John Sinclair 2177 - Daniel Stulgies - E-Book

John Sinclair 2177 E-Book

Daniel Stulgies

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Beschreibung

Das schwarze Gestein erschien Jill Fogler wie glatt polierter Marmor, war aber sehr viel widerstandsfähiger. Sie hatten drei extrem teure Diamantbohrköpfe verschlissen, ehe es ihnen gelang, ein paar winzige Brocken sicherzustellen. Jill schwenkte den Kegel ihrer Taschenlampe über die Oberfläche und bewegte sich langsam vorwärts. Der Gang war drei Meter siebzig hoch und exakt vier Meter breit.
Sie fröstelte. Weniger von der Kälte, als vor Erregung. Diese ganze Sache war einfach so unglaublich, dass es ihr nach wie vor schwerfiel, ihr Glück zu fassen.
Sie zog einen Handschuh aus und strich beinahe ehrfurchtsvoll über die Fläche. Die Gesteinsanalyse stand noch aus, aber sie rechnete mit etwas Besonderem. Dieser ganze Ort war nicht nur für Archäologen eine wissenschaftliche Goldgrube ...

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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Mein ist die Rache

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Tithi Luadthong/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9294-4

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mein ist die Rache

von Daniel Stulgies

Das schwarze Gestein erschien Jill Fogler wie glatt polierter Marmor, war aber sehr viel widerstandsfähiger. Sie hatten drei extrem teure Diamantbohrköpfe verschlissen, ehe es ihnen gelang, ein paar winzige Brocken sicherzustellen. Jill schwenkte den Kegel ihrer Taschenlampe über die Oberfläche und bewegte sich langsam vorwärts. Der Gang war drei Meter siebzig hoch und exakt vier Meter breit.

Sie fröstelte. Weniger von der Kälte, als vor Erregung. Diese ganze Sache war einfach so unglaublich, dass es ihr nach wie vor schwerfiel, ihr Glück zu fassen.

Sie zog einen Handschuh aus und strich beinahe ehrfurchtsvoll über die Fläche. Die Gesteinsanalyse stand noch aus, aber sie rechnete mit etwas Besonderem. Dieser ganze Ort war nicht nur für Archäologen eine wissenschaftliche Goldgrube …

Als sie das metallene Tor erreichte, blieb sie stehen und bewunderte nicht zum ersten Mal die fein gearbeiteten Reliefs, die an den Seiten entlang verliefen. Wobei ihre Bewunderung eher dem Geschick des Handwerkers als den abgebildeten Kreaturen galt, die bei ihr eine Gänsehaut verursachten.

Sie hatten alles haarklein dokumentiert, abfotografiert und auf die Server geladen. Die Auswertung würde Jahre in Anspruch nehmen. Dabei handelte es sich wahrscheinlich bis zu diesem Punkt nur um ein kleines Teil eines riesigen Puzzles. Der wahre Schatz lag hinter dem Tor. Die Satellitenaufnahmen ließen darauf schließen, dass sich dahinter weitere Gänge befinden mussten. Leider wussten sie noch nicht, wie sich das Tor öffnen ließ. Es gab keinen erkennbaren Mechanismus.

Eine Bewegung aus dem Augenwinkel ließ sie zusammenzucken. Sie richtete die Taschenlampe auf eine besonders schaurige Szene. Sie zeigte vier Gestalten. Drei von ihnen mit übernatürlich langen Gliedmaßen. Ihre Schädel schienen für die hageren Körper zu massig. Sie unterschieden sich klar von der vierten Gestalt. Einem Menschen mit normalen Proportionen. Gemein hatten sie nur ihre kniende Haltung.

Jill trat näher an die Darstellung heran. Dabei hielt sie unbewusst den Atem an. Etwas erschien ihr merkwürdig. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, während sie die Szene studierte.

Plötzlich wurde sie gepackt und herumgerissen. Jill schrie erschrocken auf und schlug dabei mit ihrer Taschenlampe nach dem Angreifer. Dieser schaffte es zwar noch, schnell zurückzuweichen, rutschte aber auf dem glatten Boden aus und landete mit einem dumpfen Schmerzlaut auf dem Hintern.

