2,49 €
Seit Liv mit ihren beiden kleinen Kindern im Haus ihres alten Schulfreundes Ben lebt, fragt sie sich, wie sie es so lange an der Seite ihres eiskalten Ehemannes Oscar aushalten konnte. Liebevoll wird sie umsorgt - bei allen Schwierigkeiten versucht Ben zu helfen, so gut er nur kann. Doch nicht nur die Geborgenheit genießt Liv - sie spürt auch, wie leidenschaftlich sie ihn begehrt. Fast glaubt sie schon, dass er ihre heißen Gefühle erwidert, da macht er ihr einen Vorschlag, der alle Träume zu zerstören droht. Ben möchte sie heiraten, aber nur aus Vernunftgründen, um ihr und den Kindern ein Zuhause zu geben ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
Immer für dich da erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2000 by Caroline Anderson Originaltitel: „Delivered: One Family“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1461 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Bettina Röhricht
Umschlagsmotive: Ridofranz / GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733727567
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
Liv lehnte sich gegen die Haustür – eine schwere, solide Eichentür. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und klingelte.
Es war vier Uhr morgens, und vermutlich war sie der letzte Mensch, den Ben sehen wollte. Aber sie hatte keine andere Wahl, nicht nach allem, was passiert war. Sie würde sich später bei ihm entschuldigen – falls er dann noch mit ihr reden würde.
Der schrille Klang der Türklingel hallte durch das stille Haus. Liv zog sich den Mantel enger um die Schultern. Sie wusste nicht, ob sie vor Kälte oder wegen des Schocks zitterte. Ihr einziger Gedanke war, dass Ben die Tür aufmachen musste. Er musste einfach zu Hause sein, denn sie wusste nicht, wo sie sonst hingehen sollte.
Mit der impulsiven und verzweifelten Entscheidung, bei Ben zu klingeln, war sie, Olivia Kensington, mit ihrer Weisheit am Ende.
„Schon gut, ich komme ja“, sagte Ben leise, während er die Treppe hinunterrannte und sich dabei den Morgenmantel zuband. Er schaltete das Außenlicht an, als er durch den Flur eilte, und schloss die Tür auf. Blinzelnd sah er sie an. „Liv?“
Liv blickte zu ihm auf, ihre Augen schimmerten grün-golden in dem grellen Licht. Ihr dunkles Haar war zerzaust, und sie lächelte strahlend. Ganz offensichtlich war ihr weder bewusst, dass es mitten in der Nacht war, noch, dass sie ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Wie schon so oft hätte er sie am liebsten erwürgt.
Stattdessen lehnte er sich gegen den Türrahmen, verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte. „Was, um alles in der Welt, machst du hier – noch dazu um diese Uhrzeit?“, fragte er entnervt, obwohl er sonst sehr geduldig war. „Du hast dich nicht selber ausgesperrt, dafür bist du zu weit von zu Hause entfernt. Also, was ist los, Liv? Warst du hier in der Gegend auf einer Party, die zu früh zu Ende war? Ist dir langweilig geworden? Hast du dich verlaufen?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein? Okay, ich gebe auf. Verrate mir doch bitte, wie ich zu der zweifelhaften Ehre komme, dich so spät …“ Er blickte auf die Uhr. „… Verzeihung, so früh am Morgen vor meiner Haustür begrüßen zu dürfen?“
Wieder lächelte sie strahlend. „Entschuldige bitte, ich weiß, dass es sehr spät ist. Es ist nur … Du hast mir doch vor einigen Wochen am Telefon erzählt, dass du eine Haushälterin suchst.“
„Haushälterin?“ Das bedeutet Ärger, ging es ihm durch den Kopf. „Und?“, erkundigte er sich dann vorsichtig und warf einen verstohlenen Blick auf das wartende Taxi. Wollte sie ihm etwa um diese Uhrzeit eine Bewerberin für die Stelle präsentieren? Das brachte nur Liv fertig.
„Ich würde mich gern um die Stelle bewerben – wenn sie noch frei ist.“
„Du?“ Es verschlug ihm die Sprache. Er trat näher an sie heran und sah ihr tränenverschmiertes Mascara und ihr gezwungenes Lächeln, während ihre Lippen bebten.
