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Ren Dhark wird mit einer neuen, unbekannten Macht konfrontiert, die stärker zu sein scheint als alles, dem er bisher begegnet ist. Sie nutzt Raumschiffe, die es eigentlich gar nicht geben kann, zur Jagd auf die POINT OF...
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Seitenzahl: 481
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 31
Jagd auf die POINT OF
von
Achim Mehnert
(Kapitel 1 bis 6)
Ben B. Black
(Kapitel 7 bis 12)
Uwe Helmut Grave
(Kapitel 13 bis 17)
Jan Gardemann
(Kapitel 18 bis 20)
und
Hajo F. Breuer
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
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Impressum
Prolog
Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Obwohl die Erde wieder auftaut, wurden 36 Milliarden Menschen nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. Doch der entwickelt sich in eine Richtung, die gerade den Gutwilligen überhaupt nicht paßt…
Auf der nur noch von ein paar Millionen Menschen bewohnten Erde hat der Wächter Simon drei Personen für das neue Wächterprogramm rekrutiert: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung in die Milchstraße. Ihre Aufgabe: Reparatur der defekten Station ERRON-2 und Überwindung der Schranke um Orn, die Heimatgalaxis der Mysterious oder Worgun…
Genau in dieser Sterneninsel machen der ehemalige Rebell Gisol und seine Kampfgefährtin Juanita auf Epoy, dem Ursprungsplaneten der Worgun, eine erschreckende Entdeckung: Eine geheimnisvolle Macht jagt alle Mutanten und versucht, das Volk der Hohen zu einer Gemeinschaft der Dummen hinabzuzüchten. Ihr Bericht bewegt Margun und Sola dazu, einen Notruf abzustrahlen…
Zur gleichen Zeit muß Ren Dhark erkennen, daß sich vieles verändert hat in seiner Heimat: Terence Wallis macht ihm und wenigen Auserwählten das Angebot der relativen Unsterblichkeit! Und auf Babylon hat Henner Trawisheim eine Diktatur errichtet. Er läßt Ren Dhark und seine Getreuen verhaften. Als ihnen die Flucht zurück in die POINT OF gelingt, bleibt auch Dan Riker und seiner gesamten Flotte nur noch die Desertion. Von Trawisheim zu Vogelfreien erklärt, will sich das kleine Rebellenhäufchen auf Echri Ezbals neuer Forschungswelt Wischnu treffen. Doch als er den Notruf von Orn erhält, ist Ren Dhark nicht mehr zu bremsen…
Mit Hilfe des geheimnisvollen goldenen Planeten überwindet er die Schranke um Orn – und erfährt vom vergeblichen Versuch der großen Worgun Margun und Sola, den Frieden in der Galaxis mit Hilfe eines gigantischen Parakraftverstärkers wiederherzustellen. Als man das Gerät ans Laufen bringt, kommt es zu einem unvorhersehbaren Rückkopplungseffekt. Es explodiert – und mit ihm die Gigantstation ARKAN-54.
Es gelingt, den Ausgangspunkt der Rückkopplung zu orten. Er liegt auf dem Freihandelsplaneten Newing im Tekmar-System. POINT OF und EPOY II landen auf dem Raumhafen der größten Stadt Diteren. Sie machen Bekanntschaft mit dem unheimlichen Baldurenkult – und dem gigantischen Goldenen dieses Planeten, der sie zu vernichten versucht…
In der Milchstraße ersinnt Henner Trawisheim einen perfiden Plan, um seine Umfragewerte zu verbessern: Er reaktiviert das Flottenschulschiff ANZIO und schickt es mit einem Fernsehteam an Bord auf eine Ausbildungsreise. Doch die Kandidaten wurden nicht nach Eignung, sondern nach Schönheit ausgesucht. Bei ihrer ersten Bodenübung auf dem unberührten Planeten Chance laufen die Nachwuchssoldaten fast in eine Falle mutierter Grakos – und entdecken das Geheimnis von deren relativer Unsterblichkeit…
In Schottland ist derweil Gardist Kurt Buck mit einem unheimlichen Flugapparat konfrontiert, dessen Insassen ihm nach dem Leben trachten…
1.
Portali hockte in der Sitzmulde der kleinen Antigravscheibe und war von fiebriger Erregung ergriffen. Er hatte das Gefühl, daß ein besonderer Tag vor ihm lag. Oder besser, ein besonderer Geschäftsabschluß. Wahrscheinlich sogar beides, denn ein besonderer Geschäftsabschluß brachte einen besonderen Tag mit sich. Der heutige allerdings konnte besser werden als jeder andere, den der raumfahrende Händler im vergangenen Jahr gehabt hatte.
Ach ja, das vergangene Jahr. Gern hätte er es aus seiner Erinnerung verbannt. Der Kolk wurde schwermütig, wenn er an all die Mißerfolge zurückdachte, die er erlitten hatte. Portali war auf den Handel mit Borbuli-Beeren spezialisiert, köstlichen Trauben, die einen noch viel köstlicheren Nektar ergaben. Wer ein paar Gläser davon kostete, brauchte kein Raumschiff mehr, um durch die Galaxis zu fliegen, und keinen Transmitter, um eine Reise anzutreten. Er flog von ganz allein. Borbuli-Beeren schufen jedem Genießer genau die Welt, die er sich schon immer erträumt hatte. Jedenfalls behauptete man das. Portali selbst hatte sich dem Rausch selbstverständlich niemals hingegeben. Er war ein hart arbeitender Geschäftsmann, der seine persönlichen Freuden aus anderen Quellen bezog.
Seine unnachahmlichen Beeren gehörten allein seiner Kundschaft. Früher war das jedenfalls so gewesen.
Geifernd spuckte Portali über den Rand der Scheibe hinweg, durch den grünlich flimmernden Schutzschirm hindurch, der ihn vor unangenehmen Überraschungen bewahrte und in dem sich für einen kurzen Moment eine Strukturlücke auftat, und traf beinahe einen vorbeigehenden Kormoren. Die dürre Gestalt am Straßenrand zeterte und schrie und erreichte damit nur, daß der Kolk ein weiteres mal nach ihr spuckte, sie aber erneut verfehlte.
»Ein Kolk!« schrie der Kormore. »Ein schmutziger, heruntergekommener Kolk. Etwas anderes erwartet man von euch Federvieh gar nicht. Kolks, eine Plage der Galaxis. Kennt man einen, kennt man alle.«
Portali war versucht, dem dreisten Kormoren eine Lektion zu erteilen. Wer es wagte, auf dermaßen despektierliche Weise mit ihm zu sprechen, hatte eine ordentliche Abreibung verdient. Andererseits war Portalis Vorfreude viel zu groß, um seinen Weg zu unterbrechen.
»Dummkopf!« rief er in seiner trällernden Lautsprache. Sein kleiner gelber Schnabel öffnete und schloß sich in rascher Folge. »Was weißt du schon von den Nöten eines Borbuli-Händlers?«
Die waren in der Tat gewaltig. Da nämlich seit einiger Zeit der Markt von Pflirtsch-Pflaumen überschwemmt wurde, die nicht nur noch köstlicher waren als Borbuli, sondern den Geist in noch höhere Sphären katapultierten, war Portali auf seiner Ware sitzengeblieben. Sie war ihm buchstäblich unter dem Hinterteil verschimmelt, bevor er sie hatte losschlagen können. Dadurch hatten ihm die finanziellen Mittel gefehlt, um seine Zwischenhändler und einen ganzen Haufen Zulieferer zu bezahlen. Ihre Landwirtschaftsmaschinen rotteten vor sich hin, weil Portali sie nicht länger benötigte, doch diese Halsabschneider weigerten sich, die Geräte zurückzunehmen. Nicht einmal einen Nachlaß hatten sie ihm gewährt, sondern ihn mit einer Klagewelle überzogen, die zuviel war für einen Mann allein. Schneller, als er es sich versehen hatte, war ihm alles über den Kopf hinausgewachsen, und er hatte auf einem Schuldenberg gesessen, der noch größer war als der Haufen verschimmelter Borbuli-Beeren.
Auf seinem Heimatplaneten Himmfarr hatte man ihm daraufhin seine Ländereien, auf denen er die Beeren anbaute, weggenommen, und er hatte schleunigst das Weite suchen müssen. So war ihm immerhin noch die WILP geblieben, mit der er seither transportierte, was eben anfiel.
In diesem Fall Maschinenteile aus dritter Hand, dachte er mißmutig, während er die Scheibe durch eine wenig befahrene Straßenschlucht steuerte. Seine fünf Besatzungsmitglieder und die drei Roboter, die er sich noch leisten konnte, waren zur Stunde damit beschäftigt, das 120 Meter lange tonnenförmige Raumschiff zu entladen. Sein Stellvertreter kümmerte sich um die Abfertigungsformalitäten und den Papierkram. Portali hatte Besseres im Sinn, Lukrativeres. Wenn das Geschäft mit dem Gyrren zustande kam, hatte er für eine Weile ausgesorgt. Dann konnte er sogar seine Besatzung bezahlen. Lange würden die Männer sonst nicht mehr auf die Versprechungen hereinfallen, mit denen er sie seit der Flucht von Himmfarr hingehalten hatte.
Er schielte zum Brustteil seiner Raumkombi. In dem schwarzen Gefieder hinter den Kreuzgurten trug er einen Xyl-Schwingkristall verborgen, auf den die Gyrren so scharf waren. Mochten die Geister der geflügelten Vorfahren wissen, was die verrückten Gyrren mit den Kristallen anstellten. Für Portali war nur die geringe Verfügbarkeit von Xyl und der daraus resultierende hohe Marktwert wichtig.
