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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!
So rächt sich eine Bestie (2. Teil).
Es waren die eiskalt gesprochenen Worte der Justine Cavallo, die den vier Menschen in der Gaststätte galten. Sie war erschienen, um ihren Blutdurst zu stillen. Was ihre Vasallen nicht geschafft hatten, das wollte sie nachholen, um endlich wieder ihre Zeichen zu setzen. Auch gegen Sinclair und seinen Freund Suko ...
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
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Seitenzahl: 147
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Es waren die eiskalt gesprochenen Worte der Justine Cavallo, die den vier Menschen in der Gaststätte galten. Sie war erschienen, um ihren Blutdurst zu stillen. Was ihre Vasallen nicht geschafft hatten, das wollte sie nachholen, um endlich wieder ihre Zeichen zu setzen. Auch gegen Sinclair und seinen Freund Suko …
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-3971-7
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Dean Pollack, der Kapitän, hatte seine Augen noch nie zuvor so weit aufgerissen wie in diesen schrecklichen und nicht enden wollenden Sekunden, denn was er sah, war unglaublich und nicht zu begreifen.
In der Tiefe des Meeres waren die Gestalten befreit worden und kletterten nun über die Reling hinweg auf das Bergungsschiff.
Er wusste nicht, wie er die Gestalten einordnen sollte. Sie sahen aus wie Menschen, aber es waren keine normalen Menschen. Niemand konnte fast 60 Jahre in einem Klein-U-Boot auf dem Meeresgrund überleben …
Diese hier hatten es tatsächlich geschafft. Sie waren nicht tot, nicht erstickt, nichtertrunken, sie bewegten sich und wussten genau, was sie wollten. Sie drängten ihre Körper mit lahmen aber zielsicheren Bewegungen auf das Schiff, und es gab keinen, der sie aufhielt.
Außer Dean Pollack befanden sich noch drei Mitglieder seiner Besatzung an Bord. Zwei davon waren getaucht und hatten die unglaublichen Gestalten aus ihrem U-Boot befreit. Jetzt standen die drei Männer zusammen, tranken Tee mit Rum, unterhielten sich und hatten noch keinen Blick in die Richtung geworfen.
Dann gab es noch eine fünfte Person an Bord.
Eine Frau. Die Frau, die Schiff und Besatzung gechartert hatte. Die Blonde mit dem eiskalten Blick und einer Aura, die den guten Pollack hatte erschauern lassen. Sie hieß Justine Cavallo, und sie hatte die Befreiung der Geschöpfe gewollt.
Geschöpfe!
Genau das war es. Keine Menschen mehr, nur Geschöpfe, die an Deck krochen, sich langsam bewegten, als müssten sie erst noch die entsprechenden Kräfte sammeln.
Sie standen nicht auf ihren Beinen, sondern hatten sich auf Hände und Füße niedergelassen. Das Wasser rann von ihren Körpern herab. Auf dem Schiff brannten nur relativ wenige Lichter, so sahen die Gestalten nicht unbedingt klar aus.
Was Pollack erkannte, war trotzdem schlimm genug. An den Körpern klebte die alte Kleidung. Er sah auch die Haut, aber sie besaß längst nicht mehr das Aussehen der eines normalen Menschen. Im Licht kam sie ihm künstlich vor, und so schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass diese Gestalten künstlich geschaffen worden waren. Wie Puppen oder Marionetten, die ferngelenkt bewegt wurden.
Sie waren fast der Reihe nach an Bord geklettert. An der langen Heckleiter hatten sie sich hochgeangelt, und der entsetzte Kapitän zählte genau vier Gestalten, die von seinen Männern befreit worden waren, indem sie den Einstieg eines kleinen U-Boots geöffnet hatten.
Grauenhaft. Kaum vorstellbar. Nicht zu fassen. Solche und ähnliche Begriffe schossen dem Mann durch den Kopf, der das Gefühl hatte, in einem Gefängnis zu stehen, in dem die Zeit einfach viel zu langsam verging und er nicht mehr mitkam.
Den Mund konnte er nicht schließen, aber er bewegte sich und drehte sich dabei nach links, wo sich die Blonde aufhielt. Er wollte sie ansprechen, zuckte jedoch zurück, denn allein ihre Haltung machte ihm klar, dass sie auf der anderen Seite stand.
