IMMOBILIENFUZZI - Hasan H. Aydogan - E-Book

IMMOBILIENFUZZI E-Book

Hasan H. Aydogan

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Beschreibung

Wurden Sie schon einmal betrogen und haben dennoch geschwiegen? Leider geschieht das viel zu oft. Häufig sind Scham und Wut die Gründe dafür, dass sich viele nicht trauen, über ihre Fehler zu sprechen. Der Autor, Hasan Aydogan, bricht in seinem Buch das Schweigen. Seine auf 24 Jahre reichenden Erfahrungen zeigen eine Branche, der es in den Zeiten nach dem Mauerfall perfekt gelang, bundesweit Käufer von Denkmalschutz-Immobilien hereinzulegen und damit viel Geld zu machen. Vielleicht bewegt dieses Buch einige der Opfer, ihr Schweigen ebenfalls zu brechen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

„Liebe Kunden*innen unserer Branche,

DER BEGINN DER MISERE

Der Aufbau-Ost öffnete uns die Tore

Abwanderung aus dem Osten

Angst vor dem Prozess?

Falscher Hoffnungsschimmer

DIE FEHLER DIESER ZEIT

Fingerzeig auf die Branche

Die Machenschaften

Der Kunde heute?

Der Blick in den Spiegel!

Westliche Investoren kontra Ostdeutsche

Die Branche gewinnt an Selbstbewusstsein

Das Ende des Booms war auch unser Ende!

Ist Angst doch ein guter Berater?

Zutreffend oder nicht? Das ist hier die Frage!

Schneeballsystem?

Nebenwirkungen bei Investments stehen nicht auf einem Beipackzettel

DIE PRODUKTE

Zuerst: Die Eigenheimimmobilie

Das Hauptprodukt der Branche:

Die denkmalgeschützte Immobilie zum Steuern sparen!

Pfusch bei der Sanierung: Die Mängelliste ist lang

Bauherrenmodelle

Fraß die Gier schon immer das Hirn?

Pfusch am Bau? Ein internationales Problem.

Stille Pleitemacher; Stille Beteiligungen

Steuerersparnis

Ohne sie ging es auch nicht: Die Mietgarantie

DAS NETZWERK

Die Banken

Der TÜV und die Handwerker

Notare

Bauträger

Ein Fazit zum Thema Netzwerk

Pikante Ausreden

DIE KLAGEWELLE BLEIBT AUS…

Die Tragik der mangelnden Bereitschaft der Opfer, ihr Recht einzuklagen

DIE FRAGE DER BRANCHE:

WIE SCHAFFE ICH MIR IMMOBILIENFUZZIS?

Unsere Scheinwelt

Braucht man uns Immobilienfuzzis überhaupt noch?

MEINE ZEIT IN DER BRANCHE

Die Zeit im Callcenter

Mein Alltag:

Der Anruf und das Gespräch mit dem Kunden am Telefon

Exkurs zum Thema Kundenverhalten, damals und heute

Tagesziel: Termine!

DER FINANZKAUFMANN

Unsere neuen Fähigkeiten

Exkurs: Wunderwaffe NLP

Strategien und Privatleben – geht das?

Lassen Sie mich vorstellen: Ali und Sebastian

Erstes Beispiel: Der Prototyp eines Wunschmitarbeiters.

Ali

Sebastian

Mein eigener Schreibtisch

DER TAGESABLAUF

Unser Tagesablauf im Büro

Unser Alltag trimmte uns

Schulungen

Die Zeit der Kundenakquise

DAS ERSTGESPRÄCH MIT KUNDEN

Die Vorstellung des Unternehmens

Datenaufnahme

Empfehlungskette und Argumentationen für zukunftsorientiertes Empfehlungsmarketing

ABLAUF VON BERATUNG UND VERKAUF

Beispiele aus Gerichtsurteilen

Zurück zum Ablauf der Beratungsgespräche

Umschichten

Das zweite Beratungsgespräch

Der dritte Beratungstermin und der Gang zum Notar

Anlage zum Einkommensteuer-Erklärung

Der Termin für die Darlehensverträge

DER FALL: ANITA UND PIERRE

Fazit zu Anita und Pierre

ÜBER DEN UMGANG MIT MITARBEITERN

Die Motivationsbranche für Finanzdienstleister!

Vorschusszahlungen

Falsche Namen, falsche Identitäten?

Fazit zu diesem Thema

UMDENKEN FÜHRUNGSKRÄFTE

TIPPS FÜR DIE KUNDEN

Die Vorsichtsmaßnahmen

Eine gut gemeinte Empfehlung

Warum ist es heute so wichtig, wahre Experten zu befragen?

Wollen wir alle lieber belogen werden?

TIPPS FÜR DIE MITARBEITER

FAZIT ZU DEN THEMEN

Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Verdienen kommt von Dienen

Die globale Sicht

Der Umbruch

Die persönliche Verantwortung eines Jeden

Vergebung ist eine der mächtigsten Kräfte im Universum

NACHSATZ

MEINE ZEIT ALS SACHVERSTÄNDIGER FÜR IMMOBILIENBESICHTIGUNGEN

Autoren-Vita

Quellenangaben

Vorwort

„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher“, sagte einst Albert Einstein. An dieser Stelle möchte ich noch ergänzen, dass neben der Dummheit ein weiterer Rohstoff im Universum unendlich ist. Es ist die Gelegenheit!

Die Gelegenheiten für Erfolg oder Misserfolg, sind ausgeglichen. Genauso wie die Gelegenheiten glücklich zu sein, oder nicht. Ebenso sind die Gelegenheiten, sich bei Menschen zu entschuldigen oder nicht, im selben Maße vorhanden. Sie unterscheiden sich nur in der Qualität der Ausrede und der Form der Entschuldigung.

Die Ausrede ist meist, dass die Gelegenheit dazu fehlte.

Es gibt wahrhaftig unendlich viele Gelegenheiten auf dieser Welt, sich bei anderen zu entschuldigen. Für Vergehen während einer Liebesbeziehung, einem vertanen Vertrauensverhältnis, einer zerbrochenen Freundschaft oder auch den Fehlern während einer Geschäftsbeziehung.

Vieles geschieht aber leider ohne ein anschließendes Verzeihen oder zumindest den Versuch einer Versöhnung.

Ich persönlich möchte dieses Ihnen vorliegende Buch als eine mir vom Universum geschenkte Gelegenheit nutzen, auch im Namen derer, die sich mir anschließen möchten, eine Entschuldigung auszusprechen. Es soll auch eine Gelegenheit sein, Einsicht zu äußern. Diese Einsicht möchte ich, liebe Leser*innen, in den folgenden Kapiteln dieses Buches mit Ihnen teilen.

Es ist menschlich, Fehler zu machen. Darüber ist keiner von uns erhaben. Aber es ist auch menschlich, sich dieser Fehler bewusst zu stellen. Ich, für meinen Teil möchte dies hiermit tun und endlich meinen Seelenfrieden finden. Ich tue das auch für meine Tochter, für die ich eine schönere Welt hinterlassen möchte, als ich sie vorgefunden habe. Wenn ich dafür die Welt um 0,00001% aus den Angeln heben müsste, ich würde diesen Kraftaufwand erbringen wollen.

Nur Menschen mit Mut und Ehrgeiz könnten dieses Vorhaben wirklich umsetzen. Ich möchte auch den Mut haben, folgendes sagen zu können:

„Liebe Kunden*innen unserer Branche,

wir hätten damals anders handeln sollen und Euer Vertrauen als Kunde nicht so schamlos ausnutzen dürfen. Wir haben Euch ohne Eure ausdrückliche Erlaubnis angerufen, haben Euch dabei etwas von Steuern sparen erzählt und somit ein Kennenlernen mit uns für Sie schmackhaft und interessant gemacht. Wir haben Euch Berechnungen vorgelegt und Euch teilweise zum Kauf einer Immobilie als Kapitalanlage gedrängt. Dafür haben wir höchst manipulative Verkaufstricks an Euch angewandt. Diese Maschen haben wir uns durch Schulungen auch hart antrainiert.

