It's My Life - Jürgen Seibold - E-Book

It's My Life E-Book

Jürgen Seibold

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Beschreibung

JOHN BON JOVI Die Biografie des Weltstars zum 60. Geburtstag! Der Rocker im Rampenlicht, on the road, backstage und privat … Als Jon Bon Jovi 1984 seinen ersten Hit »Runaway« landete, waren Faxgeräte der neueste Schrei, statt auf Streaming setzten Popfans auf Musikkassetten, und der neueste Apple-Rechner kostete 10.000 Dollar und hatte eine 10-MB-Festplatte. Achtunddreißig Jahre später feiert Jon Bon Jovi seinen 60. Geburtstag, und aus dem verbissen arbeitenden Rockschönling, als den ihn einst manche Journalisten verspotteten, ist ein respektierter Weltstar geworden, der sich vielseitig engagiert, mit seiner »JBJ Soul Foundation« Familien hilft, denen Obdachlosigkeit droht – und der nach wie vor glücklich mit seiner High-School-Liebe Dorothea Rose verheiratet ist. Schriftsteller und Musikjournalist Jürgen Seibold, der 1991 seine erste Biografie über Jon Bon Jovi geschrieben hat, zeichnet den Weg des US-Musikers nach, der als Sohn eines sizilianischen Einwanderers in New Jersey aufwuchs und sich nach Verkaufsrekorden, Hits und Welttourneen in seinem Lokal »JBJ Soul Kitchen« – wo jeder für sein Essen so viel bezahlt, wie er eben kann – auch mal ans Spülbecken stellt, wenn Not am Mann ist. Seibold berichtet kenntnisreich.

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Impressum

Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet, dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

Neues Leben – eine Marke der Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

ISBN E-Book 978-3-355-50070-8

ISBN Pint 978-3-355-01910-1

1. Auflage 2022

© Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

unter Verwendung eines Fotos von © picture alliance / Yonhap | Yonhap

www.eulenspiegel.com

Inhalt

Prolog

Sayreville, New Jersey

Die Power Station Studios

Erste Schritte mit der neuen Band

Die nächste LP muss zünden

Fürs Erste am Ziel

Ein Film, zwei Premieren

Es geht doch weiter

Von wegen »rockender Schönling«

Noch ein Comeback

Privatleben eines Rockstars

Die Band gibt Vollgas

Mit Sambora, ohne Sambora

Jon hilft, wenn er kann …

Die Jubilare sind noch frisch

Veteranen, Arme, Obdachlose

Der Schaukelstuhl muss warten

Diskografie der Band Bon Jovi

Diskografie von Jon Bon Jovi

Jon Bon Jovi vor der Kamera

Prolog

1990, als ich meine erste Biografie über Bon Jovi geschrieben habe, war die Welt, gerade auch die Musikwelt, noch eine andere als heute. Und wenn wir noch einmal sechs Jahre zurückgehen, ins Jahr 1984, als Jon Bon Jovi seinen ersten Hit Runaway landete, waren Faxgeräte der letzte Schrei der Kommunikationstechnik. Statt auf Streaming setzten Popfans auf Musikkassetten, und sie hatten oft Bleistifte zur Hand und drehten mit deren Hilfe die kleinen Spulen stramm, wenn sich die schmalen Tonbandstreifen, auf denen die Musik gespeichert wurde, wieder mal verheddert hatten. Der neueste Apple-Rechner kostete 10000 Dollar und verfügte über eine 10-MB-Festplatte. Ein weltweites Computernetz stand vor allem Computernerds an Universitäten zur Verfügung.

Achtunddreißig Jahre später feiert Jon Bon Jovi seinen 60. Geburtstag, und aus dem verbissen arbeitenden Rockschönling, als den ihn einst viele Journalisten verspotteten, ist ein respektierter Weltstar geworden, der sich vielseitig engagiert, der mit seiner JBJ Soul Foundation Familien hilft, denen Obdachlosigkeit droht – und der nach wie vor glücklich mit seiner High-School-Liebe Dorothea verheiratet ist. Nach Verkaufsrekorden, Hits und Welttourneen stellt sich der Enkel sizilianischer Einwanderer in seinem Lokal JBJ Soul Kitchen in New Jersey – wo jeder für sein Essen so viel bezahlt, wie er kann – auch mal ans Spülbecken, wenn Not am Mann ist.

Begleiten Sie mich nach Perth Amboy und Sayreville, nach New Jersey, wo der lange Weg dieses besessenen Musikers, begabten Songwriters und – ja, auch das – sehr cleveren Geschäftsmannes begann.

Jürgen Seibold

Sayreville, New Jersey

Behütete Kindheit, rebellische Jugend

Eigentlich ist es kurios, dass dieses Bild so beliebt ist und zugleich so gern als ungewöhnlich gezeichnet wird: der Junge (oder natürlich das Mädchen) aus einfachen Verhältnissen, aufgewachsen in einem ruhigen Umfeld, der es schließlich als Musiker bis auf die größten Bühnen der Welt schafft. Kurios, weil wohl die wenigsten späteren Rockstars direkt unter Bühnenscheinwerfern zur Welt kommen. Und alles andere als ungewöhnlich, weil diesen Weg die meisten weltberühmten Musiker und Schauspieler gegangen sind.