„Du meine Güte, was ist denn passiert, Liv?“, fragte Ben sanft und legte den Arm um sie.
Liv atmete tief ein und rang sich erneut ein Lächeln ab. Betont gleichgültig zuckte sie die Schultern, presste jedoch die Lippen zusammen. „Oscar … Er hat mich vor die Tür gesetzt. Er hat gesagt … Das möchtest du sicher nicht wissen.“ Sie schauderte. „Jedenfalls hat er uns hinausgeworfen – ich habe versucht, dich über Handy anzurufen, aber offensichtlich hatte Oscar es schon abschalten lassen.“
Liv klang verstört, und er spürte eine unbändige Wut in sich aufsteigen. Er blickte zu dem wartenden Taxi in der Auffahrt. Der Fahrer stellte den Motor ab, und Ben konnte das Schreien eines Säuglings hören.
„Du hast die Kinder mitgebracht?“
Sie nickte, und er strich sich mit der Hand durch das kurz geschnittene Haar und seufzte erleichtert. „Komm herein, Liv. Kommt alle herein“, forderte er sie sanft auf.
Liv straffte sich. „Ben, könntest du mir einen Gefallen tun? Ich habe kein Geld für das Taxi, und ich muss vergessen haben, meine Kreditkarten einzustecken …“ Sie verstummte und biss sich auf die Lippe.
„Natürlich, ich übernehme das. Komm jetzt herein, du zitterst ja vor Kälte.“ Sanft schob er sie ins Haus und drückte sie auf einen Stuhl, bevor sie vor Erschöpfung umfiel.
„Wie viel bekommen Sie von mir?“, fragte er den Taxifahrer und zuckte insgeheim zusammen, als dieser die Summe nannte. „Ich bringe die Kinder ins Haus. Könnten Sie das Gepäck hineintragen?“
„Es gibt kein Gepäck, Kumpel. Nur diese beiden schreienden Kinder. Eins von ihnen hat die Windeln ziemlich voll – bin ich froh, dass ich nicht derjenige bin, der es wickeln muss!“ Der Fahrer grinste. Ben öffnete die hintere Tür des Taxis und hob den winzigen Säugling heraus, der immer noch aus Leibeskräften schrie. Der arme kleine Kerl war erst vier Wochen alt, vielleicht sogar noch jünger. Ben wusste es nicht mehr genau.
Ein kleines Mädchen, das Livs dunkle Locken und dunkle Wimpern hatte, lag schlafend in einer Ecke des Wagens. Offensichtlich verströmte sie diesen intensiven Geruch. Er brachte zuerst den Säugling hinein zu Liv, holte seine Brieftasche und ging wieder hinaus.
Als er das kleine Mädchen aus dem Taxi nehmen wollte, wurde es wach und fing an zu weinen.
„Es ist alles in Ordnung, deine Mummy wartet drinnen auf dich“, versuchte er sie zu beruhigen und half ihr aus dem Wagen. Das Taxi fuhr davon.
Das Kind stolperte zielstrebig auf die Eingangstür zu. Ben ging ihm nach, schloss die Haustür und lehnte sich einen Moment dagegen, während er Liv betrachtete, die völlig erschöpft zu sein schien.
Sie hatte Ringe unter den Augen und sah blass und ausgezehrt aus, und ihre Augen waren glanzlos, nun, da sie aufgehört hatte, sich selber etwas vorzumachen. Sie wirkte so verzweifelt, dass er den Wunsch verspürte, Oscar umzubringen.
Er sollte einen langsamen, schmerzhaften Tod sterben.
Ben setzte sich neben Liv auf die Couch und legte ihr die Hand aufs Knie. „Deine Tochter braucht eine frische Windel.“
Sie rang sich ein Lächeln ab, und ihm wurde warm ums Herz. „Ich weiß, aber ich habe keine.“
Der Säugling begann wieder zu schreien, und Ben betrachtete ihn nachdenklich.