Ihr dachtet hierbei oft, ihr hättet bei uns den Kauf Eures Lebens gemacht und Euch damit einen Traum erfüllt. Dabei wurden viele dieser Immobilienkäufe zu einem nicht enden wollenden Alptraum für Viele. Wir konnten auch nicht in die Zukunft sehen. Prognosen sind generell nur spekulative Angaben über eine hypothetische Zukunft. Dabei habt ihr Euch leider auf diese Rodomontade verlassen. Als Mitarbeiter dieser Branche wollten wir dabei nie, heute wie gestern nicht, in den Spiegel der Einsicht sehen müssen.

Um heute selbst in den Spiegel sehen zu können, schreibe ich in diesem Buch meine Erfahrungen nieder, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Diese Erlebnisse und Erfahrungen, die ich innerhalb einer 24 Jahre reichenden Berufserfahrung und Kenntnissen in der Immobilienbranche gesammelt habe, möchte ich mit Euch teilen. Erfahrungen die mahnend wirken sollen. Sie zeigen aber nicht nur unser Fehlverhalten als Branche auf. Sie erzählen ebenso eindringlich, warum Ihr als Kunden es uns oft viel zu leicht gemacht habt.

Meine Absicht dabei ist, nicht nur einfach zu kritisieren und Fehler aufzuzählen. Ich möchte auch versöhnen und hoffen, hier eine Brücke zu schaffen. Eine, die zwischen den Kunden und der Branche für lange Zeit bestehen bleiben soll. Eine Brücke mit Namen Harmonie.“

Ich möchte hier kurz auf die von mir erwartete und zeitgemäße Ausdrucksweise eingehen. Verzeihen Sie bitte, dass ich nicht bei jeder Erwähnung von Personen genderkonform schreiben kann. Ich erbitte somit höflichst, die ohne einen Geschlechtshinweis erwähnten Personen und Gruppen als in der Benennung für alle Geschlechter gültig zu betrachten.

Eine weitere Bitte noch bevor es richtig los geht. Solltet Ihr, liebe Leser*innen persönliche Erfahrungen in der Immobilienbranche, und vielleicht sogar in diesem hier vorgestellten Zweig, gemacht haben, ob als Kunde oder Mitarbeiter, oder auch als Firmeninhaber, dürft ihr mir gerne schreiben. Ich werde versuchen auf Eure Schreiben einzugehen.

Ich wünsche Euch nun viel Spaß und Spannung beim Lesen.

DER BEGINN DER MISERE

Die Kapitalanlage-Immobilienbranche und in erster Linie ihr Zweig Vertrieb und Vermittlung von denkmalgeschützten Steuersparimmobilien im Osten Deutschlands nach dem Mauerfall war eine ganz eigene Branche. Sie entstand im Zusammenhang mit der Aufbau-Ost-Politik der damaligen Regierung. Was die Kundengewinnung anging, bediente sie sich einer in jeder Hinsicht rücksichtslosen Strategie, deren Methoden in dieser Form nur noch an der Grenze zur Unsittlichkeit zu erwarten gewesen wären.

Warum musste sich diese spezielle Branche der Kapitalanlageimmobilien derartig miese Maschen überhaupt aneignen? Und schlimmer noch, was war ihr konkretes Ziel?

Diese heiklen und weitere Fragen hoffe ich mit diesem Buch zu beantworten. Ich hoffe auch, Sie hiermit zu warnen: Diese und ähnliche Maschen und Methoden der Kundengewinnung sollen nicht auch Sie zum Kauf von jeglichen unbrauchbaren, defekten oder verlustreichen Produkten drängen können. Auch wenn diese, hier im näheren behandelten Verantwortlichen, sich jahrelang hinter der chronischen Alzheimerkrankheit des Kapitalismus durchaus verstecken konnten, können wir nun mithilfe dieses Buches auch diesen Tätern eine Nachricht senden: Wir wissen Bescheid über das, was ihr getan habt!

Um dem ganzen Mysterium ein Stück weiter mehr Licht zu verschaffen, werden wir unser Augenmerk auch auf die Entstehung der Branche richten. Der Zeit, in der der Aufstieg der für diese Branche unverzichtbaren Immobilienfuzzis und ihrer miesen Maschen zu erkennen war.

Wir werden in diesem Rahmen der Betrachtung auch einer sehr wichtigen Personengruppen unsere Aufmerksamkeit schenken müssen: Den Kunden! Denn auch sie tragen hier Verantwortung. Sie waren es, die diesen Betrug durch ihren vorab nicht sorgfältig geprüften Kauf dieser Kapitalanlageimmobilien erst ermöglichten. Und nicht zuletzt: Was waren die Gründe für die Blindheit der Gesellschaft hinsichtlich dieses Treibens. Oder die des Gesetzgebers? Und weitaus schlimmer: Was waren die Gründe für die Blindheit der Kunden in Bezug auf den Kauf dieser Immobilien?

Lassen Sie uns die Antworten gemeinsam herausfinden.

Der Aufbau-Ost öffnete uns die Tore

Wie oft haben Sie schon etwas käuflich erworben, ohne dabei zu ahnen, dass es Ihnen förmlich aufgeschwatzt wurde? Auf diese Weise erworbene Produkte kann man dann als unverwendbar einfach wegwerfen oder verschenken, oder man kann sie unter Umständen weiterverkaufen und damit einen Teil seines finanziellen Verlustes wieder ausgleichen. Aber in vielen Fällen bleiben Sie leider auf dem Produkt einfach nur sitzen und wissen nicht wohin damit. So erging es vielen, die sich mit einem ähnlichen Problem herumschlugen, das bisher in der Versenkung der Vergessenheit lag, aber nun unsere Aufmerksamkeit einfordert.

Das Problem, mit dem wir uns hier beschäftigen, heißt:

„Das gemeine Geschäft mit den Steuersparimmobilien, die Netzwerke und die Maschen dieser Branche.“

In der Bundesrepublik Deutschland haben sich laut Recherchen bis zu 300.000 Menschen etwas derartig Unbrauchbares, nicht einfach so leicht Veräußerbares oder sonst wie Entsorgbares aufschwatzen lassen: Eine denkmalgeschützte Immobilie zum Steuern sparen.

Nach der Dunkelziffer waren es sogar weit über eine Million Fälle, in denen sich Investoren mehr oder weniger durch den Einsatz dieser Verkaufsmaschen haben betrügen lassen. Menschen, die, nachdem sie sich diese Immobilien hatten aufschwatzen lassen, oft schwer an den finanziellen Folgen dieses Erwerbs litten. Viele dieser Menschen leiden heute noch an den Spätfolgen. Diese reichen bis hin zu psychischen Belastungen.

Diese Zahlen stammen aus verlässlichen Quellen, wie zum Beispiel denen der Verbraucherschutzorganisationen. Von den erwähnten 300.000 Opfern, klagte nach diesem mutmaßlichen Betrug nur ein Anteil von weniger als 50%, also knapp 150.000 Geschädigte, ihre Rechte jemals ein. Mit mehr oder weniger Hoffnung auf einen auf juristischem Weg erreichten Erfolg. Betrachtet man die Anzahl der Fälle in einem falschen Zusammenhang, so stellt sich für den Betrachter eine eher nüchterne Summe dar. Auf den ersten Blick wirkt sie nicht besonders erschreckend oder mahnend.

