnete sich die Tür. Ein grauer, krank aussehender Mann mit einer wilden Ansammlung von Zetteln in der Hand betrat den mittlerweile fast leeren Flur. Er wirft dem Neuankömmling ein mitleidiges Lächeln zu und ergänzt den Satz: „Ist heute der 01. 08.? Ah, hier, dringendst! Ach, ihr macht datschon…!“ Und schon war das Phantom lautlos verschwunden. Nun gut. Hätte der Azubi die graue Eminenz nicht schon bei der Einstellung kennengelernt, hätte er ihn wohl für einen lustlosen Vertreter für post its gehalten. Nur noch knapp 50 Jahre und der Rest von heute. Läuft!

Das Phantom sollte in den nächsten Jahren seinem Ruf alle Ehre machen. Wenn es wirklich mal drauf ankam, war es wie verschollen. Wie die letzten Zeilen verdeutlichen sind Spitznamen in Handwerksbetrieben Gang und Gebe. Die graue Eminenz/Phantom bekam im Laufe der Zeit noch ein paar liebevoll ausgesuchte dazu.

Dummsdorfer, Wachkomapatient, Totgeburt

Aber nur die zutreffendsten Spitznamen setzen sich auf Dauer durch. Es gibt auch nett gemeinte Kosenamen. Ein als fleißig und aufnahmefähiger bekannter Azubi trägt dann auch gerne mal den Namen Wichtel. Ein eher mäßig erfolgreicher Lehrling wird hingegen schnell zum Vollpfosten degradiert.

Zurück zum ersten Arbeitstag:

In den folgenden zwei Stunden werden der Irre und der Neueinsteiger den Betrieb begehen. Die Führung beginnt im muffigen Büro. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Völlig vergilbte Aktenordner und Hefter versperren mit ihrem Dasein den Blick auf die eigentliche Wand. Der Inhalt aus längst vergessenen Tagen, erfüllen die alten Akten als Wärmedämmung aber doch einen Zweck. Die alternde Sekretärin friert unter 25 Grad nämlich permanent. Auch wird sie nicht müde nahezu jede Türöffnung mit dem obligatorischen: „Tür zu dat zieht“ zu kommentieren. Die meisten kontern spitzzüngig mit: „Dreh dich um, dann drückt et!“ Wenn das den ganzen Winter so geht, wird es aber anstrengend! Wieder geht es über den langen, schlauchförmigen Flur.

Dieses Mal in Richtung Lager. Dort angekommen, tat sich ein unbeschreiblicher Anblick auf. Das Büro war eine Reise in vergangene Jahrzehnte, aber das Lager war eine Reise zurück ins Mittelalter. Die Maschinen, das Material und die Regale selbst, trotzten jeglicher Beschreibung. Zentimeterdicke Staubschichten auf überaltertem Geröll. Nur eine gezielte Brandrohdung hätte noch Klarheit schaffen können. Zu allem Überfluss stimmte der Irre auch noch ein Loblied auf das modernisierte Lager an. Das Modernste weit und breit schien die wild flackernde Neonleuchte zu sein. Sie zählte schätzungsweise nur fünfzehn Lenze. So langsam beschlich den Lehrling Panik. Wie würden diese Evolutionsbremsen wohl zur Baustelle reisen? Mit dem Streitwagen? Sind die Werkzeuge aus Tierknochen gefertigt? Werden die Angebote in Steintafeln gemeißelt? So viele Fragen und das mulmige Gefühl im Bauch hier völlig falsch sein!

Aber das nächste Reiseziel sollte das Fass zum Überlaufen bringen. Es ging in Richtung Sozialräume. Warum wurde vor diesem Wort nur das A vergessen? Hygienisch taten sich der Essbereich, der Duschbereich und die Toilette nicht viel. Man hätte vermutlich aus der Schüssel essen und in den Essbereich schiffen können, ohne, dass es jemand bemerkt hätte. Sich selbst eingenommen. Die Aschenbecher sahen aus, als ob jemand versucht hätte aus Kippenstummeln einen Igel zu modellieren. Auf den Tischen waren überall frische Fußabdrücke und unter der Decke klebten Gurkenscheibchen von Hamburgern aus dem nahegelegenen Fastfood Tempel. Der Duschbereich hatte aus gutem Grunde lange Zeit kein Wasser mehr gesehen.

