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10 gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!
Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.
Tausende Fans können nicht irren - über 640 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 431 - 440.Jetzt herunterladen und losgruseln!
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Seitenzahl: 1327
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2015 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Vicente B. Ballestar
ISBN: 978-3-7517-6517-6
https://www.bastei.de
https://www.sinclair.de
https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
John Sinclair 431
John Sinclair – Die Serie
Kathedrale der Angst
John Sinclair 432
John Sinclair – Die Serie
Magico (1.Teil)
John Sinclair 433
John Sinclair – Die Serie
Zeitbombe London (2.Teil)
John Sinclair 434
John Sinclair – Die Serie
Die Rache der Menschengeier
John Sinclair 435
John Sinclair – Die Serie
Das Hexentor (1.Teil)
John Sinclair 436
John Sinclair – Die Serie
Tanz auf dem Scheiterhaufen (2.Teil)
John Sinclair 437
John Sinclair – Die Serie
Serenas teuflische Horde
John Sinclair 438
John Sinclair – Die Serie
Schlangenhand
John Sinclair 439
John Sinclair – Die Serie
Das Folterbett
John Sinclair 440
John Sinclair – Die Serie
Mein letzter Fall? (1.Teil)
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Contents
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
»Nein, Gustave, nein! Hier gehe ich keinen Schritt mehr weiter. Das ist die Grenze …«
Grenze … Grenze … hallte die Stimme des noch jungen Mannes nach, als würde sie irgendwann von einem gewaltigen Moloch vor ihnen verschluckt und in die graue Düsternis der unheimlich wirkenden Landschaft hineingezogen.
Gustave Rodin drehte sich um. »Was hast du denn, Pierre? Das ist es doch, was wir gesucht haben. Keiner wollte uns glauben. Auch der Professor nicht. Ich sehe noch sein Lächeln, als wir ihm von unserem Plan berichteten. Versteh doch, wir haben den Ort gefunden. Das ist, wie man so schön sagt, praktische Archäologie.«
»Nein, das ist es nicht«, flüsterte Pierre. »Es ist etwas anderes.«
»Und was, bitte?«
»Wir versündigen uns, Gustave. Glaub es mir. Wir dürfen nicht mehr weiter, sonst rennen wir ins Unglück …«
»Und die Forschung?«
»Soll mich in Ruhe lassen. Ich weiß, dass dieser Ort seinen Namen nicht zu Unrecht bekommen hat.«
Gustave Rodin lachte leise. »Ja, das hat er nicht. Auch ich spüre das Besondere. Das ist der Ort, nach dem wir so lange gesucht haben. Die Kathedrale der Hoffnung!«
»Nicht der Hoffnung!«, widersprach Virni entschieden. »Es ist die Kathedrale der Angst.«
»Für dich!«
»Ja, für mich, und ich möchte dich warnen, dass sie nicht auch für dich dazu wird!«
»Ich gehe weiter!« Gustave Rodin ließ sich von seinem Entschluss nicht abbringen, auch dann nicht, als ihm Pierre Virni die Hand auf die Schulter legte, um ihn zurückzuhalten. Er schüttelte die Finger ab. »Lass das, werde nicht kindisch.«
»Gustave, bitte! Wir wissen mehr …«
»Wir glauben mehr zu wissen, mon ami. Dabei sind wir erst am Beginn. Kannst du dir vorstellen, welche Geheimnisse sich um die Templer ranken? Nein, das kann sich niemand vorstellen, denn wir stehen erst am Anfang einer sensationellen Entdeckung.«
»Wir werden sterben, wenn wir weitergehen. Schau doch nach vorn! Siehst du die Warnungen nicht?«
Gustave lachte. »Welche Warnungen?«
Pierre Virni zeigte an ihm vorbei. »Ist das normal, eine Kirche zwischen all den Felsen?«
»Nein, normal ist es nicht, aber deshalb braucht es nicht lebensgefährlich zu sein, finde ich.«
»Halte ihn zurück!«, sagte Pierre.
Gustave Rodin hörte nicht auf ihn. Er schüttelte nur unwillig den Kopf, für ihn war das Thema erledigt. Er ließ sich von seinem Kommilitonen nicht ins Bockshorn jagen. Die Papiere waren von ihnen entdeckt worden. Es gab Hinweise auf die Kathedrale und auch darauf, dass hier einmal die Templer gelebt hatten …
Gustave trat nur einen kleinen Schritt nach vorn. Unter seinen Füßen befand sich schwarzer Stein, eine Lavamasse, die irgendwann einmal ausgespien sein musste und erkaltet war.
Diese Masse bedeckte den gesamten Boden der Schlucht, die praktisch in die Kathedrale mündete. Ihr Eingang glich einem gewaltigen offenen Felsentor.
Die Templer sollten im Mittelalter die Kathedrale gebaut haben, die ihnen gleichzeitig als Zufluchtsstätte oder Kloster diente. Das jedoch war nicht hundertprozentig gesichert, die gefundenen Unterlagen gaben einfach zu wenig her.
»Ich verspüre Angst, wenn ich durch das Tor schaue«, sagte Pierre Virni mit leiser Stimme.
»Und weshalb?«, fragte sein Partner.
»Es kommt mir so endlos vor. Ohne Grenzen. Zudem habe ich das Gefühl, von einem kalten Hauch gestreift zu werden. Ich bin mir natürlich nicht sicher, könnte mir aber vorstellen, dass hier der Tod zu Hause ist. Wir sind Ungebetene, man darf die Kathedrale nicht betreten.«
»Wo steht das?«
»Hast du die Warnung nicht gelesen?«
»Nein. Welche Warnung und wo?«
»Am Portal steht in lateinischer Schrift: Geh hin, Gustave, mehr kann ich für dich nicht tun.«
Und Rodin hob die Schultern. Er gab sich betont locker, obwohl auch er ein unangenehmes Gefühl nicht unterdrücken konnte. Um seinem Freund den Gefallen zu tun, trat er dicht an die Säule heran, um die Schrift lesen zu können.
»Lies die Worte ruhig laut vor«, sagte Pierre Virni. »Tu uns noch den Gefallen.«
»Terribilis est locus iste!«
»Und du weißt, was das heißt?«
Gustave nickte ärgerlich. »Klar. Dieser Ort ist schrecklich, heißt das übersetzt.«
»Sehr richtig, mein Lieber. Wer das in den Stein gehauen hat, tat es nicht umsonst. Der wusste schon vor langen Jahren, was mit der Kathedrale los war. Deshalb sollten wir hier so schnell wie möglich verschwinden und alles ruhen lassen.«
Rodin drehte sich um. Er schüttelte den Kopf und verengte seine Augen. »Sag mal, du stammst aus dieser Gegend, wir haben uns in Paris getroffen und geforscht. Du hast mich überhaupt erst auf diesen Trichter gebracht. Und jetzt machst du den großen Kneifer? Ich begreife das nicht. Tut mir leid, mein Lieber.«
»Es ist aber besser für uns.«
»Das verstehe ich nicht. Hinter dem Tor führt der Weg weiter. Es ist eine Schlucht und gleichzeitig eine Kathedrale. Zwei Dinge in einem. Ich finde es wunderbar. Gut, die Warnung existiert, aber derjenige, der sie in den Stein gemeißelt hat, hätte auch mitteilen können, wovor er warnt.« Gustave verzog das Gesicht. »Das ist zu allgemein gehalten, deshalb übersehe ich es.«
»Dann kann ich dir nicht helfen.« Pierre Virni drehte sich um.
Der andere schaute auf Pierres Rücken. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und überlegte, wie er sich verhalten sollte. Zuerst hatte es so ausgesehen, als wollte Pierre verschwinden, er setzte sich jedoch dahin, wo sie ihre Rucksäcke abgelegt hatten. Mit dem Rücken lehnte er gegen den Fels und streckte die Beine aus.
»Was soll das?«, fragte Gustave.
»Hier werde ich warten.«
»Und dann?«
»Vielleicht bete ich für dich, dass du den Ort des Schreckens irgendwann einmal verlassen kannst. Und zwar als normaler Mensch, mein lieber Gustave.«
»Zu gütig.« Der Archäologie-Student grinste.
»Spotte bitte nicht.«
»Nein, ich werde mich hüten, aber ich lasse mir nicht verbieten, die Kathedrale zu betreten. Für mich wird ein Traum wahr.«
»Gib nur acht, dass es kein Albtraum wird.«
»Danke, Pierre.«
Mehr sagte Gustave Rodin nicht. Auch wenn er es gewollt hätte, er hätte sich keinen Rückzieher mehr erlauben können, schon, um nicht sein Gesicht zu verlieren.
Und so trat er durch das Tor.
Pierre Rodin gab sich entspannt, kochte aber innerlich. Da entdeckte er plötzlich, wie sich die Schrift an der Säule des Portals bewegte.
Für einen Moment flackerten die lateinischen Buchstaben dort auf. Matt, fahl und silbrig, was nur Pierre gesehen hatte, denn sein Freund wandte der Säule mittlerweile den Rücken zu.
Eigentlich hatte Pierre nicht mehr eingreifen wollen, jetzt musste er es einfach tun, sprang hoch und rief Gustaves Namen.
Der andere hörte nicht.