Warum ist das so?

Diese Betrachtung der Opferzahlen stammt von Investoren, die zum Sparen in denkmalgeschützte Kapitalanlageimmobilien investiert hatten. Die Betrachtung dieser Investitionen wurde häufig nur in Relation zum Gesamtimmobilieninvestmentvolumen vorgenommen. Das Ergebnis ist für einen mahnenden Zweck nicht einmal nur nicht ausreichend, es ist schlichtweg falsch. Diese Summe würde unter Umständen lediglich die Aufmerksamkeit einiger gewiefter Anwälte auf sich ziehen, einiger Juristen, die sogar aus dieser misslichen Lage jener Betrugsopfer noch versuchen, Profit zu schlagen.

Diese Juristen machten den Opfern Hoffnungen auf eine in Wahrheit nur mit sehr viel Mühe zu erreichenden, juristischen Lösung vor Gericht. Viele ließen sich darauf auch noch ein. Aber einige dieser Opfer wurden bei den Maschen der Anwälte vorsichtig und sie nahmen Abstand von diesen Bauernfängern. Schließlich waren es diese stets nur als Opfer angesehen Investoren leid, weiter nach einem Ast zu suchen, an dem sie sich festhalten könnten. Sie gaben auf und verzichteten gänzlich auf ihre juristischen wie moralischen Rechte. Leider!

Stellt man nun diese Zahlen der Opfer in Relation zum Anteil des Investmentvolumens der denkmalgeschützten Immobilien und dann auch noch konzentriert auf den Anteil der denkmalgeschützten Immobilien, die im Osten Deutschland stehen und verkauft wurden, stellt sich plötzlich eine erschreckend hohe Summe heraus. Leider lässt sich diese Summe im Ganzen nicht mehr genau erfassen. Über diese realen Zahlen legte sich mit der Zeit der Schleier der Vergessenheit und Verdrängung.

Führen wir uns an dieser Stelle ein paar Zahlen vor Augen, um uns für das Thema zu sensibilisieren. Nehmen wir hierfür als Beispiel eine Durchschnittsimmobilie, die, wie es so oft der Fall war, den Erwartungen des Anlegers nicht voll entsprach – eine Immobilie, die sich bei genauerer Betrachtung schlimmstenfalls als Schrottimmobilie herausstellte, die weder substanziell noch vom Ertrag her gesehen, dem Verkaufswert entsprach. Für diese Immobilie nehmen wir den gängigen Gegenwert von 100.000€ an. Davon Schadenssumme im Schnitt 20.000€. Wenn wir diesen Wert mit 1.000.000 Gesamtschadensfälle multiplizieren, dann wissen Sie von welchen Summen wir hier allein im Markt der denkmalgeschützten Kapitalanlageimmobilien ungefähr sprechen: Einer Schadenssumme von über 20.000.000.000€.

Man darf allerdings bei dieser Art der Schrottimmobilie nicht unbedingt dem ersten Bild vor Augen folgen, den dieser Begriff auslöst. Die Immobilien waren an sich, optisch oder der Lage entsprechend, nicht unbedingt schlecht. Die Details und Fakten waren allerdings vorhanden, die viele dieser Immobilien, zu Schrottimmobilien machten. Diese konnten bei einer genaueren Betrachtung ebenso erkannt werden. Auch in diesen Details steckte wie bekannt der Teufel drin.

Allerdings gab das verquere, erste Bild einer Schrottimmobilie, in den Köpfen der Menschen, der Branche die Chance, eine Scheinwelt zu erschaffen. Eine, die nur äußerlich glänzte, hinter diesem Vorhang sie allerdings Billigelemente verbauen, die Preise bis zu 100% und mehr überziehen und im Zusammenhang mit ihrem Netzwerk diesen flächendeckenden Betrug vollziehen konnte.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir kurz zu den Anfängen der Misere gehen.

Die Zeit direkt nach der Wende, die als moderne Goldgräberzeit bekannt wurde, ermöglichte mit ihren Chancen und Möglichkeiten den Aufstieg, jener, die später in der Kundenakquise für Immobilen als Kapitalanlage und in ihren Verkaufstechniken führend waren.

Schauen wir uns diese Zeit einmal genauer an.

Waren es Anfang 1991 auf dem Wohnungsmarkt im Osten gerade einmal 17.000 Wohnungen, die in marodem Zustand und zum Teil noch vom zweiten Weltkrieg gezeichnet, vorgemerkt waren und auf ihre Denkmalsanierung warteten, so waren es im Jahre 1997 schon mehr als 178.000 Wohnungen. Verantwortlich für diese Entwicklung war der Höhepunkt des Wiedervereinigungs-, Einheitsstimmungs- und Steuersparmodellbooms.

Genau in dieser Zeit entstand eine eigensinnige Branche:

Sie baute auf dem Berufszweig des Immobilienmaklers auf, bediente sich der Verkaufskünste der früheren Versicherungsbranche, und eignete sich anschließend noch ihre ganz eigenen Methoden der Herangehensweise an ihre Kunden an. Diese Branchengründer waren – was die Aufdringlichkeit angeht – nur noch mit denen der religiösen Sekten zu vergleichen.

Und die Kunden reagierten!

Sie wurden hellhörig. Folgten den Worten und Maschen der (neuen) Branche wie holprig diese Methoden anfangs auch sein mochten. Die Fische bissen an…

Um ihre großen Ziele zu verwirklichen, um noch mehr Kunden an Land zu ziehen, brauchten die Branchengründer Mitarbeiter: Sogenannte Finanzkaufleute, Immobilienvermittler oder Vermögensexperten. Ich nenne sie hier liebevoll Fuzzis. Diese Bezeichnung wurde bisher oft Versicherungsvertretern und auch Vertretern anderer Berufe zugeschrieben, die von Tür zu Tür liefen, um ihre Produkte zu vermitteln. Sie passt aber im Zusammenhang mit dem, was ich über unsere Branchenangehörigen in diesem Buch zu sagen habe, gut auch zu den Vertretern der Kapitalanlage-Immobilienbranche – ganz einfach: wie die Faust aufs Auge. Wie diese Branche ihre Mitarbeiter behandelte und sie trimmte ist einzigartig auf dem Sektor. Es sind in der Vertriebsbranche wenige Unternehmen bekannt, die ähnlich agierten. Aber auch diese übernahmen später nach und nach die Strukturen und Verhaltensmuster der Kapitalanlage-Immobilienbranche. Ich werde in diesem Buch unsere Branche im Folgenden nur „die Branche“ nennen.

Die Branche baute sich nicht nur Mitarbeiter auf, die, auf Höchstleistung getrimmt, verkäuferisch wirklich oberste Spitze waren. Gleichzeitig behandelte sie diese, auf geringfügig integer herangezogenen Mitarbeiter sehr schlecht. Zu keiner Zeit war es ihre Strategie, wirklich erfolgreiche und geschweige denn vermögende Mitarbeiter aufzubauen. Tatkräftig waren die guten Mitarbeiter schon. Nur sollte das nicht dahin führen, dass sie eigene Parallel-Unternehmen gründen konnten, und sich daraus eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz entwickelte. Die Oberen benutzten sie nur für ihren eigenen Erfolg. Doch immerhin: Einige schafften es dennoch, in dieser Branche erfolgreich zu sein. Dann waren sie natürlich weg von der Leine ihrer Unternehmen. Sie bauten ihre eigenen Strukturen auf, denn sie wollten ihre unternehmerischen Leistungen nicht unbedingt mit Leuten teilen, die ihnen als Vorgesetzte nicht mehr gewachsen und noch weniger ebenbürtig waren. Wer trotz aller Widrigkeiten blieb, ging über kurz oder lang unter: In Insolvenzen oder psychisch, da er dem täglich auf ihm lastenden Druck nicht mehr standhalten konnte.