Sie hatten sich in einem Randbezirk von Diteren verabredet, um das Geschäft abzuschließen. Der Kolk ließ sich von seinem Mot-Mot-Leitsystem den Weg weisen, da ihm dieser Stadtteil unbekannt war. Zwar hätte er darauf bestehen können, sich im Bereich des Raumhafens oder in der Innenstadt zu treffen, doch bei seinem Geschäftspartner schien es sich um eine zwielichtige Gestalt zu handeln, die ungern im Fokus der Öffentlichkeit stand. Hinzu kam, daß Portali auf verschlungenen Wegen in den Besitz des Xyl gelangt war, die man mit ein wenig Mißgunst als illegal, wenn nicht gar als kriminell hätte auslegen können. Und die Welt bestand nun einmal aus Neidern – das wußte er aus leidvoller Erfahrung, seit die Bürokraten auf Himmfarr seine Borbuli-Plantagen hatten beschlagnahmen lassen.
Wenn jemand Portali wohlgesonnen war, dann Portali selbst. In einer Freihandelszone wie der Welt Newing traute er schon gar niemandem weiter über den Weg, als sein Schatten beim höchsten Sonnenstand reichte.
Am Straßenrand blieben ein paar Passanten stehen und schauten interessiert zu ihm herüber. Einen einzelnen Kolk auf einer Einpersonenscheibe bekamen sie in dieser Gegend anscheinend nicht allzu oft zu sehen. Portali fühlte sich von ihren Blicken belästigt, doch er unterließ es, sie anzuspucken. Er hatte sein Ziel fast erreicht. Da wäre es dumm gewesen, sich Ärger einzuhandeln. Am Ende kamen diese beklagenswerten Gestalten auf die Idee, ihn zu verfolgen und ihm sein Geschäft zu vermasseln.
Er folgte dem Straßenverlauf bis zum Ende und bog nach links ab.
Das Mot-Mot-System signalisierte ihm, daß er die Zieladresse erreicht hatte. Sie lag inmitten drei- und viergeschossiger Gebäude, die nicht so repräsentativ aussahen wie die in der Innenstadt und längst nicht so groß, geschweige denn hoch waren, aber dennoch nicht verwahrlost. Am Rand einer kleinen Grünanlage waren ein paar Geschäfte und gastronomische Einrichtungen angesiedelt. Ein holographischer Brunnen, an dem Jugendliche verschiedener Völker lärmten, verbreitete die dezente Geräuschkulisse plätschernden Wassers. Portali hatte für solche Äußerlichkeiten nicht viel übrig.
Fassade, wie so manches auf Newing, ging es Portali durch den Kopf.
Zuweilen gehörte Blenden zum Handwerk, um gute Geschäftsabschlüsse zu erzielen. Er selbst stellte da keine Ausnahme dar. Rein optisch war die WILP ein Schmuckstück, doch wer hinter ihre aufgetakelte Fassade schaute, erhaschte Eindrücke von ihrem Alter und all den Lichtjahren und Raumsprüngen, die sie auf dem Buckel hatte. Optische Aspekte lenkten nur vom Wesentlichen ab, fand der Kolk.
Was das anging, waren die einzigen Ausnahmen, die er machte, die Äußerlichkeiten bei den Kolk-Hennen, die ihm am Rand des Raumhafens aufgefallen waren. Er hatte sie dort gesehen, wo die Weibchen aller Völker mit großen Posen und winzigkleinen Kleidungsstücken flanierten. Wenn das Geschäft so lief, wie er sich das vorstellte, wollte er sich für die kommende Nacht zwei oder besser noch drei von ihnen in die Kapitänskajüte der WILP holen.
Bei der Vorstellung begann sein Schnabel zu zittern, und der Sabber tropfte in sein Federkleid.
Erst die Pflicht, dann das Vergnügen.
Portali kicherte. Dies war sein Tag. Manchmal spürte man das. Es gab Tage, an denen gelang einem einfach alles. Man wußte es im voraus und wurde nicht enttäuscht. Ein solcher Tag war heute. Erst die fetten Krediteinheiten fürs Konto abräumen, danach die schlanken Hennen für das Nachtlager abschleppen. Portali konnte ihren verführerischen Duft schon riechen. Er würde großzügig sein, ganz weltmännisch. Das mochten die verlotterten Hennen, darauf fuhren sie ab.
Er schnupperte. Nein, das hier waren keine Kolk-Hennen. Süßliches Aroma von unbekannter Herkunft tränkte die Luft. Es war schauderhaft.
Portali stellte die Antigravscheibe am Straßenrand ab, schaltete Schutzschirm und Antrieb aus und rutschte aus der Sitzmulde der Scheibe. Nachdem er sich ein paar Schritte von ihr entfernt hatte, sicherte er sie gegen unbefugten Zugriff, indem er den Schirm wieder aktivierte. Der Kolk traute niemandem, weder auf Newing noch anderswo. Mit dieser Einstellung war er immer gut gefahren. Vertrauensseligkeit und Nachlässigkeit waren etwas für Dummköpfe. Aus diesem Grund trug er in den Tiefen seiner Kombi einen versteckten Strahler bei sich. Gyrren galten als Gauner. Sollte derjenige, der ihn erwartete, versuchen, Portali zu übervorteilen, würde er das sehr schnell bedauern.
Niemand achtete auf den Kolk, als er die Straße überquerte. Vor dem Etablissement, das ihm genannt worden war, hielt er inne und tastete nach dem Xyl. Jeder dieser Schwingkristalle besaß eine eigene Form. Es gab keine zwei exakt gleichen Kristalle. Das wertvolle Stück fühlte sich warm an. Es pulsierte schwach. Angeblich verstärkte es die Vitalenergie seines Besitzers, wenn der es ständig bei sich trug. Portali konnte über diesen Unsinn nur lachen. Seine Lebensenergie stärkte das Xyl, indem es seine Brieftasche füllte.
Entschlossen trat der Händler durch den blauen Lichtschleier, unter dessen Knistern sich seine Federn aufrichteten. Ein in vielfältige Farben getauchter Raum lag vor ihm. Angehörige verschiedener Völker hockten an einem kreisrunden Tresen, der mittig zwischen zahlreichen Wandnischen plaziert war. Die meisten davon waren leer. Nur drei Nischen gestatteten keine Einsicht. Energievorhänge verbargen, was in ihnen geschah. Der süßliche Geruch, den Portali schon auf der Straße wahrgenommen hatte, fiel schwer über ihn her, begleitet von den Klängen sphärischer Musik.
»Es stinkt«, murmelte der Kolk. »Es stinkt ganz schauderhaft.«
Vergeblich hielt er nach einem Gyrren Ausschau. Gyrren waren Gauner, rief er sich in Erinnerung. Vielleicht hatte man ihm einen Streich gespielt. Vielleicht hatte man ihn an diesen Ort gelockt, um ihn auszurauben. Pech gehabt, denn er trug nichts von Wert bei sich. Abgesehen natürlich von dem Schwingkristall.
»Epoy war das technische und kulturelle Zentrum Orns.« Die Stimme, die sich ihm aufdrängte, erinnerte an die eines Asthmatikers.
Portali fuhr herum und sah sich drei entfernt humanoiden, zwei Meter großen Wesen mit keilförmigen Köpfen gegenüber, die von wirren Gespinsten rostroter Strünke bedeckt waren, welche wie Pflanzentriebe wirkten. Einer von ihnen war in farbenprächtige Kleidung gehüllt, die mit dem Farbgewitter ringsum zu verschmelzen schien. Seine Begleiter trugen schlichte graue Overalls, in denen sie unscheinbar und untergeordnet wirkten. Was wahrscheinlich auch stimmte, denn es war der Farbenprächtige gewesen, der Portali angesprochen hatte.
»Doch Hochmut kommt vor dem Fall, und Größe ist nicht von ewiger Dauer«, beantwortete der Kolk die vereinbarte Parole.
»Du bist der Händler Portali?«
»Ja.«
»Du hast etwas für mich mitgebracht?«
»Ja.« Auf einmal fühlte Portali sich unwohl in seinem Gefieder. Bei den Graugekleideten handelte es sich mit Sicherheit um Leibwächter oder gedungene Schläger, die einem wegen eines falschen Wortes die Kehle durchschnitten.
»Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.« In dem kleinen Mund des Gyrren blitzten zwei Reihen messerscharfer Zähne auf. Der Blick aus seinen großen Augen heftete sich an dem Kolk fest. »Mein Name ist Gyl’kling. Durchsucht ihn!«
»Nein, nicht. Nicht anfassen«, trällerte Portali.
»Das ist gar nicht nötig.« Einer der Handlanger richtete einen silbernen Stab auf den Kolk. »Ich orte eine versteckte Waffe. Heraus damit!«
Portali griff in seine Kombi und zog den Strahler hervor. Er hätte sich umdrehen und das Weite suchen sollen, doch er war wie gelähmt. Unauffällig sah er sich um. Niemand nahm Notiz von den Vorgängen, also würde ihm bei Gewalttätigkeiten auch niemand zu Hilfe kommen. Ausnahmsweise schalt er sich selbst einen Dummkopf, weil er sich den Treffpunkt von dem Gyrren hatte diktieren lassen. Das anberaumte Geschäft war einfach zu verlockend gewesen, um Forderungen zu stellen. Das hatte er nun davon.
»Du verzeihst, daß ich Vorsichtsmaßnahmen treffe. Sie dienen deiner und meiner Sicherheit.« Gyl’kling drehte sich um und begab sich zu einer Wandnische.