»Zurück, Gustave, zurück!«
Rodin ging weiter. Obwohl er höchstens vier oder fünf Schritte zurückgelegt haben konnte und er die Worte einfach hatte vernehmen müssen, kümmerte er sich um nichts und ging weiter. Zudem wirkte er so seltsam. Nicht so, als würde er normal dahinschreiten, sondern perspektivisch verzerrt, wie auf einem Kometenstrahl schreitend, der ihn in die Tiefe des Weltraums führte und seine Gestalt deshalb mehr verkleinerte, als sie es tatsächlich war.
Pierre Virni bekam schreckliche Angst. Noch war nichts passiert, und doch spürte er, dass in dieser Kathedrale einiges anders war als normalerweise zwischen den schwarzen Felsen.
Da lauerte etwas.
Er stand auf. Ihm war, als hätte er Stimmen gehört. Aber das konnte nicht sein, er war allein. Vielleicht blies auch nur der Wind durch einen Felsenschacht.
Virni schaute zum Himmel. Sein Freund ging inzwischen weiter, blieb dann stehen, drehte sich um und hob beide Hände.
»Es ist wunderbar, Pierre. So herrlich. Ich fühle mich frei und locker. Ich habe ein Erleben, wie ich es nie zuvor kannte. Mein Gehirn wird frei. Bald werden sich mir die Geheimnisse dieser Welt öffnen. Pierre, du musst kommen, kom …«, hallte es nach, als wäre die Stimme des Sprechers aus einer unendlichen Entfernung durch einen Tunnel der Zeiten geweht.
Pierre Virni schüttelte den Kopf. »Um Himmels willen, nein, Gustave. Was tust du dir an? Das ist eine Täuschung. Man will dich reinlegen, glaub mir. Dir werden sich nicht die Geheimnisse der Welt öffnen, sondern die Taten der Hölle. Bitte, denk an die Warnung. Sie ist nicht ohne Grund geschrieben worden.«
Entweder hörte Rodin nicht, oder aber er wollte nicht hören. Er ging einfach weiter und schritt wieder dahin, als würde er über den Schweif eines Kometen laufen. Seine Füße hatten mit dem Untergrund kaum Kontakt. Er floss förmlich dahin.
Auch Pierre Virni war fasziniert. Er wollte es nicht, konnte aber nicht anders, denn die Gestalt seines Freundes veränderte sich. Wenigstens hatte er den Eindruck, bis er genauer hinschaute und feststellen musste, dass es die ihn umgebende Luft war, die sich veränderte.
Sie wurde sichtbar …
Virni stand da und hatte die Hand gegen seinen offenen Mund gepresst. Es war nicht zu fassen, dass die Luftströmungen, die er normalerweise nur als Berührung oder Streicheln auf der Haut spürte, plötzlich sichtbar geworden waren.
Sie lagen in der Luft, umgaben seinen Freund, strichen an ihm entlang, zeichneten seine Körperformen nach und kamen Pierre vor wie schlangenhafte Schatten.
Und auch gefährliche …
Urplötzlich hörte er das Pfeifen. Hohl klang es auf, als wäre es in einem langen Tunnel geboren. Gustave blieb stehen. Jedoch nur für einen Moment, bevor ihn die andere Kraft wieder packte und um die eigene Achse drehte.
Er wurde von der linken Seite her erwischt, dabei nach rechts geschleudert, sodass er sich vorkommen musste wie eine Puppe im Taumel der Strömungen, die sich über seinem Kopf verdichtete, spitz zulief und dabei ein Gesicht bildete.
Es bestand aus Feuer und Schatten!
Pierre war, obwohl nicht unmittelbar betroffen, zurückgewichen. Die Angst schlug über ihm zusammen. Die Warnung war nicht umsonst geschrieben worden, denn dieses furchtbare Grinsen konnte als Fratze nur einem gehören.
Dem Teufel!
Er herrschte in der Kathedrale, und er schwebte über Gustave Rodin als grausames Wesen.
Ein widerliches und abstoßendes Dreieck aus Haaren und Haut, mit zwei gelbroten Feueraugen und einem halb offenen Mund, in dem die langen Zähne wie blanke Drahtstifte leuchteten.
Und noch etwas zeichnete das Gesicht aus. Es waren die beiden langen und verkrümmt wachsenden Hörner, die aus der Stirn stießen und mit ihren Spitzen das flackernde Ende des Höllenfeuers erreichten, das das Gesicht einschloss.
Das dunkle Feuer flackerte und tanzte, als würde es aus zahlreichen Geistern bestehen, die nur darauf bedacht waren, Gustave Rodin zu quälen und zu foltern.
Plötzlich schrie Rodin!
Nie zuvor hatte Pierre Virni einen so grausamen und markerschütternden Schrei gehört. In ihm steckte all das, was der Mann empfand, der so brüllte.
Es war das Wissen um die Hölle und den Tod, dem er nicht mehr entrinnen konnte, denn die heißen Feuerzungen umleckten ihn und verbrannten ihn auf der Stelle.
So musste es wenigstens sein, obwohl Pierre dies nicht sah. Er konnte nicht mehr hinschauen. Virni hatte sich umgedreht. Auch er wollte schreien, nur schaffte er es nicht. Aus seinem Mund drangen gequält klingende Laute, sie sollten so etwas wie ein Abschiedsgruß für den Kommilitonen und Freund sein.
Virni blieb nichts anderes übrig, als zurückzulaufen. Er konnte einfach nicht mehr bleiben. Als er den ersten Schritt setzte, merkte er schon, wie schwer es ihm fiel. Zentnerlasten schienen auf seinem Rücken zu liegen, zudem hörte er noch immer die Rufe seines Freundes. Sie waren übergegangen in ein Schluchzen und Wimmern. Die Kathedrale der Angst hatte ihrem Namen alle Ehre gemacht.
Pierre erinnerte an einen Schlafwandler. Irgendwann hatte er die Schlucht verlassen, die Sonne blendete ihn. Ihre Strahlen knallten gegen sein Gesicht. Er öffnete den Mund und saugte die warme Luft ein. Nach der Kühle zwischen den hohen Wänden kam sie ihm vor wie der reinste Balsam.
Hier war das Gestein warm. Die Wände strahlten ab. Er fuhr mit den Händen darüber. Manchmal hätte er sich am liebsten hingelegt und seinen Kopf im Staub vergraben. Das ging auch nicht. Er musste zurück in die kleine Stadt. Dort hatten die beiden sich einquartiert. Dort wurden sie zurückerwartet, aber Virni konnte nicht gehen. Er musste noch bleiben und fand einen schattigen Platz unter einer vorspringenden Felsnase. Darauf ließ er sich nieder.
Mit dem Rücken lehnte er gegen die warme Wand. Seine Augen wirkten verdreht, der Blick irgendwie leer, den er gegen die Felsdecke über sich gerichtet hatte.
Manchmal zuckten seine Mundwinkel, wenn er schluchzte. Seine Gedanken drehten sich um Gustave und um das, was die beiden entdeckt hatten.
Es war ein furchtbares Geheimnis. Sie hatten lange genug geforscht, in alten Büchern nachgelesen und waren zu dem Entschluss gekommen, dass es diesen Felsendom geben musste.
Sie hatten ihn gefunden – und auch sein Geheimnis entdeckt. Einer von ihnen hatte den Forscherdrang mit dem Leben bezahlen müssen, und es war ihre Schuld gewesen, denn man hatte sie gewarnt. Es gab Menschen im Ort, die es nicht gern sahen, wenn man Geheimnissen auf den Grund gehen wollte, die besser verborgen bleiben sollten.
Die Leute hatten recht gehabt.
Virni stand auf. Seine Augen waren gerötet. Das lag nicht allein an den Sonnenstrahlen.
»Nein!«, flüsterte er, »nein, ich werde nicht zurück nach Paris gehen und stattdessen meine Entdeckung bekanntgeben. Ich bleibe in Alet-les-Bains, das ist besser …«
Mit diesem Vorsatz verließ er das Versteck, ging ins Dorf und schaute sich nicht einmal um …
*
Es dämmerte bereits, als er Alet-les-Bains erreichte. Seine Wirtin stand in der offenen Tür des Gasthauses. Sie war eine resolute Frau und Kriegerwitwe. Im Ersten Weltkrieg war ihr Mann gefallen. Seit dieser Zeit, und das waren schon zwanzig Jahre, lebte sie allein und führte eine Gaststätte sowie eine Pension.
Virni blieb vor der Frau stehen. Sie schaute ihn nur an, ohne ein einziges Wort zu sprechen.
Pierre hob die Schultern.
»Komm rein.« Madame hatte eine rau klingende Stimme. Sie sah auch ziemlich robust und kompakt aus, hatte aber ein weiches Herz.
Er stolperte in den Schankraum. Niemand hielt sich dort auf. Es roch nach Wein und Staub, und es war kühl.
»Setz dich.« Sie drückte ihn auf einen Stuhl.
Pierre blieb dort hocken. Er starrte auf das Bild einer Heiligen, ohne es richtig zur Kenntnis zu nehmen. Ein scharfer Geruch stieg in seine Nase. »Du musst es trinken, Junge. Es wird dir guttun.«
Virni nickte. Das Glas war groß. Er umfasste es mit beiden Händen, hob es und nahm den ersten Schluck. Es schmeckte scheußlich, tat aber gut. Madame kannte eben gewisse Hausrezepte, die sie ihren Gästen in bestimmten Situationen verabreichte. Sie rückte einen Stuhl zurecht und setzte sich Pierre gegenüber. Erst nach einer Weile schaffte er es, sie anzuschauen.