„Kann ich dir dabei behilflich sein, ihm ein Fläschchen zu geben? Oder stillst du ihn?“
Ihr Lächeln wurde noch eine Spur trauriger. „Zu Anfang habe ich ihn gestillt, aber Oscar war eifersüchtig. Und er sagte, es wäre nicht gut für meine Figur. Ich dagegen war der Meinung, wenn wir schon Kinder hätten …“ Sie verstummte und biss sich auf die Lippe. Dann sah sie ihn mit einem Blick an, der ihm fast das Herz brach: „Ben, ich habe überhaupt nichts dabei – weder für die Kinder noch für mich. Kein Fläschchen, keine Windeln, einfach gar nichts. Es tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe, aber ich wusste einfach nicht, wohin ich sonst gehen sollte …“
Wieder verstummte sie, und offensichtlich war sie einem Nervenzusammenbruch nahe. Ben strich ihr beruhigend über das Bein und stand auf. „Ich hole dir ein paar kleine Handtücher, die du als Windeln verwenden kannst. Ansonsten nimm dir alles, was du brauchst, aus der Küche. Ich werde inzwischen in den Supermarkt fahren, der rund um die Uhr geöffnet hat, und das Nötigste einkaufen.“
Er ging rasch nach oben, zog sich etwas über und kam mit einem Stapel Tücher wieder. Liv saß immer noch dort, den schreienden Säugling auf dem Arm, während das kleine Mädchen sich wimmernd an ihre Beine schmiegte.
„Komm“, sagte er sanft und führte Liv in die Küche. Er gab ihr die Handtücher und nahm ihr das Baby ab, während sie im Badezimmer versuchte, ihrer kleinen Tochter aus den Tüchern eine Windel zu machen.
„Armer kleiner Kerl“, sagte Ben leise und wiegte den immer noch schreienden Säugling sanft hin und her. „Wie heißt du denn? Wie ich Oscar kenne, hast du sicher einen ziemlich dummen Namen – Hannibal oder so ähnlich.“
„Oscar waren die Namen egal. Er heißt Christopher, nach meinem Vater, und ich nenne ihn Kit.“
Ben sah Liv an, die ihre Tochter auf dem Arm hielt, und fragte sich, wie weit Oscars Gleichgültigkeit gegangen war. Es war ihm nicht einmal wichtig gewesen, dass diese wunderschöne und tapfere junge Frau seinen Namen trug.
„Schreit er immer so laut?“, erkundigte er sich, als Kit von neuem zu Weinen begann.
„Nur wenn er Hunger hat, aber ich habe nichts, was ich ihm geben könnte …“
„Wann hast du aufgehört, ihn zu stillen?“, meinte Ben.
„Letzte Woche. Warum?“
„Du könntest doch probieren, ob es noch klappt. Vielleicht reicht es nicht aus, um seinen Hunger zu stillen, aber es würde ihn zumindest trösten, bis ich mit den Einkäufen zurückkomme. Der Supermarkt ist ganz in der Nähe, und in einer halben Stunde bin ich schon wieder da – mit Flaschennahrung und Windeln.“
Zweifelnd sah Liv ihn an. „Ich kann es versuchen, aber ich glaube nicht, dass es funktioniert. Er ist so furchtbar ausgehungert …“ Vor Verzweiflung traten ihr die Tränen in die Augen. Sie nahm das Baby zärtlich auf den Arm und versuchte, es zu beruhigen. Doch Kit wollte nicht beruhigt, sondern gefüttert werden, und es war klar, dass er weiter schreien würde, bis er etwas zu essen bekäme.
„Ich setze den Wasserkessel auf. Mach es dir doch in einem der großen Sessel am Fenster gemütlich, während ich zum Supermarkt fahre. Was soll ich sonst noch mitbringen?“
„Den gesamten Inhalt des Kinderzimmers?“, scherzte sie halbherzig.
„Ich nehme mein Handy mit. Die Nummer hängt hier an der Pinnwand. Wenn dir noch etwas einfällt, ruf mich einfach an. Ich komme so bald wie möglich wieder.“
Ben ging in die Garage, öffnete mit der Fernbedienung das Tor und fuhr tief in Gedanken versunken zum Supermarkt. Oscar, dieser Widerling, hatte Liv und die Kinder also mitten in der Nacht aus dem Haus geworfen – mit welcher Begründung?