Bruce Springsteen zum Beispiel wuchs – wie Jon Bon Jovi – in New Jersey auf, seine Eltern mussten jeden Cent zweimal umdrehen. Madonna verlebte Kindheit und Jugend in ­Michigan, ebenfalls in einfachen Verhältnissen. Und auch Paul McCartney oder Bob Dylan hatten als Kinder ziemlich unspektakuläre Jahre, bevor sie begannen, sich für Musik zu begeistern. In Wahrheit sind eher Superstars wie Prince und Michael Jackson die Ausnahmen, die schon als Kinder mit Musik in Berührung kamen, weil der Vater eine Band hatte oder, wie in Jacksons Fall, konkrete musikalische Pläne für seine Kinder.

So gesehen, begann die Geschichte des Rockstars Jon Bon Jovi ganz normal.

Geboren wurde er als John Francis Bongiovi jr. am 2. März 1962 in Perth Amboy im US-Bundesstaat New Jersey. Die Stadt, auch City by the Bay genannt und nur durch die Schifffahrtsstraße Arthur Kill von New York getrennt, hatte damals kaum mehr als 30000 Einwohner, über Jahrzehnte hinweg waren es weniger geworden, bevor Perth Amboy irgendwann in den Sechzigern wieder zu wachsen begann. Gegründet wurde der Ort im 17. Jahrhundert an der Mündung des Raritan River, damals wurde er auch für sechzehn Jahre Hauptstadt der Kolonie East Jersey. Mitte des 19. Jahrhunderts sorgten Ziegelwerke für Arbeitsplätze, und am 31. März 1870 soll hier der erste Afroamerikaner seine Stimme in einer Wahl abgegeben haben. Die Fähre, die den Arthur Kill überquerte und zwischen Perth Amboy und Tottenville verkehrte, dem südlichsten New Yorker Stadtteil, stellte ihren Betrieb im Herbst 1963 ein; schon in den Jahren zuvor hatte die zwei Kilometer weiter nördlich errichtete Outerbridge Crossing, die Brücke hinüber nach Staten Island, die Fährlinie weniger wichtig werden lassen.

Jons Vater war ebenfalls in Perth Amboy geboren worden, seine Familie war zuvor aus Sizilien nach Amerika gekommen, und er wuchs mit einem Bruder in New Jersey auf. Als junger Mann diente er als Wartungstechniker in der US-Marine, wo er seine spätere Frau Carol Sharkey kennenlernte, die als Kommunikationstechnikerin ebenfalls einen Dienst in der Marine absolvierte. Die attraktive junge Frau mit deutschen und russischen Wurzeln arbeitete später als Floristin, und man darf sich die beiden als schönes Paar vorstellen: Er mittelgroß, schlank, gutaussehend und von einnehmendem Wesen – sie quirlig und bildhübsch und stolz darauf, dass sie ein paar Jahre zuvor in Pennsylvania zur Miss Erie gekürt worden war. Die beiden verliebten sich, heirateten, und mit John junior kam ihr erstes Kind zur Welt.

Anfangs lebten die drei noch im selben Haus wie Jons Großeltern. Der Vater versuchte sich als Flaschner, wurde schließlich Friseur, und die Mutter arbeitete weiterhin als Floristin, verdiente aber in verschiedenen anderen Jobs Geld dazu, für kurze Zeit arbeitete sie auch als »Bunny« in einem Playboy-Club. Die beiden waren fleißig, und schon 1965 konnten sie in ein neu erbautes Haus auf der anderen Seite des Raritan River ziehen, nach Sayreville.

Die neue Heimatstadt war und ist etwas kleiner als Perth Amboy, aber wenn man die durchschnittlichen Einkommen der Einwohner beider Städte miteinander vergleicht, kommt Sayreville deutlich besser weg. Und die Bongiovis hatten ihr neues Heim obendrein in einem damals gerade entstandenen Stadtviertel errichtet, in einer ruhigen und gepflegten Wohngegend.

Der Robinhood Drive in Sayreville, New Jersey, ist heute eine hübsche, an manchen Stellen etwas in die Jahre gekommene Wohngegend. Der Asphalt der Straße ist rissig geworden, ein schmaler Gehweg aus Betonplatten verläuft neben der Fahrbahn in sattgrünem Gras, dahinter steigen die Rasenflächen sanft zu den Häusern hinauf an. Schräg gegenüber der Einmündung der Stevenson Street steht 16 Robinhood Drive, ein zweigeschossiges Haus, mit Klinker- und Holzfassade, einer Garage und einer schmalen überdachten Veranda zur Straße hin. Vor dem Haus steht eine altertümliche Laterne, Büsche sind gepflanzt, und ein Lebensbaum und ein Holzzaun verwehren den Blick in den Garten hinter dem Haus, der von einem großen Pool dominiert wird. Direkt hinter der Eingangstür führt links eine schmale, recht steile Treppe ins Obergeschoss. Vier Schlafzimmer, zwei Bäder, Essküche, Speiseraum, ein großes Wohnzimmer und ein Raum mit gemütlichem Kaminfeuer verteilen sich auf die zwei Etagen. Das Haus taugt nur bedingt zur Pilgerstätte für Bon-Jovi-Fans: Es gehört der Familie längst nicht mehr, wurde zuletzt 2012 für etwas mehr als 300000 Dollar verkauft.