Madame schüttelte den Kopf. »Er kommt nicht mehr wieder, nicht wahr«, sagte sie.
Pierre nickte. Er konnte einfach nicht reden.
Die Frau steckte sich eine Schwarze an und paffte. Sie drehte sich die Zigaretten selbst. »Ich hätte es euch vorher sagen können, aber ihr wart so darauf fixiert, etwas zu entdecken. Bei uns sagt man immer, schlafende Hunde soll man nicht wecken. Ihr habt sie geweckt, nicht?«
»Ja.«
Madame schaute auf ihre Zigarette und schob die Unterlippe vor. »Und du bist entkommen?«
»Geflohen.«
»Ist dein Freund tot?«
»Er war in der Kathedrale der Angst.«
»Sie gehört auch zu den schlafenden Hunden.«
»Aber was soll ich jetzt machen?«
Sie schaute ihn nachdenklich an. »Hast du einen Plan?«
»Nein.«
»Dann will ich dir sagen, dass es besser ist, wenn du nicht nach Paris zurückgehst.«
»Wieso?«
Madame hob die Schulter und kratzte sich am Kopf. »Du würdest Fragen ausgesetzt sein, und wie ich dich kenne, hast du nicht die Nervenstärke, um alles für dich behalten zu können. Vielleicht solltest du in ein anderes Land gehen oder hier in Alet-les-Bains bleiben. Man ist hier noch verschwiegen.«
Pierre war erstaunt. »Ich soll bleiben?«
»Ja, weshalb nicht?«
»Aber man wird mich vermissen.«
»Wer?«
»Meine Mutter.«
»Du wirst ihr schreiben, dass es dir auf dem Land besser gefällt. Sie kann dich ja besuchen.«
»Nein, sie nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Meine Mutter ist mit Leib und Seele Pariserin.«
»Dann nimm von ihr brieflich Abschied.«
Pierre hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, Madame. Es ist einfach zu schwer, jetzt schon eine Entscheidung zu treffen.«
»Das brauchst du noch nicht. Überlege es dir gut. Du hast Zeit, viel Zeit.«
»Ja, das habe ich wohl.«
Madame stand auf. »Ich muss in die Küche. Gleich kommen Gäste. Geh lieber auf dein Zimmer, dort bist du ungestört. Einverstanden?«
»Danke.«
Pierre Virni stand auf. Das Zimmer, in dem er wohnte, war ziemlich klein und besaß schräge Wände. Durch das schräge Fenster schien die Sonne auf das alte Holzbett.
Wieder saß Pierre am Tisch und grübelte. Nicht nach Paris zurückzukehren, erschien ihm plötzlich verlockend. Was sollte er dort? Die Zeiten waren schlecht. In Deutschland wurde aufgerüstet, auch die Franzosen rasselten wieder mit dem Säbel, es roch nach Krieg. War er hier im Süden nicht sicherer aufgehoben?
Wer würde ihn vermissen?
Bon, seine Mutter, auch der Professor. Und so setzte er sich nieder, um zwei Briefe zu schreiben. Den ersten adressierte er an seine Mutter. Die würde ihn lesen, vielleicht sogar zwei, drei Tränen zerdrücken und innerlich vom Sohn Abschied nehmen.
Der zweite Brief wurde länger. Sein Professor sollte ihn bekommen, und ihm teilte er einiges von dem mit, was er und sein Freund erlebt hatten. Pierre konnte es einfach nicht für sich behalten, wenn es auch besser gewesen wäre.
Beide Briefe schickte er am nächsten Tag ab.
Als er von der kleinen Poststation zurückkam und in die Morgensonne schaute, stand Madame wieder vor ihrem Haus. Mit einem Besen reinigte sie den Gehsteig.
Pierre blieb stehen. Die Sonne brannte schon jetzt in seinen Nacken. Er nickte.
»Du hast dich also entschieden?«
»Ich bleibe hier.«
»Das ist gut.«
»Aber ich habe keine Arbeit.«
Madame lächelte breit. Auf ihrer Oberlippe wuchs der Bart wie ein dunkler Schatten. »Aber du hast zwei gesunde Hände, mein Junge. Du kannst arbeiten. Nimm dein Schicksal selbst in die Hand, pack es an, wir werden dir helfen.«
»Die Leute hier?«
»Natürlich.«
»Welchen Grund sollten sie haben, mir, dem Fremden, zur Seite zu stehen?«
»Hier ist man eine verschworene Gemeinschaft. Du wirst bei uns aufgenommen. Du hast viel gesehen, Pierre. Man wird verstehen, dass du hierbleibst.«
»Das hoffe ich.«
»Komm rein, ich mache dir Frühstück. Ich brauche sowieso jemand, der mir in der Schänke hilft. Du kannst bei mir wohnen und arbeiten. Dann wirst du eben kein Professor, sondern Wirt. Das ist auch etwas.«
Pierre lächelte. »Ich werde es versuchen.«
Dieses Versprechen gab Pierre Virni vor ungefähr fünfzig Jahren …
*
Das Siegel der Templer!
Nichts in der letzten Zeit hatte mich so fasziniert wie dieser alte, fast 800 Jahre alte Stein, der einmal dem großen Kämpfer und Ritter Richard Löwenherz gehört hatte.
Und jetzt besaß ich es.
In einem alten Brunnen war es von mir gefunden worden. Ich selbst bezeichnete es als schlicht und gleichzeitig faszinierend, denn ich hatte auf dem Siegel mein Kreuz abgebildet gesehen, direkt über dem liegenden Halbmond, dem alten Zeichen der Mutter Gottes.
Es war für mich sehr gut vorstellbar, dass es noch einige Rätsel barg, und die wollte ich herausfinden.
Mich hatte der letzte Fall in den Nordosten Englands geführt. Dort war ich auf die Vampir-Geschwister gestoßen, die Richard Löwenherz und auch dessen Siegel gekannt hatten. Für sie war ich gewissermaßen der Nachfolger des großen Ritters, und allmählich glaubte ich es selbst, dass ich schon mindestens zweimal gelebt hatte.
Einmal als Richard Löwenherz, zum anderen als Hector de Valois, der ebenfalls einer der großen Templer-Führer war, nur eben einige Jahrhunderte später.
Ich war wieder nach London zurückgekehrt, wo mich Suko mit zahlreichen Fragen empfangen hatte. Antworten gab ich ihm vorerst keine. Zunächst wollte ich das Siegel von unseren Wissenschaftlern untersuchen lassen. Vielleicht entdeckten sie durch ihre Analysen noch etwas, das mir verborgen geblieben war.
Da die Analyse einige Zeit in Anspruch nahm, wartete ich in unserem gemeinsamen Büro. Glenda hatte Kaffee gebracht. Draußen regnete es, mal schien auch wieder die Sonne, eben ein typisches Aprilwetter, von dem auch London nicht verschont blieb.
Ich trank den Kaffee in kleinen Schlucken, Suko nuckelte an seinem Tee, und zwischen uns herrschte trotzdem keine tolle Stimmung. Das Klima war irgendwie gedrückt.
Auch Glenda spürte dies und stellte keine Fragen. Sie wusste ebenfalls, um was es noch ging.
Das Problem hieß Jane Collins!
Es war unserem großen Gegner van Akkeren gelungen, sie vor unseren Augen zu entführen. Mit Hilfe des Dämons Baphometh, dem er diente, hatte er Jane aus der alten Templer-Kirche geholt und uns das Nachsehen gegeben. Keiner von uns wusste, was mit ihr geschehen war, aber unsere Gedanken drehten sich natürlich um sie.
Ich war allein nach Wark gefahren, um die Vampire zu stellen. Suko hatte ich in London zurückgelassen, er sollte die Fahndungsmaßnahmen überwachen, herausgekommen war bisher nichts.
Glenda blieb neben mir stehen. »John«, sagte sie und beugte sich vor. »Nicht, dass du denkst, ich würde mich über Janes Verschwinden freuen. Ganz im Gegenteil, ich finde es schrecklich, dass dies passieren musste.«
»Danke.«
»Und ich wünsche mir, dass sie heil und gesund wieder zu uns zurückkehrt.«
Ich hob die Schultern. »Die Chancen stehen nicht gut, da will ich ehrlich sein.«
»Vielleicht finden wir noch eine Spur.«
»Möglich.«
»Du klingst sehr pessimistisch.«
Ich lächelte sie an. »Das täuscht, aber ich bin eben keine Maschine und auch nur ein Mensch. Irgendwann erreicht jeder einen Punkt, wo er sich fragt, ob der Weg richtig ist, den er geht.«
»Bist du dir da unsicher?«
»Manchmal schon. Es kommt eben viel zusammen.«
Suko widersprach. »Das solltest du nicht. Wir haben uns doch auf eine Arbeitsteilung geeinigt. Ich werde mich intensiv um Janes Auffinden kümmern, während du anderen Spuren nachgehst. Möglicherweise treffen wir beide zusammen.«
»Das wäre ideal.«
»Ich bin sogar der Ansicht, dass wir uns irgendwo treffen, denn van Akkeren will das Geheimnis des Dunklen Grals erkunden. Er hat sich auf die Spur der alten Templer gesetzt. Du bist ebenfalls am Ball. Ihr beide werdet zusammenkommen.«
»Dabei kann er Jane Collins als Trumpfkarte einsetzen.«
»Und du vielleicht das Siegel.«
Ich nickte. »Ja, es ist ein wertvoller Fund. Wie wertvoll, das habe ich gesehen, als ich die beiden Vampire vernichtete. Sie waren völlig von der Rolle, denn sie mussten erkennen, dass die Vergangenheit sie eingeholt hatte.«
Suko grinste mich an. »Dabei habe ich mir immer vorgestellt, dich zu kennen. Aber dass du Richard Löwenherz gewesen sein sollst, ist mir ein Rätsel.«
Ich winkte ab. »Hör auf, Mensch. Ich habe genug daran zu knacken. Zudem gibt es noch keinen hundertprozentigen Beweis für diese Annahme.«
»Ich gehe aber davon aus.«
»Wahrscheinlich sollte ich auch so denken.« Neben der Tasse lagen meine Zigaretten. Ich zündete mir ein Stäbchen an und blies den Rauch in Richtung Fenster. »Wie hat Sir James reagiert? Ich konnte ihn ja kaum sprechen.«
»Hervorragend. Er leitete augenblicklich eine Großfahndung ein.«
Ich verzog den Mund. »Mit viel Trara?«
»Nein, mehr eine stille Fahndung. Aber trotzdem wirksam. Irgendwo kriegen wir sie.«
»Hoffentlich nicht als Leiche. Van Akkeren ist gnadenlos, der ist brutal. Ich habe selten jemand kennengelernt, der die Menschen mehr verachtet als dieser Typ. Dabei ist er selbst ein Mensch und kein Dämon. Eine Tatsache, die schwer wiegt und mir zeigt, wie weit Menschen gehen können.«
»Du bist verbittert!«, stellte Glenda fest.