Ben war sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte.
Im Supermarkt blickte er hilflos an den scheinbar endlosen Regalreihen mit Windeln entlang. Es gab Windeln für Mädchen und für Jungen, Windeln für verschiedene Altersgruppen, in verschiedenen Größen, Windeln mit bunten Aufdrucken und Windeln zum Wiederverschließen – eine überwältigende Vielzahl verschiedener Sorten.
Bei der Flaschennahrung war es nicht viel besser. Verzweifelt ließ er den Blick über die Regale gleiten und fragte sich, ob Kit eine ungewohnte Sorte überhaupt vertragen würde. Und was war mit Melissa? Er erinnerte sich nicht an ihren Kosenamen. Maisie oder so ähnlich. Was aß sie wohl normalerweise?
Ben fühlte sich, als müsste er ein Minenfeld überqueren. Seine Chance, heil anzukommen, war so gering, dass er aufgab, sein Handy aus der Tasche nahm und seine Telefonnummer wählte.
Liv schreckte hoch, als das Telefon klingelte. Sie hatte geschlafen, ebenso wie Missy, die wieder zu weinen begann. Kit lag an ihrer Brust, er war zu erschöpft, um zu schreien. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, stand Liv auf und nahm den Hörer ab. „Hallo?“
„Welche Sorte und welche Größe Windeln brauchst du für die Kinder?“, erkundigte sich Ben ohne Umschweife.
Sie sagte ihm alles und hörte ihn leise vor sich hin reden, während er suchend zwischen den Regalen entlangging. „Hier sind sie. Wie viele soll ich mitbringen?“
„Fürs Erste reicht eine Packung von beiden.“ Liv überlegte kurz, beschloss dann allerdings, direkt zur Sache zu kommen: „Du warst doch allein, als ich geklingelt habe, oder? Ich meine, ich habe dich nicht bei einem Tête-à-tête gestört und muss befürchten, dass jemand aus dem Schlafzimmer kommt und mir peinliche Fragen stellt?“
Er lachte. Zumindest klang es wie ein Lachen, wenn auch ein wenig angestrengt. Aber schließlich war es fünf Uhr morgens, er hatte also allen Grund, nicht in allerbester Stimmung zu sein. „Nein, du hast mich nicht bei einem Tête-à-tête gestört“, erwiderte er. „Nur bei meinem Schönheitsschlaf.“
„Ben, es tut mir wirklich leid“, begann sie, und er hörte auf zu lachen.
„Mach dir keine Gedanken deswegen, Liv“, beruhigte er sie.
„Danke. Bitte bring auch etwas mit, womit ich die Fläschchen sterilisieren kann.“
Ben sagte etwas Unverständliches und legte auf.
Würde er auch nichts Wichtiges vergessen? Sie hätte mitgehen sollen, doch sie war einfach zu müde, zu erschöpft und enttäuscht.
Merkwürdigerweise war sie nicht verletzt – nicht so, wie sie es sein müsste. Vor allem war ihr Stolz verletzt, weil Oscar ihr so grausame Dinge an den Kopf geworfen hatte. Und sie war wütend – sie platzte fast vor Wut! Liv ging in der Küche hin und her, während ihr Ärger immer stärker wurde, und als Ben zurückkam, war sie so außer sich, dass sie Oscar hätte umbringen können.
Ben warf ihr einen Blick zu und zog die Brauen hoch, während er seine Einkäufe auf dem Küchentisch ausbreitete. „Flaschenmilch. Sterilisiermittel. Essen für Maisie.“
„Missy“, berichtigte sie ihn, und um seinen Mund zuckte es leicht.
„Missy“, wiederholte er. „Windeln für kleine Jungen und große Mädchen. Ein Schlafanzug. Ein Kleid. Strumpfhosen. Eine Jacke. Ein Schlafstrampler für Kit. Und …“ Er zog eine Tüte aus der Tragetasche. „… Toffees.“
„Ich liebe dich“, sagte sie ernst, riss die Packung auf und steckte sich ein Bonbon in den Mund. Himmlisch! Er hatte sich also daran erinnert.