Hier verbrachte Jon Bongiovi von 1965 an seine Kindheit und Jugend, hier wurden auch seine beiden Brüder geboren: Anthony im Jahr 1967 und Nesthäkchen Matthew 1975. Zur Grundschule, der Harry S. Truman Elementary School, waren es nur wenige Minuten zu Fuß, und auf dem Weg dorthin mussten die Bongiovi-Kinder keine stark befahrenen Straßen überqueren. Jon erinnert sich in Interviews gern an damals, auch daran, dass er mit seinen Freunden problemlos auf dem Robinhood Drive und den benachbarten Wohnstraßen spielen konnte. Die ganze Siedlung wirkt noch heute wie aus dem Bilderbuch der amerikanischen Mittelklasse. Gestutzte Rasenflächen, Bäume in vielen Gärten und auf den Grünstreifen entlang der Fahrbahn. In der Nachbarschaft durchweg ein- bis zweigeschossige Wohnhäuser, und wenn Jon sein Elternhaus verließ und sich nach links wandte, konnte er die Wipfel des kleinen Wäldchens sehen, die das Viertel von der etwas größeren Washington Road mit Tankstelle, Kneipen und Ladengeschäften abschirmte.

Das Viertel, in dem der Robinhood Drive liegt, wird von der Washington Road, dem Garden State Parkway und der Main Street begrenzt, und in diesem Gebiet lebten damals, in den frühen Sechzigern, vor allem Familien mit Wurzeln in Italien oder Irland. Die meisten Kids, mit denen Jon zu tun hatte, wiesen einen ähnlichen familiären Background auf wie er, allen ging es ordentlich, niemand musste hungern, jeder hatte das Nötigste. Aber obwohl alle viel arbeiteten, waren finanziell keine großen Sprünge drin. Derselbe Hintergrund, dieselbe Lebenssituation, das schweißte viele dieser Familien zusammen. Das Gemeinschaftsgefühl in der Siedlung war stark ausgeprägt, was einerseits eine angenehme Atmosphäre schuf – für Jungs wie Jon und seine beiden Brüder aber durchaus auch Nachteile hatte: »In dieser Stadt und vor allem in diesem Viertel konntest du praktisch nichts anstellen, ohne dass du erwischt worden bist«, erzählte Jons Bruder Matthew einmal lachend.

Die Ferien verbrachten die Bongiovis oft in Erie im US-Bundesstaat Pennsylvania. Die 100000-Einwohner-Stadt am Ufer des Eriesees, auf halbem Weg von Cleveland nach Buffalo gelegen, war die alte Heimat von Jons Mutter Carol, und sie wohnten anfangs bei deren Eltern und mieteten erst später auch einmal ein Ferienhaus.

Das erste Ziel: das Baseball-Team

Wieder zurück in Sayreville, spielte außer der Arbeit und einer intakten Nachbarschaft auch die katholische Kirche eine wesentliche Rolle für die Bongiovis und ihre Nachbarn. Carol und John Bongiovi senior schickten ihren Erstgeborenen nach der Elementary sogar auf die St. Joseph High School, die sich auch heute noch etwa eine Viertelstunde Autofahrt vom Robinhood Drive entfernt im Städtchen Metuchen befindet. »St. Joe’s« ist eine katholische Jungenschule, die der dortigen Diözese untersteht und von den Brüdern vom Heiligsten Herzen Jesu betrieben wird, einer in Frankreich entstandenen Gemeinschaft innerhalb der römisch-katholischen Kirche, die weltweit Schulen und Ausbildungseinrichtungen unterhalten. Allzu glücklich kann seine Zeit dort nicht verlaufen sein, denn schon nach zwei Jahren wechselte er zurück nach Sayreville an die War Memorial High School, mit dem Rad in ein paar Minuten vom Elternhaus aus zu erreichen.

Auch von der War Memorial High ist nicht überliefert, dass sich Jon übertrieben fleißig in den Lernstoff vergraben hätte. Eher war er darauf aus, ins Baseball-Team seiner Schule aufgenommen zu werden – aber dafür war er zu schmächtig, er schaffte es nicht in die Mannschaft. »Da mich das Baseball-Team nicht haben wollte«, erinnert er sich, »war mir der übliche Weg verbaut, auf dem die Jungs an der Schule damals Punkte bei den Lehrern und den Mädchen sammeln konnten. Dabei hätte ich diese Punkte als Ausländerjunge dringend nötig gehabt.«

Ausländerjunge … Die High School lag vom Robinhood Drive aus zwar nur zwei Kilometer weiter die Washington Road hinunter. Doch während um Jons Familie herum vorwiegend italienisch- und irischstämmige Leute wohnten, wurde diese teils verschworene Gemeinschaft im Rest von Sayreville durchaus kritisch beäugt.

»Für die meisten in der Schule war ich als Italoamerikaner ein Idiot, so sehr ich mich auch um Anerkennung bemühte«, erzählte Jon einmal. »Eigentlich war unsere Familie längst nicht so italienisch, wie man sich das damals gemeinhin vorstellte. Früher vielleicht, als mein Großvater noch lebte, als sich die ganze Verwandtschaft regelmäßig traf und sich dabei alles um die Großeltern drehte. Ich habe meine Großmutter mal auf diese Zeit angesprochen, und sie meinte, dass sie diese Sonntage sehr vermisse, an denen alle Vettern und Cousinen zu Besuch kamen. Heute, sagte sie, habe sich alles verändert, jeder in der Familie gehe seiner eigenen Wege. Und, ehrlich gesagt, auch mich macht diese Veränderung recht traurig.«

Das dürfte er als Teenager anders gesehen haben, denn wer erinnert sich nicht mit Grausen an Tanten, die sich mit einem Stück Schokolade einen Kuss vom ach so süßen Neffen erkauften, oder an die Oma, die eben mal ins Taschentuch spuckte, um den lieben Kleinen einen Fleck aus dem Gesicht zu wischen?

