Julia Collection Band 161 - Maya Banks - E-Book
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Maya Banks

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Beschreibung

Die Anetakis-Brüder Yannis, Theron und Piers sind anziehend wie Adonis, reich wie Krösus und so berauschend wie griechischer Wein. Welche Frau kann das Herz eines der mächtigen Tycoons erobern? MINISERIE VON MAYA BANKS DAS LICHT UNSERER LIEBE Nie hat Marley einen Mann mehr geliebt als Yannis Anetakis. Allein bei dem Gedanken an die Nächte mit dem reichen Unternehmer schlägt ihr Herz schneller. Doch dann der Schock: Yannis hält sie für eine Verräterin und bricht jeden Kontakt ab. Verzweifelt bittet Marley ihn um eine letzte Chance … WIE VERFÜHRT MAN EINEN REICHEN GRIECHEN? Schon immer schwärmt Isabella für Theron Anetakis. Doch der attraktive Hoteltycoon sieht in ihr nur die Tochter seines ehemaligen Geschäftspartners. Bis Isabella die Waffen einer Frau einsetzt, um ihm zu beweisen, dass sie kein unschuldiges Mädchen mehr ist! ES GESCHAH IN EINER STERNENKLAREN NACHT Am weißen Strand der kleinen Karibikinsel tanzt Jewel mit einem sexy Fremden. Und obwohl sie sonst vorsichtig ist, nimmt sie eine Einladung in seine Suite an. Doch am nächsten Morgen folgt das böse Erwachen, als sie seinen Namen erfährt …

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Seitenzahl: 601

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Maya Banks

JULIA COLLECTION BAND 161

IMPRESSUM

JULIA COLLECTION erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe JULIA COLLECTION, Band 161 7/2021

© 2009 by Maya Banks Originaltitel: „The Tycoon’s Pregnant Mistress“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alessa Krempel Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1591

© 2009 by Maya Banks Originaltitel: „The Tycoon’s Rebel Bride“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alessa Krempel Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1595

© 2009 by Maya Banks Originaltitel: „The Tycoon’s Secret Affair“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alessa Krempel Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1599

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 7/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751502733

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Das Licht unserer Liebe

1. KAPITEL

Schwanger.

Obwohl es ein warmer Sommertag war, fröstelte Marley Jameson. Sie setzte sich auf ihre Lieblingsbank in dem kleinen Park unweit des Appartements, das sie mit Yannis Anetakis bewohnte.

Die Sonne schien warm auf ihre Haut, konnte die Gänsehaut jedoch nicht vertreiben. Stavros würde über ihr unangemeldetes Verschwinden gar nicht glücklich sein. Genauso wenig wie Yannis, wenn Stavros ihm davon erzählte. Aber zu ihrem Arzttermin hatte Marley den imposanten Leibwächter auf keinen Fall mitnehmen wollen. Dann hätte Yannis es gleich erfahren.

Wie würde er auf die Neuigkeit reagieren? Sie waren immer vorsichtig gewesen, und trotzdem war Marley jetzt in der achten Woche schwanger. Wahrscheinlich war es nach seiner Geschäftsreise in Europa passiert. Yannis hatte einfach nicht genug von ihr bekommen können. Und sie nicht von ihm.

Der Gedanke an jene Nacht trieb Marley die Röte ins Gesicht. Unzählige Male hatte er mit ihr geschlafen und ihr ins Ohr geflüstert – warme, sanfte Worte, die ihr Herz höher schlagen ließen.

Nervös blickte sie auf die Uhr und schrak auf. In ein paar Stunden würde Yannis nach Hause kommen, und sie saß hier und brütete vor sich hin. Sie musste sich noch umziehen – Jeans und T-Shirt trug sie nur, wenn er nicht da war.

Widerstrebend erhob sich Marley und ging zurück zu dem herrschaftlichen Gebäude, in dem sich Yannis’ Wohnung befand. Sie hatte Angst.

„Sei nicht albern“, ermahnte sie sich und ging entschlossen auf den Eingang zu.

Lächelnd hielt ihr der Pförtner die Tür auf. Sicher wunderte er sich, dass sie zu Fuß unterwegs war.

Marley betrat den Fahrstuhl und drückte den obersten Knopf. Nach einer Weile kam der Lift sanft zum Stehen, und die Türen glitten auf. Doch Marley stieg nicht sofort aus, sondern strich sich gedankenverloren über den noch flachen Bauch, bevor sie den Fuß auf den Teppich setzte.

Sie durchquerte den Eingangsbereich, streifte die Schuhe auf dem Weg ins Wohnzimmer ab und warf die Tasche achtlos auf die Couch. Marley fühlte sich erschöpft, am liebsten hätte sie sich hingelegt. Doch zuerst musste sie darüber nachdenken, wie sie bei Yannis das Thema Beziehung anschneiden sollte.

Vor ein paar Tagen war noch alles in Ordnung gewesen. Aber das Ergebnis des Schwangerschaftstests hatte alles verändert und sie dazu gebracht, über die letzten sechs Monate mit Yannis nachzudenken.

Marley liebte ihn von ganzem Herzen – aber empfand er dasselbe für sie? Der Sex war fantastisch. Doch jetzt gab es ein Baby, auf das sie Rücksicht nehmen musste. Und sie wollte mehr als heißen Sex – mehr Zeit mit ihm, auch ohne auf seine Termine Rücksicht zu nehmen.

Seufzend ging sie ins Schlafzimmer – und zuckte zusammen, als Yannis plötzlich vor ihr stand, ein Handtuch um die Hüften geschlungen.

Er schenkte ihr sein umwerfendes Lächeln. Wenn Marley ihn sah, war es immer wie beim ersten Mal: Sie bekam eine Gänsehaut, und ihr zitterten die Knie. „D…du bist früh dran“, brachte sie heraus.

„Ich habe auf dich gewartet“, sagte er mit rauer Stimme.

Als er das Handtuch fallen ließ, schluckte sie. Er war erregt. Sein Blick so gefährlich wie der einer Raubkatze, kam er auf sie zu und legte die Hände auf ihre Schultern. Dann küsste er Marley leidenschaftlich.

Leise seufzte sie auf. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen. Sobald er sie berührte, stand sie regelrecht in Flammen.

Mit den Lippen glitt er über ihren Hals, während er ungeduldig an ihrem Shirt zog. Sehnsüchtig griff sie in sein dunkles Haar und zog ihn näher zu sich. Sein Körper war schlank und durchtrainiert. Er bewegte sich anmutig und berührte sie so, wie sie es mochte. Als er mit ihr auf das Bett sank, schlang sie den Arm um ihn.

„Du hast eindeutig zu viel an“, murmelte er und zog ihr das Shirt über den Kopf.

Marley wusste, dass sie mit ihm reden sollte. Aber sie hatte ihn so sehr vermisst. Ein Teil von ihr wollte einfach diesen Moment genießen, ehe sich alles unwiderruflich veränderte.

Geschickt öffnete er den Verschluss ihres BHs und berührte ihre Brustwarzen, die während der Schwangerschaft noch empfindlicher waren. Sie fragte sich, ob er es bemerken würde.

„Hast du mich vermisst?“

„Das weißt du doch“, stieß sie atemlos hervor.

„Dann sag es!“

„Ich habe dich vermisst“, antwortete sie und lächelte.

Er zögerte nicht länger, sondern zerrte ihr die Jeans herunter und warf die Hose dann quer durchs Zimmer. Der BH folgte, dann der Slip. Sekunden später legte Yannis sich sanft auf sie und küsste sie stürmisch. Sie hob sich ihm entgegen und erschauerte, als er in sie eindrang. Die ihr so vertraute brennende Leidenschaft erfüllte sie und riss sie mit sich. Beinah verzweifelt liebten sie sich, wie im Rausch.

Kurz vor dem Höhepunkt nahm er sie fest in die Arme und flüsterte ihr ein paar griechische Worte ins Ohr. Seine Stimme zu hören, empfand sie wie eine zusätzliche Liebkosung, die sie noch schneller dem Gipfel entgegentrug.

Minuten später kuschelte sie sich zufrieden und glücklich an ihn und wartete darauf, dass sich ihr unregelmäßiger Atem beruhigte.

Als sie die Augen aufschlug, lag Yannis neben ihr und betrachtete sie zufrieden. Marley musste kurz eingeschlafen sein. Verträumt erwiderte sie seinen Blick und dachte, dass seine Augen wie Gold glänzten.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, das Thema anzusprechen. Eine bessere Gelegenheit würde es nicht geben. Warum hatte sie nur solche Angst davor?

„Yannis“, begann sie zaghaft.

„Was ist los?“, fragte er und runzelte die Stirn.

„Ich muss mit dir reden.“

Er rückte ein Stück von ihr ab, wobei ihm das Laken bis zur Hüfte herunterrutschte. Marley fühlte sich verletzlich und durchschaubar. Sie zitterte, als er sanft ihre Brust streichelte. „Worüber willst du reden?“

„Über uns“, antwortete sie schlicht.

Sein Blick wurde wachsam, dann zog Yannis sich mit einem Mal zurück und wirkte fast abweisend. Marley erschrak.

In diesem Moment ertönte der Türsummer. Yannis fluchte leise und streckte die Hand nach der Gegensprechanlage aus.