„Also, Missy“, wandte sie sich an ihre Tochter, „du gehst jetzt ins Bett.“ Sie nahm die Babysachen, und plötzlich wurde ihr wieder bewusst, was für eine Zumutung ihre nächtliche Invasion für Ben sein musste. Schüchtern wandte sie sich an ihn. „Stört es dich, wenn wir eine Weile bei dir bleiben, vielleicht ein paar Tage? Und wenn wir dir auf die Nerven gehen …“
„Liv“, unterbrach Ben sie, „mach dir bitte keine Gedanken deswegen. Ich komme mit nach oben und helfe dir. Was soll ich mitbringen?“
Liv blickte auf die Einkäufe und dann zu Kit, der zwischen mehreren Kissen auf einem der Sessel schlief. Sie zuckte die Schultern. „Beide Sorten Windeln. Sonst nichts. Sobald die Kinder im Bett sind, werden sie schlafen – zumindest hoffe ich das“, fügte sie seufzend hinzu.
„Ich habe ein Babybett für den Fall, dass mich Freunde mit ihren Kindern besuchen kommen. Ich werde es für dich aufstellen. Welches der Kinder soll darin schlafen?“
„Missy“, sagte Liv sofort und war erleichtert, weil sie nun keine Angst mehr zu haben brauchte, dass ihre kleine Tochter die Treppe hinunterfiel. „Kit kann in einer Schublade schlafen.“
„Damit du sie zumachen kannst, wenn er wieder anfängt zu schreien?“, fragte Ben schmunzelnd und führte sie in ihr Schlafzimmer.
Trotz allem musste sie lachen. „Keine schlechte Idee.“
Die Kinder schliefen sofort ein, Missy im Babybett und Kit daneben in der geräumigen Schublade eines großen Mahagonikleiderschranks, die Liv ihm mit Kissen zu einem Bett hergerichtet hatte. Dann gingen Ben und sie wieder nach unten. Er bot ihr einen Stuhl an und drückte ihr einen Becher Tee in die Hand, bevor er sich ebenfalls setzte und die Beine unter dem Küchentisch ausstreckte.
„Du trinkst jetzt deinen Tee“, befahl er. Sie drehte den Becher hin und her und ließ die Ereignisse des vergangenen Tages noch einmal Revue passieren.
Ben schwieg und beobachtete sie. Nach einer Weile stand Liv auf, trat ans Fenster und ließ den Blick gedankenverloren über die Auffahrt und den Garten mit der gepflegten Hecke und dem makellosen Rasen schweifen.
Doch sie nahm nichts von alldem wahr. Immer sah sie nur Oscar vor sich, der ihr mit selbstgefälligem, spöttischem Lächeln erzählte, bei wem er gewesen sei und was er getan habe – mit sämtlichen Details.
Sie wandte sich zu Ben um. „Willst du gar nicht wissen, was passiert ist?“, fragte sie mit bebender Stimme.
„Wenn du bereit bist, wirst du es mir schon erzählen“, erwiderte er ruhig.
Liv stellte den Becher ab, verschränkte die Arme vor der Brust und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. „Er … er ist so ein …“
„Schwein?“
„Genau.“
Ben zuckte die Schultern. „Das war er schon immer. Du hast nur sehr lange gebraucht, bis du dahinter gekommen bist. Ich wundere mich, dass du es nicht schon früher gemerkt hast.“
„Niemand hat mich darauf aufmerksam gemacht.“
„Die meisten Leute sind eben eher zurückhaltend“, meinte er und rührte in seinem Tee. „Für mich war es jedenfalls so offensichtlich, dass ich gar nicht glauben konnte, dass du es nicht auch siehst.“
„Ich war eben blind.“ Sie seufzte. „Anfangs hat er mich ja auch geradezu auf Händen getragen – damals, als ich noch eine gute Figur hatte.“
Er presste die Lippen zusammen, und seine blauen Augen funkelten zornig. Gut, dass Oscar nicht hier ist, dachte sie. Ben würde ihn umbringen.