Breitbeinig und sehr locker hatte sie ihren Platz gefunden. Die Arme angewinkelt, die Fäuste lässig in die Seiten gestemmt. Ein Lächeln auf den Lippen, und die Augenbrauen in die Höhe gezogen, so beobachtete sie die Ankunft der vier Gestalten. Sie hatte es so haben wollen, und ihr Plan war aufgegangen.
Dean Pollack war entsetzt. Aber er wunderte sich über sich selbst, dass er in der Lage war, überhaupt zu sprechen, obwohl er seine eigene Stimme kaum erkannte.
»Was soll das? Was sind das für Wesen …?«
Die Blonde drehte gelassen den Kopf, um ihn anzuschauen. »Es sind meine Freunde, Dean, meine wahren Freunde. Um sie zu befreien, habe ich Ihr Schiff gechartert. Jetzt wissen Sie die Wahrheit.«
»Freunde …?«
»Sicher.«
»Nein, nein«, sagte er schnell. »Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Das können keine Freunde sein. Das sind doch … das sind doch keine Menschen mehr.«
»Du hast Recht!«
»Was dann?«, schrie er sie an.
»Vampire!«
Es verschlug ihm die Sprache. Darauf war er nicht gekommen, so etwas kam ihm einfach zu unwahrscheinlich vor. Für eine gewisse Zeitspanne war er nicht in der Lage, das Gespräch zwischen ihnen fortzusetzen. Er war nur schlichtweg geschockt, denn ein derartiger Begriff passte nicht in seine Welt.
»Vampire …?«
»Du hast es gehört!«
»Sie waren unten?«
»Ja, verdammt. Stell dich nicht so dumm an. Du weißt doch, wer oder was Vampire sind – oder?«
Er nickte, ohne überzeugt zu sein. Aber er wusste auch, dass er totenbleich geworden war. Jetzt sah er ebenfalls aus wie ein blutleerer Vampir. Noch immer besaßen die Augen diesen unnatürlichen Ausdruck, und als er die nächste Frage der Blonden hörte, war er zunächst nicht in der Lage, eine Antwort zu geben.
»Du weißt doch, was sie wollen, wie?«
Pollack schüttelte den Kopf.
Justine Cavallo grinste. »Vampire wollen Blut. Sie brauchen Blut, um wieder zu Kräften zu kommen. Genau wie diese hier. Sie wollen frisches Blut haben, und sie werden das Blut bekommen, das kann ich dir versprechen.«
Der Kapitän hatte nur zugehört, aber er hatte sich dabei auch bewegt. Seine Hand war an seinem Oberkörper in die Höhe geglitten und hatte sich dem Hals genähert, den er mit seinen gespreizten Fingern umfasste, als wollte er sich selbst die Luft abschnüren.
Aber er hatte in diesen Sekunden begriffen, was die Blonde meinte. Er stellte auch keine Frage mehr, sondern drehte langsam den Kopf, weil er die drei Männer seiner Besatzung anschauen wollte.
Und die waren ebenfalls aufmerksam geworden. Dem Kapitän kam alles so anders vor. Er sah es wie im Zeitlupentempo. Die Männer hatten sich gedreht, und sie schauten jetzt zum Heck, an dem sich die drei Gestalten aufhielten. Sie knieten nicht mehr und hatten sich aufgerichtet. Aber sie hatten die Köpfe gedreht. Ob noch Leben in ihren Augen war, wusste Dean Pollack nicht. Jedenfalls starrten sie ihre Beute unverwandt an, und sie hatten ihre Lippen – falls überhaupt welche vorhanden waren – so verzogen, dass die obere Zahnreihe sichtbar geworden war und jeder die zwei Stifte erkennen konnte, die von oben nach unten wuchsen.
Das waren ihre Zeichen! Das waren die beiden Blutzähne, die sie wie Pfeile in die Haut der Menschen stoßen würden, um ihnen Wunden zuzufügen, aus denen das Blut sprudeln würde.