Später mehr dazu, wie die Branche die Gier während dieses Anstiegs der Nachfrage, während des Booms, erst beflügelte.

Bleiben wir aber noch kurz bei er Entstehung der Probleme damals. Der damalige Immobilienmarkt und die Wohnbauprojekte im Osten waren oft unstrukturiert und folgten keiner einheitlichen Lösung. Zu den erwähnten Wohnungsprojekten, die im Rahmen des Aufbau-Ost und der Sonder-AfA saniert wurden, wurden im Rahmen dieser fehlenden Struktur wie wild zusätzliche Neubauprojekte hochgezogen, womit sich einige Baufirmen, eine goldene Nase verdienten.

Bis 2002 wurden aufgrund von Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung eine weitere Million Wohnungen neu gebaut. Diese genossen aber – aufgrund mehrerer Fehlplanungen – bestenfalls nur den Leerstand. Schließlich wurde als Lösung die für ein Bauprojekt schlimmste Lösung herangezogen. Circa 300.000 Einheiten dieser Wohnungen wurden wieder zurückgebaut. Zu diesem Zeitpunkt galten aber schon viele der nicht dem Rückbau zum Opfer gefallenen Häuser und Wohnungen zum großen Teil als fast marode. Sie mussten erneut saniert werden und fanden später, bis in die Mitte der 2000er, wiederum durch uns ihre Investoren und Käufer. Wohnungen und Häuser, die weder davor noch danach jemals einen Mieterschlüssel gesehen hatten.

Abwanderung aus dem Osten

Warum fand man für die fertiggestellten Immobilien nur äußerst schwer einen Mieter? Die Gründe für diesen Mietermangel lagen offen auf der Hand! Durch die Abwanderung in den ersten vier Jahren nach der Wiedervereinigung, verlor Ostdeutschland bereits 1,4 Millionen Menschen, und damit potenzielle Mieter. Diese Zahlen stiegen später um weitere Millionen Menschen aus Ostdeutschland an, die in den Westen auswanderten. Eine Völkerwanderung, die einen erheblichen Mangel an potenziellen Mietern mit sich brachte. Der Staat versuchte vergeblich, durch Förderung von Sanierungsmaßnahmen und Wohnungsbaugesellschaften sowie durch Neubauten – also Masse an Wohnraum – die Abwanderung zu kompensieren.

Eine zweifelhafte Methode, die der Staat auch noch mit einer goldenen Quelle voller Nektar namens Subventionen weiterhin fütterte. Eine Fehlentwicklung immensen Ausmaßes, die aber uns Maklern, Strukkis, Fuzzis und Anlageberatern unser tägliches Brot bescherte. Im Rausch der Sanierungsprojekte für Immobilien wurde versäumt, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen, die den Menschen das Leben in diesen neu gestalteten, auf westlich getrimmten Städten und Fassaden überhaupt ermöglichen sollte.

Um dies besser nachvollziehen zu können und aufzuzeigen, warum es oft nicht den Menschen dort, sondern nur den Investoren von Nutzen war, in die Wohnungen und Häuser der neuen Bundesländer zu investieren, müssen wir uns die Lage der Menschen in Bezug auf Wohnraum und Arbeit näher ansehen:

Die Menschen zogen von den maroden Ost-Plattenbauten in die besseren West-Plattenbauten. Sie waren den westlichen Glanz und Glamour der Einfamilienhäuser, der Doppelhaushälften und der im Grundkonzept neu gestalteten Mehrfamilienhäuser einfach nicht gewöhnt. Man erwartete schlicht zu viel von ihnen:

Von heute auf morgen sollten sie sich in dieser neuen Welt zurechtfinden und darin klarkommen. Man erwartete von ihnen, dass sie den westlichen Wohlstand ohne Widerrede annehmen, aber ihre bisher bewohnte Heimat und Lebensweise nicht aufgeben. Statt mit der Vorstellung einer aussichtsreichen Zukunft, deren Ertrag die Westmieten deckte, tröstete man sie mit Willkommensgeldern. Anstatt die Menschen mit dem Angebot, ein gemeinsames Volk sein zu wollen, mit offenen Armen willkommen zu heißen, versuchte man, sie mit einer Banane vor der Nase herumzukommandieren, und sie neu zu erziehen.

Das klingt heute wie Hohn!

Was hatten wir ihnen zu bieten außer Wohnraum und westliche Anleger, die dann oft nur aus Profitgier ihre Vermieter wurden?

In den Zeiten als die Menschen vor dem Mauerfall sehnsüchtig nach Westdeutschland herüberschauten, waren die Durchschnittslöhne dort die höchsten in Europa. In dieses Deutschland zog sie ihr Wille nach Freiheit. Nach dem Mauerfall allerdings waren die Durchschnittslöhne in der Bundesrepublik Deutschland die niedrigsten in Europa. Die Menschen aus Ostdeutschland flüchteten vor der einen Armut, um sich in der neuen Armut zurechtfinden zu müssen. Das System im Westen, und natürlich auch in den neuen Bundesländern, war für die Bevölkerung der ehemaligen DDR – ein anderes und gewöhnungsbedürftig. Die neugewonnene Freiheit war es wert, sich dem Ganzen trotz allem zu stellen. Und mit dem Spitznamen „Ossi“ musste man halt leben lernen.

Die Menschen aus der ehemaligen DDR mussten sich – wie Sie unschwer erkennen – zu Anfang an vieles in der neuen Welt gewöhnen. Mit der schon zitierten Banane und dem westlichen Lebensstil zu werben, um die Menschen nach der Wende willkommen zu heißen, wäre schon fast schiefgelaufen. Wir haben es aber dennoch geschafft und aus „Ossis“ wurden echte Deutsche. Eine wertvolle Errungenschaft. Die Ereignisse aus dieser Zeit sollten dennoch nicht in Vergessenheit geraten.

Diese Menschen brauchten nach der Wende, während ihrer Akklimatisierungsphase ein Dach über den Kopf – sprich: bezahlbaren Wohnraum!

Waren in der Deutschen-Demokratischen-Republik die Mieten aus heutiger Rechnung für Altbauten bei umgerechnet 0,45€ pro Quadratmeter staatlich festgeschrieben, musste man diesen Menschen die neuen Mieten, die in Euro an 5-6€ pro Quadratmeter herankamen erst einmal erklären. 5-6€ pro Quadratmeter? Dann aber bitte nicht im Osten! Einem Ort, der noch mit so vielen repressiven, die Freiheit einschränkenden Erinnerungen aus den Zeiten des Regimes geprägt war.

Die neu sanierten Wohnungen und späteren Neubauten im Osten waren es zum Teil vielleicht sogar wert, sich weiterhin dort niederzulassen. Aber die Bereitschaft der Menschen, in ihrer bisherigen. Heimat zu bleiben – das wurde nicht wirklich gefördert. Es wurde trotz der vielfältigen Sanierungsund Baumaßnahmen hingenommen, dass die Menschen schnellstmöglich in den Westen auswanderten. So schnell, als ob der Boden, den sie hinter sich ließen, immer noch die alte DDR wäre. Der eine oder andere schien sich nach wie vor wohler und besser in Sicherheit zu fühlen, wenn er trotz Mauerfall und Wiedervereinigung, die DDR verlassen konnte.