„Also, was ist heute Abend passiert?“
Liv nahm den Becher und setzte sich wieder an den Tisch, auf dem eine Zuckerdose stand. Gedankenverloren ließ sie Zucker vom Löffel in die Dose rieseln. „Oscar kam sehr spät nach Hause, nach Mitternacht. Er hatte mir nicht gesagt, dass er später kommen würde, und deshalb hatte ich mit dem Essen auf ihn gewartet. Aber er wollte gar nichts davon, denn er hatte schon gegessen.“
„Allein?“
Sie schnaufte verächtlich. „Da kennst du Oscar aber schlecht. Er isst nie allein. Er tut überhaupt nichts allein. Nein, er war bei seiner Geliebten gewesen, die er schon seit sechs Monaten hat.“ Liv spürte, wie die aufkommende Wut ihr die Kehle zuschnürte, und nahm sich noch ein Toffee.
„Sechs Monate!“, wiederholte sie empört, während sie das Papier aufriss und sich das Bonbon in den Mund schob. „So lange hatte er diese Geliebte schon, und praktischerweise wohnte sie ganz in der Nähe seines Büros, so dass er nicht weit fahren musste, wenn er Lust auf Sex hatte.“
Wütend zerbiss sie das Toffee. „Weißt du, was er zu mir gesagt hat?“, fuhr sie aufgebracht fort, während sie wild gestikulierte. „Er sagte, dass er eine richtige Frau wolle, eine, die weiß, wie man einen Mann glücklich macht. Dass er meinen schwabbeligen Bauch satt habe und meine hängenden …“
Sie verstummte und atmete tief ein. „Er wollte keine Frau, die nach dem Erbrochenen von Babys riecht, und er hatte keine Lust mehr, ständig über herumliegende Spielsachen zu stolpern. Vor allem hätte er genug von schreienden Kindern und einer Frau, die nie so funktionierte, wie sie sollte – als wäre ich eine Spülmaschine! Ich bin seine Frau! Nein, das stimmt nicht, denn er konnte sich nie dazu entschließen, mich zu heiraten, aber du weißt, was ich meine.“
„Und dann?“, fragte Ben sanft.
Liv versuchte, sich zu beruhigen, und seufzte erneut. „Ich sagte ihm, wenn er so darüber denken würde, dann gäbe es für mich keinen Grund, mir seine Bösartigkeiten noch länger gefallen zu lassen, und ich würde am nächsten Morgen ausziehen. Er erwiderte, von ihm aus könne ich sofort verschwinden. Also habe ich die Kinder geweckt und bin gegangen.“
„Ohne deine Kreditkarten.“
„Ja, leider“, gab sie wehmütig zu. „Das war in der Tat ein taktischer Fehler. Aber davon abgesehen war es das Beste, was ich seit Jahren getan habe.“
Sie blickte auf und bemerkte, dass Ben sie anlächelte.
„Was ist los?“, erkundigte sie sich.
„Ich finde, das hast du großartig gemacht“, antwortete er, noch immer lächelnd. „Es hat lange gedauert, aber du hast es geschafft.“
Liv trank ihren Tee in einem Zug aus. Allmählich ließ die Anspannung nach, und plötzlich bemerkte sie, wie ausgehungert sie war. Hungrig und erschöpft, aber in Sicherheit. „Hast du vielleicht so etwas wie Toast?“
Ben lächelte jungenhaft. „Natürlich. Eigentlich ist es inzwischen auch schon fast Zeit zum Frühstücken.“
Liv schlief wie ein Murmeltier. Erst nach elf wachte sie auf, als sie Kit vor ihrer Tür schreien hörte – und Ben, der beruhigend auf ihn einredete.
„Liv? Kann ich hereinkommen?“
Sie setzte sich auf und zog die Decke bis unters Kinn. „Ja, komm herein!“
Die Tür ging auf, und Ben trat ein. Er trug den dicken Wollpullover und seine heißgeliebten Jeans, die er auch schon am Vorabend – beziehungsweise am Morgen – getragen hatte. Sie hatte nur drei Stunden geschlafen. Ben sah frisch und ausgeruht aus. Er schien bereits geduscht zu haben, sein kurzes dunkles Haar war noch feucht. Liv lächelte ihn an, und er trat zu ihr ans Bett. „Hallo. Hier ist ein Baby, das ziemlich energisch nach seiner Mutter verlangt.“
Er lehnte Kit an seine Schulter und streichelte ihn, und beim Anblick des großen Mannes und des winzigen Säuglings schnürte sich Liv die Kehle zu. Ben legte Kit die Hand auf den kleinen Kopf und drückte ihn an seine frisch rasierte Wange.