Die Männer der Besatzung waren harte Kerle, die nichts so leicht erschüttern konnte. Wer diesen Job machte, der durfte kein Weichei sein. Aber es gab auch bei ihnen Grenzen, und genau diese Grenze war jetzt erreicht.
Sie waren mit einer Welt konfrontiert worden, die es einfach nicht geben durfte. Das Grauen hatte brutal zugeschlagen, und noch waren sie nicht in der Lage, es zu begreifen.
Aber es ging ihnen allmählich auf, wen sie da vor sich hatten. Sie bewegten sich.
Langsam, zu langsam …
Oder kommt es mir nur so vor?, fragte sich Dean Pollack.
Er wusste es nicht. Er wusste überhaupt nichts mehr. Er stand in seiner Welt, er hielt sich auf dem Deck seines Schiffes auf, aber er war nicht in der Lage, die Dinge zu überblicken. Ihm war alles genommen worden, weggerissen. Raus aus der Normalität, hinein in das verdammte Grauen, das er nicht begriff.
»Dean! Was ist das? Was sind das für Gestalten?«
Pollack gab keine Antwort. Er sah das Gesicht seines Mitarbeiters. Der Mann war verzweifelt und völlig von der Rolle. Für ihn war ein Weltbild zusammengebrochen. Er konnte nichts mehr tun, ebenso wenig wie seine beiden Kollegen.
Die Antwort gab die Blonde. »Sie wollen Blut, Dean, und sie werden es sich holen.«
Pollack spürte den Adrenalinstoß, der ihn heftig erwischte. Er wollte etwas sagen, aber es war bereits zu spät, denn die Blutsauger griffen an …
*
Ich wusste nicht, ob ich mich richtig verhalten hatte, aber ich war einfach meinen Gefühlen gefolgt, und jetzt gab es auch kein Zurück mehr für mich.
Ich befand mich zusammen mit Tom Carry, einem Fischer, auf dem Boot, und wir fuhren über eine dünige See hinweg in Richtung Norden, in die Leere hinein, wie mir schien.
Es ist etwas anderes, ob man sich auf einem großen Schiff aufhält oder nur auf einem Kahn, der zwar einen Motor und auch ein Segel besaß, das allerdings eingeholt worden war. Ich war hier nahe am Wasser. Ich bekam fast jede Welle mit. Ich merkte die Schaukelei und sah das Meer immer wieder wie einen mächtigen dunklen Teppich ohne Ende, der sich ständig auf- und abbewegte.
Tom Carry, der Fischer, saß am Heck. Dort befand sich der Außenborder, der uns vorantrieb. An Bord lagen die Netze, zum Fang richtig zusammengefaltet. Ich sah auch die offenen Kisten, in denen die Fische gelagert wurden. Aber es gab keine Kabine, keinen Unterstand, denn dieses Boot war für eine Hochseefischerei eigentlich nicht geeignet.
Trotzdem fuhr Tom Carry damit auf die See, und es schien ihm sogar Spaß zu machen, denn auf seinem Gesicht malte sich ein optimistisches Grinsen ab.
Zudem war er nicht der Einzige, der in dieser Nacht mit seinem Boot unterwegs war. Aus dem kleinen Inselhafen waren auch die anderen Fischer ausgelaufen. Sie wollten das noch ruhige Wetter für einen letzten Fischgang in der Nacht nutzen. Mein Pech war, dass ich mir das kleinste Boot ausgesucht hatte, die anderen hatten leider schon den Hafen verlassen gehabt.
Aber sie waren trotz der Dunkelheit zu sehen, denn sie hatten ihre Positionsleuchten gesetzt. Bei allen Booten gab es mehrere Lichtquellen, die sich in einer gewissen Höhe auf- und abbewegten, denn sie glichen sich dem Rhythmus der Wellen an.
Auch wir hatten ein Licht gesetzt. Die kleine Laterne schaukelte oben am Mast. Hin und wieder streifte ihr Lichtschein wie eine helle Sichel über das Boot hinweg und erwischte auch unsere Gesichter.
Ich hatte mich nicht zum Spaß zu Tom Carry gesellt. Ich war auch nicht zum Spaß auf der Insel gewesen, die wirklich am Ende der Welt lag, ein paar Meilen nördlich der schottischen Nordküste. Wer hier lebte, musste entweder hier geboren sein oder die Einsamkeit lieben. Darüber machte ich mir keine Gedanken, denn etwas anderes war wichtiger.