Das Desaster mit der Gitarre

Wie auch immer: Im Baseball durfte Jon Bongiovi nicht mitmischen, also suchte er sich einen anderen Weg, um Freunde zu finden und den Mädchen aufzufallen. Hier kam die Musik ins Spiel. Eines Tages – so lautet eine gern verbreitete Anekdote – erklärte Klein Jon seinen Eltern, dass er Rockstar werden wollte. Was der Vater davon hielt, ist nicht überliefert, aber Mutter Carol schenkte ihm eine akustische Gitarre, die sie günstig auf einem Flohmarkt erstanden hatte. Die Freude darüber, so erinnert sich Jons Mutter, war überschaubar: »Mit dem Instrument lag ich völlig daneben. Wutentbrannt warf Johnny die Gitarre die Treppe im Haus runter und brüllte, er wolle Schlagzeuger werden und habe deshalb für die blöde Gitarre keine Verwendung …«

Eine schön erzählte Geschichte, aber etwas anders hat es sich doch verhalten. Denn als seine Mutter mit der Gitarre ankam, hatte der damals siebenjährige Jon zunächst viel Spaß daran, mit der Gitarre vor dem Spiegel Rockstarposen zu imitieren. Zusammen mit dem Instrument schenkte die Mutter ihm eine LP, auf der Kenny Rogers Gitarrenlektionen vorstellte. Auch Unterricht bekam er, allerdings geriet er da offenbar an den Falschen. Als Lehrer wurde der Besitzer eines lokalen Instrumentenladens engagiert, der Jon die Gitarre als Instrument schnell und gründlich verleidete: Während der Schüler bis zum Überdruss Tonleitern übte, saß der Lehrer daneben, paffte eine stinkende Pfeife und döste zwischendurch auch gern mal weg. Davon hatte Jon bald die Nase voll, und so landete die Gitarre am unteren Ende der Treppe.

Laut war Jon damals, wild und ausgelassen. Er und seine Freunde flitzten in dieser Zeit stundenlang mit dem Rad durch die Gegend, am liebsten über irgendwelche Dreckpisten oder auf Eisenbahntrassen – was ihnen natürlich regelmäßig Ärger einbrachte. Und nicht nur einmal wurden die Räder der Jungs von der Polizei konfisziert. Vermutlich waren seine Eltern heilfroh, als doch wieder die Musik in Jons Blickfeld rückte.

Elton John und der »Boss«

Der britische Sänger, Pianist und Songschreiber Reginald Kenneth Dwight hatte unter seinem Künstlernamen Elton John 1971 mit der Ballade Your Song seinen ersten großen Hit auch in den USA, im Jahr darauf erreichte er mit Rocket Man die Top Ten und mit Crocodile Rock sogar erstmals Platz 1 der US-Charts. Auch das Album Don’t Shoot Me I’m Only the ­Piano Player, das aus dem Crocodile Rock ausgekoppelt worden war, schaffte es wie schon der Vorgänger Honky Château an die Spitze der amerikanischen Hitliste. Als das nächste Album Goodbye Yellow Brick Road erneut ganz nach oben schoss, wurde Jon zu einem eingefleischten Elton-John-Fan. 1974 kaufte er sich die LP Caribou, ebenfalls ein Nummer-Eins-­Erfolg für den Briten sowohl in Großbritannien als auch in den Vereinigten Staaten, und feierte Songs wie The Bitch Is Back und Don’t Let the Sun Go Down on Me, die auch als Single durch die Decke gingen.

Unterdessen erspielte sich ein junger Musiker aus New Jersey allmählich eine erste Fangemeinde: der Sänger und Gitarrist Bruce Springsteen, dreizehn Jahre älter als Jon Bongiovi, war in Freehold aufgewachsen, einer Stadt knapp 30 Kilometer südlich von Sayreville. Er war in New Jersey geblieben, als seine Eltern 1966 aus beruflichen Gründen nach Kalifornien zogen, und lebte später in einem Zimmer in Asbury Park, wo man auf den Atlantik und hinüber auf die Lichter New Yorks sehen konnte und wo junge Musiker in den zahlreichen Live­clubs Möglichkeiten fanden, sich mit lokalen Bands auszuprobieren. Nach einigen Jahren in wechselnden Gruppen und mit Solokonzerten nahm Springsteen 1972 sein erstes Album Greetings from Asbury Park, NJ auf, das aber zunächst erfolglos blieb – obwohl es die Ohrwürmer Blinded by the Light, For You und Spirit in the Night enthielt, die Manfred Mann’s Earth Band später zu großen Hits machte. Auch die zweite LP The Wild, the Innocent & the E-Street Shuffle floppte anfangs, doch für junge Musiker aus New Jersey war Springsteen trotzdem schon zu diesem Zeitpunkt, 1973, ein großes Vorbild. Mit seinen Konzerten kämpfte er sich geradezu nach oben, und als er 1975 auch mit dem Studioalbum Born to Run den Durchbruch schaffte, wurde er für die Musikszene in New Jersey vollends zum Idol.