»Ist das nicht natürlich?«
»Irgendwie schon, wenn man einen Job hat wie du, aber du solltest auch an die denken, die anders sind, denn die gibt es ebenfalls noch.«
»Zum Glück.«
Das Telefon unterbrach unsere Unterhaltung. Ich hob ab und meldete mich.
»Es war der Chefchemiker, der sich meldete. »Die Analyse steht, Mr. Sinclair. Soll ich Sie Ihnen durchgeben?«
»Wäre es zu viel verlangt, wenn Sie in mein Büro kämen?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann bis gleich.«
Suko grinste mich an. »Du hast ihn nicht gefragt, ob er starke Ergebnisse hat.«
»Das werden wir gleich wissen.«
»Ich gehe dann.« Glenda zog sich in ihr Vorzimmer zurück. Ihr Lächeln wirkte scheu.
»Sie hat daran zu knacken«, sagte Suko.
Ich war mit meinen Gedanken woanders gewesen. »Woran hat sie zu knacken?«
»Jane Collins.«
Ich hob die Schultern. »Suko, daran kann ich nichts ändern. Du weißt selbst, wie unangenehm mir die ganze Sache ist, aber die Konstellationen sind nun einmal so. Wir wollen das Beste daraus machen.«
»Ich wünsche mir nur, dass Jane heil und gesund zurückkehrt oder wir sie aus van Akkerens Klauen befreien können.«
»Darauf würde auch ich mich freuen.«
Wir hörten Glenda im Vorzimmer mit einem Mann reden. Sekunden später klopfte es, und der Chemiker erschien. Er hielt einen Notizblock in den Händen, in dem er sich einiges notiert hatte und den er aufschlug, als er auf dem Besucherstuhl saß.
Dr. Wilson war ein grauhaariger Mann, der immer sehr ernst blickte und dessen Augen immer nur dann aufleuchteten, wenn er wissenschaftlich untermauerte Ergebnisse präsentieren konnte.
So wie jetzt.
»Es ist mir eine große Freude gewesen, diesen Stein zu analysieren«, erklärte er und legte ihn zwischen uns auf den Tisch. »Zuvor muss ich Ihnen sagen, dass Sie bezüglich des Alters recht hatten. Der Stein ist ungefähr neunhundert Jahre alt.«
Er schaute uns so auffordernd an, als würde er Beifall erwarten, sah aber nur unser Nicken.
Also sprach er weiter. »Wir haben Folgendes gemacht. Zunächst die Untersuchungen, die in den Bereich der Werkstoffprüfung passen. Beide Seiten wurden von uns genau …«
Ich kannte ihn und unterbrach ihn auch. »Bitte, Dr. Wilson, keine langen Abhandlungen, die verstehen wir sowieso nicht. Kommen Sie am besten gleich zur Sache.«
»Ja, ich vergaß, Sie interessieren sich ja nicht sehr dafür. Das sollten Sie aber mal in einer stillen Stunde.«
»Klar«, erwiderte Suko. »Die Stunde muss nur eben still genug sein, und das ist schwer.«
»Also. Dieses Siegel, wie Sie es genannt haben, Mr. Sinclair, besteht aus Stein, der im Laufe der Zeit eine Patina bekommen hat. Sie hat sich vor allen Dingen auf der Rückseite gebildet. Dort konnten wir sie auch entfernen und entdeckten keine Zeichen mehr, sondern einen lateinischen Spruch. Ich zitiere.« Jetzt schlug er sein Buch auf und las ihn vor. »Terribilis est locus iste.«
»Aha«, sagte Suko.
Ich hatte mal Latein in der Schule gelernt und dachte über die Übersetzung nach.
Sie wurde mir ebenfalls mitgeliefert. »Dieser Ort ist schrecklich!«, dozierte der Chemiker.
»So heißt der Spruch?«, fragte Suko. »Ja.«
Mein Freund schaute mich an. »Hast du ihn schon einmal gehört, John? Ist er dir irgendwo schon über den Weg gelaufen?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Mir auch nicht.«
»Und Ihnen, Doktor?«, fragte ich.
Wilson schabte über seine Wange. »Nein, eigentlich nicht. Ich kenne zahlreiche Sprüche oder Warnungen wie diese hier, aber meiner Ansicht nach kann mit diesem Spruch nicht das Siegel gemeint sein.« Er schaute uns fragend an. »Oder?«
»Der Ansicht sind wir auch«, erwiderte Suko für mich gleich mit. »Aber was ist es dann?«
Ich hob die Schultern. »Eine Warnung.«
»Wovor?«
Mein Grinsen fiel spärlich aus. »Wenn wir jetzt 1886 hätten, würde ich sagen, wir blättern mal alles durch, was irgendwie mit den Templern in Zusammenhang steht. Heute haben wir es besser. Wir nehmen den Computer, geben den Satz ein und lassen feststellen, wo es Verbindungen gibt. Wir spielen mal alle Möglichkeiten durch.«
»Die Idee ist gut«, erklärte Dr. Wilson. »Dazu brauchen Sie mich ja nicht mehr.«
»Nein, Doktor.«
Er verabschiedete sich. Ich steckte das Siegel ein und setzte mich nicht erst wieder hin.
Glenda betrat unser Büro. »Habt ihr einen Erfolg verzeichnen können?«, fragte sie.
»Vielleicht einen halben.«
»Wie das?«
»Auf der Rückseite des Siegels fanden die Wissenschaftler einen Spruch oder eine Warnung. Dieser Ort ist schrecklich, steht dort. Kannst du damit etwas anfangen?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Uns ergeht es ebenso.«
»Und was wollt ihr tun?«
»Den Computer anspitzen.«
»Dann viel Spaß.«
»Danke.«
»Soll ich euch schon Essen aus der Kantine kommen lassen? Das dauert bestimmt länger.«
»Nein, lass mal, wir hungern lieber«, erklärte Suko und schob sich nach mir an Glenda vorbei.
Unser Weg führte uns in die Unterwelt. Dort lagen die Labors, die wissenschaftlichen Abteilungen und auch die Untersuchungsgefängnisse. Aber dort wollten wir nicht hin.
»Meinst du, dass es eine heiße Spur ist?«, fragte Suko mich.
»Davon bin ich überzeugt.«
»Und wohin führt sie?«
»Zu einem Ort, der schrecklich ist.«
»Davon gibt es viele.«
»Ja, zu viele.«
Die Kollegen in den klimatisierten Computer-Räumen hätten sich am liebsten versteckt, als sie uns sahen. Einige verzogen sich sogar, andere taten noch beschäftigter, aber wir bekamen den Schichtleiter zu packen.
»Keine Zeit!«, rief dieser, blieb aber stehen und hörte sich unser Problem an, wobei er einige Male an seiner dunklen Hornbrille rückte. »Was verlangen Sie denn?«, fragte er.
»Nicht viel. Sie sollen nur vergleichen. Lassen Sie Ihren Computer all das ausspucken, was in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem einen Spruch steht.«
»Das ist viel verlangt.«
»Sie sind ja auch gut.«
Er grinste. »Schmeichler.«
»Wir warten solange.«
Jetzt schluckte der Kollege. »Also wieder supereilig.«
»Ja.«
»Ich muss andere Arbeiten liegenlassen.«
»Geht es dabei um Menschenleben?«, fragte Suko.
»Kann sein. So genau bin ich da nicht eingeweiht.«
»Ja, es kann sein, muss aber nicht.« Suko lächelte den Kollegen breit an.
»Okay, weil Sie es sind.« Er winkte ab. »Sie sind ja doch nicht mit normalen Maßstäben zu messen.«
»Eben.«
Der Mann zog sich in sein Refugium zurück, und wir nahmen wie zwei arme Sünder auf einer Wartebank Platz.