Es ging um Vampire!
Und um sie! Um Justine Cavallo. Davon waren ich und Suko, der auf der Insel als Schutz zurückgeblieben war, fest überzeugt. Wir hatten einen Tipp bekommen und waren in diese Einsamkeit gefahren, und wir hatten erlebt, dass der Tipp zumindest zur Hälfte stimmte. Es war von zwei Blutsaugern gesprochen worden. Einer davon war eben die blonde Bestie Justine Cavallo. 1
Sie hatten wir nicht gefunden, dafür aber einen ihrer Helfer. Er hatte sich in einer Ruine auf der Insel versteckt gehalten. Fast wäre es ihm gelungen, Amy Carry, Toms Tochter, in die Gewalt zu bekommen und blutleer zu trinken. Im letzten Augenblick hatten Suko und ich sie retten können.
Den Vampir gab es nicht mehr. Dafür allerdings Justine Cavallo. Auf der Insel hatten wir sie nicht gefunden. Also waren wir davon ausgegangen, dass sie sich möglicherweise auf dem Meer aufhielt, um hier ihre Zeichen zu setzen.
Wir konnten nicht glauben, dass sie der Gegend den Rücken gekehrt hatte. Nicht eine wie sie, die ihre Pläne stets sehr genau durchdachte. Da musste noch etwas nachkommen, und dabei wollte ich sie stören. Suko war auf Coomb Island zurückgeblieben, um die dort lebenden Menschen zu bewachen.
Ich war mit Tom Carry hinausgefahren. Er hatte mich zwar gewarnt, weil sein Boot nicht eben hochseetüchtig war, aber gekentert war er auch noch nicht, und so hatte ich die Fahrt gewagt. Ich war dabei auch sehr meinem Bauchgefühl gefolgt, denn irgendwo musste sich die blonde Bestie aufhalten. Was sie auf der Insel zurückgelassen hatte, war, wenn man es mit ihr verglich, lächerlich gewesen.
Ich saß auf dem Brett einer Ruderbank und stellte fest, dass ich mich allmählich an die Schaukelei gewöhnte. Mein Magen richtete sich danach. Die Übelkeit drang nicht mehr hoch, und ich konnte eigentlich ganz normal atmen.
Die Lichter der anderen Boote gaben mir irgendwie ein gutes Gefühl. Ich fühlte mich nicht so allein. Aber die Fischer waren schneller als wir. Die-Distanz zwischen ihnen und uns hatte sich bereits stark vergrößert.
Nach einer Weile riskierte ich es, mich von meinem Platz zu erheben. Im ersten Moment hatte ich Probleme mit der Standfestigkeit, aber auch das ließ sich richten.
Tom Carry schaute zu mir hoch, als ich auf ihn zukam. Den schmalen Mast nutzte ich zwischendurch als Stütze, dann hatte ich eine der Kisten erreicht, die in Carrys Nähe standen. Dort ließ ich mich nieder und nickte ihm zu.
»Geht es dir schlecht, Sinclair?«
»Nein.«
»Sehr gut.« Er nickte. Ob es anerkennend war, konnte ich nicht sagen, aber seine Warnungen waren bei mir noch nicht eingetroffen, denn ich hatte mich nicht übergeben.
An Bord duzte man sich. Das hatte Tom Carry sehr schnell getan, und ich blieb ebenfalls bei dieser vertraulichen Anrede. Man wurde als Fremder von diesen einsam lebenden Menschen nicht sofort akzeptiert, sondern musste ihnen erst beweisen, dass man jemand war. Das war mir wohl gelungen, denn Tom Carry schaute mich jetzt freundlicher an. Über uns schaukelte die Positionsleuchte, gab unseren Gesichtern mal Licht oder ließ sie wieder im Dunkeln verschwinden.
»Welche Probleme hast du, Sinclair?«
»Sieht man mir das an?«
Tom zuckte nur mit den Schultern.
