Im Sudan - Karl May - E-Book

Im Sudan E-Book

Karl May

4,7

Beschreibung

Im Sudan endet die Verfolgung der Sklavenhändler. Ihrer unmenschlichen Grausamkeit gegenüber kann der Reis Effendina keine Gnade walten lassen. Nach einer im wilden Kurdistan spielenden Episode mit Hadschi Halef Omar bildet - nun wieder in Innerafrika - die "letzte Sklavenjagd" den Ausklang. Die vorliegende Erzählung spielt Ende der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts. "Im Sudan" ist der letzte Teil der Trilogie "Im Lande des Mahdi". Weitere Bände sind: 1) "Menschenjäger" (Band 16) 2) "Der Mahdi" (Band 17)

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 18

IM SUDAN

Im Lande des Mahdi

Dritter Band

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

© 1952 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1518-5

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

1. Eine Nilpferdjagd

Unser nächstes Ziel war der Maijeh Semkat, zu Deutsch der Sumpf der Fische. Dieser Name sagte uns, dass wir dort auf reichliche Nahrung rechnen konnten. Drei Tage brauchten wir bis dorthin. Dann mussten wir das Schiff verlassen und den Landweg antreten. Aber wie? Marschieren? Durch diese sumpfige Gegend! Das wäre eine böse Anstrengung gewesen, wobei wir nur langsam vorwärts gekommen wären. Also reiten? Ja. Aber auf welcher Art von Tieren? Pferde und Kamele gibt es in diesen Gegenden nicht. Sie sind da völlig unnütz und gehen überhaupt schnell zu Grunde. Man bedient sich dort eines anderen Reittiers, das freilich nicht so edel ist wie das arabische Ross und nicht so oft besungen wie das ,Schiff der Wüste‘, nämlich des Ochsen.

Diese Tiere gedeihen am sümpfereichen Obernil vortrefflich. Sie sind stark, schnell, gelehrig und dabei recht gutmütig. Die Reitochsen scheinen sich durch Zucht entwickelt zu haben und eine Rasse für sich zu sein. Sie werden auch zum Tragen von Lasten verwendet.

Konnten wir solche Tiere bekommen, so hatten wir voraussichtlich gewonnenes Spiel. Ibn Asl wollte im Ganzen zwanzig Tage brauchen, fünf war er erst fort und gelangte also wahrscheinlich nach zwei Wochen an sein Ziel. Wir aber konnten in neun Tagen Wagunda erreichen und so bekamen wir einen Vorsprung von sechs Tagen, der mehr als ausreichte, ihm dort den beabsichtigten Empfang zu bereiten. Nur fragte es sich, woher für uns alle Reit- und für unser Gepäck Lastochsen bekommen. Wir mussten sie uns eben in der Gegend unseres nächsten Ziels, des Maijeh Semkat, suchen.

Da oben hausen die Bor, die ungefähr zehntausend Köpfe zählen, vierzig Dörfer bewohnen und große Rinderherden besitzen. Als ein Glück für uns konnten wir es betrachten, dass diese Bor ein Zweig des großen Dinka-Volkes sind. Da es die Rettung der ihnen stammverwandten Gohk galt, glaubten wir, bei ihnen die notwendige Unterstützung zu finden.

Außerdem handelte es sich auch um die Zeit. Wir wollten nicht gern einen Tag versäumen und mochten also die Unterhandlung mit diesen Leuten nicht bis zur Ankunft unseres Schiffes aufschieben. Darum wurde beschlossen, das große Boot vorauszusenden, das acht Ruderer und einen Steuerer mit dem notwendigen Mundvorrat fasste. Acht Ruderer gaben ihm eine weit größere Geschwindigkeit, als der ,Falke‘ selbst beim besten Wind entwickeln konnte. Ich sollte die Leitung übernehmen und erhielt vom Reïs Effendina die Vollmacht, nach Gutdünken mit den Schwarzen zu verhandeln. Als Ruderer wurden acht der kräftigsten Männer ausgewählt, unter denen sich der Dinka Agadi befand, der den Dolmetscher machen sollte, weil keiner von uns der Dinkasprache genügend mächtig war. Dass wir alle auch wohlbewaffnet waren, versteht sich von selbst. Einige Asaker wollten wissen, dass der Maijeh Semkat von Nilpferden wimmle und dass an seinen Ufern Herden von Elefanten zu finden seien. Das ließ mich ein besonderes Jagdvergnügen erhoffen.

Dieser Plan wurde kurz nach unserer Abfahrt von der zerstörten Seribah besprochen und auch sofort ausgeführt. Wenige Zeit später waren wir neun Männer dem ,Falken‘ schon weit voran.

Die Ufer des Flusses waren dicht bewaldet. Auf dem Wasser gab es oft reichlich Schilf, was uns aber nicht aufhielt, da wir überall leicht durchkamen. Um die Kräfte meiner Leute zu schonen, ließ ich abwechselnd je vier rudern, ich selber saß am Steuer. Obendrein führten wir auch ein Segel, um jede uns günstige Luftströmung auszunützen.

Am Abend legten wir an, um den Aufgang des Mondes zu erwarten und dann weiterzufahren. Ich musste wenigstens kurze Zeit schlafen, da ich während der letzten Nacht kein Auge geschlossen hatte. Agadi ging es genauso. Die anderen aber hatten auf dem Schiff ihre volle Ruhe gehabt. Ein Feuer schützte uns gegen Stechfliegen, die hier höchst lästig werden. Die Breite, in der wir uns befanden, gehört schon zum Gebiet der berüchtigten Baudah.