Portali faßte das als Aufforderung auf, es ihm gleichzutun. Während er dem Gyrren folgte, musterte er das hagere Wesen mit den dürren Beinen. Wie bei den Gyrren üblich, trug Gyl’kling kein Schuhwerk an den Greifklauen ähnelnden Füßen. Er stapfte ins Innere der Nische und setzte sich an den Tisch, auf dem Getränke und eine kitschige Blumenvase standen. Portali ließ sich ihm gegenüber nieder. Seine Beklemmung legte sich ein wenig, weil die beiden Grauen zurückblieben. Sie wurden der Sicht entzogen, als sich ein Energievorhang aufbaute. Musik und der süße Duft wurden ausgesperrt.
»Nun sind wir allein.« Gyl’kling legte einen Impulsgeber auf die Tischplatte, mit dem er den Vorhang aktiviert hatte.
»Niemand kann uns hören?«
»Weder hören noch sehen. Wir sind ganz unter uns.«
Der Kolk entspannte sich. Offenbar hegte der Gyrre doch keine Hintergedanken.
»Du hast den Xyl mitgebracht?«
Zur Bestätigung zog Portali den Schwingkristall aus seinem Federkleid. Gyl’kling wollte danach greifen, doch der Kolk zog das wertvolle Stück zurück.
»Nur keine Aufregung. Ich möchte mir den Kristall bloß ansehen.«
»Und ich möchte zuerst sichergehen, daß du ihn dir überhaupt leisten kannst. Xyl-Kristalle haben ihren Wert und sind nicht für jedermann erschwinglich.«
»Sehe ich aus wie jedermann?« krächzte der Gyrre röchelnd. Er zog einen Cred-Chip hervor und legte ihn neben den Impulsgeber. »Ich hoffe, du verlangst nicht auch noch eine Bestätigung meiner Bank über meine Liquidität.«
»Nein, selbstverständlich nicht.« Der Cred-Chip roch gut. Er roch nach Krediteinheiten. Er roch nach Kolk-Hennen. Zögernd reichte Portali seinem Gegenüber den Kristall.
Gyl’kling nahm das Objekt seiner Begierde entgegen und drehte es zwischen den zerbrechlich wirkenden Fingern. Er begutachtete es von allen Seiten. Die großen Augen, die fast seine gesamte Gesichtspartie bedeckten, flackerten unstet. Portali hielt das für ein gutes Zeichen. Seine Zuversicht, daß der Gyrre jeden Preis zahlen würde, stieg. Er sah sich bereits vor dem besten Geschäftsabschluß seit Jahren.
»Er gefällt dir, das erkenne ich.«
»Ja, in der Tat. Er gefällt mir sogar sehr.«
»Deshalb sollst du ihn auch bekommen.« Portali wollte gerade seinen Preis nennen. Er war, selbst für einen Xyl, unverschämt hoch. Doch es war stets klüger, einen zu hohen Preis anzusetzen und dann ein wenig von seiner Forderung abzuweichen, als sich von vornherein mit zu wenig zu begnügen.
»Und ob ich ihn bekomme.« Plötzlich hielt Gyl’kling einen Strahler in der Hand. Die Mündung zeigte auf den Kopf des Händlers.
»Du willst mich ausrauben«, keuchte der Kolk. Der rote Zackenkamm auf seinem Kopf richtete sich auf. »Du bist ein Gauner, ein Verbrecher. Ich habe es befürchtet. Ich werde dich beim Handelskomitee anzeigen.«
»Das bezweifle ich. Wir wissen beide, daß du so dumm nicht bist.« Der Gyrre ließ den Strahler ein wenig sinken.
»Was meinst du damit? Ich verstehe nicht, wovon du sprichst«, markierte Portali den Arglosen. Tatsächlich konnte er sich jedoch genau vorstellen, worum es ging.
»Dieser Schwingkristall wurde im Hadaya-System gestohlen. Ich unterstelle nicht, daß du hinter dem Raub steckst, doch das ist unerheblich. Du verkaufst ihn weiter, damit bist du mitverantwortlich. Einem Hehler wird die Raumfahrtbehörde nicht gestatten, die Freihandelszone noch ein weiteres Mal anzufliegen.«
Portali schnappte nach Luft. Er flatterte aufgeregt mit den Armen. Wenn der Gyrre seine Drohung wahrmachte, bedeutete das seinen endgültigen Ruin. Dann konnte er sich mit der WILP nirgendwo mehr sehen lassen, ohne mit Energiefeuer davongejagt zu werden. Er merkte auf, als der Boden erzitterte. Die Gegenstände auf dem Tisch gerieten in Aufruhr.
»Was ist das?« Gyl’kling griff mit der freien Hand nach dem Impulsgeber und richtete ihn auf den Vorhang. Dabei ließ seine Aufmerksamkeit für einen Moment nach.
Portali handelte instinktiv. Er packte die Vase und schleuderte sie seinem Gegenüber an den Kopf. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck kippte der Gyrre hintenüber und rührte sich nicht mehr. Gleichzeitig ging Portali auf, daß nun womöglich sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Der Energievorhang war erloschen. Jeden Moment würden sich Gyl’klings Schergen auf ihn stürzen. Als er zu ihnen hinüberschaute, entdeckte er sie ratlos. Sie achteten nicht auf ihn, nicht auf die Nische oder etwas anderes ringsum, sondern starrten Richtung Ausgang. Dann stolperten sie aus Portalis Blickfeld.
Ein harter Stoß ging jetzt durch den Boden. Der Kolk hatte keine Ahnung, was geschah, doch er nutzte die Chance, die sich ihm bot. Er raffte den Xyl, den Cred-Chip und Gyl’klings Strahler an sich, um sich verteidigen zu können, und sprang auf die Beine. Von irgendwoher ertönte donnerndes Getöse. Schreie erklangen, als die Wände zu vibrieren begannen, und die Besucher des Etablissements ergriffen in Panik die Flucht aus dem Gebäude.
Ein Erdbeben.
Auch Portali machte sich davon. Den Chip und den Kristall ließ er in seiner Kombi verschwinden, die Waffe hielt er umklammert. Er stürmte aus der Nische und rannte zum Ausgang. Von Gyl’klings Begleitern war keiner zu sehen. Beim ersten Anzeichen einer drohenden Gefahr hatten sie ihn im Stich gelassen. Offenbar bezahlte er sie sehr schlecht. Portali konnte das nur recht sein. Binnen weniger Sekunden war er draußen auf der Straße, den Strahler weiterhin schußbereit erhoben. Doch auch hier kümmerte sich niemand um ihn.
Ein plötzlicher Erdstoß riß den Kolk von den Beinen. Er stürzte auf den Rücken, wobei ihm die Waffe entglitt. Sofort hatte er sie vergessen, denn was er sah, war so schauerlich, daß er an nichts anderes mehr denken konnte.
»Der Dicke!« stieß er panikerfüllt aus, während er sich aufrappelte.
Doch der Dicke war nicht länger dick. Er hatte den Bauch verloren, der ihn zum Gespött der auf Newing gelandeten Raumfahrer gemacht hatte. Dafür besaß der acht Kilometer hohe Goldene nun ein Gesicht, was nie zuvor der Fall gewesen war. Obwohl er noch weit entfernt war, erschütterte jeder seiner Schritte den Boden. Wie entfesselt stürmte er auf den Stadtrand zu und hinterließ bereits weit draußen eine Schneise der Verwüstung. Wo er mit seinen sportplatzgroßen Füßen hintrat, blieb kein Stein auf dem anderen. Portali schaffte es kaum, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Denn der goldene Gigant bewegte sich genau in seine Richtung.
Schreiende Passanten flüchteten in alle Richtungen. Fahrzeuge preschten davon. Doch noch waren die Straßen frei, registrierte der Kolk. Er rannte zu seiner Antigravscheibe, die ein Olm trotz des Energieschirms in seinen Besitz zu bringen versuchte, um mit ihr zu verschwinden.
»Weg da!« keifte Portali. »Mach, daß du wegkommst von meiner Scheibe.«
»Von deiner Scheibe? Mir gehört sie. Mir allein.« Das kleinwüchsige dickliche Wesen fuchtelte mit dem einzigen Arm, mit dem die Natur es bedacht hatte.
Weitere Passanten waren inzwischen auf die Antigravscheibe aufmerksam geworden. Die Tatsache, daß sie wegen des Schirms überhaupt nicht an das Einpersonenfahrzeug herankommen konnten, schien ihnen in ihrer Panik nicht einmal bewußt zu sein. Doch sie schafften es, den Händler unnötig aufzuhalten. Der Boden unter seinen Füßen bebte, und in der Ferne brach donnernd ein Gebäudetrakt in sich zusammen.
Portali zog den Auslöser des Strahlers durch und fräste eine dampfende Spur in den Bodenbelag. Keifend wichen die unterschiedlichen Wesen zurück. Portali schoß abermals, während er gleichzeitig den Energieschirm deaktivierte. Er sprang in die Sitzmulde und schaltete den Schirm wieder ein, bevor diese Dummköpfe ihn lynchen konnten, um sich anzueignen, was ihm gehörte. In ihrer Verzweiflung verstellten sie ihm den Weg. Es war Portali gleichgültig. Sein Federkleid war ihm näher als die Haut der Dummköpfe. Entschlossen aktivierte er den Antrieb und schob den Steuerhebel nach vorn, viel zu hektisch.
Die Scheibe ruckte an und schoß vorwärts, erwischte den Olm, schleuderte ihn beiseite und schlingerte gefährlich nahe an dem holographischen Brunnen vorbei, an dem längst keine Jugendlichen mehr spielten.