Niemand dachte ernsthaft daran, diesen Menschen bei ihrer Neuorientierung zu helfen. Lieber entwarf man Anlagekonzepte, die die Sanierung von Immobilien in den neuen Bundesländern förderte. Höhere Priorität hatte der Plan, die in Westdeutschland lebenden Menschen zur Investition im Osten zu bewegen. Man vergaß förmlich, den Menschen im Osten zu vermitteln, dass es sich lohnen könnte, dort zu bleiben, und dass die Verbesserung des Lebensstandards in jeder Richtung einen hohen Stellenwert hätte. Denn dafür brauchten sie eine solide Grundlage, um im ersten Schritt die neuen Mieten bezahlen zu können, die neuen Lebensmittel konsumieren zu dürfen – kurz: sie brauchten Geld und dafür dringend Arbeit, Kindergärten und Schulen. Sie wollten sich nicht allein auf West-Anlagekonzepte in denkmalgeschützte Immobilien auf dem Boden eines maroden Landes verlassen. Wer sollte dort wohnen und das auch wollen, ganz ohne Arbeit und Geld?

Häufig war es einfach Profitgier, die die Investoren dazu bewegte, in diese Häuser und Wohnungen zu investieren. Dass dabei keine mitfühlenden und mildtätigen Gründe dahintersteckten, war hinlänglich bekannt und wurde hingenommen. Fast keine dieser Immobilien wurde durch die Investoren zum Eigennutz erworben, sondern ausschließlich als Kapitalanlage. Von diesen Käufern wollte damals fast keiner im Alter nach Leipzig, nach Chemnitz, nach Dresden oder geschweige denn nach Ost-Berlin ziehen. Investitionen im Osten? Der Wegzug der Menschen aus dem Osten und die dadurch fehlenden Mieter, waren Gründe, die eigentlich gegen eine Investition in diese Immobilien sprachen.

Die Branche stand diesen strukturellen Fragen, die damals als nahezu unlösbare Probleme galten, gegenüber und entwickelte kurzerhand ihre eigenen Antworten als Lösungen. So begann sie, den potenziellen Investoren zu erzählen, wie sich der Osten wirtschaftlich ins Positive entwickeln würde, welchen Zulauf die Städte – besonders bei jungen Familien – hätten, und wie sich die Infrastruktur verbessern würde. Woher sie allerdings diese Daten hatte, war schleierhaft. Aber ihnen gelang es durch diese Maschen dennoch, die Fragen nach Mietern und positiven Einnahmen durch die Immobilie, in ihrem Sinne, und im scheinbaren Sinne der Investoren zu beantworten. Die Branche war aber nicht nur in ihren Ausführungen während des Verkaufs sehr clever, sondern auch in der Absicherung gegen eine mögliche Offenlegung ihrer vielen, fehlerhaften Aussagen. Sie sicherte sich hierfür schon früh ab. Und dies tat sie nicht nur mit Hilfe guter Rechtsanwälte, nein, sie sicherte sich gleich während der Beratung mithilfe sogenannter Beratungsverträge ab, in denen sie, ganz nebenbei, den Investor bestätigen ließ, er wäre über mögliche Risiken der Investition ausführlich aufgeklärt worden. Der Investor folgte bei seiner Entscheidung nicht nur der Gier des Verkäufers, der durch diese Maschen erhoffte, sich ein gutes Geschäft zu erschleichen, sondern auch seiner eigenen und unterschrieb einfach. Ein Makler aus Dubai sagte einmal „Ohne die Gier läuft hier überhaupt nichts. Genauso wichtig wie meine Gier auf die Provision beim Verkauf, ist auch die Gier des Investors tragend für unser Geschäft, eine Immobilie in Dubai sein Eigen zu nennen“.

Und diese Gier trieb uns alle an.

Im Grunde genommen wurde „erwähnt“, dass sich nur ein Teil – also 50% – auf einen Prozess einließen. Viele reichten Klagen ein, zogen den Prozess aber nicht durch.

Welch katastrophale Folgen dies aber hatte, sehen wir an der Anzahl der Geschädigten und den wirtschaftlichen Folgen. Unser System zieht Informationen über negative, wirtschaftliche Folgen aus Fehlinvestitionen oft nur aus den Unternehmensergebnissen, Klimazahlen und Börsendaten und baut darauf die neuen, gesellschaftlichen Strategien auf. Wir sollen dann als Gesellschaft, als Ergebnis dieser neuen Strategien, möglichst mehr konsumieren, aber dafür weniger heizen. Wir sollen weniger Auto fahren und keine Häuser mehr bauen, ohne ökologische Grundlagen zu beachten. Aber wie dies alles produziert wird und welche Folgen dies für unser Klima hat, wird außer Acht gelassen. Und das nur um die Zahlen des Klimawandels und der Wirtschaft wieder in eine vertretbare Richtung zu lenken. Die Folgen aus diesen neuen, uns von oben diktierten Verhaltensveränderungen, dienen aber am Ende nicht mehr uns als Bevölkerung, sondern wiederum den Unternehmen, die vom Klimaschutz profitieren. Von diesen Ergebnissen schließlich profitieren wir wiederum durch unsere Anleihen, Aktien und sonstigen Beteiligungen und sehen uns damit als befriedigt. Das System baut nahezu nie aus den Ergebnissen und Folgen privater Miseren gesellschaftlich weitreichende Handlungsstränge auf.

Angst vor dem Prozess?

Um uns einen Überblick zu verschaffen, wie hoch die Möglichkeit eines Prozesses gegen Beteiligte an undurchsichtigen Verkaufs- und Finanzierungsgeschäften überhaupt war, gehen wir zuerst gemeinsam zurück zu unseren oben genannten Fallzahlen. Wie erwähnt: Nur ein Teil der 150.000 Immobiliengeschädigten, die infolge eines Schwindels und Betrugs oder mindestens einer Falschberatung, ihre Rechte einklagen wollten, riskierte tatsächlich einen langwierigen Prozess. Die meisten Opfer verstummten, bevor das Verfahren tatsächlich losgehen sollte, oder sie bekamen Angst. Viele schämten sich auch für ihre falsche Einschätzung. Wer möchte schon freiwillig zugeben müssen, dass er sich bei derart hohen Investitionssummen von einem wildfremden Berater, dessen Namen man nicht mal mehr aus dem Stegreif wusste, hatte über den Tisch ziehen lassen? Oder sie konnten schlicht und einfach schon allein die horrenden Anwalts- und Prozesskosten nicht mehr aufbringen. Im schlimmsten Fall waren sie finanziell gar nicht mehr in der Lage, jemanden zu verklagen. Längst hatten sich die Täter hinter dem Schutzmantel einer möglichen Firmeninsolvenz oder sonstiger Verschleierungstaktiken versteckt.

Derartige Gerichtsprozesse zehren an der Substanz und den Kräften der Kläger. Sie sind oft langwierig und sehr, sehr aufwändig. Ob rechtzeitig oder später – das Sammeln der Beweise, das Durchforsten des Dokumentenwirrwarrs, die vielen Zeugenbefragungen – alles in allem ein höchst mühseliger Akt, wenn Zeugenbefragungen von Mittätern überhaupt noch möglich waren. Die Zeugen waren meist nicht mehr auffindbar, insolvent oder hatten mit ihren beträchtlichen Honoraren im Ausland ein neues Leben begonnen.

Hier stießen viele an ihre Grenzen und gaben schließlich ganz auf.