Auch Jon Bongiovi war völlig aus dem Häuschen, als er sich die Platte besorgt hatte. »Der Boss«, wie Springsteen genannt wurde, weil er seinen Musikern nach dem Konzert die Gage in bar in die Hand drückte, hatte eine Begleitgruppe zusammengestellt, die schließlich als E Street Band firmierte und einen so wuchtigen, druckvollen Sound zustande brachte, wie man es damals noch nicht oft gehört hatte. Hart und laut, wie es zu Rocksongs passte, aber auch mit wehmütigen Mundharmonika-Klängen, mehr als einem Schuss Folk und immer wieder soulig wirkenden Einlagen am Saxofon. Zu dieser Wall of Sound, an der er auch als Rhythmusgitarrist beteiligt war, verausgabte sich Springsteen als Sänger, raunte, schrie und krächzte und erzählte in seinen Texten wunderbare, oft melancholische Geschichten über Amerika und seine Schattenseiten. »Jeder Junge aus New Jersey, der sich auch nur ein wenig für Rockmusik interessierte, war ein Fan von Bruce«, erinnert sich Jon in einem Interview. »Es gehörte in New Jersey einfach dazu, Bruce zu bewundern. Womöglich mussten diejenigen, die es nicht taten, sogar mehr Steuern zahlen …«

Aber natürlich waren Springsteen und seine E Street Band nicht die einzigen Gruppen und Musiker, die Jon Bongiovi beeindruckten. Als der damals Vierzehnjährige 1976 mit der Familie mal wieder die Ferien in der Nähe von Erie verbrachte, wurde während ihres Aufenthalts dort ein kleines Festival in der Stadt angekündigt: Nacheinander sollten Rush, Heart und die Doobie Brothers auf der Bühne stehen, und Jon durfte mit seinen Eltern hingehen.

Die Mischung dieser drei Acts klingt spannend. Das kanadische Trio Rush brachte eine krachende, druckvolle Mischung aus Hardrock, Heavy Metal und jenem kompliziert zu spielenden Stil, der Progressive Rock oder Progrock genannt wurde. Heart dagegen, das Bandprojekt der Schwestern Ann und Nancy Wilson, setzten eher auf melodischen Rock und hatte 1975 noch kein Album aufgenommen. Und die Doobie Brothers, gefeiert seit ihren Hits mit Listen to the Music und vor allem Long Train Runnin’ aus dem Jahr 1972, mischten Country, Rock und Rhythm & Blues zu einem saftigen Livesound.

Teenie Jon war entsprechend beeindruckt von dem ersten großen Konzert, das er hatte besuchen dürfen: »Ich flippte völlig aus!«, erzählte er einmal. »Vor allem Rush hatten mir gefallen!«

Gitarre, der zweite Versuch

Bruce Springsteens Beispiel und der Eindruck des Festivals blieben nicht folgenlos: Gleich nach den Ferien beschloss er, es doch noch einmal an der Gitarre zu versuchen – schließlich spielte auch sein Vorbild Springsteen dieses Instrument, und: »Die Girls interessierten sich schon immer mehr für Gitarristen und Sänger im Rampenlicht als für dem Schlagzeuger im Hintergrund.«

Zusammen mit zwei gleichgesinnten Kumpels fragte er den Profimusiker Al Parinello, der im Viertel lebte, ob er ihnen nicht einige Griffe zeigen und den einen oder anderen Kniff an der Gitarre verraten könne. Jon Bongiovi: »Al war Profimusiker, für die Nachbarn galt er damals als wirklich große Nummer. Er gab mir Gitarrenunterricht – mir und zwei anderen Jungs: Dave Sabo, der heute für Skid Row Gitarre spielt, und einem anderen Typ, der irgendeiner Garagenband angehörte, später die Musik an den Nagel hängte und heute als Rechtsanwalt oder so etwas arbeitet. Al wollte kein Geld für den Unterricht – er mochte uns, weil er uns okay fand.«

Al brachte den Jungs einige Songs bei und, wie Jon während der Fernsehgala anlässlich der Aufnahme von Bon Jovi in die Hall of Fame 2018 erzählte: »Ich lernte nicht besonders schnell, aber Al vermittelte mir die Magie eines Songs. Das erste Stück war House of the Rising Sun in der Version der Animals. Als Nächstes waren Thin Lizzy mit The Boys Are Back in Town an der Reihe.« Doch Jon übte nicht verbissen genug, kam nicht recht voran als Gitarrist, und irgendwann riss Parinello der Geduldsfaden. Er warf seinem Schüler an den Kopf, dass er auf diese Weise nur seine Zeit verplempere und dass in der folgenden Woche Schluss sei mit dem Unterricht, falls sich Jon nicht mehr Mühe mit der Gitarre geben werde. »Das hat gewirkt«, gibt Jon zu. »Von da an habe ich jeden Tag auf der Gitarre geübt. Al starb 1995, und seine Initialen A.P. auf dem Corpus meiner Gitarre erinnern mich noch heute daran, jeden Tag zu üben. Und dafür, Al, sage ich dir ›Danke!‹.«

Und dann waren die Haare ab

Die Hall of Fame war damals, 1975, noch weit entfernt für Jon Bongiovi, aber das Gitarrespielen nahm er nun sehr ernst, so ernst, dass er abends sogar ab und zu mit der Gitarre im Arm eingeschlafen sein soll, weil ihm über dem Üben die Augen zugefallen waren. Aber natürlich war er auch aus anderen Gründen müde. Mit Kumpels wie dem schon erwähnten Dave Sabo hing er ab, trank Bier und rauchte durchaus mal einen Joint. Dass keine härteren Drogen folgten, hatte sicher auch mit Jons Vater zu tun und damit, wie er mit seinem Erstgeborenen umging.