Nach bangen Sekunden bekam Portali das Fahrzeug wieder unter Kontrolle. Es gelang dem Kolk, die bodennahe Fluglage zu stabilisieren. Leider war es unmöglich, mit der antigravgesteuerten Scheibe höher als einen Meter aufzusteigen. Eine Flucht quer über die Gebäude war daher ausgeschlossen. Er war auf den Straßenverlauf angewiesen, wodurch seine Beweglichkeit arg eingeschränkt wurde. Unter normalen Umständen war das kein Problem, doch der heranstürmende Goldene legte mit jedem Schritt fast einen Kilometer zurück.
An einigen Stellen stiegen Staubfontänen auf, bildeten Wolken und blieben in der Luft stehen. Portali nahm an, daß das überall dort geschah, wo der Gigant einen ganzen Häuserblock in Schutt und Asche gelegt hatte. Offenbar richtete er die Zerstörungen nicht mit Absicht an, doch sie waren ihm auch egal. Er schien auf der Jagd nach etwas zu sein. Nach einem Raumschiff vielleicht?
Denn er schaute zum Himmel empor, obwohl dort außer wolkenloser Bläue nichts zu sehen war.
Der Kolk beanspruchte die Antigravscheibe bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
Er jagte um eine Häuserecke und passierte zwei Schweber, die offenbar miteinander kollidiert waren und sich ineinander verkeilt hatten.
Den Piloten blieb keine Zeit, sich aus dem Schlamassel zu befreien, weil eine wilde Horde unterschiedlicher Wesen über sie herfiel und sie ins Freie zerrte.
Dummköpfe, dachte Portali. Sie alle waren Dummköpfe, die sich gegenseitig umbrachten.
Sie fielen nicht dem amoklaufenden Goldenen zum Opfer, sondern sich selbst.
Im Gegensatz zu ihnen würde er dank seiner Klugheit überleben.
Mit dem Schwingkristall in seinem Besitz.
Mit dem Cred-Chip des Gyrren dazu.
Trotz der besorgniserregenden Lage frohlockte er. Er würde Gyl’klings Konto plündern und sich mit der WILP davonmachen, bevor ihm in dem Chaos jemand auf die Schliche kam.
So gesehen hatten sich die Dinge sogar zu seinem Vorteil entwickelt – auch wenn er selbst noch nicht in Sicherheit war.
In der Eile hatte er das Mot-Mot-Leitsystem nicht eingeschaltet. Er war nicht darauf angewiesen, da er sich den Hinweg eingeprägt hatte.
Immer wieder sah der Kolk sich um. Eine Weile war der Goldene einfach geradeaus gelaufen, doch plötzlich änderte er seine Richtung.
Er bewegte sich nun auf
die Innenstadt zu, und zwar in Richtung des Raumhafens. Zwar war er immer noch weit entfernt, doch erhob er sich scheinbar bis in den Himmel, und er stürmte ungebremst weiter. Unter seinen Füßen würden selbst Raumschiffe wie Kinderspielzeuge zermalmt werden.
Portali erschrak heftig, und er reagierte schnell und entschlossen.
An der nächsten Straßenkreuzung bog er in westliche Richtung ab. Lieber verlor er die WILP als sein Leben.
Inzwischen stauten sich in manchen Straßen die Schwebefahrzeuge.
Mit der kleinen Antigravscheibe war Portali im Vorteil. Es gelang ihm, sich zwischen den Hindernissen hindurchzuschlängeln.
Überall waren Passanten in Panik unterwegs, während die halbe Stadt zu beben schien. All die Wesen waren dem Kolk egal. Es ging hier nur um seine Federn.
Einmal hielt er inne, als der Goldene seine Schritte verlangsamte. Soweit es von unten zu sehen war, hatte er den Kopf in den Nacken gelegt. Zwei gleißende Energiestrahlen lösten sich aus seinen Augen und fuhren in den Himmel hinauf, durch die Atmosphäre und weiter hinaus ins Weltall.
Was geschah da nur? Auf wen schoß er? Wenn es ihm in den Sinn kam, seine Strahlen am Boden einzusetzen, würde von Diteren nichts übrigbleiben. Doch auch so waren die Verwüstungen schlimm genug, ganz zu schweigen von den unzähligen Toten, die auf der Strecke blieben.
Als der Goldene weiterlief, wurde Portali angst und bange. Er jagte die Antigravscheibe in eine Richtung, die ihn von dem Goldenen wegführte, und damit auch weiter weg vom Raumhafen. Der Lärm der Zerstörung folgte ihm wie Donnergrollen.
Gerade als er sich in Sicherheit wähnte, änderte der Gigant abermals seine Laufrichtung. Er schlug einen Haken, und zu Portalis Entsetzen wurde er schneller und immer schneller. Der Kolk schob den Schubhebel bis zum Anschlag durch, das protestierende Geräusch der Maschinen ignorierend. Der Goldene kam immer näher. Er verdunkelte die Straßenschlucht, durch die Portali flüchtete. Es gab keine Abzweigung, keine Ausweichmöglichkeit.
Der Kolk schrie und jammerte und rief die geflügelten Altvorderen um Beistand an. Allein – niemand half ihm.
Statt dessen kam es zu einem schaurigen Knall, der von einer aufsteigenden Rauchsäule begleitet wurde. Die Antigravscheibe geriet ins Trudeln, drehte sich um ihre Achse, sackte ab, schlidderte über den Untergrund und krachte gegen eine Hauswand. Das Aggregat erstarb mit einem letzten Röcheln, das unterging im tosenden Lärm einstürzender Gebäude.
Etwas Riesiges, Unüberschaubares, Goldenes flog vom Himmel herab. Es war die Fußsohle des Giganten, breiter als die gesamte Straße, auf die sie sich niedersenkte. Portali riß die Arme vors Gesicht. Das Letzte, was er vernahm, war ein widerwärtiges schmatzendes Geräusch.
Dann herrschten Stille und Schwärze.
Und der Tod.
2.
Dhark registrierte die entsetzten Blicke der Zentralebesatzung. Sein Schiff reagierte auf keine Eingabe. Die Befehle, die er über die Gedankensteuerung gab, griffen nicht. In der Bildkugel war zu sehen, daß POINT OF und EPOY II im Verbund flogen.
»Was ist geschehen, Checkmaster?«
»Ich habe die Kontrolle übernommen«, meldete sich das Bordgehirn.
»Wieso?« fragte Dhark. Der weißblonde Raumfahrer kannte die Antwort, bevor er sie erhielt. Sie war wenig schmeichelhaft für die Besatzung des Ringraumers, doch sie traf zu.
»Weil weder du noch ein anderer der Anwesenden schnell genug reagiert hat. Im Augenblick größter Gefahr wärt ihr überfordert gewesen. Der Goldene feuert weiterhin auf uns. Ich fliege einen Kurs, der Newing zwischen ihm und uns hält. Ich muß vermeiden, daß er uns ins Visier bekommt.«
Ein überlichtschneller weißer Doppelstrahl blitzte durch die Bildkugel.
»Unsere Spur verloren hat er nicht«, brummte Arc Doorn.
»Ich habe einen Fluchtkorridor gewählt, der uns aus seinem Aktionsbereich bringt. Dafür, daß trotzdem gelegentliche Schüsse in unsere Richtung kommen, gibt es nur eine Erklärung«, führte der Checkmaster aus. »Der Goldene bewegt sich offenbar mit enormer Geschwindigkeit, die nicht unter fünfhundert Stundenkilometern liegt, über die Oberfläche des Planeten hinweg.«
»Bei dieser Geschwindigkeit, seiner Größe und seinem Gewicht dürfte der Dicke auf Newing erhebliches Chaos und Zerstörungen anrichten.«
Im Tekmar-System trug der acht Kilometer große Goldene seinen wenig respektvollen Spitznamen aufgrund seines dicken Bauchs. Dhark konnte sich die Verwüstungen und Erdbeben, die unter dem Gewicht des Giganten entstanden, lebhaft vorstellen. Gegen eine solche Masse war kein Kraut gewachsen. Allerdings traf der Spitzname mittlerweile nicht mehr zu. Der Dicke hatte sein eigenes Gesicht in seinem Rumpf versteckt getragen, es erst kürzlich hervorgeholt und an die passende Stelle vorn an seinem Kopf angepaßt. Seitdem besaß er die optische Ästhetik anderer Goldener.
Ein weiterer gleißender Doppelstrahl folgte den beiden Ringraumern. Er ging deutlich fehl und verlor sich im interplanetaren Leerraum. Die Fahrkarten, die der Goldene bisher schoß, bedeuteten aber keine Garantie, daß sich das nicht früher oder später ändern würde.
Ein Zufallstreffer war selbst bei der annähernden Perfektion des Checkmasters nicht auszuschließen.
»Auf diese Weise erwischt er uns nicht«, sagte Dhark. »Offensichtlich sind ihm die Zerstörungen, die er auf Newing anrichtet, egal. Weshalb schießt er nicht durch den Planeten hindurch auf uns?«
»Entweder ist er dazu nicht fähig, oder er schreckt davor zurück.«
»Wenn er noch ein paar Sekunden länger zurückschreckt, sind wir aus dem Sonnensystem hinaus«, verlieh der mailändische Ortungsoffizier Tino Grappa seiner Hoffnung Ausdruck.
Das Bordgehirn änderte den Kurs und jagte die POINT OF über die Bahnebene der Planeten hinweg. Wie durch ein unsichtbares Band gehalten, machte Gisols EPOY jedes Manöver und jede Ausweichbewegung mit.
»Wir haben soeben die Bahn des äußeren Planeten passiert«, sagte Grappa.
Die fliehenden Ringschiffe jagten in den Leerraum hinaus. Noch einmal schoß der Goldene hinter ihnen her. Auch diesmal verfehlte er sie. Der weiße Doppelstrahl endete jäh 100 000 Kilometer jenseits der äußersten Planetenbahn.