„Was ist?“, fragte er barsch.

„Hier ist Roslyn. Kann ich hochkommen?“

Marley verdrehte die Augen, als sie die Stimme von Yannis’ Assistentin hörte. Es war spät am Abend, und trotzdem schneite die Frau einfach in sein privates Appartement herein.

„Ich bin beschäftigt, Roslyn. Kann das nicht bis morgen warten?“

„Es tut mir leid, Sir, aber es ist dringend. Der Vertrag muss bis sieben Uhr morgen früh unterzeichnet sein.“

„Kommen Sie hoch!“ Fluchend schwang er die Beine aus dem Bett und stand auf. Dann streifte er Hemd und Hose über.

„Was will sie hier?“, fragte Marley leise.

Irritiert sah Yannis sie an. „Sie ist meine Assistentin. Das ist ihr Job.“

„Ja, aber das ist deine Privatwohnung.“

Er schüttelte den Kopf und knöpfte sich das Hemd zu. „Ich bin gleich zurück, dann reden wir weiter.“

Bekümmert sah Marley ihm nach. Das Gespräch auf einen anderen Abend zu verschieben wäre vielleicht nicht schlecht. Aber sie musste wissen, was er für sie empfand. Ob er eine Zukunft für sie beide sah. Erst dann konnte sie ihm von der Schwangerschaft erzählen.

Das Warten machte sie nervös. Sie wollte ihm nicht nackt gegenübertreten, daher schlüpfte sie schnell aus dem Bett und zog sich Jeans und T-Shirt über. Aber auch das beruhigte sie nicht. Seufzend schüttelte Marley den Kopf.

Endlich hörte sie seine Schritte im Flur. Mit besorgter Miene betrat er das Zimmer. Als er sie sah, zog er die Mundwinkel nach unten. „Nackt mag ich dich lieber.“

Sie lächelte schwach und ließ sich aufs Bett sinken. „Ist alles in Ordnung?“

Yannis hob abwehrend die Hand. „Nichts weiter, nur eine fehlende Unterschrift.“ Begehrlich betrachtete er sie und kam auf das Bett zu. Direkt vor ihr blieb er stehen und knöpfte sich das Hemd langsam wieder auf.

„Yannis … wir müssen reden.“

Ein Ausdruck von Verärgerung huschte über sein Gesicht. Resigniert ließ er sich neben sie aufs Bett fallen. „Dann rede, Marley. Was macht dir Sorgen?“

Ihn so nahe zu spüren brachte sie aus der Fassung. Unruhig rückte Marley ein Stück von ihm ab. „Ich möchte wissen, wie du über mich denkst. Über uns“, begann sie nervös und sah ihn eindringlich an. „Ob wir eine Zukunft haben.“

Die Lippen aufeinandergepresst, erwiderte Yannis ihren Blick. „Jetzt ist es also so weit“, entgegnete er. Im nächsten Moment stand er auf und wandte ihr den Rücken zu.

„Wie meinst du das? Ich möchte wissen, was du für mich empfindest. Ob wir eine Zukunft haben. Du sprichst nie darüber“, erklärte sie mutlos.

Er beugte sich zu ihr hinab. „Wir haben keine Beziehung. Ich gehe keine Beziehungen ein, und das weißt du. Du bist meine Mätresse.“

Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Marley starrte ihn mit offenem Mund an. „Mätresse?“, wiederholte sie keuchend. Geliebte vielleicht. Liebhaberin. Derzeitige Freundin. All diese Bezeichnungen hätte sie verkraftet. Aber Mätresse? Eine käufliche Frau? Eine, die er für Sex bezahlte? Übelkeit stieg in Marley auf.

Sie taumelte auf die Füße und wich rückwärts vor ihm zurück. Verwirrt blickte Yannis sie an.

„Ist das wirklich alles, was ich für dich bin?“, stieß sie hervor. Sie konnte es nicht glauben. „Eine … Mätresse?“

Er seufzte ungeduldig. „Du verstehst das falsch. Ich hatte eine anstrengende Woche, und dir geht es offensichtlich nicht gut. Setz dich, ich hole dir etwas zu trinken. Es bringt nichts, wenn wir jetzt weiterreden.“

Yannis drückte sie zurück aufs Bett und ging in die Küche. Seit einer Woche versuchte er nun schon, den Spion in seiner Firma dingfest zu machen. Einen Streit mit Marley konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen.

Er schenkte ihr ein Glas Saft ein und gönnte sich einen großen Schluck Brandy. So langsam bekam er Kopfschmerzen.

Als er Marleys Schuhe mitten im Gang liegen sah, musste er lächeln. Sie hatte sie gleich hinter dem Lift ausgezogen. Er folgte ihrer Spur bis zur Couch, wo die Tasche lag.

Normalerweise war sie eine entspannte, unkomplizierte Frau. Dieser untypische Gefühlsausbruch hatte ihn völlig überrumpelt. Ihre Beziehung hatte deshalb so lange gehalten, weil sie nie klammerte. Moment, Beziehung? Gerade eben hatte er noch geleugnet, dass sie eine hatten.

Ich sollte nicht so hart sein, dachte Yannis. Wahrscheinlich fühlte sie sich nicht wohl und sehnte sich nach mehr Nähe. Marley war immer für ihn da, wenn er nach wochenlangen Geschäftsreisen oder anstrengenden Meetings nach Hause kam. Es war zwar eine ungewohnte Situation für Yannis, aber letztlich war es nur fair, dass sie mehr als Sex wollte. Obwohl Sex mit ihr ganz oben auf seiner Wunschliste stand.

Yannis wandte sich zum Schlafzimmer, um sich zu entschuldigen, als sein Blick auf einen Stapel Papiere in Marleys Tasche fiel. Irritiert blieb er stehen und stellte die Gläser auf den Couchtisch.

Mit einem Mal war sein Hals wie zugeschnürt. Das konnte nicht sein! Yannis zog die Papiere aus der Tasche und faltete sie auseinander. Zorn stieg in ihm auf. Marley, seine Marley, war der Spion in seiner Firma?

Das konnte nicht sein, es durfte einfach nicht sein. Aber da stand der Beweis schwarz auf weiß. Heute Morgen hatte er absichtlich eine Falschmeldung in Umlauf gebracht, um zu sehen, wer sie an die Konkurrenz verkaufte. Und genau diese Meldung steckte jetzt in Marleys Tasche.

Die plötzliche Erkenntnis traf Yannis wie ein Schlag. Die ersten Bauzeichnungen waren ungefähr zur selben Zeit verschwunden, als Marley bei ihm eingezogen war. Sie hatte für ihn gearbeitet, bis er sie überredet hatte, den Job aufzugeben, damit er sie ganz für sich haben konnte. Auch jetzt konnte Marley jederzeit ungehindert in seine Büros gehen.

Wie dumm er gewesen war! Er erinnerte sich an den Anruf von Stavros. Marley war einige Stunden ohne den Leibwächter weg gewesen. Yannis hatte sie noch bitten wollen, besser auf sich aufzupassen. Dabei war er derjenige, der aufpassen musste! Sie war in seinem Büro gewesen und danach verschwunden. Und jetzt lagen die Unterlagen in ihrer Tasche!

Er zerknüllte die Papiere in seiner Hand und rannte ins Schlafzimmer. Marley saß immer noch auf dem Bett. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, aber Yannis konnte nur daran denken, wie geschickt sie ihn manipuliert hatte.

„Ich gebe dir eine halbe Stunde, dann bist du weg!“, sagte er knapp.

Erschrocken sah Marley ihn an. „Ich verstehe nicht“, brachte sie heraus.

„Du hast dreißig Minuten, um deine Sachen zusammenzupacken. Danach rufe ich den Sicherheitsdienst.“

Abrupt sprang sie auf die Füße. Sie hatte ihm doch noch nicht einmal von dem Baby erzählt! „Yannis, was ist los? Warum bist du so wütend? Weil ich nicht deine Mätresse sein will? Es ist ein Schock für mich. Ich dachte, dass ich dir mehr bedeute!“

„Jetzt hast du nur noch achtundzwanzig Minuten“, erwiderte er kalt. Er hielt ihr die zerknüllten Papiere entgegen. „Dachtest du, du würdest damit durchkommen? Glaubst du wirklich, du kannst mich betrügen? Ich dulde keine Lügner und Betrüger, und du, meine Liebe, bist beides!“

Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Sie schwankte, aber Yannis machte keinerlei Anstalten, sie zu stützen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Was sind das für Unterlagen?“

Verächtlich schürzte er die Lippen. „Du hast mich bestohlen! Sei froh, dass ich nicht die Polizei rufe. Du hättest meine Firma zerstören können. Aber diesmal hast du dich verraten. Diese Unterlagen habe ich gefälscht, um dem Täter auf die Schliche zu kommen!“

„Gestohlen?“ Ihre Stimme überschlug sich. Marley riss ihm die Papiere aus der Hand, Schrift und Grafiken erkannte sie nur noch verschwommen. Es war eine E-Mail mit vertraulichen Informationen. Detaillierte Baupläne für ein Großprojekt irgendwo im Ausland. Das ergab alles keinen Sinn. Marley hob den Kopf und sah Yannis in die Augen. Die Welt zerfiel um sie herum, schien von jetzt auf gleich in Scherben zu liegen. „Du glaubst, dass ich das gestohlen habe?“

„Das war in deiner Tasche! Mach es nicht noch schlimmer, indem du es abstreitest. Ich möchte, dass du jetzt gehst.“ Übertrieben auffällig blickte er auf die Uhr. „Dir bleiben noch fünfundzwanzig Minuten.“

Marleys Hals war wie zugeschnürt, sie bekam kaum noch Luft. Sie konnte nicht denken, nicht reagieren. Wie betäubt lief sie zur Tür, ohne ihre Sachen zusammenzusuchen. Sie wollte nur weg. Am Türrahmen blieb sie kurz stehen und drehte sich zu ihm um. Kalt blickte Yannis sie an.