*
Einige Bewohner von Alet-les-Bains waren der Meinung gewesen, dass die Zeit an ihrem Ort irgendwie vorbeigegangen war. Natürlich hatten auch sie in den letzten Jahrzehnten etwas von der fortschreitenden Technik mitbekommen. Da waren Wasserleitungen gelegt worden, es hatte die Anschlüsse an das offizielle Stromnetz gegeben, aber das eigentliche Leben verlief immer in den geregelten Bahnen. So wie auch die Jahreszeiten kamen und gingen.
Die Winter waren kalt und schneereich, die Sommer heiß. Man lebte, Kinder wurden geboren, die Alten starben und verschwanden auf dem kleinen Bergfriedhof in den kühlen Gräbern.
So verlief das Leben also in den geregelten Bahnen.
Bis zum Frühjahr des Jahres 1986. Da veränderte sich plötzlich einiges in Alet-les-Bains.
Es war erst kaum zu spüren, als die beiden Fremden eintrafen und sich in einem der drei Gasthäuser einquartierten. Doch sie blieben nicht die einzigen. Andere kamen ebenfalls. Sie trafen ein, stellten ihre Wagen ab und bezogen Quartiere.
Es blieben zwölf.
Die Bewohner des Ortes kümmerten sich offiziell nicht um sie, getuschelt wurde trotzdem. Einige, durch viele TV-Serien gewarnt, hielten sie für Terroristen. Andere sprachen von Soldaten, wieder andere lachten darüber nur und meinten, dass die zwölf Männer eher wie Bergsteiger wirkten.
Wie dem auch war, der Wahrheit kam keiner näher.
Unter den Bewohnern gab es auch einen Mann, der sich ebenfalls seine Gedanken machte und daran dachte, dass auch er auf eine ähnliche Art und Weise nach Alet-les-Bains gekommen war. Damals, vor fünfzig Jahren. Pierre Virni war tatsächlich heimisch geworden. Er hatte eine Frau gefunden, geheiratet, war Vater geworden und das geblieben, was ihm die längst verstorbene Madame vorgeschlagen hatte.
Nämlich Gastwirt.
Sie hatte ihm das Lokal hinterlassen. Er hatte es aus- und umgebaut. Mehrere Fremdenzimmer standen zur Verfügung, und Virnis Sohn Marcel hatte Spaß am Kochen gefunden. Deshalb war er auch auf der Wanderschaft gewesen, hatte im Ausland gearbeitet und dort seine Erfahrungen gesammelt.
Bei seinem Vater allerdings stieß er mit dem Vorschlag, das Gasthaus zu einem Feinschmecker-Tempel zu machen, auf Granit.
»Nicht, solange ich lebe.«
»Dann ziehe ich mich aus diesem Ort zurück!«
»Bitte.«
Monatelang schon ging es hin und her. Zu einer Einigung waren beide noch nicht gelangt.
Zudem gehörte Pierre Virni zu den verschlossenen Menschen. Der so weit zurückliegende Vorfall hatte ihn auch in den späteren Jahren geprägt. Es waren Gerüchte entstanden, aber niemand traute sich, Pierre danach zu fragen.
So war er trotz allem ein Einsiedler geblieben.
Selbst seine Frau kam mit ihm oft genug nicht zurecht. Sie hatte es sich angewöhnt, viel auf Reisen zu sein, und auch in diesem Frühjahr war sie wieder unterwegs.
Eine Kreuzfahrt führte sie ins Mittelmeer. Pierre hatte nichts dagegen. Er kam mit seinem Sohn Marcel und seiner Tochter Colette auch allein zurecht.
Auch sein Gasthaus war zweimal umgebaut worden und entsprach nun dem allgemeinen modernen Standard. Die oben liegenden Zimmer besaßen sogar kleine Duschkabinen, nur die Toiletten lagen noch auf dem Flur.
Zwölf Fremde waren gekommen. Auch Pierre Virni hatte dies sehr genau registriert, aber nie nachgefragt, wie andere, die sich an ihn wandten und etwas wissen wollten.
Er hatte nur immer die Schultern gehoben.
In den vergangenen fünfzig Jahren waren im Dorf zahlreiche neue Häuser entstanden, zum Teil in die Berge hineingebaut. Es gab wohlhabende Städter, die hier ihren Urlaub verbrachten, an der nicht allzu weit entfernt liegenden Küste badeten und in den Bergen wohnten.
Im Sonner »überfielen« diese Touristen auch Alet-les-Bains und ließen den Bär los.
Dann floss der Wein in Strömen, und so manche Nacht wurde zum Tag gemacht. Der April war ruhiger. Wären die zwölf Männer nicht gewesen, hätten die Bewohner unter sich sein können, aber die Besucher brachten eine gewisse Unruhe mit sich, obwohl sie selbst kaum etwas taten, um diese Unruhe zu schüren.
Nur an diesem Morgen war in aller Frühe ein größerer Wagen gekommen, der eine geheimnisvolle Fracht gebracht hatte, von der niemand wusste, um was es sich dabei handelte.
Natürlich gab es Gerüchte, aber die Adressaten der Fracht verloren kein Wort darüber.
Pierre Virni sah sich selbst als einen guten Beobachter an. Ihm entging nur wenig, und so hatte er auch festgestellt, dass der Anführer dieser zwölf Männer bei ihm wohnte. Sie hatten wenig miteinander gesprochen, dieser Mann gehörte ebenfalls zu den Schweigsamen, aber strömte irgendwie eine gewisse Autorität aus, und auch die anderen behandelten ihn mit einem gewissen Respekt.
Es gab Zeiten am Tag, wo im Gasthaus nichts los war. Der frühe Mittag gehörte dazu. Erst Stunden später kamen die durstigen Gäste, um den Landwein zu trinken.
In den Mittagsstunden jedoch konnte Virni sich den Aufgaben zuwenden, die leider auch gemacht werden mussten.
Büro-Arbeiten hieß das.
Auch an diesem Aprilmittag saß er in seiner Gaststätte und sah die Rechnungen des Weinhändlers durch. Er hatte die Fässer vor zwei Tagen gebracht und bereits jetzt die Rechnung geschickt, was Pierre Virni überhaupt nicht gefiel.
»Zwei Wochen Zahlungsfrist lasse ich mir immer«, sagte er. Für ihn war die Sache damit erledigt. Er legte die Papiere aufeinander, um sie in einem Hefter verschwinden zu lassen, als er hinter sich Schritte hörte. Die Person hatte den Gastraum nicht durch den normalen Eingang betreten, sie war aus dem Flur gekommen, der zu den Gästezimmern hoch führte.
Virni drehte sich um.
Nahe der Theke stand die Person, die er als Anführer der zwölf Männer ansah. Wie immer trug er dunkle Kleidung, sodass er fast so aussah wie ein Landpfarrer.
»Guten Tag, Monsieur Virni.«
»Bonjour, Monsieur Bloch. Wir haben uns ja heute noch nicht gesehen. Ein schöner Tag, nicht wahr?«
»Ja.« Bloch schaute auf den kräftigen Wirt, der ein gemustertes Hemd trug, dessen Ärmel hochgekrempelt waren. Das dunkle Haar war längst ergraut und an einigen Stellen schon licht geworden. Dennoch machte der Mann, der sicherlich die 70 erreicht hatte, einen noch agilen Eindruck. Die Haut war braun, ein Beweis, dass sich Pierre Virni des Öfteren im Freien aufhielt.
»Haben Sie etwas auf dem Herzen, Monsieur Bloch?«, fragte er.
»Ja.«
»Dann würde ich Ihnen gern helfen.« Virni wollte aufstehen, sah aber, dass sein Gast abwinkte.
»Bitte, bleiben Sie sitzen. Wenn Sie gestatten. möchte ich mich sehr gern zu Ihnen setzen.«
»Ich habe nichts dagegen. Warten Sie, ich hole uns einen Krug Wein und räume nur den Tisch leer.« Virni nahm die Unterlagen mit hinter die Theke und verstaute sie dort in einer Schublade.
Er zapfte den Wein aus einem großen Fass. Mit dem Krug und zwei Gläsern kam er zurück.
»Es ist ein Rosé, wie er hier gern getrunken wird. Kühl und herrlich erfrischend. Man muss ihn einfach aus diesen Tonbechern genießen.« Er schenkte ein.
Bloch nahm sein Glas entgegen. Die beiden Männer stießen an und tranken. Gemeinsam setzten sie die Gläser auch wieder ab. Sie wollten miteinander reden, doch keiner von beiden wusste so recht, wie er beginnen sollte. Zwischen ihnen hatte sich ein Spannungsfeld aufgebaut.
Virni zündete sich eine Schwarze an. Er schaute durch den Rauch, der die Gesichtszüge seines Gegenübers zerfließen ließ. Wie alt Monsieur Bloch war, ließ sich schlecht schätzen, jedenfalls jünger als der Wirt, obwohl das Haar des Gastes auch schon grau geworden war. Sein Gesicht zeigte einen asketischen Ausdruck. Er besaß sehr helle Augen, die aber auch dunkel schimmern konnten.
Diesen Mann umgab eine geheimnisvolle Aura. Virni spürte einen innerlichen Widerwillen, auf der anderen Seite aber fühlte er sich zu dieser Person hingezogen.
So etwas war ihm noch nie passiert. Zudem kam ihm der andere vor, als besäße er eine Schublade mit Wissen, die er nur allmählich und Stück für Stück öffnete.
»Der Wein ist ausgezeichnet!«, lobte Bloch, als er seinen Krug abstellte.