Falscher Hoffnungsschimmer

Für die Geschädigten aus den Neunzigern kam dann doch ein kleiner Hoffnungsschimmer auf, der sich später als Trugschluss herausstellte: Nach einem Urteil des BGH 2002 durften einige Anleger ihre Darlehensverträge, die zum Teil zwischen Tür und Angel durch die Anlageberater schmackhaft gemacht und abgeschlossen wurden, den Banken zurückgeben und somit widerrufen. Allerdings nur, sofern in Einzelfällen ein Betrugsversuch vorgeworfen werden konnte. Ihre zum Teil im Wert geminderten Immobilien mussten sie dennoch behalten. Und gleich, ob mit oder ohne neuen Darlehensvertrag, hatten diese Immobilien nach wie vor weiter andauernden Finanzierungsbedarf.

So wurde falsche Hoffnung geschürt.

Manche dachten, sie würden auch ihre unrentablen Immobilien an die Banken und Verkäufer wieder loswerden. Das Banken- und branchenfreundliche Urteil durch das BGH machte allerdings diese Hoffnung schnell zunichte (4). Dieses Urteil und seine überschaubaren Folgen schreckten aber weder die Branche davon ab, weiterzumachen wie bisher, noch hinderte es die zukünftigen Anleger von Kapitalanlageimmobilien daran, sich auch weiterhin blauäugig Immobilien aufschwatzen zu lassen. Geschweige denn, dass es sie zum Umdenken zwang!

Viele der erwähnten Schadensfälle entstanden erst durch Missachtung der Referenzen und Warnhinweise. Fälle, die eine genauere Beachtung verdient hätten und die es aus der Versenkung der Verdrängung, aus der Dunkelheit ins Licht der Aufmerksamkeit der Medien schafften. Die unangenehme, notwendige Frage, die wir uns hier an dieser Stelle dieses Buches und an anderen Stellen immer wieder unbedingt stellen müssen, meine lieben Leser*innen ist: Warum gab es nach diesen Warnhinweisen immer noch eine so hohe Dunkelziffer an Geschädigtenzahlen, und warum wurden sie nicht erkennbar weniger?

Schuld daran war das Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Nachdem wir unseren Systemfehler – das fehlende Umdenken nach privaten Fehlinvestments – betrachtet haben, schauen wir nun den größten Treiber dieser Zahlen an, das größte und lukrativste Kind der Finanzbranche, die stark von diesem Verhaltensfehler genährt wurde und diesen entweder förderte oder davon profitierte:

Die Vertriebsbranche!

Sie wurde nach den holprigen, aber dennoch erfolgreichen Anfängen immer stärker:

Die durch diese Branche höchst professionell verfeinerten Verkaufskünste verhalfen ihr dazu, denkmalgeschützte Immobilien als Kapitalanlage zu diesen Summen zu verkaufen. Sie hatte keine Skrupel, Verkäufe auf der Basis dieser Gier abzuschließen. Sie wollte nur eines: schnell Geld machen! Dafür baute sie sich ein beispielloses Netzwerk auf, das im Zusammenspiel der einzelnen Sparten wie kein anderes funktionierte, und das mit Riesenerfolg. Diese Branche lebte von ihrer eigenen blinden Sucht nach Geld und Erfolg. Um ihren Feldzug durchzuführen, brauchte sie allerdings eines: Mitarbeiter. Diese mussten aber nicht unbedingt in der Immobilienbranche ausgebildete Personen sein.

Warum das alles so kam und so gewollt war? Es bleibt spannend.

DIE FEHLER DIESER ZEIT

Um das ersehnte Ziel der Sensibilisierung der Kunden und Verkäufer und die angestrebte Mahnung mit diesem Buch zu erreichen, werde ich nicht allein nur mit Zahlen und Fakten um mich werfen. Dies haben schon andere vor mir getan. Ich möchte diesen Autoren, Journalisten und allen Medien aber auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen, dass ich diese vielen Daten nicht mehr zusammentragen muss.

Ich bin und bleibe integer und möchte mit Euch, liebe Leser*innen kommunizieren. Ich habe kein Interesse daran, Euch mit Zahlen und Fakten zu verwirren und Euch zu zwingen, meine Texte nachgooglen zu müssen.

Warum möchte ich alle an diesem Geschäftsfeld Beteiligten warnen?

Nicht nur die Kunden, auch wir, die Mitarbeiter, wurden damals betrogen. Wir wurden ausgenommen wie Weihnachtsgänse. Unser Schicksal und unsere Bestimmung war es ausschließlich, so viele Kunden wie möglich auf die Schlachtbank zu bringen. Am besten jeden Tag.

Was ich zu berichten habe ist wirklich so geschehen. Es wird als schlechte Erfahrungen von Zeitzeugen leider immer noch schonungslos verdrängt. Hier halte ich Euch die Protagonisten von damals und ihre Machenschaften vor Augen. Ihr sollt verstehen, warum diese Zeit nicht noch einmal kommen darf – für die Kunden nicht, und auch nicht für potenzielle Mitarbeiter der Kapitalanlagebranche.

Auch wenn ich in Bezug auf die Entwicklungen auf dem Markt der Kapitalanlagen die erschreckenden Entwicklungen im Bereich Trading und Kryptowährungen erwähnen werde, zeigt die Vorgehensweise der aktuellen Macher und ihre Technik nicht einmal einen Bruchteil der Fähigkeiten der Kundengewinnung, die wir damals entwickelten. Wenn aber unsere hochprofessionellen Maschen nun der Vergangenheit angehören, warum dann meine tiefen Sorgen?

Lassen Sie es mich erklären:

Ich beobachte die aktuelle Entwicklung auf dem Kapitalmarkt mit tiefer Besorgnis. Die Kunden von heute fallen schon auf sehr schwache Argumente herein. Sie wollen auf dem Kapitalmarkt keinesfalls eine Gelegenheit verpassen. Sie lassen sich trotz der Informationsquellen des Internets, trotz teils negativer Rezensionen der Firmen und gar trotz bestehender Warnhinweise immer noch viel zu viel aufschwatzen. Früher genügte die Skepsis eines zu Rate gezogenen Freundes oder Nachbarn, um den Kunden zumindest noch einmal zum Nachdenken zu bringen. Wir mussten uns ganz schön ins Zeug legen, um ihn dann trotzdem zu gewinnen.

Heute ist das anders!

Sollten die Kunden angesichts ihres heutigen Investitionsverhaltens auch noch unseren damaligen Leitfäden und Maschen ausgesetzt sein, würde dies einen riesigen Anstieg der Opferzahlen in der Branche bedeuten. Vielleicht sogar den heftigsten Anstieg der Kapitalanlagegeschichte.

Aber keine Sorge liebe Anleger*innen!

Unsere Techniken von damals sind heute nur noch als Papierstapel vorhanden – unter anderem in meinen Akten. Und bestimmt besitzt der eine oder andere Branchenangehörige von damals noch solche Leitfäden des Verkaufs und hat auch noch Argumentationsketten in einer seiner Schubladen. Teilt sie weiterhin mit mir, bitte.

Welche Warnhinweise sind bis heute zu hören?

Es gibt unzählige Bücher auf dem Markt, die von Prognosen bis hin zu Ergebnissen und Fallzahlen ausführlich berichten: Bücher, die Ihnen aus Sicht der Kunden von den Immobilienfallen, auf die sie hereinfielen, berichten. Sie beschreiben ihre Erlebnisse von der Anbahnung des Verkaufs bis hin zum Gerichtsprozess.

Ich vermisse in der angestrebten Botschaft dieser Bücher einen wesentlichen Aspekt: Den Blick auf die Machenschaften der Branche. Wie konnte diese Branche dermaßen wachsen, und wie konnte sie so viele Fuzzis hervorbringen? Diese mutige Betrachtung fehlt bislang.

Warum behandelte die Branche über all die Jahre ihre Kunden und Mitarbeiter wie Underdogs, und welche Faktoren ermöglichten ihr dieses miese Verhalten? Inwiefern waren die Kunden mitverantwortlich dafür, dass die Branche so unbehelligt wachsen und weiterhin ihre Produkte verkaufen konnte?