„Wie kannst du nur denken, dass ich so etwas tue?“, flüsterte sie. Dann lief sie davon.

Halb blind vor Tränen, taumelte sie in den Aufzug und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Wenige Augenblick darauf lief Marley schluchzend hinaus in die Nacht. Ungehindert liefen ihr jetzt die Tränen über die Wangen, aber sie kümmerte sich nicht darum. Er würde ihr schon zuhören, das musste er einfach! Sie würde warten, bis er sich beruhigt hatte, und es ihm dann sagen. Es war alles ein schrecklicher Irrtum. Es musste einen Weg geben, ihn zur Vernunft zu bringen.

In ihrer Verzweiflung bemerkte Marley den Mann nicht, der sie verfolgte. Als sie um die Ecke bog, griff er nach ihrem Arm und zog einen Sack über ihren Kopf. Ihr Schrei erstarb unter dem groben Stoff.

Trotz ihrer heftigen Gegenwehr wurde Marley auf den Rücksitz eines Wagens gedrängt. Die Tür schlug zu, und der Wagen fuhr los.

2. KAPITEL

Drei Monate später

Yannis saß in seinem Appartement und grübelte stumm vor sich hin. Er sollte beruhigt sein, weil seiner Firma keine Gefahr mehr drohte. Doch der Grund dafür war wenig tröstlich. Müde betrachtete er den Dokumentenstapel, der vor ihm lag. Im Hintergrund liefen die Abendnachrichten.

Er war nur für ein paar Tage in New York. Morgen flog er nach London, um mit seinem Bruder Theron bei der Grundsteinlegung für das neue Luxushotel dabei zu sein. Hätte Marley Erfolg gehabt, würde es dieses Hotel nicht geben. Yannis verzog den Mund. Er, der Firmenchef von Anetakis International, war von einer Frau manipuliert und bestohlen worden. Bevor er sie entlarven konnte, hatten seine Brüder und er zwei Entwürfe an den größten Konkurrenten verloren. Yannis hätte sie der Polizei übergeben sollen, aber er war einfach zu schockiert gewesen, zu schwach.

Noch nicht einmal ihre Sachen hatte er aus seinem Appartement geräumt. Anfangs hatte er geglaubt, dass sie alles abholen würde. Vielleicht hatte ein kleiner Teil von ihm das sogar gehofft. Zu gern hätte er sie gefragt, warum sie ihm das angetan hatte. Aber es war Zeit, sie zu vergessen.

Plötzlich horchte Yannis auf. Träumte er, oder hatte er ihren Namen gehört? Marley Jameson – kein Zweifel, die Stimme im Fernseher nannte ihren Namen! Ruckartig drehte Yannis sich um. Ein Reporter berichtete aus dem örtlichen Krankenhaus. Dann wurden Aufnahmen einer Frau eingeblendet, die von Sanitätern aus einem heruntergekommenen Gebäude getragen wurde. Ungläubig lehnte Yannis sich vor. Es war Marley!

Er sprang auf und stellte den Ton lauter.

Offensichtlich war Marley entführt und heute von der Polizei gerettet worden. Es war noch nicht klar, wer sie entführt hatte und warum, aber sie war lange in Gefangenschaft gewesen. Angespannt wartete Yannis darauf, ob sein Name genannt wurde. Er hatte die Beziehung geheim gehalten. Er hatte immer streng darauf geachtet, dass keine privaten Informationen über ihn an die Öffentlichkeit gelangten. Und nachdem Marley ihn betrogen hatte, war er doppelt froh darüber gewesen. Sie hatte ihn blamiert, und sein einziger Trost bestand darin, dass es niemand wusste.

Die Kamera zeigte eine Nahaufnahme von Marleys Gesicht, sie sah blass und verängstigt aus. Yannis wurde übel. Genauso hatte sie in der Nacht ausgesehen, als er sie beschuldigt hatte: blass, schockiert und verletzt.

Und das war noch nicht alles. Zwar hatten die Kidnapper Marley sehr lange festgehalten, aber der Reporter ging davon aus, dass die Gefangenschaft dem Baby nicht geschadet habe. Schätzungen zufolge war Marley im vierten oder fünften Monat schwanger!

„Mein Gott!“, murmelte er, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Er stand auf, griff nach seinem Handy und verließ das Appartement. Als er aus dem Eingang des Hochhauses stürmte, fuhr die Limousine vor.

Noch aus dem Auto rief er in dem Krankenhaus an, in das Marley eingeliefert worden war.

„Körperlich geht es ihr den Umständen entsprechend gut“, informierte der Arzt ihn. „Aber ich mache mir Sorgen um ihren seelischen Zustand.“

Yannis fiel es schwer stillzusitzen. Als man ihm zunächst jegliche Auskunft verweigert hatte, hatte er sich kurzerhand als Marleys Verlobter ausgegeben. Dann hatte er sie in ein Einzelzimmer verlegen lassen und einen Spezialisten angefordert. „Sie ist also nicht verletzt?“

„Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte der Arzt. „Aber ihr Zustand ist nicht kritisch.“

„Sprechen Sie bitte Klartext.“

Prüfend sah der Arzt ihn an. „Miss Jameson hat ein schweres Trauma erlitten. Ich kann nicht genau sagen, wie schwer, da sie sich nicht an ihre Gefangenschaft erinnert.“

„Wie bitte?“ Yannis starrte den Arzt ungläubig an.

„Sie erinnert sich auch nicht an die Zeit vor der Entführung. Sie weiß ihren Namen, aber das ist auch schon alles. Ihr war nicht einmal bewusst, dass sie schwanger ist. Das war ein ziemlicher Schock für sie.“

Yannis fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sie erinnert sich an nichts? Gar nichts?“

Der Arzt schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nicht. Sie ist extrem verletzlich. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich nicht aufregt. Sie muss das Baby noch vier Monate austragen und sich von diesem schrecklichen Erlebnis erholen.“

Gereizt seufzte Yannis. „Natürlich werde ich sie schonen. Ich kann es nur kaum glauben, dass sie sich an nichts erinnert.“

Der Arzt blickte ihn an. „Die Gefangenschaft war sehr traumatisch. Ich nehme an, dass ihr Gehirn sich auf diese Art schützt. Es blockiert die Erinnerung so lange, bis sie stark genug ist, sich dem Ganzen zu stellen.“

„Wurde sie …“ Yannis brachte die Worte kaum über die Lippen, und doch musste er es wissen. „Haben sie ihr wehgetan?“

Der Gesichtsausdruck des Arztes wurde weich. „Ich habe keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass sie misshandelt wurde. Zumindest nicht körperlich. Erst wenn sie sich wieder erinnert, wissen wir genau, was passiert ist. Bis dahin müssen wir Geduld haben. Wie gesagt, sie ist sehr verwundbar, und wenn wir zu tief bohren, könnte es schlimme Folgen haben.“

Er fluchte leise. „Ich verstehe. Ich kümmere mich darum, dass sie gut versorgt wird. Kann ich sie jetzt sehen?“

Der Arzt zögerte. „Ja. Aber bitte erzählen Sie ihr nichts über die Entführung.“

Yannis musterte den Arzt ungläubig. „Ich soll sie anlügen?“

„Ich möchte nur nicht, dass sie sich aufregt. Sie können ihr gern Details aus ihrem Leben erzählen. Was sie gern gemacht hat, wie sie sich kennengelernt haben. Alltägliche Sachen eben. Der Psychiater war der Meinung, wir sollten sie vorerst nicht mit der Wahrheit belasten. Wir wissen sowieso sehr wenig, also wäre es unklug, sie zu verwirren. Sie braucht Ruhe!“

Widerwillig nickte Yannis. Der Arzt hatte recht, und doch musste er unbedingt wissen, was mit Marley geschehen war. Aber um sie und das Baby nicht zu gefährden, würde er warten. Er sah auf die Uhr. Die Polizei erwartete ihn, aber zuerst wollte er zu Marley.

Der Arzt nickte. „Die Schwester wird Sie hinaufbringen.“

Marley fühlte sich wie hinter einem dichten Nebelschleier. Sie wollte das Bewusstsein nicht erlangen, sehnte sich nach der Dunkelheit, dem Vergessen.

Ihr ganzes Leben erschien ihr wie ein großes schwarzes Loch. Das Einzige, was ihr durch den Kopf geisterte, war ihr Name. Marley.