»Ja, ich habe da einen Händler entdeckt, der nur für mich anbaut.«
»So etwas muss man heute haben.«
»Klar, aber deswegen wollten Sie doch sicherlich nicht mit mir sprechen, Monsieur.« Pierre Virni beugte sich vor.
»Sie haben recht. Es gibt einen anderen Grund.« Der Gast redete sehr bedächtig und drehte das noch halb volle Glas zwischen seinen Händen. »Sie werden sich bestimmt über unsere kleine Invasion gewundert haben. Dass zwölf Menschen, die als Gruppe zusammengehören, hier in Alet-les-Bains Urlaub machen, kommt sicherlich nicht alle Tage vor.«
Virni nickte. »Da haben Sie recht.«
»Unser Kommen hat einen tieferen Grund.«
»Habe ich mir gedacht.«
»Bevor ich auf ihn zu sprechen komme, möchte ich mich erst einmal vorstellen.«
»Ihren Namen kenne ich.«
»Aber nicht meinen Beruf.«
»Ich bin Abbé Bloch.«
Virni holte durch die Nase Luft. Er war nicht einmal so überrascht. Manchen Menschen sieht man ihren Beruf an, und Bloch gehörte irgendwie zu dieser Gruppe. »Sie sind also Priester?«
Bloch lächelte. »So etwas Ähnliches. Man kann auch Mönch oder Pfarrer sagen.«
»Ja, natürlich, aber bitte, Sie wollten etwas sagen.« Der Gastwirt wies über den Tisch.
»Ich fühle mich zwar als Abbé, stehe aber keiner Kirche vor, sondern sehe die Aufgabe in anderen Dingen. Meine Freunde und ich forschen, sind viel unterwegs, um Geheimnisse zu ergründen, deren Ursprünge in der Vergangenheit liegen.«
Schauer rieselten über den Rücken des Wirts. Seine Gedanken irrten fünfzig Jahre zurück. Er wusste sehr genau, dass die Gegend um Alet-les-Bains zahlreiche Geheimnisse barg, die nicht allein mit der Kathedrale der Angst beendet waren. Sollte ihn diese Vergangenheit in dieser Stunde wieder einholen?
Er beschloss, vorsichtig zu sein und sagte: »Ich kann Ihnen nicht so recht folgen, Abbé«
»Möglich, doch Sie sollten es eigentlich. Aber ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen. Es gibt da noch eine Tatsache, die ich Ihnen nicht verschweigen möchte.«
»Welche?«
Der Abbé griff zu seinem Krug und leerte ihn. Mit der Zungenspitze holte er noch einige Tropfen von seinen Lippen, bevor er sagte:
»Sie werden es vielleicht abstreiten, aber ich sage es Ihnen jetzt, und Sie sollten sich die Antwort trotzdem sehr genau überlegen. Dieses Gespräch geht nur uns beide etwas an. Terribilis est locus iste – dieser Ort ist schrecklich!«
Pierre Virni hatte die leise gesprochenen Worte sehr genau verstanden und starrte den Abbé an wie einen Geist. Plötzlich wusste er, dass man der Vergangenheit oder seinem Schicksal nicht davonlaufen konnte …
*
Die Computertypen sind zwar immer stolz, wenn sie von der Schnelligkeit ihrer Arbeit berichten, aber es gibt auch Situationen, wo selbst die so fleißigen Maschinen streiken oder so langsam sind, dass sehr viel Zeit verlorengeht.
Bei uns war es der Fall. Da uns die Sitzbank inzwischen zu hart geworden war, hatten wir uns in die Kantine verzogen, um dort auf den Anruf zu warten.
Um die Mittagszeit war es ziemlich voll. Das süßsauer angemachte Rindfleisch wollte ich nicht essen. Ich überließ Suko die Schuhsohle und schob mir stattdessen zwei heiße Würstchen rein, die auch nicht besonders schmeckten, genau wie die braune Brühe, die man hier als Kaffee verkaufte.
Suko säbelte an seinem Fleisch.
»Sei froh«, sagte ich, »dass es hier kein Plastikgeschirr gibt. Das wäre schon längst gebrochen.«
»Der Yard ist ja zivilisiert, wie ich hörte.«
»Tatsächlich?«
»Man sagt es.«
Ich lehnte mich zurück und schaute mal kurz in die Runde. Es kam selten genug vor, dass wir der Kantine einen Besuch abstatteten. Interessant war es trotzdem, denn um diese Zeit bekam der seltene Gast immerhin einen Eindruck von den Kollegen, die auch noch in dem hohen Gebäude beschäftigt waren.
Vor allen Dingen sah ich die Kolleginnen mal. Da hatte sich ja etwas getan. Die Girls schienen den Frühling locken zu wollen, was ihre Kleidung anging. Luftig bis lässig waren sie schon angezogen. Grün und Gelb herrschten vor. Viele hatten sich ihre Pullover locker über die Schultern geschlungen, und unter den bunten Blusen wippten neckisch ihre Delikatessen.
Suko hatte mich beobachtet. »Spürst du schon den Frühling, alter Knabe?«
»Von wegen alter Knabe.«
»Ein Twen bist du nicht mehr.«
»Aber bald kommt der zweite Frühling.«
»Dann sag mir Bescheid.«
»Warum?«
»Damit ich verschwinde.«
»Auf dich kann ich in meinem zweiten Frühling allerdings verzichten.«
»Die wollten doch anrufen, sobald ein Ergebnis vorliegt.«
»Trotzdem.«
Wir hatten einen Zweiertisch. Rechts neben uns saßen sechs junge Frauen und aßen kalorienarmes Grünzeug, auch Salat genannt.
Ungefähr ein Drittel des Fleisches ließ Suko stehen. Er trank sein Glas leer und stand auf.
Auch ich erhob mich, zwinkerte den Girls am Nebentisch ein Auge zu und verließ zusammen mit Suko die Kantine.
Wir hatten Glück. Als wir eintrafen, lagen die Ergebnisse gerade vor. Man hatte uns auch anrufen wollen, doch der Chef legte den Hörer wieder auf, während wir die Bürotür öffneten.
»Ach, da sind Sie ja.«
»Sogar in Lebensgröße«, sagte ich. »Und?«
»Viel, viel Ärger.«
»Wieso?«
»Papierkram. Sie können sich das Zeug mit in Ihr Büro nehmen. Es gibt einiges über diesen Spruch.«
»Dann lassen Sie mal sehen.«
»Nicht hier, Sie müssen in den Arbeitsraum.«
Dort hatte man den Auswurf des Computers in einen Ablagekorb gelegt. Ich zählte die Blätter schnell durch und kam auf die Zahl achtzehn. »Das geht ja noch.«
»Denken Sie daran, Sinclair, es ist eng bedruckt.«
»Wir werden es schon packen. Jedenfalls vielen Dank.«
»Bis zum nächsten Mal. Aber lasst euch Zeit.«
»Wir werden uns bemühen.«
Im Fahrstuhl teilte ich die Arbeit in zwei Hälften auf. Suko bekam einen Stapel, und ich behielt einen.
»Hättest du damit gerechnet?«, fragte der Inspektor.
»Kaum.«
»Es scheint wohl mehr über die Templer zu geben, als wir bisher angenommen haben.«
»Falls die Infos mit den Templern in einem Zusammenhang stehen.« Ich war da skeptischer.
Glenda bekam große Augen, als sie uns mit den Papieren sah. »Da habt ihr ja zugeschlagen.«
»Kann man wohl sagen. Machst du uns Kaffee?«
»Und für mich Tee, bitte.«
»Ja, gern.«
Zehn Minuten später saßen wir an der Arbeit. Der Computer hatte alte Sprüche ausgedruckt, die irgendwann mal jemand abgegeben hatte. Warnungen irgendwelcher Killer, die verurteilt worden waren. Es wurde über ein altes Schiff geschrieben, das in Florida lag und besichtigt werden konnte. Es ging so weiter mit den für mich unwichtigen Informationen.
Auch Suko legte Blatt für Blatt zur Seite, bis er plötzlich beim drittletzten einen Pfiff ausstieß.
»Was ist denn?«, fragte ich.
»Moment noch.« Suko las nach, bevor er mir das Blatt reichte. »Lies selbst.«
Die Information stammte aus dem Archiv der Pariser Sorbonne, Abteilung Völkerkunde und Archäologie sowie Mythenforschung. Das Alter der Information war mit exakt fünfzig Jahren angegeben.
DIESER ORT IST GEFÄHRLICH
Das las ich in der nachfolgenden Notiz. Die Spur führte in den Süden Frankreichs, in die Gegend südöstlich von Toulouse. Und der gefährliche Ort sollte eine Kathedrale sein in der Nähe von Alet-les-Bains. Ich hatte den Namen der Stadt noch nie gehört, auch Suko nicht, der mich bat, weiterzulesen.
Die Information stammte von einem Mann, der, falls er noch lebte, alt sein musste.
Pierre Virni.
Er hatte vor fünfzig Jahren einen Brief an seinen Professor geschrieben und dem Mann kurz mitgeteilt, dass er die Kathedrale der Angst gefunden hatte, aber nicht mehr nach Paris zurückkehren würde. Über die Gründe war nichts bekannt.