»Soweit ich mich erinnern kann«, erzählte Jon 1987 der Zeitschrift Bravo, »war ich schon immer ein wilder Junge. Schon als Baby soll ich ein rechter Wildfang gewesen sein, später dann so etwas wie ein junger Rebell. Ein Mustersöhnchen war ich weiß Gott nicht. Zum Glück hatte mich mein Vater immer ganz gut im Griff, sonst wäre ich vielleicht sonstwo gelandet.«

John senior, immerhin Friseur, wusste, wo er zur Not ansetzen musste – zu Jons Leidwesen: »Ich war schon immer unheimlich stolz auf meine langen Haare – und mein Vater drohte, sie mir abzuschneiden, wenn ich nicht parierte.«

Und Jon lernte tatsächlich eines Tages, dass das keine leere Drohung war. »Na ja, damals hatte ich es wohl auch wirklich zu weit getrieben, das war schon eine irre Geschichte. Jedenfalls hatten sich ein paar meiner Klassenkameraden und ich ein paar Dosen Bier gekauft, um damit anzugeben. Wir waren nicht wirklich an Alkohol gewöhnt und deshalb schon nach den ersten paar Schluck Bier stinkbesoffen. Als ich spätabends nach Hause kam, schwindelte ich meiner Mutter vor, ich sei schwer erkältet – und verschwand möglichst schnell im Bett. Mann, war ich blau! Ich bin nur noch in mein Zimmer hinaufgetorkelt, habe meine Stereoanlage eingeschaltet, den Kopfhörer übergestülpt und die Anlage auf volle Lautstärke aufgedreht. Das Dumme war nur: Ich hatte in meinem Rausch völlig vergessen, den Kopfhörer auch wirklich einzustöpseln. Mir ist das natürlich nicht aufgefallen – anderen dafür umso mehr: Ich habe die ganze Nachbarschaft aufgeweckt. Na ja … danach musste ich mir also die Haare schneiden lassen …«

Immerhin: Von härteren Drogen ließ er nach allem, was man weiß, die Finger, und auch mit Bier ging er offenbar etwas verantwortungsbewusster um, denn die Haare waren bald wieder lang.

High waren vor allem Dave und Jon damals ohnehin meistens aus ganz anderen Gründen: weil sie wieder einmal ihren Tagträumen nachhingen, es als Musiker ganz nach oben zu schaffen. Sie diskutierten endlos über neue Songs, über angesagte Bands und solche, die es werden konnten. Und sie gaben sich ein Versprechen: Wem immer von den beiden es als Erstem gelingen würde, in der Musikszene Fuß zu fassen, er würde dem anderen eine Gelegenheit verschaffen, es ebenfalls zu schaffen.

Atlantic City Expressway

Musikalisch sagte Jon das meiste von dem, was 1975 in den Charts platziert war, nicht besonders zu. Barry Manilow stand im Januar mit seiner Schmachtballade Mandy auf Platz 1 in den US-Charts, er wurde durch Please Mr. Postman von den Carpenters abgelöst, die wiederum Neil Sedaka und Laughter in the Rain Platz machen mussten. Auch Frankie Valli (My Eyes Adored You), B. J. Thomas (Another Somebody Done Somebody Wrong Song) oder John Denver (Thank God I’m a Country Boy) trafen nicht unbedingt seinen Geschmack.

Die Konzerte der damals angesagten Rockbands dagegen begeisterten ihn, allen voran die Hardrockband Kiss, die zwei Jahre zuvor in New York gegründet worden war und mit ihrem 1975er Album Dressed to Kill endgültig die großen Bühnen stürmte, geschminkt und maskiert. Und ein weiterer Musiker aus New Jersey neben Bruce Springsteen schaffte in diesem Jahr eine Art Durchbruch: Der siebenundzwanzigjährige John Lyon aus Ocean Grove, einem Stadtteil von Neptune an der Atlantikküste, rockte mit seiner Band Southside Johnny & The Asbury Jukes die Clubs der Region und galt im Kielwasser von Springsteen als das nächste große Ding im US-Bundesstaat. Vielleicht lag es daran, dass Southside Johnny noch kein übergroßer Weltstar war, aus derselben Region kam und schon erfolgreich, aber irgendwie auch noch greifbar wirkte – jedenfalls wurde er Mitte der siebziger Jahre am ehesten zu Jons Idol, seinem Vorbild, zu einer Art role model. In einem Interview drückte es Jon Bongiovi einmal so aus: »Alles was ich damals sein wollte, war ein Asbury Juke. Sie waren keine große Band. Sie spielten nur regionale Gigs, aber genau das machte in meinen Augen einen Rockstar aus!«

Jon besuchte die angesagten Liveclubs, bestaunte die dort auftretenden Bands, und als er sechzehn war, beschloss er, nun selbst eine Gruppe zusammenzustellen. Die Musiker hatte er bald beisammen, Jon und die anderen verpassten der neuen Formation den Namen Raze und standen während eines Talentwettbewerbs an der War Memorial High School auf der Bühne. Drei Songs spielten sie, ihren Auftritt setzten sie ziemlich in den Sand und im Wettbewerb landeten sie unter ferner liefen.

Der Rückschlag brachte Jon aber nicht davon ab, es weiter zu versuchen. Bis ins Jahr 1979 hinein spielte er in zahlreichen, meist kurzlebigen Bands, vor allem, um Bühnenerfahrung zu sammeln. Und während er bei Schulfesten auftrat und Coverversionen bekannter Songs einstudierte, träumte er insgeheim davon, seine eigenen Kompositionen zu spielen – und mit einer eigenen Band in einem jener renommierten Liveclubs vor Publikum zu bestehen, die schon Southside Johnny & The Asbury Jukes zum Kochen gebracht hatten. Und er wollte als Vorgruppe größerer Bands auftreten, um sich auch einem größeren Publikum präsentieren zu können.