Sie suchte nach Antworten auf die Fragen, die über sie hereinbrachen, wenn sie wach war. Die Antworten schienen so nah zu sein, entflohen ihr jedoch jedes Mal, wenn sie danach zu greifen versuchte. Marley drehte sich zur Seite und bemühte sich, wieder einzuschlafen, als eine Hand nach ihrem Arm griff.

Panisch zog sie den Arm weg.

„Du darfst nicht wieder einschlafen, meine Kleine. Noch nicht.“

Die Stimme des Mannes war wie ein sanftes Streicheln. Vorsichtig drehte sie den Kopf und sah den Fremden an. War er überhaupt ein Fremder, oder kannte sie ihn? War er vielleicht der Vater des Kindes, das sie unter dem Herzen trug?

Instinktiv legte sie sich die Hand auf den Bauch, während sie den Besucher musterte. Er sah wirklich beeindruckend aus, war groß, schlank und hatte bernsteinfarbene Augen. Er war eindeutig kein Amerikaner. Sie sollte ihn fragen, wer er war und warum er hier war. Der Gedanke brachte sie fast zum Lachen.

„Unserem Baby geht es gut“, sagte er, als sie die Hand beschützend auf ihren Bauch legte.

Marley erstarrte. Behauptete er, der Vater des Kindes zu sein? Dann müsste sie ihn doch kennen! Fieberhaft suchte sie nach irgendetwas, das ihr bekannt vorkam. „Wer sind Sie?“, brachte sie schließlich heraus.

Ein Schatten glitt über seine Züge, doch er fing sich schnell wieder. Sie versuchte, sich in seine Lage zu versetzen. Wie würde ich mich fühlen, wenn der Vater meines Babys sich auf einmal nicht mehr an mich erinnert?

Der Mann zog einen Stuhl ans Bett und setzte sich. Wieder nahm er ihre Hand, und diesmal ließ Marley ihn gewähren. „Ich bin Yannis Anetakis. Dein Verlobter.“

Marley versuchte in seinem Gesicht die Wahrheit zu lesen. Ruhig erwiderte er ihren Blick, ohne eine Spur von Gefühlen zu zeigen. „Es tut mir leid“, sagte sie. Ihr versagte die Stimme, und sie schluckte schwer. „Ich kann mich nicht erinnern …“

„Ich weiß, ich habe mit den Ärzten gesprochen. Es ist jetzt nicht wichtig, woran du dich erinnerst. Hauptsache, du ruhst dich aus und wirst schnell wieder gesund, sodass ich dich mit nach Hause nehmen kann.“

Panik stieg in ihr auf. Nervös befeuchtete Marley sich die Lippen. „Nach Hause?“

Er nickte. „Ja, nach Hause.“

„Wo ist das?“ Es war schrecklich, dass sie das fragen musste. Genauso schrecklich wie hier zu liegen und sich mit einem völlig Fremden zu unterhalten. Abgesehen davon, dass er das anscheinend nicht war, ein Fremder. Offensichtlich hatte sie mit ihm geschlafen, aller Wahrscheinlichkeit nach war sie in ihn verliebt. Sie waren schließlich verlobt, und sie war schwanger.

„Du bemühst dich zu sehr, meine Kleine“, sagte er sanft. „Es strengt dich zu sehr an. Du darfst nichts überstürzen. Der Arzt hat gesagt, dass deine Erinnerungen früher oder später zurückkommen.“

„Bist du sicher? Was, wenn nicht?“ Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Marley konnte kaum atmen.

Yannis streckte eine Hand aus und streichelte ihr Gesicht. „Beruhige dich, Marley. Es ist nicht gut für das Baby, wenn du dich aufregst.“

Es war seltsam, ihren Namen aus seinem Mund zu hören. Es fühlte sich an, als spräche er von einer Fremden, obwohl sie sich an ihren Namen erinnerte … Vielleicht hatte sie im Stillen befürchtet, dass es gar nicht ihr Name war.

„Kannst du mir etwas über mich erzählen? Irgendetwas?“ Noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr bewusst, wie verzweifelt sie sich anhörte, beinah flehend. Tränen brannten ihr in den Augen.

„Wir haben später noch genug Zeit zum Reden“, erwiderte er tröstend und strich ihr über die Stirn. „Ruh dich jetzt aus. Ich bereite zu Hause alles für dich vor.“

Bereits zum zweiten Mal erwähnte er ihr Zuhause. Ihr fiel auf, dass er noch immer nicht gesagt hatte, wo das war. „Wo ist unser Zuhause?“, fragte sie erneut.

Für einen kurzen Moment presste er die Lippen aufeinander, dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck. „Unser Zuhause ist hier in der Stadt. Ich bin geschäftlich viel unterwegs, aber wir hatten hier ein gemeinsames Appartement. Ich möchte dich gern mit auf meine Insel nehmen, sobald es dir besser geht.“

Marley sah ihn prüfend an. Seine Worte klangen seltsam, so unbeteiligt. Es lagen keine Gefühle darin, keine Freude.

Er schien zu spüren, dass sie noch mehr fragen wollte, und küsste sie schnell auf die Stirn. „Ruh dich aus, meine Kleine. Ich muss einiges vorbereiten. Der Arzt sagt, du kannst in ein paar Tagen entlassen werden, wenn alles gut geht.“

Erschöpft schloss sie die Augen und nickte. Als er die Tür hinter sich schloss, öffnete sie sie wieder. Tränen liefen ihr über das Gesicht.

Sie sollte froh sein, dass sie nicht allein war. Der Besuch von Yannis Anetakis hatte sie jedoch nicht beruhigt. Im Gegenteil, sie war noch aufgewühlter als zuvor und wusste nicht einmal, warum. Marley zog die dünne Decke enger um ihren Körper und schloss die Augen. Der Schlaf würde ihr zumindest ein wenig Seelenfrieden bringen.

Als sie wieder aufwachte, stand eine Krankenschwester an ihrem Bett und überprüfte den Blutdruck.

„Oh, gut, Sie sind wach“, sagte die Schwester fröhlich. „Ich habe das Abendessen mitgebracht. Haben Sie Hunger?“

Marley schüttelte den Kopf. Der Gedanke ans Essen bereitete ihr Übelkeit.

„Lassen Sie das Tablett einfach hier. Ich kümmere mich darum, dass sie etwas isst.“

Überrascht blickte Marley auf und sah Yannis hinter der Krankenschwester stehen.

Die Krankenschwester tätschelte Marleys Arm. „Sie können froh sein, dass Sie so einen liebevollen Verlobten haben“, sagte sie und wandte sich zum Gehen.

„Ja, so ein Glück“, murmelte Marley und fragte sich, warum ihr nach Weinen zumute war.

Yannis zog sich einen Stuhl ans Bett und stellte das Tablett vor sie auf den Klapptisch. „Du solltest etwas essen.“

Nervös sah sie ihn an. „Ich habe keinen Appetit.“

„Verunsichert es dich, wenn ich da bin?“, fragte er.

„Ich …“ Sie wollte widersprechen, aber sie konnte es nicht leugnen. Wie sollte sie diesem Mann sagen, dass er sie tatsächlich einschüchterte? Schließlich war er jemand, den sie liebte. Mit dem sie geschlafen hatte. Sie spürte, wie ihr beim Gedanken daran das Blut in die Wangen schoss.

„Woran denkst du?“ Er nahm ihre Hand und streichelte sie.

Sie wandte das Gesicht ab, um seinem prüfenden Blick zu entgehen. „Nichts.“

„Du hast Angst, das ist verständlich.“

Erneut blickte sie ihn an. „Ärgert es dich nicht, dass ich vor dir Angst habe? Um ehrlich zu sein, bin ich in Panik. Ich erinnere mich weder an dich noch an irgendetwas anderes in meinem Leben. Ich bin mit deinem Kind schwanger und kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wie das passiert ist!“ Schützend zog sie die Decke hoch.

Yannis presste die Lippen aufeinander. War er doch wütend? Überspielte er es bloß, um sie nicht zu verunsichern?

„Es ist so, wie du sagst. Du erinnerst dich nicht an mich, also bin ich ein Fremder für dich. Es liegt jetzt an mir, dein … Vertrauen zu erringen.“ Seine Miene blieb unbewegt.

„Yannis …“ Versuchshalber sagte sie seinen Namen, sprach ihn sacht aus. Es fühlte sich nicht fremd an, rief aber auch keine Erinnerung in ihr wach. Es war wirklich frustrierend.

„Ja, meine Kleine?“

Sie blinzelte. „Was ist mit mir passiert? Wie bin ich hierhergekommen? Wie habe ich mein Gedächtnis verloren?“

Wieder nahm er ihre Hand, und diesmal empfand sie die Geste als tröstlich. Er beugte sich vor und berührte wieder ihre Wange. „Du darfst nichts überstürzen. Im Moment ist es das Wichtigste für dich und unser Kind, dass du es langsam angehst. Nach und nach wird alles zurückkommen.“

Marley seufzte. Von ihm würde sie nichts erfahren.

„Ruh dich jetzt aus.“ Er stand auf und küsste sie flüchtig auf die Stirn. „Bald kommst du hier raus.“

Seine Worte waren beruhigend gemeint. Aber sie empfand nur noch mehr Verwirrung und Unsicherheit. Die Angst drohte sie zu ersticken. Marley brach der kalte Schweiß aus, und ihr wurde übel.