Suko schaute mich an. »Ist das die Spur?«
Ich ließ das Blatt sinken. »Es kommt mir so vor.«
»Hast du Gründe?«
»Erstens mein Gefühl, zweitens Südfrankreich. Hector de Valois war Franzose. Es verdichtet sich immer mehr, die Spuren führen in diese Richtung. Dort müssen die Templer gelebt und ihre Zeichen hinterlassen haben.«
»Dann fahren wir hin.«
Ich zog die Stirn kraus. »Wir?«
Suko lachte gallig. »Das hört sich an, als wolltest du wieder einmal allein los.«
»Das hatte ich auch vor.«
»Kannst du mir den Grund nennen?«
Ich nickte. »Jane Collins. Einer von uns muss in London bleiben, falls es eine Spur von ihr gibt.«
»Aber, John, das ist doch Unsinn. Wir können Bill Conolly Bescheid sagen, Sir James weiß ebenfalls …«
»Du sitzt aber an der Quelle. Im Gegensatz zu Bill. Von hier aus kannst du einiges in Bewegung setzen, da dir ein gewaltiger Apparat zur Verfügung steht.«
»Ich weiß nicht, John.« Suko stand heftig auf. »Manchmal habe ich das Gefühl, als hättest du etwas gegen mich. Dir scheint die Sache mit Jane Collins und deinen zwei Leben in den Kopf gestiegen zu sein. Tut mir leid, so sehe ich es leider.«
Ich schaute dem Temperamentsausbruch meines Freundes kopfschüttelnd zu. So hatte ich ihn noch nie erlebt, wenigstens nicht mir gegenüber. »Was ist denn los mit dir?«
Er drehte sich um und schaute mich starr an. »Was los ist, kann ich dir sagen. Ich habe das Gefühl, immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. In der letzten Zeit hast du einige Fälle allein durchgezogen, das gefällt mir nicht.«
»Stimmt, das habe ich. Es lag aber eine Notwendigkeit vor.«
»Jetzt auch?«
»Jetzt erst recht.«
Suko beugte sich vor und stemmte seine Hände auf die Schreibtischplatte. »John, ich will dir ja nicht reinreden, und ich will dich auch nicht wegen Jane Collins kritisieren, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass du etwas übertreibst. Jane gehört zwar zu uns, aber nicht mehr so wie früher. Du darfst nicht vergessen, was sie einmal gewesen ist und was sie getan hat. Sie ist freiwillig nach London zurückgekehrt, weil sie in Frisco nicht mehr bleiben wollte. Das kann ich verstehen, London ist ihre Heimat, aber sie hat uns doch erklärt, dass wir nicht auf sie achtgeben sollen. Oder etwa nicht?«
»Doch.«
»Dann verstehe ich deine übermäßige Reaktion nicht. Jane Collins ist für sich selbst verantwortlich. Sie sucht ihren Weg, sie …«
»Man hat sie entführt.«
»Ja, ich weiß.« Suko schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Damit hat sie rechnen müssen.«
»Was nicht heißt, dass wir die Hände damit in den Schoß legen sollen.«
»Tun wir das denn?«
»Nein, wir kommen ja nicht an diesen verdammten van Akkeren heran. Nur möchte ich mir keine Vorwürfe machen, sollte uns doch ein kleiner Erfolg beschieden sein.«
»Falls Jane noch lebt, wie auch immer, wird sie doch zu uns zurückkehren«, sagte der Inspektor. »Wir können nur warten. Aber ich will während der Warterei nicht inaktiv sein.«
»Moment, Suko, ich wäre ja auch hiergeblieben. Aber das Siegel der Templer und seine geheimnisvolle Herkunft geht ja mich persönlich etwas an. Es wurde ja praktisch bestätigt, dass ich einmal Richard Löwenherz gewesen bin.«
»Dagegen sage ich auch nichts. Ich finde nur die Art nicht gut, wie du dich anstellst.«
»Hast du Angst um mich?«
»Auch.«
»Das ist nicht nötig. Ich kann auch Bill Conolly mitnehmen, aber tu mir diesen Gefallen und bleibe hier. Suko, ich kann es dir nicht erklären, aber ich habe einfach das Gefühl, dass jemand hier in London bleiben muss, während ich nach Südfrankreich fahre.«
»Was sagt dir dein Gefühl noch?«
»Dass etwas passieren wird!«
»Hast du konkrete Vorstellungen?«
»Leider nicht.«
»Dann ist das eine schwache Theorie.«
»Weiß ich selbst. Andererseits haben wir beide eine Menge auf unser feeling gegeben. Ich verstehe, dass du sauer bist, aber gib mir einmal noch die Chance.«
Suko ging ans Fenster. Ich wusste ja, dass ich ihm unrecht tat, aber dieses nicht erklärbare Gefühl in meinem Innern war tatsächlich vorhanden. Hoffentlich ließ sich Suko davon überzeugen.
Er schaute durch die Scheibe. In ihm musste es arbeiten. Hart hörte ich ihn atmen, als er sich umdrehte, den Arm ausstreckte, und mit dem Zeigefinger auf mich zeigte. »Abgemacht, John, ich gebe noch einmal um des liebens Friedens willen nach und bleibe hier. Aber in Zukunft komm mir bitte nicht mehr auf diese kalte Tour.«
»Das verspreche ich. Ich würde mich auch freuen, wenn ich unrecht hätte und du mich zur Schnecke machen kannst, aber irgendwie komme ich darüber nicht hinweg. Meiner Ansicht nach wird sich bald etwas tun, das unmittelbar mit Jane Collins zusammenhängt.«
Suko nahm wieder Platz. Er lächelte sogar. »Du kannst dich freuen, dass ich ein so gutmütiger Trottel bin, Alter. Ich werde also hier in London die Stellung halten. Hast du sonst noch irgendwelche Anhaltspunkte, die du mir geben kannst?«
»Keine.«
»Dann wünsche ich dir eine gute Reise.«
Glenda kam. Sie blieb kopfschüttelnd auf der Türschwelle stehen. »Was war denn hier los?«, fragte sie.
Ich winkte ab. »Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.«
»Die hat sich aber verflixt laut angehört.«
»Tja, meine Liebe. So ist das nun mal unter Freunden und Kollegen.«
»Man kann auch etwas anderes sagen.«
»Und was?«, fragte Suko.
»Pack schlägt sich – Pack verträgt sich.«
»Und du schäm dich«, fügte ich hinzu.
*
Mit seiner letzten Bemerkung hatte Abbé Bloch genau ins Schwarze getroffen. Er sah es seinem Gegenüber an, der wie erstarrt auf dem Stuhl hockte, bleich geworden war und ins Leere schaute.
Der Abbé schenkte ihm Wein nach. »Sie sollten jetzt einen Schluck trinken, Monsieur, das reinigt die Kehle.«
Virni schüttelte den Kopf. »Wer sind Sie wirklich?«
»Ich habe Sie nicht angelogen. Ich bin tatsächlich Abbé Bloch.«
Virnis Blick saugte sich am Gesicht des anderen fest, als wollte er genau prüfen, ob der andere ihn reinlegte. »Sie wissen mehr, als Sie zugegeben haben.«
»Vielleicht.«
»Dann raus mit der Sprache.« Pierres Gesicht war verzerrt. Er hatte die Rechte zur Faust geballt, saß plötzlich wie auf dem Sprung, als wollte er dem Abbé an die Kehle fahren.
»Bitte, beruhigen Sie sich«, sagte Bloch. »Wir wollen vernünftig miteinander reden.«
»Das verlange ich auch.«
Der Abbé breitete die Arme aus. »Gehen wir einmal davon aus, dass nicht ich die tragende Säule bin, sondern Sie.«
»Wie käme ich dazu?«
»Können Sie sich vorstellen, dass ich Ihretwegen gekommen bin, Monsieur Virni?«
»Nein.«
»Es stimmt aber. Und Sie haben gerade gelogen, als Sie mit einem Nein antworteten. Sie wissen sehr wohl, dass ich einen Grund gehabt haben könnte. Nur liegt dieser Grund, von dem ich spreche, fünfzig Jahre zurück. Klar?«
»Das ist eine lange Zeit.«
Der Abbé nickte. »Da kann ich nicht widersprechen. Man kann vieles vergessen. Die meisten Menschen wollen auch an gewisse Dinge nicht mehr erinnert werden, aber wer so etwas Entscheidendes erlebte wie Sie, Monsieur, der wird dieses Erlebnis bis zu seinem Tod nicht vergessen, das können Sie mir glauben.«
»Von welch einem Erlebnis sprechen Sie überhaupt?«, fragte der Gastwirt leise.
»Ich gebe Ihnen ein zweites Stichwort. Kathedrale der Angst!«
Die Faust des Wirtes blieb geschlossen. Auf der Stirn bildete sich ein leichter Schweißfilm. Es arbeitete in dem Mann. Vermutungen, Gedanken bildeten einen Wirbel und überschatteten das klare, logische Denken.
»Nun?«, fragte der Abbé.