»Das habe ich wohl verdient«, stöhnte Matthew.

»Das und noch mehr!« Sie leuchtete ihrem Mann mit der Taschenlampe ins Gesicht. »Ich hätte dir das Teil auch über den Schädel ziehen können!«

»Hättest du …« Er lachte erneut und streckte Hilfe suchend die Hand nach ihr aus. »Aber das war es mir wert.«

Jill überlegte einen Moment lang, seine Hand zu ignorieren, verwarf den Gedanken aber schnell. Matthew war ein Kindskopf, aber sein Hundeblick hatte etwas Entwaffnendes. Er war einer der Gründe, warum sie diesen Trottel so sehr liebte.

»Du solltest vor dem Eintreffen unseres Gastes noch mal an deinen Manieren arbeiten«, tadelte sie ihn.

»Deswegen bin ich hier«, erklärte er. »Vaughn trifft bereits heute ein.«

»Soll das ein Scherz sein? Wie kann er so schnell …«

»Der Mann ist stinkreich und scharf auf die Publicity. Einige Milliardäre fliegen ins All, andere gehen unter die Entdecker.«

Jill schnaubte verächtlich. »Er hat gar nichts entdeckt.«

»Ohne sein Geld wären wir niemals so weit gekommen.«

»Trotzdem …« Sie wandte sich wieder dem Tor zu. »Er wird das alles einzig und allein für seine eigenen Zwecke nutzen. Dabei geht das hier die gesamte Menschheit etwas an. Es ist einfach falsch, so etwas unter Verschluss zu halten …« Sie verstummte schlagartig, als ihr klar wurde, was hier nicht stimmte.

»Jill?« Matthew strich sich durch den roten Bart. »Alles in Ordnung?«

Sie machte ihm Platz und deutete zu den vier Gestalten. »Fällt dir was auf?«

Er sah es sich an, schüttelte dann aber den Kopf. »Keine Ahnung, was du meinst.«

Sie wollte es gerade aussprechen, als ihr klar wurde, wie verrückt ihre Entdeckung sich anhören würde. »Komm mit.«

Wieder an der Oberfläche fiel ihr der stark bewölkte Himmel auf. Ein Sturm zog auf. Es war schierer Irrsinn, das Camp heute anzufliegen. Sie lief, so schnell es der Schnee und das Eis unter ihren Füßen zuließen, zum Hauptzelt, wo zwei ihrer Assistenten gerade dabei waren, einige Fundstücke zu katalogisieren. Sie waren so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie nur kurz aufsahen und grüßten.

Matthew erreichte das Zelt ein paar Sekunden später. Völlig außer Atem und mit hochrotem Kopf, begab er sich zu Jill, die vor einem der großen Monitore Platz genommen hatte.

»Verrätst du mir jetzt, was los ist?« schnaufte er und wollte gerade nachsetzen, als er sah, was seine Frau da aufgerufen hatte. »Das kann nicht sein. Du willst mich verarschen.«

»Deswegen wollte ich es dir zeigen«, sagte sie ungeduldig. »Sonst hättest du mir nicht geglaubt.«

»Wie alt ist die Aufnahme?«

»Zwei Tage.«

»Und es ist ganz bestimmte die gleiche Stelle?«

»Du siehst es doch.«

Matthew ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen. »Das ist verrückt. Das ist …« Er sah zu den Assistenten. »Luke, Erika, seid ihr so gut und lasst uns mal kurz alleine.«

Die beiden sahen von Matthew zu Jill, dann wieder zurück. Schließlich nickten sie und verließen das Zelt.

»Vielleicht hat sich jemand vom Team einen Scherz erlaubt«, überlegte Matthew laut.

»Die Aufnahme ist so echt wie meine Erinnerung.« Jill biss sich auf die Unterlippe. »Das Relief hat sich verändert. Vorher war an dieser Stelle nichts zu sehen gewesen. Jetzt haben wir einen Menschen, umringt von diesen Kreaturen.«

»Stein verändert sich nicht.«

»Dieser offensichtlich schon …«

Der Hubschrauber landete mit lautem Getöse und wirbelte Unmengen von Schnee auf. Jill musste sich wegdrehen, weil die Kälte in den Augen stach. Dabei begegnete sie Matthews sorgenvollem Blick.