Die Geschichte hat uns oft genug gezeigt, dass es nichts – oder nicht viel – bringt, Menschen nur mit Zahlen und Fakten warnen zu wollen. Wir sind emotionale Wesen und wir reagieren, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt auf Zahlen. Wir leben heute in einer Zeit, in der unser Leben von Inzidenzen, R-Werten, Klimaskandalen, Kriegen und Belegungen der Intensivbetten begleitet und auch geleitet wird. Das instinktive Bedürfnis, Mensch sein zu wollen, wird aber nicht von Zahlen und Fakten genährt. Wenn ein Durstiger unter der sengenden Hitze der Wüstensonne eine Wasserquelle in seiner Nähe entdeckt, dann rennt er hin und trinkt daraus. Er misst nicht vorher, wie viel Wasser darin enthalten ist und wie lange es wohl dauert, bis die Quelle möglicherweise versiegen könnte. Er misst auch nicht den PH-Wert oder die Wahrscheinlichkeit, ob ihn dieses Wasser umbringen könnte. Es könnte sogar ein Schild auf die möglichen Gefahren beim Genuss dieses Wassers hinweisen. Sie würden nicht viel damit erreichen. Der Durstige wird trotzdem instinktiv seinen Durst stillen wollen. Fakten, Zahlen, Prognosen und Statistiken waren damals eine Art Verwirrungsstrategie, die die Branche bei historischer Betrachtung eher schützte. Es war eine Strategie, den Kunden zu beschäftigen, ihn bei Laune – sprich, ihn stumm – zu halten. Wer sich dennoch für Zahlen und Fakten Thema interessierte, konnte diese lesen, einstudieren, sich empören und nachdem er sich empört hatte, sie einfach wieder beiseitelegen.

Was geschah? Nichts!

Als der Bericht über mich „Ich war ein Betrüger“ in der BILD-Zeitung erschien und auf die baldige Erscheinung dieses Buches hinwies (12), riefen und schrieben mich noch am selben Tag unzählige Branchenkollegen persönlich an. Die Mehrheit bewunderte meinen Mut und freute sich auf das Buch. Sie versprachen mir ihre uneingeschränkte Unterstützung. Sie stehen heute noch hinter mir und stärken mir den Rücken.

Diejenigen aber, die sich empört zeigten, bewarfen mich mit Zahlen und Fakten, um mich und meine Aussagen vorsorglich als falsch darzustellen. Sie legten mir Informationen vor, wie sich zum Beispiel die Immobilienpreise heute in Leipzig, Chemnitz und Dresden, sowie in Berlin, entwickelt hätten. Sie hatten diese Zahlen vermutlich nur kurz aus dem Internet gezogen. Auf dieser Basis sprachen sie mir das Recht ab, so etwas über meine Branche zu verbreiten.

Doch, ich habe dieses Recht!

Denn nur weil die flächendeckenden, positiven Immobilienpreisentwicklungen heute auch für diese Städte gelten, und sich daher manche der damaligen Investoren endlich über Preisgewinne freuen dürfen, macht dies die unzähligen Opfer von damals nicht einfach zur „Vergangenheit“! Wir betrachten hier auch die menschliche Seite.

Zahlen und Fakten können in der richtigen Kombination mit Emotionen durchaus Ängste wecken. Die Branche legte damals dem Kunden Zahlen vor, die ihn ohne die Investition in unsere Produkte, in seiner Lebenszeit als Rentner als nahezu sozialhilfebedürftig auswiesen. Auch dies weckte Ängste. Es ist nicht mein Ziel, Angst zu machen. Wir brauchen aber dennoch dringend Schutzmauern, die uns vor einem möglichen finanziellen Schaden durch Fehlinvestitionen schützen. Bringen uns in diesem Zusammenhang allein Geschichten über Gerichtsprozesse weiter, die uns die Schadensfälle Anderer erzählen? Sogar die Geprellten sehen keinen Anlass, ihr Investitionsverhalten zu ändern, auch wenn sie von den Produkten nach wie vor oft wenig bis gar nichts verstehen.

Erkennen Sie anhand dieses Beispiels, worauf ich hinaus will?

Es fehlt uns bei diesen Geschichten einfach der emotionale Bezug zu den entstandenen Schäden. Diesen erreichen wir einzig und allein nur durch das Aktivieren unserer Emotionen. Die Informationen, die wir aufnehmen, müssen uns direkt in unserem Schmerzzentrum treffen. Auch die Betroffenen von damals vergessen was einst geschehen ist, wenn sie nicht daran erinnert werden. Emotionen, die eine schützende Funktion haben sollen, müssen instinktiv angeboren sein, oder sie wurden von einer drohenden Gefahr bereits geweckt. Daher habe ich keine andere Wahl als die Branche und den Kunden direkt anzusprechen. Unverblümt, direkt und schmerzhaft.

Als ich mir zu Beginn noch Gedanken machte, welche Tonart ich hier anschlagen sollte, riet mir einer meiner besten Freunde, der selbst ein Buchautor ist, folgendes: „Hasan, wenn du die Menschen erreichen willst, dann schreibe sie direkt an. Je direkter desto besser!“

Ich hatte ohnehin keine Scheu davor, die Branche direkt anzusprechen und sie mit ihren Fehlern zu konfrontieren. Ich weiß genau, wie ich diese Menschen am richtigen Nerv zu treffen habe. Genau auf die gleiche Art und Weise musste ich auch die Kunden direkt ansprechen – und das, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auch sie musste ich mit ihren Fehlern konfrontieren. Nur so werden die Menschen ein branchenkritisches Buch lesen, das Kunden nicht als hilflose Opferlämmer darstellt. Dieses Buch soll auch sie dazu bewegen, ein Umdenken zu wagen, gleich auf welcher Ebene. Beim Investieren in Kapitalanlagen oder beim Kauf eines Kühlschranks…

Manchmal muss uns erst jemand die Augen öffnen, damit wir klarer sehen. Ich wünsche mir, dieser Jemand für Sie zu sein. Ich will auch in die Zukunft schauen. In eine Zukunft, in der beide Seiten, die Kapitalanlagebranche und ihre Kunden in einem positiven Verhältnis zueinander koexistieren. Keiner kennt die Zukunft von Finanzprodukten und kann exakt prognostizieren, wie sie sich entwickeln werden, denn Anlageprodukte sind von vielen Faktoren abhängig. Auch die besten Computer können keine genauen Prognosen darüber abgeben, wie Menschen zum Beispiel eine gewisse Stadt als attraktiven Zuzugsort ansehen und somit dort die Immobilienpreise beeinflussen werden.

Ein guter Berater, der das gemeinsame Miteinander anstrebt, wird seine Kunden über die Pros und Kontras eines Investments umfassend informieren und sie über die Risiken genau aufklären. Und er wird, falls der Kunde dann dennoch dieses Produkt erwerben möchte, einfach wie ein guter Wirt handeln!

Ein guter Wirt wird seinem Gast keinen Wein mehr einschenken, sollte er zu betrunken für einen weiteren Weinkonsum sein. Er wird ihm unter Umständen sogar seinen Autoschlüssel abnehmen und ihm ein Taxi rufen. Auch wenn dies ab und an aufwändig und anstrengend ist und ihm bei diesem Akt der Ehrlichkeit sogar Einnahmen entgehen. Er wird dennoch verantwortungsvoll handeln. Verantwortungsvoller als es sein Gast in dieser Situation sein kann.