Yannis sah sie scharf an und drückte schnell den Notrufknopf.

Eine Sekunde später eilte die Krankenschwester herein. Schnell prüfte sie die Temperatur und verabreichte Marley eine Injektion. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Sie sind jetzt in Sicherheit.“

Aber ihre Worte konnten Marley nicht die Furcht nehmen. Wie auch, wenn sie bald in ein unbekanntes Leben mit einem unbekannten Mann gestoßen wurde!

Yannis stand neben dem Bett und blickte besorgt auf sie herab. Noch immer hielt er ihre Hand.

Langsam entfalteten die Medikamente ihre Wirkung, und Marley spürte, wie sie müde wurde. Das Letzte, was sie hörte, waren seine Worte: „Schlaf jetzt, meine Kleine. Ich passe auf dich auf.“

Seltsamerweise tröstete sein leises Versprechen sie.

Yannis beobachtete, wie sie schlief. Obwohl ihre Brust sich ruhig hob und senkte, runzelte Marley selbst im Schlaf die Stirn.

Sanft strich er mit den Fingern über ihr blasses Gesicht.

Marley sah bezaubernd aus wie immer, sogar in ihrem schwachen Zustand. Die schwarzen Locken schimmerten auf dem Kissen. Zärtlich strich Yannis ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihr Haar war jetzt länger als früher. Wenn sie lachte, hatte es immer um ihr Gesicht gewogt.

Die Haut hatte ihren gesunden Glanz verloren. Auch Marleys Augen wirkten stumpf und verängstigt, aber Yannis erinnerte sich gut an das leuchtende Blau. Wie bezaubernd sie aussah, wenn sie glücklich war.

Er fluchte in sich hinein. Nichts davon war echt gewesen. Sie war nie glücklich gewesen, zumindest nicht wirklich. Anscheinend hatte er sie nicht glücklich machen können. Die ganze Zeit über hatte sie ihn hintergangen, ihn belogen, ihn und seine Brüder bestohlen.

Er hatte sie nie in dieselbe Kategorie gesteckt wie andere Frauen. Sie schien nicht hinter seinem Geld her zu sein. Zumindest hatte er das geglaubt. Aber am Ende war es doch wieder darauf hinausgelaufen. Er kannte es von Frauen nicht anders.

Und doch begehrte er sie. Er spürte Marley noch immer in seinem Körper, wie eine Sucht, die er nicht loswurde. Grimmig schüttelte er den Kopf. Marley trug sein Kind im Bauch, und das hatte Vorrang. Ob sie nun wollten oder nicht, das Kind brachte sie wieder zusammen. Aber er musste das nicht automatisch gutheißen. Er würde sie beschützen und ihr körperliche Nähe geben, aber nicht mehr.

Yannis wollte alles tun, damit es Marley und dem Baby gut ging. Aber er schwor sich, ihr nie mehr zu vertrauen. Ihm gefiel die Vorstellung, das Bett mit ihr zu teilen. Aber mehr würde aus dieser Beziehung nicht werden.

Zwei Tage später saß Marley in einem Rollstuhl, die Finger um die Decke auf ihrem Schoß gekrallt. Yannis stand neben ihr und lauschte den Anweisungen der Krankenschwester. Marley strich die Falten ihrer Umstandsbluse über dem Bauch glatt. Alle waren außerordentlich nett zu ihr gewesen, und sie fürchtete sich davor, in eine ungewisse Zukunft entlassen zu werden.

Yannis schob den Rollstuhl zum Ausgang, und Marley blinzelte vorsichtig in das helle Sonnenlicht. Wenige Meter entfernt parkte eine elegante Limousine. Schnurstracks ging Yannis darauf zu, hob Marley mühelos aus dem Rollstuhl und setzte sie auf die Rückbank. Nur Sekunden später rollten sie los.

Marley starrte benommen aus dem Fenster, während der Fahrer sich durch den dichten New Yorker Verkehr schlängelte. Die Stadt erschien ihr vertraut, aber es fühlte sich nicht wie ihr Zuhause an. Hatte Yannis nicht gesagt, dass sie hier wohnten?

Nach einer Weile hielten sie vor einem modernen Hochhaus. Er sprang aus dem Auto und half ihr beim Aussteigen. Marley machte die ersten wackeligen Schritte auf dem Bürgersteig. Gemeinsam mit Yannis betrat sie das Gebäude.

Ein heftiges Déjà-vu-Gefühl durchströmte sie, als sich die Türen des Fahrstuhls öffneten. Etwas rührte sich in ihrem Gedächtnis, und Marley versuchte, die Nebelschleier zu lichten.

„Was ist los?“, fragte Yannis besorgt.

„Ich bin schon einmal hier gewesen“, murmelte sie.

„Erinnerst du dich?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Aber es kommt mir … bekannt vor. Ich weiß, dass ich schon einmal hier war.“

Er griff ihren Arm ein wenig fester. „Wir haben hier viele Monate lang gewohnt. Es muss dir bekannt vorkommen.“

Als sie das oberste Stockwerk erreichten, trat Yannis aus dem Fahrstuhl. Marley stutzte. Seine Formulierung war seltsam. Hatten sie denn nicht bis vor Kurzem hier gewohnt? Bevor sie den Unfall hatte?

Er blieb stehen und streckte ihr die Hand entgegen. „Komm, Marley, wir sind zu Hause.“

Sie ließ sich von ihm in das großzügige Foyer geleiten. Zu ihrer Überraschung wartete im Wohnzimmer eine Frau, um sie zu begrüßen. Marley zögerte, als die große Blondine eine Hand auf Yannis’ Arm legte und lächelte.

„Willkommen zu Hause, Mr. Anetakis. Ich habe alle Papiere, die unterzeichnet werden müssen, auf den Schreibtisch gelegt. Außerdem war ich so frei, das Abendessen für Sie zu bestellen.“ Sie warf Marley einen abschätzigen Blick zu. „Ihnen ist sicher nicht nach Ausgehen zumute nach der Anstrengung der letzten Tage.“

Marley runzelte die Stirn. So wie diese Frau es formulierte, klang es, als wäre Yannis zu bedauern und nicht Marley.

„Danke, Roslyn“, sagte er. „Machen Sie sich keine Umstände.“ Dann wandte er sich an Marley und zog sie zu sich. „Marley, das ist Roslyn Chambers, meine persönliche Assistentin.“

Marley lächelte schwach.

„Es freut mich, Sie wiederzusehen, Miss Jameson“, sagte Roslyn übertrieben freundlich. „Es ist eine Ewigkeit her, seit wir uns gesehen haben. Sicherlich Monate.“

„Roslyn!“, sagte Yannis warnend.

Irritiert blickte Marley zwischen beiden hin und her. Diese Frau fühlte sich in der Wohnung offenkundig wie zu Hause, und trotzdem hatte sie Marley seit Monaten nicht gesehen? Das einzig Eindeutige an dieser Situation war der besitzergreifende Blick, den sie Yannis zuwarf.

„Ich lasse Sie jetzt allein“, sagte Roslyn und lächelte gnädig. „Sie haben sicher eine Menge nachzuholen.“ Sie drehte sich zu Yannis um und legte erneut eine Hand auf seinen Arm. „Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas brauchen. Ich komme jederzeit gern.“

„Vielen Dank“, murmelte er.

Lautstark stöckelte die Blondine zum Fahrstuhl. Noch als die Türen zuglitten, lächelte sie Yannis an. Marley hatte plötzlich einen trockenen Mund. Steif stand Yannis neben ihr. Es schien, als erwartete er eine Reaktion, aber Marley beherrschte sich. Später hatte sie noch genug Zeit, ihm all die Fragen zu stellen, die ihr durch den Kopf gingen.

„Komm mit, du solltest dich hinlegen“, sagte Yannis und legte einen Arm um sie.

„Ich habe genug im Bett gelegen!“, entgegnete sie entschieden.

„Dann mach es dir auf dem Sofa gemütlich. Ich bring dir etwas zu essen.“

Essen, schlafen, wieder essen. Dies schien das Einzige zu sein, worum Yannis bemüht war. Sie seufzte und ließ sich von ihm ins Wohnzimmer begleiten. Er dirigierte sie auf die Ledercouch und legte ihr eine Decke über.

Marley verstand nicht, warum er so steif wirkte. Lag es wirklich nur daran, dass sie sich nicht an ihn erinnern konnte? Yannis ging hinaus und kam kurz darauf mit einer Schüssel dampfender Suppe zurück. Er stellte den Teller auf den Couchtisch, aber das Essen lockte Marley nicht. Sie war einfach zu unruhig.

Yannis setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl, doch schon nach ein paar Minuten sprang er wieder auf und tigerte im Wohnzimmer auf und ab. Nervös zerrte er an seinem Krawattenknoten und krempelte die Ärmel des Seidenhemds nach oben.