Virni erhob sich. Er streckte seinen rechten Arm aus und wies zur Tür. »Gehen Sie«, sagte er flüsternd. »Dort ist die Tür. Sie sollen verschwinden und nehmen Sie Ihre Männer mit. Die haben hier nichts mehr zu suchen. Klar?«
Bloch rührte sich nicht. »Ich habe verstanden, Monsieur, aber ich werde nicht verschwinden.«
»Dann werfe ich Sie hinaus.«
Das Lächeln des Abbés war als milde zu bezeichnen, es regte den anderen Mann jedoch auf. »Verspotten kann ich mich alleine. Ich gebe Ihnen nicht mehr viel Zeit.«
»Sie machen einen Fehler.«
»Und Sie auch, wenn Sie hier sitzenbleiben. Ich bin zweiundsiebzig Jahre alt geworden, aber ich stemme heute noch Weinfässer, und Sie, Abbé, schaffe ich auch.«
»Wovor haben Sie Angst?«
»Ich habe keine Angst.«
»Doch, das ist zu spüren. In Ihnen lauert seit fünfzig Jahren eine fürchterliche Angst. Sie müssen unter einem gewaltigen Druck leben, der nicht gut ist.«
»Und das wollen Sie wissen?«
»Ja.«
»Woher denn?«
»Monsieur Virni, ich bin nicht unvorbereitet zu Ihnen gekommen, glauben Sie mir. Meine Freunde und ich verfolgen einen bestimmten Plan, der sehr positiv ist. Wenn Sie sich mir öffnen oder sich mir anvertrauen, kann ich Ihnen mehr darüber sagen, und Sie werden mich gut verstehen. Zeigen Sie sich allerdings verstockt, kann ich Ihnen nicht viel helfen, das wissen Sie bestimmt.«
»Gehen Sie!«
»Nein!«
Bisher hatte sich der Wirt zurückgehalten. Bei so viel Verstocktheit jedoch konnte er nicht mehr anders. Da brach sich sein Temperament freie Bahn.
Er wuchtete sich auf den Abbé zu, packte ihn an den beiden Kragenenden und zog ihn hoch. Er wollte ihn umdrehen und zur Tür schleudern, aber der Abbé schaute ihn nur an.
Sein Blick traf den des Wirts.
Und plötzlich spürte Virni, dass in seinem Innern etwas erschlaffte. Er sah nur die Augen des Abbés und spürte dabei, wie sein Widerstand zusammenbrach.
Dieser Gast war etwas Besonderes. Er konnte über andere Menschen bestimmen und ihnen seinen Willen aufzwingen.
So geschah es auch bei Pierre Virni. Er wollte es eigentlich nicht, aber seine Hände lösten sich vom Revers der schmalen Jacke. Hilflos wirkend hob er die Schultern und drehte sich um.
»Aber setzen Sie sich doch wieder«, sagte der Abbé sehr freundlich. »Wir wollen unser Gespräch fortsetzen.«
Virni holte tief Luft. Er wollte Platz nehmen, als er Schritte hörte und seine Tochter erschien.
»Ist etwas, Vater?«
»Nein, Colette, alles in Ordnung.«
»Die junge Frau drehte sich um und verschwand wieder. Ihr Vater rückte den Stuhl zurecht. Den Wein trank er aber noch im Stehen. Zweimal schluckte er.
Abbé Bloch lächelte ihn an. »Manchmal entwickeln sich die Dinge eben nicht so gradlinig.«
»Das kann man wohl sagen. Sie sind mir überlegen, Abbé, das gebe ich zu. Aber ich möchte wissen, woher Sie so viel über mich erfahren haben?«
»In Paris.«
Virnis Augen wurden erst groß, dann verengten sie sich, und er schaute auf die blankgescheuerte Platte des schweren ovalen Holztisches. »Paris? Wieso? Ich war da seit langer Zeit nicht mehr.«
»Ja, es liegt fünfzig Jahre zurück.«
Der Wirt hob den Blick. »Sie kennen sich sehr gut aus, Abbé.«
»Das muss ich auch«, erwiderte Bloch mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Ich wusste ja, dass es hier in der Gegend um Alet-les-Bains einige Geheimnisse gibt, denen wir auf den Grund gehen wollten. Also forschte ich im Archiv der Uni nach. Es war nicht sehr ergiebig. Wenn es Unterlagen geben sollte, müssen die woanders liegen. Aber ich fand Ihren Namen, Monsieur und eine Abschrift oder das Original des Briefes, den Sie an Ihren Professor geschrieben haben, als Sie noch studierten und praktische Erfahrungen sammeln wollten. Ich forschte weiter und stellte zu meiner Überraschung fest, dass Sie hier seit dieser Zeit leben und heimisch geworden sind.«
»Ja, ich wollte nicht mehr zurück.«
Der Abbé nickte. »War es so schlimm?«
»Man hätte mich mit Fragen gelöchert.«
»Auch den anderen, nicht?«
Virni zog die Stirn kraus. »Von wem reden Sie, Abbé?«
»Haben Sie den Namen Ihres Freundes tatsächlich schon vergessen? Gustave Rodin?«
Pierre holte schwer Luft. »Nein, den habe ich nicht vergessen. Wie könnte ich das?«
»Lebt er nicht mehr?«
»Das ist richtig.«
»Wann starb er?«
»Das wissen Sie doch!«
»Nein, Monsieur, sonst hätte ich Sie nicht gefragt. Aber dieser Gustave Rodin könnte eine Schlüsselposition in dem Fall einnehmen. Darum sollten Sie sich erinnern.«
»Ich sah ihn sterben.«
»Hier in der Nähe?«
»Ja, er ging in die Kathedrale der Angst. Er ignorierte die Warnung, ich konnte ihn auch nicht mehr zurückhalten …« Der Wirt hatte den Kopf schräg gelegt. Er schaute gegen die Decke. Die Erinnerung an das Vergangene wühlte ihn auf. Er öffnete und schloss seine Hände. Schweiß lag auf seinem Gesicht. Seine Stimme glich, als er von den Ereignissen berichtete, manchmal nur einem Krächzen. Auf irgendeine Art und Weise fühlte er sich auch erleichtert, dass er jemand hatte, der ihm zuhörte. Er berichtete alles so dramatisch, wie es sich zugetragen hatte, als wären erst Stunden vergangen und nicht fünfzig Jahre. So einschneidend war dieses Erlebnis für ihn gewesen.
»Jetzt wissen Sie alles«, sagte er zum Schluss.
»Fast alles!«, korrigierte der Abbé.
Virni breitete die Arme aus. »Ich weiß nichts mehr. Tut mir leid, ich habe Ihnen alles erzählt.«
»Sie brauchen das nicht persönlich zu nehmen. Ihre Berichte haben mir Hinweise gegeben, mehr nicht. Aber sie haben mir auch gesagt, dass ich auf der richtigen Spur bin.«
»Suchen Sie die Kathedrale?«
»Ja.«
»Wozu?«
»Das hat verschiedene Gründe. Ich weiß jedenfalls, wer sie erbaut hat.« Der Abbé blickte auf seine Uhr. »Haben Sie etwas Zeit für mich?«
»Die ganze Zeit schon.«
»So meine ich das nicht. Können Sie das Lokal ohne Aufsicht lassen und mit mir kommen.«
»Wohin?«
»Vertrauen Sie mir.«
Pierre Virni überlegte nicht lange. Er stand auf und sagte: »Ich gebe meiner Tochter Bescheid. Sie soll sich um den Laden kümmern. Alles andere spielt keine Rolle.«
»Gut, ich warte.«
Der Wirt verschwand und ließ den Abbé allein. Der Mann war sehr nachdenklich geworden. Er und seine Freunde hatten lange suchen müssen, aber die Spuren waren noch vorhanden. Man musste sich nur bemühen.
Virni kam zurück. Er hatte sich eine dünne Jacke übergestreift. »Meinetwegen können wir gehen.«
»Gut.«
Die Männer verließen die Gaststätten und sahen nicht, dass ihnen aus einem der Fenster ein lauerndes Augenpaar nachblickte und ein Mund die Worte flüsterte: »Ich glaube, Gustave, deine Zeit ist jetzt gekommen …«
*
Alet-les-Bains!
Von diesem Kaff hatte ich zuvor noch nie gehört, wunderte mich aber, als ich in den Ort hineinsah, über seine prächtige Hochlage, denn hinter der Küste stieg das Gelände stetig an, sodass die Dörfer und kleinen Städte auf sonnenüberfluteten Plateaus lagen.
Das war im Frühling sehr schön, im Sommer drückte dann die Hitze mörderisch.
Bis Toulouse hatte ich fliegen können. Leider nicht direkt. Umsteigen in Paris, dann weiter bis Toulouse, und dort hatte ich mir nicht nur einen Leihwagen besorgt, sondern auch in London angerufen.
Es war nichts mehr geschehen, wie mir Suko sagte, mit einer Stimme, die wieder normal klang.
»Halte trotzdem die Augen offen, alter Junge.«
»Das werde ich wohl.«
»Okay, bis später.«
Einigermaßen beruhigt, hatte ich die Fahrt nach Alet-des-Bains angetreten. Die Straße führte durch das Bergland und durch eine Landschaft voller Gegensätze.
Auf der einen Seite, in Richtung Norden, lag noch der Schnee vom letzten Winter. Die Südhänge jedoch standen bereits in voller Blüte.
Ich durchfuhr einige Dörfer, deren Namen mir nicht mehr im Gedächtnis geblieben waren.
Je mehr ich mich in Richtung Süden bewegte, umso stärker veränderte sich auch die Landschaft. Sie wurde felsiger, die sanften Hänge gab es nicht mehr, dafür Plateaus, und wenn ich Wiesen oder Weiden sah, war das Gras oftmals nicht mehr als ein dünner Teppich.
In der Ferne, wegen der klaren Luft auch gut zu sehen, grüßten die zackigen Eisgrate der Pyrenäen. Ein herrliches Bild. Da konnte man direkt Urlaubslaune bekommen.
Leider war ich wieder dienstlich unterwegs.
Das Land Frankreich schien immer mehr zu einem zentralen Punkt zusammenzuwachsen, was die Templer um Hector de Valois anging.