Sie hatten sich darauf geeinigt, Vaughn vorerst nichts von ihrer seltsamen Entdeckung zu erzählen. Zuerst wollten sie noch einige Tests machen, um ganz sicher zu gehen. Bei einer solchen Sache musste selbst der leiseste Zweifel aus dem Weg geräumt werden.

Vaughn war nicht alleine. Er hatte zwei Mitarbeiter dabei, die ihn wie eine Leibwache umringten und misstrauisch die Umgebung im Auge behielten. Bei ihrem einzigen Treffen vor ein paar Monaten war er auch in Begleitung gewesen. Es gab Gerüchte, dass Vaughn leicht paranoid war, nachdem einer seiner Milliardärsfreunde vor ein paar Jahren Opfer einer Entführung geworden war. Die Angelegenheit war nicht gut ausgegangen.

Vaughn kümmerte sich nicht um den kleinen, von den Rotorblättern ausgelösten, Eissturm und stakste mit großen Schritten auf die beiden Forscher zu. »Sie haben es wahr werden lassen!« Er strahlte über das ganze Gesicht.

Wie ein Kind zu Weihnachten, dachte Jill und spürte eine leichte Bitterkeit in sich aufkommen. Es fühlte sich so an, als wäre dieser Mann gekommen, um ihre Entdeckung zu stehlen.

»Wo ist es?«, fragte er, nachdem er die beiden erreicht hatte. Mit seinen fast zwei Metern überragte er wahrscheinlich jeden anderen Menschen, der sich zurzeit auf diesem Kontinent befand.

Nachdem der Milliardär Matthews ausgestreckte Hand ignorierte, steckte dieser sie wieder in Jackentasche. Vaughn war niemand, der sich mit Begrüßungsfloskeln aufhielt. In seinen Augen blitzte ein unnachgiebiges Verlangen. Eine Gier, die Jill auf die Geltungssucht dieses Mannes zurückführte.

»Sie verlieren keine Zeit, oder?«, sagte Matthew.

»Diesen Luxus kann ich mir leider nicht erlauben.« Er blickte an den beiden vorbei und zeigte auf das kleine Zelt, das den Eingang markierte. »Dort, nicht wahr?« Bevor sie ihm antworten konnten, ließ Vaughn die Forscher stehen und marschierte wieder los.

Jill und Matthew wechselten irritierte Blicke und eilten schnell hinterher. Als sie Vaughn einholten, stand er direkt am Eingang zu den Ruinen und starrte nachdenklich in die Dunkelheit.

»Alles in Ordnung, Mister Vaughn?«, fragte Jill.

Er wandte sich ihr mit einem schwer zu deutenden Lächeln zu. »Absolut … Mir ging es schon lange nicht mehr so gut.« Er nahm eine der Taschenlampen, die auf einem Tisch ausgelegt waren.

Als einer seiner Begleiter ebenfalls nach einer der Lampen griff, schüttelte Vaughn den Kopf. »Ihr wartet hier und bereitet alles für die Abreise vor.«

Der Mann und sein Kollege nickten und gingen wieder nach draußen.

Vaughn knipste die Taschenlampe ein und richtete den Strahl in die Dunkelheit. »Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie lange ich diesen Moment herbeigesehnt habe. Was ich …« Er hielt inne und schien seine Worte noch einmal zu überdenken. »Gehen Sie ruhig voran. Wir wollen ihre Entdeckung ja nicht warten lassen.«

Jill konnte nicht sagen, woran es lag, aber es bereitete ihr Unbehagen, Vaughn in ihrem Rücken zu wissen. Sie fröstelte, und je näher sie dem Tor kamen, desto größer wurde das Verlangen, kehrtzumachen.