„Deine Assistentin … Roslyn … hat doch Arbeit für dich hiergelassen.“

Er drehte sich zu ihr um und zog die Augenbrauen hoch. „Die Arbeit kann warten.“

Sie seufzte. „Willst du mir etwa beim Schlafen zusehen? Mir geht es gut, Yannis! Du kannst nicht jede Minute des Tages bei mir sein. Wenn es Dinge gibt, um die du dich kümmern musst, dann tu es bitte!“

Trotz ihrer Bitte wirkte er unentschlossen. „Ich muss tatsächlich noch einiges erledigen, bevor wir New York verlassen.“

Bei seinen Worten stieg Panik in Marley auf. Sie schluckte und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Wir reisen ab?“

Er nickte. „Ich wollte dir ein paar Tage Zeit geben, dich zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen. Mein Privatjet wird uns dann nach Griechenland fliegen, von dort nehmen wir den Hubschrauber zur Insel. Meine Angestellten sind gerade dabei, alles für uns vorzubereiten.“

Unsicher blickte Marley ihn an. „Wie reich bist du eigentlich?“

Die Frage schien ihn zu überraschen. „Meine Familie besitzt eine Hotelkette.“

Der Name Anetakis kam ihr bekannt vor. Bilder des opulenten Hotels in der Innenstadt tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Stars, Adelige und einige der reichsten Menschen der Welt nächtigten im Imperial Park. Er war doch wohl nicht der Anetakis, oder?

Marley wurde blass und ballte die Finger zur Faust, um das Zittern zu unterdrücken. Er entstammte offensichtlich dem reichsten Hotelimperium der Welt. „Wie … wie, um alles in der Welt, haben du und ich …“ Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Stammte sie vielleicht auch aus einer reichen Familie?

Mit einem Mal fühlte Marley sich müde. Mit den Fingerspitzen massierte sie ihre Schläfen. Mit schnellen Schritten trat Yannis zu ihr, hob sie hoch und trug sie hinüber ins Schlafzimmer. Behutsam legte er sie auf das Bett. „Ruh dich jetzt aus, meine Kleine.“

Marley nickte schwach und rollte sich zusammen. Erschöpft schloss sie die Augen. Es kostete unendlich viel Kraft, nach den verlorenen Erinnerungen zu forschen.

Yannis ließ sich in einen Stuhl fallen und blätterte zerstreut die Telefonnachrichten durch. Seine beiden Brüder Theron und Periklis hatten jeweils eine Nachricht hinterlassen.

Er wusste, dass er die Anrufe nicht allzu lange aufschieben konnte. Sicherlich hatten sie seine Nachricht inzwischen bekommen und wollten wissen, was passiert war. Wie sollte er ihnen diesen Schlamassel nur erklären? Sie würden es nicht verstehen, dass er die Frau, die seine Firma hintergangen hatte, mit nach Griechenland nahm.

Yannis verzog das Gesicht und nahm den Hörer ab. Schnell wählte er Therons Nummer.

Griechisches Stimmengemurmel war im Hintergrund zu hören, als sein Bruder abnahm. „Wie ist die Grundsteinlegung gelaufen?“, fragte Yannis ohne Begrüßung.

„Yannis, endlich!“, erwiderte Theron kühl. „Ich dachte schon, ich muss nach New York fliegen und die Informationen aus dir herausprügeln.“

Yannis seufzte.

„Bleib dran, ich hole Periklis an den Apparat. Er ist genauso interessiert an deinen Erklärungen wie ich.“

„Seit wann muss ich meinen jüngeren Brüdern Rede und Antwort stehen?“, murmelte Yannis.

Theron lachte, kurz darauf war die Stimme von Periklis zu hören. Er kam direkt zur Sache. „Was, zur Hölle, ist los bei dir? Ich habe deine Nachricht bekommen. Da du nie in London aufgetaucht bist, nehme ich an, dass du in New York beschäftigt bist.“

Yannis massierte sich die Nasenwurzel und schloss die Augen. „Es scheint so, als würdet ihr Onkels werden.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte Totenstille.

„Bist du sicher, dass das Kind von dir ist?“, fragte Theron schließlich.

Er verzog das Gesicht. „Sie ist im fünften Monat, und vor fünf Monaten war ich der einzige Mann in ihrem Bett. Das weiß ich genau!“

„So genau, wie du gewusst hast, dass sie dich beklaut?“, entgegnete Periklis.

„Halt die Klappe, Periklis!“, hörte er Theron im Hintergrund. „Die Frage ist, was tust du jetzt? Offensichtlich kann man ihr nicht trauen. Was sagt sie selbst dazu?“

Yannis’ Kopfschmerzen wurden schlimmer. „Das ist ja das Problem“, murmelte er. „Sie kann sich an nichts erinnern.“

Beide Brüder stießen ungläubig die Luft aus. „Das ist ja praktisch für sie, findest du nicht?“, warf Periklis ein.

„Sie führt dich an der Nase herum!“, sagte Theron angewidert.

„Ich wollte es auch erst nicht glauben“, gab Yannis zu. „Aber ich habe sie gesehen. Sie ist hier … in unserem – in meinem Appartement. Sie leidet wirklich unter einem Gedächtnisverlust.“ Marley konnte die Verletzlichkeit unmöglich nur vortäuschen, die Hilflosigkeit und den Schmerz in ihren sonst so lebendigen blauen Augen.

Periklis räusperte sich vernehmlich.

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte er.

Yannis wappnete sich gegen die zu erwartenden Einwände. „Wir fliegen auf die Insel, sobald es ihr besser geht. Dort wird sie sich schneller erholen, und wir stehen nicht mehr so in der Öffentlichkeit.“

„Kannst du sie nicht irgendwo unterbringen, bis das Baby da ist, und sie dann abschießen?“, verlangte Periklis. „Wir haben ihretwegen zwei Geschäftsabschlüsse im mehrstelligen Millionenbereich verloren, und unsere Entwürfe tauchen unter dem Namen der Konkurrenz wieder auf!“

Yannis spürte, dass sein Bruder eine Sache unausgesprochen ließ: Sie hatten die Geschäfte verloren, weil Yannis sich von einer Frau hatte um den Finger wickeln lassen. Daher trug er ebenso viel Schuld daran wie Marley. Er hatte seine Brüder furchtbar enttäuscht und alles aufs Spiel gesetzt, was sie sich in den letzten Jahren erarbeitet hatten.

„Ich kann sie im Moment nicht allein lassen“, begann Yannis vorsichtig. „Sie hat keine Familie. Niemand kümmert sich um sie. Es ist mein Kind, und was das betrifft, werde ich alles tun, damit das Baby gesund und sicher zur Welt kommt. Der Arzt meint, dass ihr Gedächtnisverlust nur vorübergehend ist. Eine Reaktion auf das Trauma, das sie erlitten hat.“

„Was sagt die Polizei zur Entführung?“, fragte Periklis. „Weißt du inzwischen, warum sie entführt wurde und von wem?“

„Ich habe nur ganz kurz mit den Behörden gesprochen. Morgen treffe ich den Detective, der für die Ermittlungen zuständig ist“, antwortete Yannis düster. „Hoffentlich weiß ich dann mehr. Ich werde ihm sagen, dass ich sie außer Landes bringe. Ich muss an ihre Sicherheit denken und an die des Babys.“

„Anscheinend hast du dich bereits entschieden“, antwortete Theron leise.

„Ja.“

Periklis wollte protestieren, aber Theron unterbrach ihn. „Tu, was du tun musst, Yannis. Periklis und ich kümmern uns um alles. Und übrigens – ich gratuliere dir dazu, dass du Vater wirst.“

„Danke“, murmelte Yannis und legte auf.

Nach dem Gespräch fühlte er sich kein bisschen besser. Im Gegenteil, es zeigte ihm umso deutlicher, wie verfahren die Situation war. Er zweifelte nicht daran, dass sich Marley weder an ihn erinnerte noch daran, dass sie ihn bestohlen hatte.

Aber er hatte keine andere Wahl, er musste bei ihr bleiben und sicherstellen, dass es ihr gut ging. Etwas anderes kam nicht infrage. Er würde sogar jemanden einstellen, der bei ihr blieb, wenn er wegmusste. So konnte er ihre Fortschritte beobachten. Seine Wut über ihren Verrat musste er einfach herunterschlucken.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen saß Marley mit Yannis am Frühstückstisch. Zufrieden beobachtete er, wie sie das Omelett aufaß, das er für sie zubereitet hatte. Das Glas Saft folgte hinterher.

Trotz ihrer Unsicherheit genoss Marley es, von diesem Mann umsorgt zu werden. Sie war noch nicht ganz sicher, welche Rolle sie in seinem Leben spielte. Er schien wirklich besorgt zu sein, blieb jedoch immer auf Distanz. Marley wusste nicht, ob er Rücksicht auf sie nahm oder ob ihre Beziehung immer so gewesen war.

Gedankenverloren biss sie sich auf die Unterlippe. Es wäre schlimm, wenn es immer so wäre. Sie wollte niemanden heiraten, der sie so höflich behandelte wie eine Fremde!

Und doch war es ja genau so. Sie waren Fremde, zumindest er für sie. Es musste schlimm für Yannis sein. Die Frau, die er liebte und heiraten wollte, hatte ihn einfach vergessen. Als hätte er niemals existiert.

Yannis ließ Marley nicht aus den Augen. Wahrscheinlich war ihr das Unbehagen deutlich anzusehen. Schweigend räumte er die Teller ab und brachte Marley zur Couch im Wohnzimmer. Dann setzte er sich neben sie.

„Was belastet dich?“, fragte er und sah ihr direkt in die Augen.