Der Nordländer hat keine Vorstellung davon, was die Mückenplage dort bedeutet. Unsere Stubenfliege, ja selbst unsere zudringliche Wasserschnake sind Engel gegen die höllischen Lebewesen, die dort in Mückengestalt die anderen Geschöpfe peinigen. Der Neger brennt ihretwegen große Haufen von Holz, Mist und nassem Stroh an, um seine Herde dabei lagern zu lassen. Er selber gräbt sich bis ans Kinn in die heiße, stinkende Asche ein, um die Mücken und Fliegen von seinem Körper abzuhalten. Die gräulichen Puppiparen (Lausfliegler) bedecken die Rinder und Schafe oft in solcher Menge, dass die Haut nicht zu sehen ist. Dieser Plage, wenn sie sich tage-, wochen- und monatelang fortsetzt, muss selbst das stärkste Rind erliegen. Darum ist in diesen Gegenden auch der letzte Matrose mit einer Nâmûsîje (Mückennetz) versehen, und auf den Sklavenzügen hüllt sich sogar der ärmste Askari in sein Netz, während die bedauernswerten Schwarzen der entsetzlichen Plage völlig schutzlos preisgegeben sind.

Als der Mond über dem Wald stand, wurde ich geweckt und es ging weiter. Der Schnabel des Bootes war mit einer Lehmdecke versehen, auf der wir ein Feuer brannten. Es schützte uns gegen die Fliegen und gewährte uns zugleich den Vorteil, Fische stechen und braten zu können. Der Rohl[1] ist sehr fischreich. Besonders reichlich wurde eine kleinere, wohlschmeckende Welsart gefangen.

Wir ruderten die Nacht durch. Als am Morgen der Wind erwachte, wurde das Segel gerichtet und einem Matrosen übergeben, während sich die anderen, so gut es gehen wollte, im Boot niederlegten, um ein wenig zu schlafen. Dann wurde wieder gerudert, zur heißesten Mittagszeit abermals nur gesegelt, später wieder zu den Rudern gegriffen und dabei eine so bedeutende Strecke zurückgelegt, dass ich nach meiner Karte den gesuchten Maijeh Semkat bereits ganz in der Nähe vermuten musste. Einer der begnadigten Asaker Ibn Asls war schon hier gewesen und hatte mir gesagt, der Eingang zum Maijeh könne nicht verfehlt werden, weil kurz vorher der gewöhnliche Baumwuchs aufhöre und von einem ansehnlichen Delebwald abgelöst werde.

Die Delebpalme ist neben der Dattelpalme die schönste Palme Nordostafrikas. Sie hat einen hohen, schlanken Stamm, der in der Mitte bauchig anschwillt und dann allmählich wieder dünner wird. Er erinnert dadurch an die Säulen mancher altägyptischer Bauwerke. Die dichte Krone besteht aus vielen dunkelgrünen Blattwedeln, die denen der Dompalme sehr ähnlich sind. Die Früchte besitzen in reifem Zustand eine orange Farbe und erreichen die Größe eines Kinderkopfes. Das Holz wird vorzugsweise zur Anfertigung leichter Boote und als Reibstock für das Getreide verwendet.

Der Abend war schon nahe, als zu unserer Rechten das satte Grün eines Delebwaldes erschien. Wir ruderten eine halbe Stunde daran hin, dann schien ein Arm des Flusses rechts abzuzweigen. Als wir ihm folgten, zeigte es sich, dass er sich bald zu einem weiten, seeartigen Becken erweiterte. Das war der Maijeh Semkat, unser Ziel.

Wir hatten während der Fahrt keinen Menschen gesehen, und auch hier schien keine Begegnung auf uns zu warten. Wir ruderten in den Maijeh hinein, dessen beide Ufer wir zunächst überschauen konnten. Dann traten sie so weit auseinander, dass wir uns, um nötigenfalls schneller landen zu können, an das rechte hielten. Während wir nahe am Land dahinglitten, suchte ich das Ufer nach Spuren ab, die auf die Anwesenheit menschlicher Wesen schließen ließen, lange Zeit ohne Erfolg. Die Zeit der kurzen Dämmerung näherte sich rasch und schon glaubte ich, wir würden die kommende Nacht für unseren Zweck verlieren, als ich ein eigentümliches, fallbeilartiges Gestell bemerkte, das einige Schritte vom Ufer entfernt errichtet war. Vom Wasser aus führte ein tief ausgetretener Pfad zwischen den beiden Seitenpfosten und unter dem Querholz hindurch. An diesem hing an einem schweren Stein eine kurze, eiserne Lanze, die mit einer langen Leine in Verbindung stand. Deren anderes Ende war an einem leichten Schilfbündel befestigt. Die Spitze der Lanze war mit einem scharfen Widerhaken versehen.

Dieses Gestell war eine Nilpferdfalle. Das Nilpferd ist nämlich keineswegs das friedliche Tier, als das es manchmal beschrieben wird. Es greift den Menschen im Wasser sogar oft ungereizt an. Verwundet ist es doppelt gefährlich. Es taucht unter und stößt dann wieder empor, um den Kahn des Feindes umzuwerfen und seinen Gegner zwischen den weitspannenden Kiefern zu zermalmen. Darum weicht ihm der Neger auf dem Wasser, wenn möglich, aus, stellt ihm aber desto eifriger an Land nach, da das Fleisch und besonders der Speck dieses Tieres gesuchte Nahrungsmittel sind. Selbst Weiße halten den Speck für wohlschmeckend und loben die Zunge.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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