Als sie es erreichten, stellte sie schaudernd fest, dass das mysteriöse Relief eine weitere, äußerst beunruhigende, Veränderung durchlaufen hatte. Sie verstand jetzt, dass es sich bei der knienden Haltung der vier Gestalten um eine Art Ehrerbietung handelte. Eine Anbetungsszene. Die Perspektive hatte sich geändert. Die Knienden waren in den Hintergrund gerückt. Der Fokus lag auf jenem Ding, das sie anbeteten. Obwohl das neue Element klar und deutlich zu sehen war, verstand Jill es nicht. Es war beinahe so, als würde ihr Denken aussetzen.

»Alles in Ordnung?« Vaughn fixierte sie. Seine Augen waren stechend, umgeben von tiefen Schatten. Obwohl der Milliardär um die sechzig war, kamen ihr seine Augen wesentlich älter vor.

»Ich bin okay …« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Dieser Ort wirkt noch immer einschüchternd auf mich.«

»Es verschlägt einem schier die Sprache«, kam Matthew ihr zu Hilfe.

»Ja, in der Tat.« Vaughn legte eine Hand mittig auf das Tor. »Sie sind sicher genauso neugierig wie ich, zu erfahren, was dahinter liegt.«

Bevor das Forscherpaar etwas erwidern konnte, ertönte dort, wo Vaughn seine Hand aufgelegt hatte, ein tiefes, mechanisches Grollen.

Jill keuchte erschrocken auf, als das Tor sich teilte und beide Hälften seitlich im Gestein verschwanden.

»Wie haben Sie das angestellt?«, wollte Matthew von Vaughn wissen. Er wirkte nicht minder erschrocken.

»Wahrscheinlich nur Glück.« Er nickte den frei gewordenen Gang runter. »Ich schlage vor, Sie beide gehen wieder vor. Schließlich sind Sie die Experten.«

Jill schüttelte den Kopf. »Das wäre viel zu gefährlich. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir brennen darauf, die Ruinen zu erkunden. Aber bevor wir auch nur einen Fuß da reinsetzen muss das Mauerwerk erst auf mögliche Gefahren hin untersucht werden.«

»Meine Frau hat recht«, bemerkte Matthew. »Für die Ersterkundungen nutzen wir besser die Drohnen, die Sie uns zur Verfügung gestellt haben.«

»Ihre Sicherheitsbedenken in Ehren, aber dafür fehlt mir die Zeit.«

»Dafür sollten Sie sich aber die Zeit nehmen«, erwiderte Jill leicht genervt. Der Typ war doch nicht mehr ganz richtig im Kopf. »Ich meine, was bringt ihnen die Hektik, wenn sie durch eine Felsspalte stürzen oder von einem Trümmerstück erschlagen werden?«

»Eine paar Tage mehr werden sie schon nicht umbringen«, pflichtete Matthew seiner Frau bei.

Vaughn seufzte. »Ihnen ist hoffentlich klar, dass es von meinem Wohlwollen abhängt, ob Sie beide Teil dieser Entdeckung bleiben oder in Vergessenheit geraten werden.«

Jill sah ihn entgeistert an. »Drohen Sie uns?«

»Nur ein wenig.« Er lächelte salzig. »Sämtliche Entdeckungen, die Sie bislang gemacht haben, obliegen der Geheimhaltung. Die einzigen Menschen, die noch davon wissen, sind Ihre Assistenten. Aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass jeder Mensch seinen Preis hat. Es würde mich wenige Anrufe kosten, um Ihre Karrieren auf einen Schlag zu beenden. Sie wissen, dass ich das kann, nicht wahr?«

»Sie verdammtes Arschloch …« Jill hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und war drauf und dran, diesem Mistkerl eine zu knallen.

Matthew ahnte wohl, was in ihrem Kopf vor sich ging und legte ihr eine Hand auf den Ellenbogen. »Machen Sie das immer so?«, fragte er finster. »Wenn Sie nicht sofort kriegen, was sie wollen? Leute einschüchtern? Haben Sie so Ihr Vermögen gemacht?«

Vaughn lachte. Es war nicht verhöhnend oder gekünstelt, sondern ehrlich amüsiert. »Sie wären überrascht, wie ich zu meinem Geld gekommen bin. Wirklich überrascht …« Er zeigte den Gang hinunter. »Aber ich möchte Sie nicht langweilen, wenn Sie nun so freundlich wären. Denken Sie an Ihre Zukunft.«

Der schwarz geschuppte Vollstrecker bewegte sich mit gesenktem Haupt an den Wachen seines Herrn vorbei. Die Lanzenträger waren sehr viel massiger als er. Erbarmungslose Killermaschinen, die zum töten abgerichtet waren und für den Spuk jederzeit ihr Leben geben würden.