Sein Blick verschlug ihr fast den Atem.

„Ich habe darüber nachgedacht, wie furchtbar das alles für dich sein muss.“

Yannis wirkte überrascht, als hätte er mit dieser Bemerkung nicht im Traum gerechnet.

„Was meinst du damit?“

Unsicher senkte Marley den Blick. Er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn ein Stück an.

„Wie kommst du darauf?“

Es war albern. Er war ein Mann, der alles haben konnte und es sicher auch bekam: Macht, Reichtum, Respekt. Und sie glaubte allen Ernstes, es mache ihm etwas aus, dass sie ihn nicht mehr erkannte.

„Ich versuche mich in deine Lage zu versetzen“, sagte sie. „Wie es sich anfühlt, wenn jemand, den du liebst, dich einfach vergisst.“ Sanft strich er mit dem Daumen über ihre Lippen, und Gänsehaut überlief sie. „Ich würde mich … zurückgewiesen fühlen.“

„Du machst dir Sorgen, dass ich mich zurückgewiesen fühle?“ Amüsiert blickte er sie an, ein leises Lächeln in den Augen.

„Ist es nicht so?“, fragte sie. Und spielte es überhaupt eine Rolle? Diese ständige Unsicherheit! Sie konnte sich nicht an diesen Mann erinnern und wusste nicht, was sie ihm bedeutete.

Yannis blickte sie unverwandt an, und Marley spürte, wie sie rot wurde.

„Du kannst nichts dafür, Marley. Ich mache dir keine Vorwürfe, und ich bin auch nicht wütend auf dich. Das wäre wirklich kleinlich.“

Nein, er war sicher nicht kleinlich. Gefährlich, Furcht einflößend, das ja. Aber nicht kleinlich. Hatte sie Angst vor ihm? Sie schauderte. Nein, es war nicht er, sondern der Gedanke, dass sie mit einem Mann wie ihm intim gewesen war und sich nicht daran erinnerte. Es musste doch schwer sein, so etwas zu vergessen.

„Was ist mit mir passiert, Yannis?“ Sie hörte selbst, dass ihre Stimme verzweifelt klang.

Yannis seufzte. „Du hattest … einen Unfall, meine Kleine. Der Arzt hat mir versichert, dass der Gedächtnisverlust nur vorübergehend ist. Aber du musst dich unbedingt schonen.“

„War es ein Autounfall?“ Prüfend blickte sie an sich hinunter, doch sie konnte keinerlei Verletzungen entdecken. Keine blauen Flecken, nichts. Auch Schmerzen verspürte sie nicht. Das alles ergab keinen Sinn.

Yannis zögerte fast unmerklich. „Ja.“

„War es schlimm?“ Sie hob eine Hand an den Kopf und tastete ihn ab.

Behutsam nahm er ihre Hand und legte sie zurück in den Schoß, ohne sie loszulassen. „Nein, nichts Schlimmes.“

„Aber warum habe ich dann mein Gedächtnis verloren? Hatte ich eine Gehirnerschütterung?“

„Nein, du hattest keine Kopfverletzung.“

Überrascht sah sie ihn an. „Was dann?“

„Der Arzt hat gesagt, dass dein Gehirn das Trauma verarbeitet. Es ist eine Art Schutzmechanismus, der dich vor schmerzhaften Erinnerungen bewahrt.“

Marley hob erstaunt die Augenbrauen. Mit Gewalt versuchte sie, die Dunkelheit in ihrem Kopf zu durchdringen. Da musste doch etwas sein, wenigstens ein Funken der Erinnerung.

„Mir ist nichts passiert“, sagte sie ungläubig.

„Und darüber bin ich sehr froh“, erwiderte Yannis. „Du musst trotzdem große Angst gehabt haben.“

Ein schrecklicher Gedanke durchzuckte sie. „Wurde jemand anderes verletzt?“

Wieder wandte er den Blick kurz ab. Dann führte er ihre Hand an die Lippen. „Nein, niemand.“

Erleichtert sank sie zurück. „Ich möchte mich so gern erinnern. Die ganze Zeit hoffe ich, wenn ich mich nur anstrenge, kommt alles zurück. Aber beim Gedanken an die Vergangenheit bekomme ich sofort Kopfschmerzen.“

Yannis runzelte die Stirn. „Genau deshalb möchte ich nicht mit dir über den Unfall sprechen. Der Arzt hat mich gewarnt. Du musst dich darauf konzentrieren, gesund zu werden.“ Er legte die freie Hand beschützend auf ihren Bauch. „Es tut dem Baby nicht gut, wenn du dich aufregst. Du hast sowieso schon zu viel durchgemacht.“

Sie berührte sanft seine Hand, die noch auf ihrem Bauch lag. Unter seinen Fingern bewegte sich das Baby. Erschrocken zog er die Hand weg.

Marley beobachtete ihn neugierig. Mit zitternden Fingern legte er die Hand wieder auf ihren Bauch, und das Kind bewegte sich darunter.

„Das ist unglaublich“, flüsterte er.

Er sah so verdutzt aus, dass sie lächeln musste. Doch im nächsten Moment hielt sie inne. Er verhielt sich fast so, als hätte er die Tritte des Babys noch nie zuvor gespürt.

„Du hast das doch bestimmt schon vorher gespürt, Yannis.“

Behutsam betastete er ihren Bauch. Es dauerte lange, bevor er antwortete. „Ich war viel unterwegs, auf Geschäftsreise“, sagte er. Sein Unbehagen war deutlich zu spüren. „Ich war gerade erst zurück, als ich von dem Unfall erfuhr. Es ist schon … eine Weile her, seit wir uns zuletzt gesehen haben.“

Sie atmete erleichtert auf. Wenn sie eine Zeit lang getrennt waren, dann erklärte das eine Menge.

„Du hast dir sicher ein anderes Wiedersehen erhofft“, sagte sie kläglich. „Als du weggefahren bist, hattest du eine schwangere Verlobte, die dich heiraten wollte. Jetzt stehst du einer Fremden gegenüber.“

Suchend blickte Marley auf ihre Hände, doch sie trug keinen Ring. Sie runzelte die Stirn und verscheuchte das schlechte Gefühl.

„Ich war einfach nur froh, dass dir und dem Baby nichts passiert ist“, sagte er schlicht. Dann rutschte er ein Stück von ihr ab. Immer wieder kehrte sein Blick zu ihrem Bauch zurück, als wäre er fasziniert von dem winzigen Lebewesen, das sich dort bewegte.

Plötzlich ertönte die Klingel, und Yannis drückte die Gegensprechanlage. Marley versuchte, die Stimme zu erkennen, aber ohne Erfolg.

„Das ist die Krankenschwester, die ich für dich engagiert habe. Ich habe in einer Stunde eine wichtige Besprechung, die ich nicht absagen kann“, erklärte er.

Ihre Augen weiteten sich erstaunt. „Aber Yannis, ich brauche keine Hilfe. Ich komme sehr gut allein zurecht.“

Er drückte ihre Hand fester. „Mach dich ruhig lustig über mich, meine Kleine. Aber es geht mir besser, wenn ich dich in guten Händen weiß. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du vielleicht etwas brauchst, während ich weg bin.“

Marley musste über seine Beharrlichkeit lächeln. „Wie lange bist du weg?“

Yannis stand auf, als die Türen des Aufzugs sich öffneten. „Sie ist da. Ich komme gleich zurück.“

Marley lehnte sich zurück und wartete. Er übertrieb es ein bisschen mit seiner Aufmerksamkeit, aber sie fand es doch liebenswert.

Kurz darauf kam er in Begleitung einer älteren Dame zurück. Die Frau blieb vor dem Sofa stehen und lächelte Marley freundlich an.

„Sie müssen Marley sein. Es freut mich, Sie kennenzulernen! Ich bin Mrs. Cahill, aber bitte nennen Sie mich Patrice.“

Marley erwiderte das Lächeln der älteren Frau.

„Mr. Anetakis hat mir seine Wünsche mitgeteilt, und ich werde mein Bestes tun, mich gut um Sie zu kümmern.“

Mit einem schnellen Blick auf Yannis bemerkte Marley: „Oh, das hat er bestimmt. Darf ich fragen, welche Wünsche das waren?“

Übertrieben auffällig sah Yannis auf die Uhr. „Sie lauten, dass du dich ausruhen sollst. Es tut mir leid, aber ich muss jetzt los. Ich bin rechtzeitig zum Abendessen zurück.“

„Das wäre schön“, erwiderte sie.

Er beugte sich zu ihr hinunter und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. Dann ging er hinaus.

Nur mit Mühe löste Marley den Blick von ihm und wandte sich an Patrice. „Mir geht es schon recht gut“, erklärte sie. „Yannis tut gerade so, als sei ich ein Invalide.“

Patrice lächelte und zwinkerte ihr zu. „Er ist ein Mann. So sind sie eben! Trotzdem kann es nicht schaden, wenn Sie sich ausruhen. Ich mache Ihr Bett, und wenn Sie aufwachen, wartet eine Tasse Tee auf Sie.“

Mit diesen Worten bugsierte Patrice sie bereits Richtung Schlafzimmer, steckte sie ohne Umschweife ins Bett und zog die Laken zurecht.