Also begann er damit, eine feste Band um sich herum aufzubauen, die er Atlantic City Expressway nannte. Als die Gruppe vollständig war, hatte sie zehn Mitglieder – und ein gewisser David Bryan Rashbaum bediente die Keyboards. David war wie Jon 1962 in Perth Amboy geboren und nur knapp vier Wochen älter als er. Er besuchte die JP Stevens High School in seiner neuen Heimatstadt Edison, nicht weit entfernt von St. Joe’s, wo sich Jon eine Zeitlang als Schüler versucht hatte. Doch die beiden liefen sich vor allem deshalb ständig über den Weg, weil die lokale Musikszene, in der sie sich bewegten, überschaubar war. Jeder hatte schon mal mit jedem gejammt, man hatte sich gegenseitig auf der Bühne erlebt oder nach einer Live-Show zum Fachsimpeln auf zwei, drei Bier zusammengesetzt.

Atlantic City Expressway wurden nach und nach bekannter, und Jon als ihr Frontmann entwickelte immer mehr Bühnenpräsenz. Bald lagen ihm die ersten Fans zu Füßen. Dass er ein gutaussehender, schlanker Kerl mit schulterlangen lockigen Haaren war, spielte dabei sicher auch eine Rolle.

»Während meiner Zeit auf der High School spielte ich abends in Clubs und Lokalen, die ich in meinem Alter eigentlich noch gar nicht hätte betreten dürfen. Aber die Polizei kontrollierte nur die Gäste, nicht die Musiker auf der Bühne.«

Jon machte so viele Auftritte klar wie möglich. Dass die Band dafür selten mehr als 100 Dollar Gage bekam, störte ihn nicht grundsätzlich – rein finanziell war das ein schlechtes Geschäft, denn von diesem Geld, das durch zehn Bandmitglieder geteilt wurde, musste auch noch die Fahrt zu einem der Clubs an der Küste von New Jersey bezahlt werden. Aber darum ging es vor allem Jon nicht: Er wollte seine Band bekannt machen, wollte eine Fanbase aufbauen – und er wollte endlich die Gelegenheit bekommen, im Vorprogramm einer richtig großen Rockband aufzutreten. Dafür gab er alles, dem widmete er all seine Zeit, und nebenbei verdiente er mit kleinen Jobs sogar noch etwas dazu, um sich die Auslagen für manche Konzerte mit der Band überhaupt leisten zu können. Er arbeitete stundenweise für einen Schrotthändler, setzte sich an die Drogeriekasse, jobbte in einem Schnellimbiss und holte sogar Jackett und Krawatte aus dem Schrank, um als Aushilfsschuhverkäufer ein paar Dollar zu verdienen.

»Ich hatte eigentlich als Junge nicht sehr viele Freunde. Ich hatte meine Band, und mit ihr trat ich auf. Wir spielten zum Beispiel – soweit ich weiß – auf dem letzten High School Dance, der in Sayreville veranstaltet wurde. Wir spielten in den Bars der Gegend Motown-Hits und einige Songs von Southside Johnny nach, während alle meine Klassenkameraden zu Hause in ihren Zimmern die Platten von Grateful Dead auflegten.«

Die Schule hatte gegen Jons musikalischen Ehrgeiz keinen leichten Stand. Er spielte mit seiner Band Gigs bis spät in die Nacht und kam am nächsten Morgen entsprechend schwer aus dem Bett, wenn er sich auf den Weg in die Schule machen musste. Dort schlief Jon entweder irgendwann ein oder kämpfte sich durch die Unterrichtsstunden, bis endlich wieder eine Probe oder ein Konzert anstanden. »Ich kam dann morgens gern mit einer dunklen Sonnenbrille ins Klassenzimmer. So konnten die Lehrer nicht sehen, wenn mir während des Unterrichts gelegentlich mal die Augen zufielen.« Später, als Rockstar, trug er eine solche Sonnenbrille übrigens auch, um seine vom Heuschnupfen geröteten Augen zu verbergen.

Ein Autorennen – und eine Klassenkameradin

Damals gab es neben der Musik eigentlich nur zwei Dinge, die Jon wirklich interessierten: sein Wagen und eine Klassenkameradin.

Der Wagen brachte ihm ein spannendes Erlebnis ein, das um ein Haar ins Auge gegangen wäre. In den USA unterscheidet sich das Mindestalter, in dem man die Führerscheinprüfung fürs Auto machen darf, von Bundesstaat zu Bundesstaat. In New Jersey kann man mit siebzehn Jahren eine vorläufige Fahrerlaubnis bekommen, die in zwei Punkten eingeschränkt ist: kein Fahren zwischen 23 und 5 Uhr, und nicht mehr als ein Beifahrer, wobei zum Beispiel die Eltern nicht mitgezählt werden. Kaum hatte er 1979 den Führerschein in der Tasche, besorgte sich Jon einen gebrauchten Chevrolet Camaro. Den Wagen kennen viele aus einigen Kinofilmen der Fast & Furious-Reihe, und auch wenn Jons Wagen nicht so aufgemotzt war wie die Flitzer im Film, ließ sich damit doch recht sportlich über die Straßen rund um Sayreville cruisen. Eines Abends war Jon auf der Landstraße unterwegs und fühlte sich von einem anderen Autofahrer herausgefordert, der ebenfalls schnell fuhr. Jon nahm die vermeintliche Einladung zum Rennen an – und staunte nicht schlecht, als ihn kurz danach die Polizei stoppte und mit vorgehaltener Waffe aufforderte, seinen Wagen zu verlassen. Er hatte sich das PS-Duell ausgerechnet mit einem Zivilfahrzeug der New Jersey State Police geliefert, in dem ein Häftling von einem Gefängnis zum anderen gebracht werden sollte. Zum Glück kamen die Cops schnell zu dem Schluss, dass der Junge am Steuer des Camaro für sie keine Bedrohung darstellte, und als Jon sie für denselben Abend zu einem Konzert seiner Band einlud, war die Situation vollends gerettet. Übrigens sollen die Polizisten nach Dienstschluss tatsächlich zum Konzert gekommen sein.