Der Kunde kann mit Hilfe einer solchen Beratung die Risiken besser verstehen. Wir werden sehen, in welchem Zusammenhang die Maschen der Branche und ihr Netzwerk standen, und welche Rolle dabei die menschliche Gier spielte. Die Gier auf beiden Seiten – die der Verkäufer und die der Kunden. Um dies besser zu erfassen, muss das Problem in seiner Gesamtheit betrachtet werden.

Meine Tochter hat in ihrem Buch „Leben mit Mama. Aufwachsen beim Papa. Das Schicksal von Trennungskindern.“ auf wunderbare und eindringliche Art und Weise die Sorgen eines bei getrennten Eltern heranwachsenden Kindes erzählt und die Eltern zur Harmonie aufgerufen. Sie hat aber nicht einfach wieder einmal über die Sorgen der Kinder gesprochen. Sie hat das alles vielmehr aus der Sicht des Kindes erzählt und dabei die Eltern direkt angesprochen – was die Geschichte viel greifbarer und emotionaler für den Leser macht.

Mein Stil ist ähnlich:

Ich vermittle die Informationen aus der Sicht eines Mittäters in dieser Zeit, ohne dabei die andere Seite zu schonen. Da draußen war Krieg und eine Seite kommt in der historischen Aufarbeitung bisher zu wenig zu Wort.

Fingerzeig auf die Branche

Schauen wir uns die Branche an.

Auch ich war damals, wie viele meiner Kollegen*innen, ein kleiner Fisch in diesem Teich. Auch ich habe mich gewaltig von dieser Branche manipulieren lassen. Dieser Umstand nimmt mir aber nicht die Verantwortung für mein eigenes Handeln. Heute bin ich frei von den psychischen Belastungen dieser Zeit. Ich bin mir aber durchaus meiner Verantwortung bewusst. Ich bin unglaublich froh, heute wieder frei von der geistigen und seelischen Manipulation zu sein, mit der uns die Branche damals täglich behandelte. Aber es fehlte mir bislang immer noch ein wenig mehr Abstand und Gelassenheit, um dieses Buch abzuschließen.

Gleich wohin damals unser Blick auch ging: Zu unserer Führungskraft oder zur Geschäftsleitung, ob wir den Motivationskassetten lauschten oder zu Hause mit unseren Partnern sprachen. Ob wir in die Augen unserer Kinder sahen oder auf den Kontoauszug unserer Bank – alles sagte uns in jeder Sekunde: Mach weiter!

Mach weiter oder werde arm! Dies war unser Antrieb. Es gab für uns in dieser schwarzweiß gemalten Welt keine andere Meinung, keine andere Zukunft, kein Entrinnen. Die Angst vor Armut oder der Drang nach Reichtum waren die Eckpfeiler unseres Denkens! Wir konnten nicht entfernt daran denken, auszusteigen. Es war schlicht und einfach nicht möglich. Wer es dann doch tat, den sahen wir als Verlierer an. Wir redeten nicht mehr mit ihm.

Kennt ihr Organisationen die genauso agieren? Richtig. Sekten! Diese Emotionen, und was wir damit auch bei den Kunden anrichteten, werde ich versuchen, Ihnen liebe Leser*innen, zu schildern.

Ich möchte an dieser Stelle etwas vorwegnehmen. Es stammt aus dem Kapitel „Umgang mit Mitarbeitern“. Dieser Ausschnitt passt hier dazu. Es geht dabei um eine persönliche Erfahrung:

Ich war mittlerweile sechs Jahre in dieser Branche. Ich war als Telefonagent und Finanzkaufmann unterwegs. Ich hatte, wie viele meiner Kollegen*innen, oft finanzielle Probleme. Um diese Probleme ein wenig zu verringern, wollte ich einen Nebenjob annehmen. Das Geld aus den Provisionen, das mir nach all den vielen Abzügen durch meine Firma übrigblieb, reichte vorne und hinten nicht zum Leben.

Nach langem Überlegen und Suchen nach einer Lösung, habe ich mich schließlich bei einer Lagerfirma in der Nähe meines damaligen Wohnortes beworben. Es war ein Zwischenlager oder so was ähnliches. Die Firma lagerte für Fremdfirmen Produkte ein, für die sie nach dem Verkauf den Versand übernahm. Fast wie Amazon heute. Ich sollte diese Waren einlagern und verkaufte Ware kommissionieren und zum Versand vorbereiten. Dies wäre meine Tätigkeit gewesen. Ich berichtete aus einer, nach heutiger Sicht, völlig fehlinterpretierten Loyalität heraus, sofort meiner Führungskraft über mein Vorhaben. Ich erklärte ihm meine Beweggründe.

Ich erntete wenig Verständnis für meine Verzweiflung. Ich meine, wenn ein Mann sagt, er sei verzweifelt, dann ist er es mit größter Wahrscheinlichkeit auch. Ihm zu erklären, dass er diese Zeit, die er dort in diesem Lager beim Arbeiten verbringen würde, um 300 € im Monat dazu zu verdienen, lieber dafür aufwenden solle, Neukundengewinnung und Zielplanung durchzuführen, war Hohn!

Wie Sie sich aber denken können, habe ich mich dann doch von diesem Menschen manipulieren lassen und dummerweise seinen Vorschlag angenommen.

Mit diesem kurzen Umweg wollte ich zeigen, wie die Branche mit ihren Mitarbeitern umging. Statt Wege zu ebnen, erfolgreiche Mitarbeiter hervorzubringen, wie sie es stets laut hinausposaunte, brachte sie oft nur Pleitegeier in den unteren bis mittleren Reihen hervor. Sie kümmerte sich nicht um die wahren Sorgen ihrer Mitarbeiter. Musste sie auch gar nicht. Denn nur mit und durch diese Ignoranz und dem ständig eingehämmerten Drill – ähnlich dem täglichen Drill eines kommunistisch geführten Landes – waren diese Mitarbeiter wie eine Schafsherde kontrollierbar und devot geworden. Sie hatten keine Sorgen mehr zu haben, sondern sich einzig und allein den Machenschaften der Obrigkeit unterzuordnen.

Durch diese ständige, geistige Manipulation ist ihr Werk überhaupt gelungen. Die Gefahr, dass ich während der Arbeit im Lager Gefallen daran fände, regelmäßigen Lohn zu erhalten und dafür nicht einmal betteln musste, war für sie zu groß.

Aber ich war nicht stark und intelligent genug, um dies zu erkennen und einfach auszusteigen. Als ein fremdgesteuerter Roboter haben sie so mein Verhalten manipuliert und mir dabei beigebracht, wie wir andere manipulieren können. Unsere Kunden zum Beispiel.

Und dieses Beispiel zeigt die andere Seite der Medaille.

Nachrichten und Medien haben es bis heute nicht geschafft, in Bezug auf die Immobilienfallen Handlungsbereitschaft durch Vorsicht aufzubauen – auch wenn das von vorneherein gar nicht ihre Absicht war. Sie lösten mit ihren Fallzahlen, die vor der Entdeckung vorsichtig unter der Hand gehandelt wurden, höchstens ein Unbehagen in der Bevölkerung aus. Dieses Unbehagen bei den Kunden konnten wir mit Hilfe der kunstvoll ausgeklügelten Argumentationsketten unserer Branche wieder beseitigen. Wir wussten einfach, wie wir die Kunden in ihren Emotionen ansprechen mussten. Darin waren wir wahre Meister. Wir ließen den Kunden sich selbst erklären, dass die Banken und Versicherungen nicht wollten, dass der Kunde selbst direkt in die Kapitalanlageimmobilie investiere. Wir sagten ihm, dass er aus Sicht der Banken und Versicherungen weiterhin schön brav ihr Sklave bleiben sollte. Für diese Manipulation seien die Medien die alles erreichende Plattform.