»Was war das denn?« wunderte sich Grappa.
Dhark, der vor der Bildkugel Position bezogen und die Ereignisse im Stehen verfolgt hatte, schaute zu dem Mailänder hinüber. »Tino?«
»Ist das abrupte Erlöschen der Strahlen außer mir niemandem aufgefallen? Es war nicht zu übersehen. Ich bin sicher, mich nicht getäuscht zu haben. Die weißen Strahlen wurden nicht schwächer. Sie verloren optisch nichts von ihrer Intensität. Sie endeten ganz plötzlich.«
»Aufzeichnungen überprüfen«, wandte Dhark sich an den Checkmaster. »Kannst du Grappas Beobachtung bestätigen?«
»Positiv. Die Energiestrahlen des Goldenen verliefen sich nicht. Sie behielten auf ihrer gesamten Länge die gleiche Energie bei. An einem bestimmten Punkt erloschen sie schlagartig.«
»Von einer solchen Waffe habe ich noch nie gehört.«
»Ich auch nicht«, gestand der Checkmaster.
»Kannst du eine Erklärung liefern?«
»Negativ. Ich muß zunächst die Aufzeichnungen auswerten.«
»Tino, feuert der Goldene noch?«
Grappa schüttelte den Kopf. »Entweder hat er die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen eingesehen, oder wir befinden uns außerhalb seiner Reichweite.«
In der Bildkugel wurden die Welten des Tekmar-Systems kleiner. Argwöhnisch wartete Dhark darauf, unversehens einen weiteren Doppelstrahl die Schwärze des Alls durchpflügen zu sehen, doch nichts geschah. Grappas Erklärung schien zuzutreffen. Dhark aktivierte Bordsprech und rief die wissenschaftliche Abteilung. Der Physiker Hu Dao By meldete sich.
»Wir wurden mit einer uns unbekannten Strahlenart beschossen.« Dhark wiederholte die Worte des Checkmasters.
»Wir haben das beobachtet.«
»Konnten Sie und Ihre Kollegen Erkenntnisse über diese speziellen Strahlen erlangen?«
»Wir haben bereits darüber beratschlagt«, antwortete der aus Korea stammende Mongole. »Wir hegen übereinstimmend die Vermutung, es mit einer Waffe zu tun zu haben, die das Schwerkraftfeld der Sonne ausnutzt.«
»Und weiter?«
»Weiter leider nichts. Sicher, der Strahl verlief sich nicht und zerfaserte nicht. Er besaß die ganze Strecke über einen gleichbleibenden Energiehaushalt und wurde nicht schwächer. Das war jedoch nur eine Momentaufnahme, ebenso wie die scheinbar maximale Reichweite. Ein genereller Schluß läßt sich daraus nicht ableiten. Um den ziehen zu können, müßten wir das System von verschiedenen Seiten her anfliegen und darauf warten, daß der Goldene uns die Ehre gibt. Endet der Doppelstrahl unabhängig von der Position Newings immer hunderttausend Kilometer jenseits der äußeren Planetenbahn, haben wir einen Beweis für unsere Theorie.«
Dhark hatte die Ausführungen des Physikers geduldig über sich ergehen lassen, nun verzog er das Gesicht. Es wäre fahrlässig gewesen, sich dem Goldenen aus wissenschaftlichen Erwägungen als Zielscheibe zu präsentieren. Andererseits blieb ihm womöglich keine andere Wahl. Zuvor wollte er jedoch mit einem Verantwortlichen auf Newing sprechen.
»Mister Morris, eine Phase nach Diteren zum Raumhafen öffnen«, wies er die Funkzentrale an.
Glenn Morris, der Erste Funkoffizier, nahm eine Schaltung vor und bestätigte. »Phase ist offen, Commander.«
*
Raumhafenkommandeur Hunruzen warf einen abschätzenden Blick aus dem Fenster. Ein paar einzelne Wolkenfetzen waren am blauen Himmel zu sehen, der sich bis zum fernen Horizont erstreckte. Von seinem Büro aus genoß der Pscheride einen großartigen Ausblick über den Raumhafen und Teile der Stadt. Es war ein milder Tag, der zu einem Spaziergang einlud, doch auf eine solche Idee wäre Hunruzen nicht gekommen. Sein Eifer und seine Pflichtauffassung verboten es ihm, sich dem süßen Nichtstun hinzugeben, solange sich auf dem Schreibtisch vor ihm die Arbeit stapelte. Nicht von ungefähr hatte er diese Stelle inne. Er kannte keinen zweiten Pscheriden, der eine ähnlich hochrangige Position bekleidete. Als Kommandant einer der Archen des inzwischen aufgelösten Heerzugs der Heimatlosen hatte er weitreichende Erfahrungen gesammelt. Ihm konnte so schnell keiner etwas vormachen. Entsprechend kompromißlos ging er seine Arbeit an. Von seinen Untergebenen erwartete er, daß sie mit dem gleichen Diensteifer zu Werke gingen. Was er von sich selbst verlangte, das durfte er auch von anderen erwarten.
Hunruzen sah auf, als das Sprechgerät auf seinem Schreibtisch einen Anruf signalisierte. Er unterbrach seine Tätigkeit und nahm das Gespräch entgegen. Tempelvorsteher Ranod meldete sich bei ihm und wartete mit schlechten Nachrichten auf.
»Das ist ungeheuerlich«, empörte sich Hunruzen.
»Nichtsdestotrotz sind es ausschließlich Tatsachen, die ich dir nenne«, versicherte der Yggsidral.
Hunruzen hatte keinen Anlaß, an den Worten des obersten Priesters des Baldurenkultes auf Newing zu zweifeln. »Ich werde mich darum kümmern«, versprach er und beendete das kurze Gespräch.
Er versetzte Raumhafenkontrolle und Zöllner in erhöhte Alarmbereitschaft, erhob sich von seinem Stuhl und ging mit schnellen Schritten zur Fensterfront hinüber. Beiläufig beobachtete er das geschäftige Treiben rings um die Start- und Landefelder.
Antigravkräne entluden Raumschiffe, schwebende Plattformen transportierten Waren aller Art zu den peripher gelegenen Hallen, und Gleiterbusse holten nach Entspannung und Zerstreuung lechzende Schiffsbesatzungen ab, um sie in die Vergnügungsviertel der Stadt zu bringen, wo sie ihre Heuer in den Bars und Spelunken lassen sollten. Das Tekmar-System war eine Freihandelszone, Newing der zentrale Umschlagplatz und Diteren eine Metropole, die keinen Schlaf kannte. Diteren war auf alles vorbereitet. Auf diese Tatsache war Hunruzen stolz, weil er selbst maßgeblich an der Erstellung der Bestimmungen mitgearbeitet hatte. Geschäfte scherten sich nicht um den Stand der Sonne. Was den Handel anging, besaßen Tag und Nacht keine Bedeutung. Alles ging seinen gewohnten Gang dort draußen, so wie jeden Tag.
Bis plötzlich mehrere Busse gewaltsam die Kontrollen durchbrachen, die alarmierten Zöllner außer Gefecht setzten und zu den beiden geparkten Ringraumern durchbrachen. Hunruzen starrte aus aufgerissenen Augen auf das Chaos, das die Lügner anrichteten. Sie wollten von Newing fliehen, doch sofort griff die Raumhafenkontrolle ein. Sie setzte die gigantischen Nadelstrahlantennen gegen die Kriminellen ein – ohne sie zu erwischen! Ein unbeteiligter Handelsraumer wurde vernichtet, doch die beiden Ringraumer versanken unbeschädigt im Boden und entzogen sich dem Zugriff der Sicherheitskräfte, Chaos und Zerstörung hinter sich lassend.
Sekundenlang stand der Pscheride vor der Fensterfront und starrte hinaus. Die Nachricht des Tempelvorstehers war untertrieben gewesen. Er schloß die Augen, blinzelte und wünschte, einem Alptraum aufgesessen zu sein. Als er die Augen wieder öffnete, sah er sich mit der harten Wirklichkeit konfrontiert. Ein Landefeld war völlig zerstört und von Trümmern übersät. Diese Verdammten, ging es ihm durch den Sinn. Sie hatten die Kontrolle und die Zöllner überwunden, und, was viel schlimmer war, sie hatten ihn, Raumhafenkommandeur Hunruzen, überwunden und gaben ihn der Lächerlichkeit preis. Schlimmer konnte es nicht kommen.
Der Kommandeur zuckte zusammen, als er tiefes Donnergrollen vernahm. Es kam von der rückwärtigen Seite des Raumhafens, und es war so laut, als entstehe es direkt vor seinem Büro. Der Boden unter seinen Füßen zitterte, und die Scheiben vibrierten. Er wußte nicht, was geschah, doch Hunruzen ahnte, daß es sehr wohl noch schlimmer kommen konnte.
Er fuhr herum, als ohne Ankündigung die Tür aufgerissen wurde.
»Kommandeur, eine… eine Katastrophe«, stammelte der Kucha, der ins Büro seines Vorgesetzten gestürmt kam, in der typisch flüsternden Sprechweise seines Volkes.