Punkt 1: Es gab keines.

Punkt 2: Es war einfach nur widerlich.

Nach der Dusche wäre man definitiv dreckiger gewesen als vorher. „Diese Mängel werden aber“, laut dem Irren „behoben“, wenn die Auftragslage es zulasse. Im Moment wäre für diese Maßnahme keine Zeit, da förmlich der Baum brenne. „Wenn ich Pilze will, dann hol ich mir eine Pizza!“

Mehr konnte man zu diesen Räumlichkeiten einfach nicht sagen. Dieser Spruch wird leider im Leben eines Handwerkers des Öfteren strapaziert. Leider Gottes auch bei Kunden. Die aufschlussreiche Begehung ging nun ihrem Ende zu. Ein freundlich, anmutender Mann mittleren Alters stürmtenun mit Elan in den Sozialraum. Die sogenannte Dubbelsbude. In jedem Handwerksbetrieb prallen verschiedene Charaktere aufeinander. Dieser hier kann durchaus als der Fröhliche beschrieben werden. Der Fröhliche liebt seine Arbeit und gibt immer alles für den Betrieb. Sein Privatleben ist trotz seiner Arbeitsmoral intakt. Er ist eine der wichtigsten Stützen der Firma. Ein Vorbild für Jung und Alt.

„Entweder du hasset oder du brauchst et.“

Der Fröhliche hat es. Definitiv! Aus diesem Grunde wird der jüngste Spross der Firmengeschichte auch seine erste Fahrt zu neuen Ufern mit ihm unternehmen. Kurz den Beifahrersitz freigeräumt und los ging es. Nach den ersten Atemzügen wird klar, wer die Igel in der Dubbelsbude modelliert hatte. Der Mann rauchte Kette als gäbe es keinen Morgen. Zwischendurch war immer Zeit für einen Schluck Kaffee aus einem völlig verkniesten Becher. Faszinierender Weise musste die Kippe zum Kaffee trinken nicht mal entfernt werden. Der Becher trug die passende Inschrift: „Papa ist der Beste!“

Wie er es dabei noch schaffte, durchgehend zu brabbeln, ist bis heute ein Rätsel. Und ganz nebenbei fuhr er ja noch den Kleinbus. Eher ein überladenes Stück korrodiertes Altmetall als ein Fahrzeug. Das Chaos auf dem Armaturenbrett war unüberschaubar, aber schien dennoch ein System zu beinhalten. Alles wurde so miteinander verkeilt, dass es kein Spiel mehr hatte. Nur man sollte tunlichst vermeiden, auch nur einen Baustein diesesGesamtwerks zu entfernen. Es hätte fatale Folgen in der nächsten Kurve nach sich gezogen. Im hinteren Bereich des Fahrzeugs sollte es nicht viel anders aussehen. Ein vier Quadratmeter großes Handwerksmuseum. Der komprimierte Wahnsinn.

Verzweifelt resümierte der Lehrling die ersten Stunden seines ersten Arbeitstages:

Mehrere Nervenzusammenbrüche,

einen Gehörsturz und

einen eingefallenen Lungenflügel.

„Wenn Scheiße, dann richtig!“

Noch nicht mal Frühstückspause und schon ein nervliches und körperliches Wrack. Das Handwerk ist aber auch hart! Gibt es im Berufsleben denn keine Art Genfer Konventionen? Gesetze oder Regeln zum Wohle der Gesundheit? Dann die Erlösung: Endlich die erste Pause! Nach Erreichen der Baustelle wurde erst mal ausgiebig gefrühstückt. Nikotin und Koffein in rohen Mengen. Als dann ein Apfel zum Vorschein kam, bekam das Gesamtbild eine wirre Note. Da tat dieser Mann alles um seinen Körper zu zerstören und dann aß er einen Apfel. Verwirrend! Die eigenen Brote rührte der Azubi nicht an. Er wandelte schon lange am Rande der Kotzgrenze. Nach der Pause gab es erst mal ein wenig Sauerstoff. Den Lehrling überkam Schwindel. Vermutlich kann man auch zu viel Sauerstofftanken, dachte er sich. Er beschloss unverzüglich mit dem Rauchen anzufangen, um für die nächsten Fahrten gewappnet zu sein.