»Okay, ich will sie dir sagen. Wie weit willst du noch rausfahren? So weit wie die anderen Kollegen?«
Er lachte mich an. »Glaubst du das?«
»Ich weiß es nicht.«
»Nein, Sinclair, nein. Du kannst beruhigt sein. So weit fahren wir nicht. Nicht mit dem Boot. Ich brauche kein größeres, weil wir nicht unbedingt nur vom Fischfang leben. Wir haben noch das Gasthaus mit den beiden Fremdenzimmern. Im Sommer besuchen uns tatsächlich Touristen vom Festland. Manchmal nur für einen Abstecher, das sind die meisten. Aber sie haben Durst und Hunger, und dann bietet es sich an, bei uns zu essen und zu trinken. Davon können wir einigermaßen gut leben. Der Fischfang ist mehr ein Hobby.«
»Du hättest auch darauf verzichten können, an diesem Abend hinauszufahren, denke ich.«
Er schaute mich lange an und verzog das Gesicht. Sein blondgrauer Bart schien sich dabei zu sträuben. Ich rechnete schon damit, keine Antwort zu bekommen, dann erhielt ich sie doch.
»Ja, ich hätte auf der Insel bleiben können. Aber ich hatte keinen Bock darauf. Dann hätte ich mir das Gerede von den Vampiren anhören müssen. Du hast doch selbst gesehen, wie meine Frau die Knoblauchstauden aufgehängt hat, um sich zu schützen.«
»Da hat sie etwas Gutes getan«, sagte ich.
»Bockmist. Weibergewäsch. Es gibt keine Vampire.«
»Fragen Sie mal Ihre Tochter.«
Er ließ sich nicht beirren. »Wer weiß, was Amy da gesehen hat. Die war in der Ruine und hat sich was eingebildet.«
»Das glaube ich wiederum nicht, Tom. Ich will mich nicht auf den Sockel heben, aber wären Suko und ich nicht gewesen, dann hättest du deine Tochter nicht mehr als einen normalen Menschen erlebt, sondern als blutgierige Wiedergängerin.«
Er sagte nichts und blickte mich nur an. Danach schüttelte er den Kopf. »Wie kannst du so etwas glauben?«
»Weshalb sind wir wohl auf die Insel gekommen?«
»Wegen dieses Spinners. Ernie Slater, wie?«
»Ja.«
Tom winkte ab. »Ich habe seine Redereien gehört. Er hat auch von einer Blonden gesprochen. Muss ja ein verdammt scharfes Weib gewesen sein, aber außer ihm hat niemand sie zu Gesicht bekommen.« Er schnalzte mit der Zunge. »Eine wie sie wäre mir sicherlich aufgefallen, darauf kannst du dich verlassen.«
»Das kann ich nicht leugnen. Sie fällt wirklich auf. Sie ist auf ihre Weise einmalig.«
»Ach. Dann kennst du sie?«
»Ja.«
»Hat sie auch einen Namen?«
»Justine Cavallo.«
Carry wiederholte ihn und nickte dabei. »Hört sich wirklich stark an.«
»Ja, er ist außergewöhnlich. Ebenso wie die gesamte Person, die von der Natur mit einem perfekten Körper ausgestattet wurde. Das ist nur die Hülle, denn die wahre Justine Cavallo sieht anders aus.«
»Wie denn?«
Bei meiner Antwort verlor ich den Ernst in der Stimme nicht. »Sie ist eine blonde Bestie, eine Blutsaugerin. Sie will Macht. Sie ist verdammt stark, und damit meine ich ihre körperlichen Kräfte. Und sie hat noch starke Verbündete, die allerdings jetzt nicht in Erscheinung getreten sind. Das darfst du auch nicht vergessen, obwohl es in diesem Fall unwichtig ist.«
Die Augen funkelten, als er sagte: »Hört sich ja richtig gut an, Sinclair.«
»Nimm es nicht auf die leichte Schulter.«
»Ich habe sie nicht zu Gesicht bekommen. Aber es wäre mal interessant, sie zu sehen.«
»Dann bist du verloren!«
Diese Worte hatten ihm nicht gefallen. Unwillig schüttelte er den Kopf. »Was ist mir dir? Bist du nicht verloren? Oder hältst du dich für so stark, dass du sie besiegen kannst?«
»Ich versuche es zumindest.«