»Das sehe ich.«
»Nein, nicht auf dem Raumhafen, sondern in der Stadt.«
»In der Stadt? Wovon redest du, Trech? Was ist in dich gefahren?« Hunruzen bedachte den Humanoiden, der in ein dunkles Gewand gehüllt war und den Pscheriden um doppelte Haupteslänge überragte, mit einem verweisenden Blick. »Von was für einer Katastrophe sprichst du, die schlimmer sein könnte als das Chaos dort unten?«
»Du hast es noch nicht mitbekommen?«
»Wovon sprichst du? Mach endlich den Mund auf!«
Die gelben Augen des Kuchas, die in krassem Kontrast zu seiner blauen Lederhaut standen, glühten vor Aufregung. »Komm! Komm mit, damit ich es dir zeigen kann. Wir müssen uns in Sicherheit bringen.«
Hunruzen hatte keine Ahnung, wovon sein Untergebener sprach. Er hatte Trech noch nie so aufgewühlt gesehen, also war tatsächlich ein Ereignis von außergewöhnlicher Tragweite eingetreten. Als ob es irgend etwas geben konnte, das die angerichteten Zerstörungen und die Flucht der Ringraumer noch zu übertreffen in der Lage war! Der nur 1,50 Meter messende Pscheride, der durch die relativ hohe Schwerkraft seines Heimatplaneten fast ebenso breit wie hoch war, folgte dem Kucha hinaus in den Korridor und ließ sich zum rückseitigen Gebäudetrakt führen.
»Sieh dir das an, Kommandeur!« Das gewohnte Flüstern des Blauhäutigen geriet zu einem schrillen Diskant.
»Bei allen Mächtigen!« stieß Hunruzen aus.
Hatten die Schutzgötter des Heerzuges sich gegen ihn verschworen? Genügte nicht, was Minuten zuvor geschehen war? Mußte alles noch katastrophaler geraten? Bei dem, was er sah, konnte er die Aufregung seines Untergebenen vollauf verstehen. Denn vom Stadtrand her wälzte sich eine gigantische Gestalt Richtung Zentrum. Es war die goldene Riesenstatue, die eigentlich fünfhundert Kilometer außerhalb von Diteren hätte stehen müssen.
»Der Dicke hat das Laufen gelernt?« ächzte er entsetzt.
»Der Dicke ist nicht mehr dick«, flüsterte Trech, kaum hörbar. »Sein Bauch ist weg, dafür besitzt er ein Gesicht.«
»Wieso?« fragte der Pscheride einfältig. Der Goldene hatte sich nie zuvor bewegt. Niemand wäre auf die Idee gekommen, daß er dazu überhaupt imstande war.
»Ich weiß es nicht. Wenn jemand eine Erklärung dafür hat, dann Tempelvorsteher Yggsidral.«
»Wer denn sonst?« blaffte Hunruzen den Kucha an, weil er sich über sein eigenes Verhalten ärgerte. Es war nicht dazu angetan, seine Führungsqualitäten zu unterstreichen. Die Verstörung mochte Trech den Verstand vernebeln, doch der Raumhafenkommandeur konnte sich keine Undiszipliniertheit erlauben, weil er dadurch an Reputation einbüßte.
»Er zerstört alles.« Trech klang weinerlich.
Hunruzen konnte nur schätzen, wieviel der acht Kilometer große Goldene wog. Sein Gewicht zerstörte die Straßen, durch die er sich bewegte, und brachte Häuser zum Einsturz. Es war nicht einmal ein direkter Tritt auf die Gebäude nötig. Manche streifte er nur, und sie fielen in sich zusammen wie Spielzeuge. Mit Entsetzen dachte Hunruzen an die Lebewesen, die unter den Trümmern begraben wurden.
»Er kommt hierher, Kommandeur.«
»Er ist noch einige Kilometer entfernt.« Dennoch wuchs der Gigant bis in den Himmel empor.
»Er wird uns zerstampfen, wenn wir nicht fliehen.«
Es war nicht gesagt, daß der Raumhafen das Ziel des Goldenen war. Hunruzen hatte seinen anfänglichen Schock überwunden und verbarg seine Gefühle. Die Ängste, die ihn aufwühlten, gingen seinen Untergebenen nichts an. Noch blieb Zeit genug, um sich in Sicherheit zu bringen.
»Er verringert seine Geschwindigkeit«, stellte der Pscheride fest. »Er wird langsamer.«
Der Goldene legte den Kopf in den Nacken und schaute zum Himmel empor. Zwei weiße Energiestrahlen schossen aus seinen Augen hervor und fuhren himmelwärts. Es war nicht zu erkennen, auf welches Ziel der Dicke sie abgefeuert hatte.
Auf die Ringraumer, hatte Hunruzen eine Eingebung. Anscheinend waren Ranods Informationen unvollständig gewesen. Der Kommandeur schalt sich, weil er die Verbindung so schnell wieder unterbrochen hatte.
»Er setzt seinen Weg fort«, klagte Trech. »Er rennt los. Wir dürfen nicht zulassen, daß er noch mehr zerstört.«
»Ach nein, und was willst du dagegen unternehmen?«
»Ihn aufhalten. Aber wie soll uns das gelingen?«
»Gar nicht. Es sei denn, er hält von sich aus inne.«
Doch danach sah es nicht aus. Der Goldene hatte sich nach Süden gewandt und lief durch einen bisher unversehrten Stadtbezirk. Hunruzen ertappte sich bei einem Gefühl der Erleichterung, weil der eingeschlagene Weg den Giganten vom Raumhafengelände wegführte.
Die blaue Gesichtsfarbe des Kuchas wies einen fahlen Stich auf. »Vielleicht kommt er zurück. Wir kennen seine Pläne nicht.«
»Seine Pläne? Das würde bedeuten, daß er in der Lage ist zu denken.«
»Was er da veranstaltet, sieht für mich nicht nach Zufall aus. Sein Vorgehen wirkt zielgerichtet.«
Der Kommandeur stimmte seinem Untergebenen zu. Kalt sagte er: »Geh, wenn du willst. Von mir aus bringe dich in Sicherheit. Ich bleibe hier.«
Vor Scham sank Trech in sich zusammen, bis er seinen Vorgesetzten an Körpergröße nicht mehr überragte. Das hinderte ihn nicht daran, sich umzudrehen und davonzueilen. Hunruzen sah ihm hinterher, bis er durch eine Tür verschwand, hinter der er eine abwärtsführende Treppe wußte. Der Pscheride machte sich eine gedankliche Notiz, Trech bei nächster Gelegenheit auszutauschen. Er begab sich zurück in sein Büro und nahm Verbindung zu Tempelvorsteher Ranod auf.
Das Gespräch war kaum beendet, als ein Funkspruch für den Raumhafenkommandeur einging. Der verlogene Kommandant des Ringraumers wünschte ihn zu sprechen.
*
»Raumhafenkommandeur Hunruzen«, meldete sich ein übellauniger Pscheride.
»Hier spricht Tiberius Maximilius…« begann Dhark mit der Legende, die er und Gisol sich als römische Händler zurechtgelegt hatten. Angeblich waren sie nach Newing gekommen, um Geschäftsbeziehungen zu knüpfen und neue Handelspartner kennenzulernen.
»Tiberius Maximilius?« fiel Hunruzen ihm ins Wort. »Du kannst dir deine ersonnenen Geschichten sparen. Ich falle nicht auf sie herein, wie ein paar andere Dummköpfe es getan haben. Ein Lügner bist du. Ich kenne deine wahre Identität. Du bist der Terraner Ren Dhark, und bei deinem angeblichen Begleiter Julius Smittus handelt es sich um keinen anderen als Gisol. Ranod hat mich über euch und eure wahren Ziele aufgeklärt. Ihr habt uns hintergangen, denn ihr wart niemals auf Handel aus. Ihr habt unsere Gutmütigkeit und unsere Gastfreundschaft ausgenutzt.«
Arc Doorn und Chris Shanton spitzten die Ohren. Auch Gisol, Hen Falluta und die in der Zentrale anwesenden Nomaden Pakk Raff und Wumm Woll wurden hellhörig. Die unverhohlenen Vorwürfe klangen nach Ärger. Für einen Moment war selbst Dhark perplex, doch er fing sich sofort wieder und entschied, mit offenen Karten zu spielen. »Ich leugne es nicht. Was du über unsere wahre Identität sagst, ist zutreffend. Da du sie nun kennst, weißt du auch, was wir für Orn getan haben.«
»Ich weiß nur, was ihr für Newing getan habt, und ganz besonders für Diteren. Der Dicke ist los. Er ist völlig entfesselt mitten durch die Stadt gestampft und hat eine Spur der Verwüstung hinter sich gelassen. Bei Teilen der Bevölkerung ist Panik ausgebrochen. Die halbe Stadt ist zerstört, die Zahl der Toten läßt sich noch nicht abschätzen. Aber sie wird hoch sein, sehr hoch. Nie zuvor ist Diteren von einem ähnlichen Fluch getroffen worden.«
Das war eine Katastrophe. Dhark hatte nicht geglaubt, daß das Wüten des Goldenen solche Folgen zeitigen könnte. »Ich bedaure sehr, das zu hören.«
»Dafür ist es zu spät. Das Chaos in Diteren habt ihr zu verantworten. Ich mußte es mit eigenen Augen ansehen. Wir können froh sein, daß der Raumhafen halbwegs unbeschädigt blieb.« Die Stimme des Pscheriden wurde schrill. »Und ihr besitzt die Dreistigkeit, mich anzufunken? Was wollt ihr? Landen? Nur zu! Wir werden euch zur Rechenschaft ziehen. Der Wert eurer beiden Schiffe wird die Schäden zwar nicht annähernd ausgleichen, doch wir werden sie in Zahlung nehmen.«
»Du irrst dich, Hunruzen. Nicht wir sind für die Aktivierung des Goldenen verantwortlich, sondern Ranod. An ihn müßt ihr euch halten.« Dhark dachte an die kleine goldene Statue, die auf dem Schreibtisch des Tempelvorstehers gestanden hatte. Mit ihr mußte es dem Yggsidral gelungen sein, den goldenen Riesen zu aktivieren.