Vollstrecker waren anders gestrickt. Sie kümmerten sich um die Einhaltung der Ordnung und waren die Verwalter im Reich der Schatten. Eine Machtposition mit vielen Privilegien. Gleichzeitig lief man Gefahr, von der erdrückenden Last der Verantwortung zerquetscht zu werden.

Der Vollstrecker kam mit schlechten Nachrichten und fürchtete zurecht um seine Existenz. Der Spuk tötete nicht einfach, er kannte andere, weitaus schlimmere Bestrafungen.

Eine Nebelwand kennzeichnete den Einlass in das Refugium seines Meisters. Zwei besonders Furcht einflößende Echsenkrieger hielten davor Wache. Mehr Bestien als denkende Wesen. Violetter Speichel tropfte aus ihren geöffneten Mäulern, während sie den Vollstrecker wie ein Stück Fleisch musterten.

»Es geht um die Teufelstochter«, erklärte er sein Anliegen.

Eines der Monster stieß ein bedrohliches Knurren aus. Die Teufelstochter war unter den Echsen verhasst. Viele von ihnen waren im Kampf gegen Asmodina gefallen.

Es sah kurz so aus, als würde der Wächter die Kontrolle über seine Wut verlieren und sich auf den Vollstrecker stürzen, stattdessen machte er den Weg frei und ließ ihn passieren.

Die Temperatur nahm sofort ab, und ein Gefühl der Machtlosigkeit legte sich über den Vollstrecker. Nebelschwaden waberten über den felsigen Untergrund an ihm hoch und legten sich wie eisige Todeskrallen um seine Kehle. Obwohl er nicht zum ersten Mal hier war, erfüllte dieser Ort ihn doch mit einer schrecklichen Angst. Eine Angst, die sich verstärkte, als er feststellen musste, dass der Knochenthron unbesetzt war. Normalerweise gab sich der Spuk seinen Untergebenen sofort zu erkennen.

Ängstlich blickte der Vollstrecker sich nach allen Seiten hin um. »Herr? Ich bringe dringende Nachricht …« Er hielt den Atem an, als er in einiger Entfernung ein schwaches Glühen wahrnahm. »Herr?«

Als er keine Antwort erhielt, schlich er vorsichtig auf das Glühen zu. Er hatte das weißblaue Licht schon einmal gesehen und wusste, was es verursachte. Mit angehaltenem Atem durchschritt er die Nebelschwaden und erstarrte!

Vor ihm schwebte der Würfel des Unheils. Das Artefakt war unverkennbar. Wer es einmal erblickt hatte, vergaß es nie mehr. Allerdings war der Würfel stark vergrößert und maß bestimmt zwei Meter im Durchmesser. Auf seinen sechs Seiten spielten sich groteske Szenen ab. Die ihm zugewandte Fläche präsentierte zwei spinnenartige Wesen, fett und aufgedunsen, die sich gegenseitig auffraßen, aber gleichzeitig neue Beine, Klauen und Augen ausbildeten. Ein abscheulicher, niemals enden wollender Kreislauf aus Fressen und Wiedergeburt.

Der Vollstrecker fühlte instinktiv, dass er nicht hier sein durfte. Diese Bilder waren nicht für ihn bestimmt. Er war gerade im Begriff, kehrtzumachen, als eine andere Seite des Würfels sein Interesse weckte. Sie zeigte einen hageren, hochgewachsenen Mann mit langen bis zu den Schultern reichenden Haaren. Er durchstreifte einen Wald, der sich bei genauerer Betrachtung, als die Gebeine gewaltiger Tiere herausstellte.