„Sie sind ziemlich gut“, sagte Marley schwach.

Patrice lächelte. „In meinem Job muss ich die Patienten dazu kriegen, zu tun, was sie nicht möchten. Jetzt schlafen Sie, damit Ihr Mann mit uns beiden zufrieden ist, wenn er zurückkommt.“

Marley hörte, wie Patrice sich mit leisen Schritten entfernte. In ihrem Bauch drehte sich das Baby, und sie legte eine Hand darauf. Die Bewegungen des Kindes vertrieben das Unbehagen. Trotz der Amnesie gab es eine Zukunft, auf die sie sich freuen konnte. Eine Hochzeit und ein Kind. Wenn sie sich nur daran erinnern könnte, wie es dazu gekommen war.

Seufzend kehrte sie in das Hier und Jetzt zurück. Ihre Erinnerungen würden sicher wiederkehren und die Lücken schließen.

Über diesem Gedanken döste Marley ein. Als sie aufwachte, war bereits eine Stunde vergangen. Sie fühlte sich ausgeruht und wollte aufstehen. Das ständige Liegen fing an, sie zu nerven.

Sie zog einen seidenen Bademantel über den Schlafanzug und knotete ihn fest zu. Dann ging sie hinüber ins Wohnzimmer, wo Patrice auf sie wartete.

Nachdem Marley der Schwester versichert hatte, dass es ihr gut ging, ließ Patrice sie allein. Vielleicht spürte sie, dass Marley allein sein wollte.

Marley nutzte die Gelegenheit, das weitläufige Penthouse zu erkunden. Sie ging durch alle Zimmer und machte sich mit ihrem Zuhause vertraut. Aber wie ihr Zuhause fühlte sich die Wohnung nicht an. Es gab nichts, das ihre Handschrift trug. Sie fühlte sich wie ein Gast, der in den Privatbereich eines Fremden eindrang.

Als sie ein großes Schlafzimmer betrat, stutzte sie. Yannis hatte sie anscheinend in einem der Gästezimmer einquartiert. Darüber hatte sie sich noch gar keine Gedanken gemacht, so überfordert war sie damit gewesen, all die neuen Eindrücke zu verarbeiten.

Marley beschlich das Gefühl, dass sie sich unerlaubt hier aufhielt. Neben dem Schlafzimmer befand sich ein großes Büro, offensichtlich Yannis’ Arbeitsplatz. Die Möbel wirkten dunkel und schwer. Bücherregale liefen entlang der hinteren Wand, davor thronte ein riesiger Schreibtisch aus Mahagoni.

Auf dem Schreibtisch stand ein Laptop, und Marley setzte sich in den Ledersessel, um ein wenig im Internet zu surfen.

Sie berührte das Touchpad, und der Monitor hellte sich auf. Zumindest war sie nicht völlig unzurechnungsfähig, einen Computer konnte sie noch bedienen.

Marley schüttelte den Kopf. Die ganze Situation war wirklich absurd.

Eine halbe Stunde lang recherchierte sie im Netz zum Thema Amnesie. Die schiere Masse an unterschiedlichen Meinungen verursachte ihr Kopfschmerzen. Also entschied sie sich dafür, ein bisschen mehr über Yannis herauszufinden.

Es war erschreckend zu sehen, wie mächtig und reich er wirklich war. Er und seine zwei Brüder hatten Rang und Namen in der Hotelindustrie. Über sein Privatleben konnte sie leider nicht viel finden.

Marley lehnte sich zurück und verfluchte ihre Feigheit. Eigentlich brauchte sie doch nur Yannis selbst zu fragen, anstatt ihm nachzuspionieren. Um Himmels willen, er war ihr Verlobter! Sie hatten ein Kind gezeugt, und er hatte um ihre Hand angehalten.

„Was tust du da?“

Yannis’ Stimme war scharf wie ein Peitschenknall. Unwillkürlich zuckte Marley zusammen. Seine Augen glühten vor Zorn, die Lippen zu einer schmalen Linie gepresst. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, kam er auf sie zu.

„Yannis, hast du mich erschreckt!“ Um den rasenden Herzschlag zu beruhigen, legte sie eine Hand auf ihre Brust.

„Ich habe dich gefragt, was du da tust!“, wiederholte er kalt und ging um den Tisch herum. Direkt neben ihr blieb er stehen.

Marley fühlte sich verletzt und verwirrt. „Ich habe nur im Internet gesurft. Ich habe nicht gedacht, dass du etwas dagegen hast.“

„Mir ist es lieber, wenn du mein Büro nicht betrittst!“, wies er sie scharf an und klappte den Laptop zu.

Sie erhob sich aus dem Sessel und sah ihn ungläubig an. Tränen brannten in ihren Augen. Wie er sie ansah, so voller … Abscheu.

„Es tut mir leid“, stammelte sie. „Ich habe versucht, etwas über mich herauszufinden … über dich … über den Unfall. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Sie drehte sich um und lief schnell aus dem Zimmer, um nicht vor ihm in Tränen auszubrechen.

Leise fluchend sah Yannis ihr nach. Er öffnete den Laptop und durchforstete den Verlauf des Internetbrowsers. Sie hatte wirklich nur einige Seiten zum Thema Amnesie und ein paar Artikel über seine Firma gelesen. Keines seiner Dokumente war geöffnet worden.

Er hatte überreagiert. Aber sie an seinem Computer sitzen zu sehen hatte ihn in Alarmbereitschaft versetzt. Für einen Moment hatte er geglaubt, dass sie die Amnesie nur vortäuschte und ihn wieder hintergehen wollte.

Frustriert stützte er die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hände. Das Treffen mit dem Detective, der Marleys Entführung bearbeitete, war enttäuschend verlaufen. Es gab so gut wie keine Informationen zu dem Fall, und die einzige Zeugin konnte sich an nichts erinnern.

Marley war gar nicht gerettet worden, wie es in den Nachrichten hieß. Vielmehr hatten ihre Entführer sie einfach in dem verfallenen Wohnhaus zurückgelassen. Ein anonymer Anrufer hatte der Polizei dann den Tipp gegeben. Bei der Ankunft hatten sie eine verängstigte, schwangere Frau vorgefunden. Als Marley im Krankenhaus aufwachte, konnte sie sich an nichts erinnern. Es war, als habe ihr Leben an diesem Tag erst begonnen.

So viele Fragen waren noch offen. Eines jedoch war klar: Er durfte ihre Sicherheit nicht aufs Spiel setzen. Die Gefahr war noch nicht vorbei, sie lauerte noch dort draußen. Er würde verdammt noch mal niemanden nahe genug an Marley heranlassen, dass sie oder das Baby verletzt werden könnten. Er hatte eigentlich mit Widerstand gerechnet, als er erklärt hatte, Marley außer Landes bringen zu wollen. Doch die Polizei hatte ihm zugestimmt. Sie hielten es für die beste Lösung und rieten ihm, die Sicherheitsmaßnahmen aufzustocken. Sobald ihre Erinnerung zurückkehrte, sollte er sie zur Befragung nach New York bringen.

Bis zur Abreise gab es noch viel vorzubereiten. Die Sicherheitsleute hier und auf der Insel waren informiert worden, aber er hatte noch einige Anrufe zu erledigen. Aber Marley weinen zu sehen …

Er sollte ihre Tränen einfach nicht beachten und seine Pläne durchsetzen. Jetzt zählte ihre Sicherheit, nicht ihr seelischer Zustand.

Aber kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, sprang er schon auf, um nach ihr zu sehen.

Marley stand in der Ankleide ihres Zimmers. Blind vor Tränen, starrte sie auf die Sachen, die vor ihr im Schrank hingen. Mit dem Handrücken wischte sie die Tränen aus den Augen und überlegte, was sie anziehen sollte.

Sie sah die Kleidungsstücke durch, aber keines davon gefiel ihr. Unzufrieden wandte sie sich den Regalen auf der anderen Schrankseite zu, wo sie einen Stapel verwaschener Jeans und einige säuberlich gefaltete T-Shirts fand.

Sie griff sich ein Paar Jeans, darin würde sie sich wohlfühlen. Doch als sie die Hose auseinanderfaltete, merkte sie, dass es keine Umstandshose war. Schnell sah sie die restlichen Hosen durch, mit demselben Resultat.

Akribisch sah sie alle Kleidungsstücke durch, die auf den Bügeln hingen. Nirgendwo fand sie etwas, das einer Schwangeren gepasst hätte. Warum hatte sie nichts anzuziehen hier? Prüfend blickte sie auf die Rundung ihres Bauches. Er war noch nicht riesig, aber die Sachen im Schrank waren definitiv zu eng für eine Frau im fünften Monat.

Sie spürte Yannis’ Anwesenheit, noch bevor er etwas sagte. Marley fuhr mit einer Hand über das Gesicht und wandte sich hastig ab.

Yannis trat auf sie zu und fasste sie am Handgelenk. „Marley, es tut mir leid.“

Marley blickte zu ihm auf. „Ich hätte deine Sachen nicht benutzen sollen.“ Dann machte sie eine Handbewegung zu dem vollen Kleiderschrank hinter ihr. „Ganz offensichtlich leben wir relativ getrennt voneinander. Du entschuldigst sicher, dass ich mich daran erst wieder gewöhnen muss.“