»Ranod? Wie kannst du es wagen, den Tempelvorsteher zu beschuldigen? Deine Unverschämtheit ist so groß wie deine Lügen. Er hat mich darauf vorbereitet, doch ich wollte es nicht glauben. Nun sehe ich, daß er noch untertrieben hat«, tobte der Pscheride. »Ranod ist über jeden Zweifel erhaben, was man von euch nicht behaupten kann. Aber bitte, landet auf dem Raumhafen, dann reden wir über alles.«
»Reden, genau das ist es, was wir wollen«, kam Dhark dem Raumhafenkommandeur entgegen. Er hoffte, auf diese Weise die Mißverständnisse und falschen Anschuldigungen des Tempelvorstehers aus der Welt schaffen zu können.
»Die Phase wurde geschlossen«, meldete Morris. »Tut mir leid, Commander. Hunruzen hat Sie nicht mehr gehört.«
Dhark nickte säuerlich. Der Pscheride hatte ihn kurzerhand abserviert. Den Verlauf des Gesprächs hatte Dhark sich wahrlich anders vorgestellt.
»Du denkst hoffentlich nicht ernsthaft daran zu landen, Ren. Die bringen es auf Diteren tatsächlich fertig, unsere Schiffe zu beschlagnahmen. Ich brauche dich nicht daran zu erinnern, daß in Freihandelszonen eigene Gesetze gelten.« Gisol stand in seiner menschlichen Gestalt als Jim Smith gegen eine Konsole gelehnt.
»Ich habe es nicht vergessen«, sagte Dhark.
»Ich stimme Gisol zu«, meldete sich Peron zu Wort.
Der Worgunmutant hatte schon vor Jahren die Gestalt eines Raldeg angenommen, humanoid und etwa menschengroß, mit grüner Schuppenhaut und lilafarbener Behaarung an seinen unverhüllten Unterarmen und Unterschenkeln. So war er auf Newing als Priester des Baldurenkults aufgetreten, bis Ranod ihn als Worgun enttarnt hatte.
Von diesem Zeitpunkt an war Peron auf der Freihandelswelt seines Lebens nicht mehr sicher gewesen und in die POINT OF geflohen.
»Ich bezweifele zudem, daß uns ein zweites Mal so glimpflich die Flucht gelingt«, unkte Gisol. »Man ist jetzt mit unseren Fähigkeiten vertraut, und wie es aussieht, genießt Ranod zum gegenwärtigen Zeitpunkt uneingeschränktes Vertrauen. Dagegen kommen wir nicht an.«
»Also bleibt uns keine andere Wahl, als den Vorschlag unserer Wissenschaftler aufzugreifen.«
»Newing aus verschiedenen Richtungen anzufliegen?«
»Richtig.« Dhark wies den Checkmaster an, entsprechende Manöver zu berechnen und in die Wege zu leiten.
»Ich kann diesen Befehl nicht ausführen«, weigerte sich das Bordgehirn.
»Was?« Doorn warf Dhark einen vielsagenden Blick zu. »Wir erwarten eine Erklärung, Checkmaster. Kannst du nicht, oder willst du nicht? Hast du Angst um deine Existenz?«
»Meine Entscheidung hat nichts mit Angst zu tun, sondern basiert auf logischen Überlegungen und Schlußfolgerungen«, verteidigte sich das Bordgehirn. »Ich habe den weißen Doppelstrahl inzwischen analysiert. Seine Energien sind so gewaltig, daß sie beiden Ringraumern gefährlich werden können. Im Interesse der Besatzungen beider Schiffe ist es deswegen zwingend notwendig, daß ich mich von diesen Strahlen fernhalte.«
Doorn murmelte etwas Unverständliches, und Grappa schüttelte genervt den Kopf. Sie warteten darauf, daß Dhark ein Machtwort sprach und den Checkmaster in seine Schranken wies. Dabei wußten alle an Bord, wie starrköpfig der am weitesten entwickelte Hyperkalkulator des bekannten Universums zuweilen sein konnte.
»Unterbreite mir eine Alternative«, zeigte Dhark sich kompromißbereit. »Hältst du es für möglich, den Goldenen zu untersuchen und auf diese Weise hinter das Geheimnis seiner Strahlen zu kommen?«
»Negativ. Es ist nicht möglich, in ihn einzudringen. Das haben Simon und Artus herausgefunden. Somit bliebe nur die Alternative, ihn zu überwinden und seine Waffensysteme auszuschalten, damit er sie nicht mehr gegen uns einsetzen kann. Davon abgesehen, daß wir auch in diesem Fall zu nahe an ihn heranmüßten, wäre es nötig, sofern überhaupt möglich, große Schäden an ihm herbeizuführen. Bei der abzusehenden Gegenwehr des Goldenen würde ein solcher Kampf auf Newing zu Verwüstungen von kontinentalen Ausmaßen führen. Dagegen wären die bereits erfolgten Zerstörungen in Diteren vernachlässigbar.«
Dhark ließ sich die Argumente durch den Kopf gehen. Leider, und daran gab es nichts zu rütteln, hatte der Checkmaster recht. Dhark wollte es auf keinen Fall verantworten, daß die Freihandelswelt noch stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde als schon geschehen.
»Ich stimme dir zu«, sagte er. »Gibt es weitere Alternativen?«
Bevor der Checkmaster antworten konnte, richtete Grappa sich ruckartig vor seinen Instrumenten auf. »Ich registriere massive Strukturerschütterungen. Ich fürchte, da kommt etwas Unangenehmes auf uns zu.«
Wie zur Bestätigung seiner Worte begann die Beleuchtung in der Zentrale zu flackern. Dhark sah sich um. An mehreren Kontrollpulten schossen die Anzeigen nach oben. Wieder handelte der Checkmaster ohne ausdrücklichen Befehl. Die POINT OF beschleunigte mit Maximalwerten und ging auf Fluchtkurs.
Auf Fluchtkurs wovor? fragte sich Dhark. Die Antwort erhielt er wenige Sekunden später.
»Drei fremde Schiffe schießen auf uns! Sie greifen von verschiedenen Seiten aus an!« rief Grappa.
»Woher sind sie gekommen? Von Newing?«
»Nein, sie sind aus dem Hyperraum gefallen und haben unmittelbar das Feuer eröffnet.« Ohne Zeitverlust antwortete der Checkmaster mit einem Gegenschlag. Die maximale Zahl an Geschützen und Antennen schoß gleichmäßig verteilt auf die Feindschiffe. Gleichzeitig führte er ein genau berechnetes Ausweichmanöver durch. »Ich habe Notleistung auf die Intervallwerfer gelegt und die Energiezufuhr verstärkt. Die Intervalle wären sonst zusammengebrochen.«
Und von uns wäre vermutlich nicht mehr viel übrig, wurde es Dhark unangenehm deutlich bewußt. Kein menschliches Wesen hätte in dem Sekundenbruchteil, den der Checkmaster für Berechnung und Reaktion gebraucht hatte, die richtigen Schlüsse ziehen und die erforderlichen Maßnahmen durchführen können.
»Übertreibst du nicht ein wenig? Unsere Schirme wurden kaum belastet«, warf Doorn ein.
»Weil die Schiffe unmittelbar nach dem Austritt aus dem Hyperraum geschossen haben. Hätten sie sich nur einen Sekundenbruchteil Zeit zum Zielen genommen, hätten sie uns voll erwischt. Ihre Feuerkraft ist immens. Einen Volltreffer würde nicht einmal die POINT OF überstehen. Deshalb bin ich sofort auf Fluchtkurs gegangen.«
»Gut gemacht.« Dhark hatte genug gehört. Er stürzte sich in den Pilotensessel und übernahm die Steuerung mittels Gedankenkontrolle. Diesmal hatte der Checkmaster keine Einwände. »Eigene sowie Positionen der Feindschiffe in der taktischen Darstellung der Bildkugel anzeigen.«
In einem Abschnitt der mitten in der Zentrale schwebenden Sphäre zeichneten sich die angeforderten Markierungen ab. Die Angreifer erwiesen sich als hartnäckig und setzten den Ringraumern gewaltig zu. So kompliziert der Fluchtkurs des Checkmasters auch sein mochte, er gehorchte den logischen Regeln einer Maschine, und mochte sie noch so hochentwickelt sein. Früher oder später würden sich die gegnerischen Bordgehirne darauf einstellen. Dhark hingegen ging auf einen willkürlichen Kurs, der so unberechenbar war, wie er nur einem menschlichen Gehirn entspringen konnte. Tatsächlich gelang es ihm, sich aus der Umklammerung zu befreien. Der Checkmaster gewährleistete, daß die EPOY II auf dem Fuße folgte. Abschütteln ließen sich die Angreifer aber nicht.
»Mister Morris, Phase öffnen. Wir brauchen eine Funkverbindung.«
»Ich habe es schon versucht, Commander. Die Fremden reagieren nicht.«
»Sie feuern wie die Wilden«, sagte Gisol.
Die Taktik lieferte die optische Untermalung. Bisher verfehlten die Angreifer die beiden Ringraumer stets nur knapp.
»Feuerfreigabe für die Waffensteuerungen nach eigenem Ermessen!« bellte Dhark.
WS-Ost und WS-West bestätigten. Dhark wußte, daß er sich blind auf Jean Rochard und Bud Clifton verlassen konnte. Wenn jemand an den Orgeln der Vernichtung in der Lage war, im Kampf gleich drei mächtigen Schiffen Paroli zu bieten, dann diese beiden hervorragenden Schützen.
»Commander, Intervallfelder am Rand des Zusammenbruchs«, warnte Grappa.