„Ganz ruhig, mein Kleiner“, sagte er beruhigend. Wehmütig stellte sie fest, wie liebevoll er mit dem Baby umging, während Oscar gegenüber Kit – seinem eigenen Sohn – fast gleichgültig gewesen war.
„Geht es ihm gut?“, fragte sie schuldbewusst. „Es tut mir leid, ich habe gar nicht gehört, dass er geschrien hat.“
„Das macht doch nichts“, erwiderte Ben. „Ich war sowieso schon wach. Er hat nur ziemlich großen Hunger, und ich fürchte, meine Wickelkünste gefallen ihm auch nicht so recht. Missy schläft noch.“
Sie nahm ihm den Kleinen ab, und ohne nachzudenken, zog sie das T-Shirt hoch und legte ihn an die Brust.
Sofort hörte er auf zu schreien, und als sie lächelnd aufblickte, sah sie, dass Ben starr und mit undurchdringlicher Miene ihre Brust betrachtete. Nach einem Moment räusperte er sich und wandte den Blick ab. Liv schloss die Augen und seufzte. O nein. Es war ihm unangenehm. Das hatte sie nicht gewollt.
„Es tut mir leid …“, begann sie, doch er schnitt ihr das Wort ab.
„Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest“, entgegnete er. „Ich werde dich in Ruhe lassen. Soll ich dir vielleicht etwas zu trinken bringen? Meine Schwestern verlangen immer, dass man ihnen Tee kocht, weil sie beim Stillen Durst bekommen.“
„O ja, bitte, wenn es dir nichts ausmacht.“
Er blieb im Türrahmen stehen und wandte die Augen nicht von ihrem Gesicht ab. „Soll ich auch ein Fläschchen vorbereiten, oder möchtest du es zuerst so versuchen?“
Sie betrachtete seufzend ihre Brust, die weich und hell war, nicht mehr prall und blau geädert, wie kurz nach der Geburt. „Ich weiß nicht“, sagte sie unsicher. „Ich möchte ihn gern stillen, wenn es möglich ist, aber ich will nicht, dass er hungrig bleibt.“
„Ich werde vorsichtshalber ein kleines Fläschchen vorbereiten, und nachher rufe ich eine Hebamme an und bitte sie, herzukommen, damit du alles in Ruhe mit ihr besprechen kannst. Was hältst du davon?“
„Nicht eine Hebamme, sondern eine Sozialarbeiterin“, berichtigte sie ihn. „Die Hebamme kümmert sich nur in den ersten zehn Tagen nach der Geburt um die Frauen. Und außerdem geht es Kit und mir ausgezeichnet.“
„Ich werde sie trotzdem anrufen. Vielleicht kann sie dir wichtige Ratschläge geben.“
Daraufhin ließ er sie mit Kit allein, der eifrig trank. Doch sie merkte, dass er nicht satt wurde, und so war sie dankbar für das Fläschchen, das Ben ihr brachte.
Und dann kam auch schon die Sozialarbeiterin, eine Vertrauen erweckende, sympathische Frau, die ihr viele gute Tipps gab. Liv war sehr froh darüber, denn sie hatte auch Missy auf Oscars Drängen hin mit der Flasche großgezogen und daher nicht viel Erfahrung mit dem Stillen.
„Das wird Ihnen bestimmt gut gelingen“, versicherte ihr die Sozialarbeiterin. „Trinken Sie viel, stillen Sie ihn, wann immer er Hunger hat, und geben Sie nur zusätzlich das Fläschchen, wenn es absolut notwendig ist, damit Sie genug Schlaf bekommen. Dann werden Sie bald feststellen, dass Sie mehr Milch haben, als der kleine Mann trinken kann. Und jetzt muss ich ihn noch einmal knuddeln, bevor ich gehe.“