Im nächsten Moment wanderte derselbe Mann durch eine blutige Morastlandschaft, nur um sich Sekunden später mitten in einem Ewigsturm wiederzufinden. Zuerst glaubte der Vollstrecker, dass es sich um ein und dieselbe Person handelte, dann fielen ihm die Unterschiede auf. Der Würfel zeigte drei sehr ähnlich aussehende Männer, die in verschiedenen Welten unterwegs waren. Ihre Körper waren die von Kriegern. Eine weitere Gemeinsamkeit war der Ausdruck in ihren Augen. Der Vollstrecker fühlte sich an Wölfe erinnert, die einem verwundeten Beutetier nachhetzten.

Dann veränderte sich die Oberfläche des Würfels schlagartig. Die Bilder verschwammen zu einem dunklen Nebel. Es wurde kälter. So kalt, dass die Schuppen der Echse von einer dünnen Eisschicht überzogen wurden. Die goldenen Augen des Vollstreckers weiteten sich vor Entsetzen, als der Nebel aus dem Würfel floss und sich direkt vor ihm in die albtraumhafte Gestalt des Spuks verwandelte.

Der Vollstrecker fiel vor seinem Herrn auf die Knie und neigte das stromlinienförmige Haupt. »Ich wollte nicht respektlos erscheinen, Herr …« erklärte er schnell. »Es geht um die Teufelstochter … Die Situation hat sich verschärft.«

Als der Spuk nichts erwiderte, hob die Echse vorsichtig den Kopf und beobachtete, wie der wieder auf seine ursprüngliche Größe geschrumpfte Würfel um die ausgestreckte Hand des Spuks kreiste. Der schattenhafte Dämon wirkte beinahe nachdenklich und wenig an den alarmierenden Neuigkeiten interessiert.

Der Vollstrecker überlegte fieberhaft, ob er einen weiteren Versuch starten sollte, als die Stimme des Spuks erklang. Uralt und erhaben über alle und jeden: »Hast du jemals etwas bereut?«

»Herr?« Der Vollstrecker sah ihn aus großen Augen an.

»Es versäumt, etwas zu Ende zu bringen, weil du dich vor den Konsequenzen gefürchtet hast?«

Die Kehle des Vollstreckers war wie ausgedörrt. Es kostete ihn eine ungeheure Kraft, auf die Frage zu reagieren. »Wenn es um das geht, was hier eben passiert ist, schwöre ich euch, dass ich schweigen werde.« Panik schwang in seiner Stimme mit. »Ich habe nichts gesehen …«

»Natürlich hast du das nicht.« Er wandte sich ab, vermutlich, um sich zu Asmodinas Gefängnis zu begeben. Der Vollstrecker verfolgte angespannt, wie der Spuk lichtdurchlässig wurde. Nachdem er verschwunden war, atmete die Echse erleichtert aus. Er stand auf und machte sich auf die Suche nach dem nach draußen führenden Portal. Als er es fand, beeilte er sich, schnell zu verschwinden. Kaum hatte er die Schwelle übertreten, löste sich der Boden unter seinen Füßen auf. Er befand sich für Sekunden im freien Fall, ehe er wie eine reife Frucht auf dem felsigen Grund zerplatzte.

Hinter dem Tor lag ein weitverzweigtes Tunnelsystem, das bei Jill Erinnerungen an einen Ameisenbau wachrief. Obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, waren Matthew und sie der Aufforderung ihres Geldgebers schließlich gefolgt.

Sicherer wäre es gewesen, das Team zu informieren, aber Vaughn hatte sich selbst in diesem Punkt uneinsichtig gezeigt. Es war ihr schleierhaft, wie ein Mensch in seiner Position so leichtsinnig agieren konnte. Der Gedanke daran, dass sie sich so leicht hatten kaufen lassen, machte die Angelegenheit nur noch schlimmer.

Auf der anderen Seite bewegte sie sich jetzt gerade durch eine archäologische Sensation, die ohne die von Vaughn zur Verfügung gestellten Mittel niemals von ihnen hätte entdeckt werden können. Die Ruinen einer untergegangenen, bislang völlig unbekannten Zivilisation. Die Entdeckung des Jahrhunderts …