Dhark legte eine rasche Aufeinanderfolge haarsträubender Manöver hin. Das Tekmar-System war in Flugrichtung zu sehen, nur um gleich darauf schon wieder hinter den durch eine enge Kurve jagenden Ringraumern zurückzubleiben. Für ein paar Sekunden gelang es Dhark, Luft zu schöpfen. Die Belastung nahm ab, die Intervallfelder stabilisierten sich, dann waren die Verfolger wieder heran.
»Treffer! Intervallfeldbelastung steigt schon wieder an. Und noch ein Treffer! Verdammt, das wird eng.«
»Waffensteuerungen!« Dhark war die Anspannung in Person. Seine Sinne waren bis zum äußersten ausgereizt. Er hatte die Grenzen seiner Fähigkeiten erreicht. »Warum schießen wir nicht?«
»Aussichtslos, Commander«, antwortete der kindergesichtige Bud Clifton. »So weit kommen wir nicht ran. Unser Fluchtkurs hat die Kerle gleich zu Beginn aus der Reichweite unserer Waffensysteme gebracht. Wir würden höchstens Löcher in den Weltraum schießen.«
»Unsere Gegner scheinen diese Probleme nicht zu haben«, monierte Doorn Cliftons Meldung.
»Weil die Reichweite von deren Waffen ungleich größer ist als die der unsrigen.«
»Sie werden uns also früher oder später abschießen, ohne daß wir uns verteidigen können?« Doorns Stimmung hatte ihren Tiefpunkt erreicht.
Die POINT OF steckte einen weiteren Treffer ein. Kontrolleuchten wechselten von Grün auf Rot und signalisierten die drohende Gefahr. Lange würden die Intervalle nicht mehr mitmachen. Dhark sah nur noch eine Option. Newing und der Goldene mußten warten.
Er beschleunigte und schaltete um auf Sternensog. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten.
»Unsere Verfolger fallen zurück«, meldete Grappa.
»Trefferbelastung der Intervallfelder?«
»Läßt nach«, las der schwergewichtige Shanton von den Anzeigen am Instrumentenpult ab. Sein Roboterhund Jimmy kauerte neben ihm auf dem Boden. Nicht einmal dem künstlichen Scotchterrier stand der Sinn nach Scherzen.
Dhark atmete erleichtert auf.
»Ist aber immer noch hoch«, schob Shanton gleich hinterher. »Eins der Waffensysteme der Fremdraumer ist überlichtschnell.«
»Zumindest halten wir sie uns eine Weile vom Hals und gönnen den Intervallen eine Erholungspause«, erwiderte Doorn.
»Mister Morris, wo bleibt die Funkverbindung?«
»Nichts zu machen, Commander. Die haben die Ohren auf Durchzug gestellt. Aber ich gehe ihnen weiter auf die Nerven, bis sie antworten.«
In der Bildkugel zeichneten sich drei rot hervorgehobene Markierungen ab. Zum ersten Mal konnte Dhark sich mit der Frage beschäftigen, wer die Angreifer waren. Das dachte er zumindest, doch dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Die roten Marken in der Bildkugel wechselten schlagartig ihre Positionen, und der Checkmaster gab Alarm.
»Die gegnerischen Schiffe sind transitiert«, verkündete er, »mitten hinein in unsere Flugbahn.«
Dhark überzeugte sich mit einem beiläufigen Blick, während er die POINT OF aus ihrem Kurs riß. Eine dermaßen exakte Transition hatte er noch nie erlebt. Die Zwischenrufe und Verwünschungen seiner Kameraden bestätigten seine Einschätzung. Die POINT OF kippte seitlich weg, von ihrem Piloten zu irrwitzigen Manövern gezwungen. Die EPOY klebte weiterhin wie eine Klette an ihr und machte jede Bewegung mit.
Allein, es nützte nichts. Dharks Reaktionsschnelligkeit suchte ihresgleichen, und doch war sie nicht ausreichend, um den Überraschungseffekt der transitierten Gegner zu kompensieren. Turmdicke Energiestrahlen zuckten durch die Schwärze des Alls, die meisten mit Lichtgeschwindigkeit, ein einziger überlichtschnell.
Irgendwer stieß einen entsetzten Schrei aus. Ein halbes Dutzend Strahlen griff nach den Intervallen. Die POINT OF schüttelte sich, doch sie kam nicht frei.
»Die Kerle schießen sich ein.« Und diesmal wollten sie sich nicht abschütteln lassen.
»Feldbelastung bei vierundneunzig Prozent«, verkündete Doorn. »Wir müssen da raus, Dhark.«
Doch jetzt waren die Gegner näher heran, und die Waffensteuerungen griffen ins Geschehen ein. Zwar waren die Unbekannten immer noch zu weit entfernt, um einen Treffer landen zu können, doch es gelang den Kanonieren, sie zu verwirren und ein paar wertvolle Sekunden zu schinden. Die Antennen spuckten Nadel, und die Wuchtkanonen hämmerten eine Salve ins All hinaus. Überlichtschnell teilten die rosafarbenen Strahlen das All, und wo die Wuchtgeschosse explodierten, kam es zu gewaltigen Strukturerschütterungen im Raum-Zeitgefüge.
»Sie weichen aus!« rief Grappa.
Dhark nutzte die Chance für einen neuerlichen Kurswechsel, und die Verfolger stießen ins Leere. Zwar glichen sie ihren Kurs umgehend an, doch die Verschnaufpause genügte Dhark, um den alten Abstand wiederherzustellen.
3.
»Dhark weiß schon, was er macht«, sagte Shanton zu Doorn, der unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. »Was er in dieser Situation am wenigsten brauchen kann, sind Ablenkungen und kluge Ratschläge. Komm lieber her und hilf mir.«
Doorn gesellte sich zu seinem Freund. »Man sollte meinen, daß ich alt genug bin, um die Ruhe zu bewahren. Aber die Kerle da draußen machen mich ziemlich nervös.«
»Das geht uns allen so.«
»Was machst du?«
»Ich versuche bei den Angreifern einen Schwachpunkt zu entdecken, bevor sie uns knacken.« Shanton studierte die endlosen Datenkolonnen, die durch ein Holo huschten.
»Wir wären einen Schritt weiter, wenn wir wüßten, wie die fremden Raumschiffe aussehen.«
»Das frage ich mich schon die ganze Zeit«, sagte Wumm Woll. Die nomadische Schönheit versah ihren Dienst an einer Arbeitsbucht. Ihre Finger flogen über die Bedienungselemente der Eingabeeinheit vor sich.
Die gertenschlanke und doch muskulöse Karrorr machte einen unzufriedenen Eindruck.
»Das ist typisch Frau«, bellte Jimmy. »Interessiert sich mehr für Äußerlichkeiten als für alles andere.«
Wumm Woll warf dem Roboterhund einen vernichtenden Blick zu.
»Das ist nicht hilfreich, Jimmy«, maßregelte Shanton seine Schöpfung. Er sah von seinen Kontrollen auf. »Unser Tempo ist viel zu hoch. Bei der Entfernung bekommen wir kein vernünftiges Bild zusammen.«
»Wir vielleicht nicht, ich aber schon«, behauptete die Nomadin. »Ich brauche Zugriff auf die Bildkugel, um ein paar Versuche anzustellen.«
»Gewährt«, entschied der Erste Offizier Hen Falluta kurzerhand, um Dhark nicht mit Nebensächlichkeiten zu belasten.
»Und ich benötige Rechenkapazität des Checkmasters.«
»Doorn, Shanton, geht das?« fragte Falluta.
Shanton nickte zur Bestätigung. Obwohl von mehreren Stellen belastet, waren die Kapazitäten des Bordgehirns längst nicht ausgereizt.
Wumm Woll bedankte sich und stürzte sich noch vehementer in die Arbeit als zuvor. Shanton bekam mit, wie virtuos sie mit der Steuerung der Bildkugel umging. Seit die Nomaden auf Bitte von Terence Wallis zu Ausbildungszwecken an Bord gekommen waren, hatten sie eine Menge gelernt. Ihm blieb keine Zeit, sich weiter um Wumm Woll zu kümmern, denn seine eigene Aufgabe beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit.
»Versuchen wir, die Waffensysteme der Fremden zu analysieren«, forderte er Doorn auf. »Besonders der überlichtschnelle Strahl ist eine Untersuchung wert.«
Die beiden Koryphäen arbeiteten mit Hochdruck mit dem Checkmaster zusammen. Dabei sahen sie sich mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert, mit denen auch Wumm Woll zu kämpfen hatte, nämlich mit dem enorm hohen Tempo und der Intensität der Schlacht. Dennoch zeichneten sich bald erste kleine Erfolge ab. Für eine Weile gingen Shanton und Doorn so in ihrer Arbeit auf, daß für sie sogar die Raumschlacht in den Hintergrund trat.
»Siehst du diese Daten? Das sind ganz markante Hinweise.« Doorn fror eine Zahlenkolonne ein und studierte einen bestimmten Ausschnitt. »Ich habe einen ganz bestimmten Verdacht.«
Shanton ahnte, worauf sein Freund hinauswollte. Er warf einen kurzen Blick zum Pilotensitz hinüber, in dem Dhark hochkonzentriert kauerte. Die Hetzjagd auf die beiden Ringraumer ging unvermindert weiter.
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POINT OF und EPOY II rasten mit Sternensog durch den interstellaren Leerraum. Dhark mußte all seine Erfahrung in die Waagschale werfen, um die Vernichtung der beiden Ringraumer zu verhindern.
Dennoch war es ein Spiel auf Zeit, wenn es ihnen nicht gelang, sich die Angreifer endgültig vom Hals zu schaffen.
Angreifer, von denen sie bisher nicht einmal wußten, wie sie überhaupt aussahen.