Die Klassenkameradin war Dorothea Hurley und saß während der High School im Geschichtsunterricht neben ihm. Jon war sofort verliebt in seine Mitschülerin, nur verabredete sie sich zu dieser Zeit mit Bobby, einem von Jons Freunden, und war damit tabu. Doch die Beziehung ging in die Brüche, als Bobby sich zum Dienst in der Navy meldete und so aus beider Leben verschwand. Gut möglich, dass Dorothea befürchtete, auch Jon könne über kurz oder lang weg sein – schließlich machte er ja kein Geheimnis daraus, dass er Rockstar werden wollte. Doch obwohl er diesen Weg hartnäckig verfolgte und sein Ziel am Ende wirklich erreichte: Die Beziehung zu Dorothea hielt und hält noch heute. Aber dazu später mehr.

Atlantic City Expressway schafften es tatsächlich, in den angesagtesten Clubs aufzutreten, und als sie im Fast Lane auf der Bühne standen, tauchte ein bekanntes Gesicht im Publikum auf: Bruce Springsteen hörte seinem jungen Kollegen zu. Irgendwann kam er nach vorn, kletterte zu Jon auf die Bühne und sang ein paar Stücke mit. Das kam danach immer mal wieder vor, die beiden jammten miteinander – und ein bisschen wirkte es so, als habe der große Boss ihn damit geadelt und als würdigen Kollegen akzeptiert.

Auch Southside Johnny, in dessen Band The Asbury Jukes sich Jon Bongiovi früher hineingeträumt hatte, war auf seinen jungen Kollegen aufmerksam geworden. Er behielt dessen ersten Gehversuche in der Musikszene zunächst im Auge, ohne dass Jon davon etwas mitbekam. Doch weil sich Musiker aus New Jersey auch dann noch in den gängigen Liveclubs häufig über den Weg liefen, wenn der eine schon berühmt war und der andere es erst werden sollte, lernte Jon Bongiovi den erfolgreichen Kollegen bald näher kennen. John Southside Johnny Lyon freundete sich mit dem ehrgeizigen Jungspund an und verbrachte viel Zeit mit ihm.

Unterdessen ging die Geschichte von Atlantic City Expressway ihrem Ende entgegen. Die Band war erfolgreich, aber Jon war nicht mehr so richtig damit zufrieden, vorwiegend fremde Songs nachzuspielen. Er hatte zwar immer mal wieder eigene Kompositionen im Programm unterbringen können, aber er wollte mehr davon und befürchtete vor allem – sicher nicht zu Unrecht –, dass eine Coverband für ihn eine Sackgasse als Musiker darstellen würde. Als David Bryan Rashbaum die Gruppe verließ, kehrte auch Jon ihr den Rücken.

Vorprogramm statt Englischprüfung

In der Band war Jon der unumstrittene Frontmann, für ihn wiederum war David Bryan Rashbaum der wichtigste Bezugspunkt innerhalb der Gruppe. Doch David hatte nicht nur Rockmusik im Sinn: Seit seinem siebten Lebensjahr nahm er Klavierunterricht, und nun bekam er die Chance, sich an der renommierten Juilliard School in New York für ein Musikstudium einzuschreiben.

Jon dagegen suchte nach einer neuen Band, schloss sich als Sänger und Gitarrist der Gruppe The Rest an und feierte auch mit ihr bald kleine Erfolge – und einen großen, der Jon die Chance bot, auf die er lange hingearbeitet hatte: Seine Band sollte in New York das Vorprogramm für ein Konzert des angesagten Soulpop-Dups Hall & Oates bestreiten. Doch es gab … nun ja … gewisse Terminschwierigkeiten, wie Jon in einem Interview verriet. »Es war in meinem letzten Jahr auf der High School in Sayreville. Ich schwänzte die Englisch-­Abschlussprüfung, weil ich am selben Abend mit meiner Band als Vorgruppe in New York spielen durfte. Das war für mich eine einmalige Chance, aber meine Eltern sahen das wohl etwas anders. Am folgenden Tag holte ich die Prüfung nach – und bestand sie mit Ach und Krach.«

Den Auftritt im Vorprogramm von Daryl Hall und John ­Oates hatte ihm sein Kumpel Southside Johnny vermittelt. Dessen Asbury Jukes waren engagiert worden, für Hall & ­Oates die Anheizer zu machen, und Southside Johnny überredete den Veranstalter, zusätzlich auch noch The Rest auftreten zu lassen.

Davon schwärmte Jon Bongiovi noch viele Jahre später in einem Interview mit der Zeitschrift Spin: