Karl Valentin zum Vergnügen -  - E-Book

Karl Valentin zum Vergnügen E-Book

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Beschreibung

Karl Valentin (1882–1948), der zeitweise vergessene Münchner Volkskünstler, zählt mit seiner unbändigen Lust an Wortakrobatik und Sprachspiel zu den großen deutschen Komikern. Er war ein begnadeter Humorist und Meister der Groteske. Bertolt Brecht, Thomas Mann, Kurt Tucholsky oder Samuel Beckett schätzten und bewunderten ihn zu Lebzeiten. Herbert Achternbusch, Urs Widmer und Christoph Schlingensief bezogen sich auf Valentin nach seiner Wiederentdeckung. Karl-Heinz Göttert und Ralf Drost führen durch das Werk, präsentieren die irrwitzigsten Monologe und Dialoge, absurde Couplets und Autobiographisches. 

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Seitenzahl: 128

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Karl Valentin zum Vergnügen

Herausgegeben von Ralf Drost und Karl-Heinz Göttert

Reclam

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 14349

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Eva Knoll

Coverillustration: Nikolaus Heidelbach

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962162-3

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014349-0

www.reclam.de

Inhalt

Vorwort

Zur Biographie

Zur Sprachkomik

Zur Auswahl

I Autobiographisches

So ein Zirkus

Lumpereien

Mein Filmpech

Die Liesl

II Couplets

Neue Stumpfsinn-Verse

»Lorelei«

Expressionistischer Gesang

Ich bin der Ritter Unkenstein

Wenn ich einmal der Herrgott wär

III Monologe

Das Aquarium

Ich bin ein armer, magerer Mann

Im Gärtnertheater

Ein komischer Liebesbrief

Die Uhr von Löwe

Der Weltuntergang

Wie Karl Valentin das Schützenfest 1927 erlebte

Im Jenseits

IV Dialoge

Bei Schaja

Ein Interview mit Karl Valentin

Kriege

Die Fremden

Bald kommt der Friede

Sendung am 3. Juni 1942

Die Handtasche

Historisches

Telefon-Schmerzen [Buchbinder Wanninger]

Beim Zahnarzt

Sisselberger vor Gericht

Der neue Buchhalter

In der Apotheke

Am Heubod’n

Zitherstunde

Transport-Schwierigkeiten

Funk-Reportage

Der Trompeter von Säckingen

V Szenen

Im Schallplattenladen

Valentin fährt Straßenbahn

Im Uhrmacherladen

Eine Schlamperei

Die gestrige Zeitung

Zeittafel

Textnachweise

Verzeichnis der Abbildungen

Karl Valentin mit Zigarre und verlängerter Nasenspitze, einem seiner Markenzeichen

Vorwort

Zur Biographie

Karl Valentin wird als Valentin Ludwig Fey am 4. Juni 1882 im Münchner Vorstadtviertel Au geboren. Im selben Jahr sterben seine beiden älteren Brüder Karl (8) und Max (6) an Diphtherie. »Würgeengel der Kinder« wurde diese Krankheit im Volksmund genannt. Ein Impfstoff steht erst gegen Ende des Jahrhunderts zur Verfügung, in Berlin gemeinsam entwickelt von Emil von Behring und Kitasato Shibasaburo- , einem deutschen und einem japanischen Mediziner. Für Valentins Eltern zweifelsohne ein schwerer Schicksalsschlag. Weitere Kinder folgen nicht. Valentin bleibt Einzelkind. Den Unterhalt für seine Familie erwirtschaftet der Vater Johann Valentin Fey als Tapezierermeister und Speditionsunternehmer. Diesem Erwerbsfeld bleibt sein Sohn anfangs verbunden. Denn nach dem Abschluss der Schule absolviert er eine dreijährige Schreinerlehre. Der künstlerische Weg, den Valentin danach beschreitet, zeichnet sich durch Unternehmergeist aus, wenn auch nicht immer mit Fortune, sowie durch handwerkliches Geschick, dies jedoch mit Bravour. Beides dürfte auf frühe Prägung im Elternhaus zurückgehen.

1902 tritt Valentin nach dem dreimonatigen Besuch einer Varietéschule zum ersten Mal unter seinem Künstlernamen auf. Im selben Jahr stirbt sein Vater. Mit seiner Mutter Maria Johanna, geborene Schatte, leitet Valentin für einige Jahre das Speditionsunternehmen, nimmt nebenbei Unterricht im Zither- und Mandolinenspiel und tritt gelegentlich als Musikkomiker auf. Musik wird eine Konstante in seinem Werk. Zahlreiche Stücke und Szenen kreisen um Instrumente, Tonträger, Musikaufführungen. Autodidaktisch erlernt er nach und nach Trompete, Posaune, Tuba, Violine, Gitarre und mehr.

1908 erfolgt Valentins Durchbruch im Münchner Volkssängerlokal Frankfurter Hof. Dort lernt er 1911 Elisabeth Wellano kennen, zehn Jahre jünger als er, die als Soubrette auftrat. Gemeinsam kreieren sie den Künstlernamen Liesl Karlstadt, angelehnt an Valentins Vorbild, den damals populären Gesangshumoristen Karl Maxstadt. Unverkennbar bereits hier der Spaß am Sprachspiel.

Valentin mit Fagott, um 1911/12

1912 dreht Valentin seinen ersten Film mit dem Titel Karl Valentins Hochzeit, eine Groteske mit Georg Rückert als korpulenter Braut im Gegensatz zum hageren Bräutigam. Schon frühzeitig macht Valentin, der zeitlebens an Asthma leidet, seine auffallende Statur zum Markenzeichen, überbetont sie durch hauteng geschneiderte Kostüme, Cyrano-Nase, Requisiten, tritt als »Skelettgigerl« auf, rückt seine Kunstfigur in die Nähe der Freak Shows, wie sie vor allem in den USA beliebt waren.

Ohnehin geht die Komik des Vaudevilles und Kabaretts, später die des Slapsticks, oft mit einer inszenatorisch verstärkten Präsentation von physischen Normabweichungen einher: Übergewicht, Untergewicht, Untergröße, Übergröße. Erinnert sei an das erfolgreiche dänische Komikerduo Pat & Patachon, das sind Carl Schenstrøm und Harald Madsen. Schenstrøms Statur weist übrigens eine verblüffende Ähnlichkeit mit der von Valentin auf.

Die Produktion von Karl Valentin war beträchtlich, nimmt man allein seine Texte für die Bühne, die später für Ton- und Filmaufnahmen teils umgeschrieben wurden. Sie zu lesen ist ein Vergnügen, zweifellos, indes doch nur ein halbes. Denn sie leben von der Aufführung, der Verlebendigung durch ihren Autor im kreativen Zusammenspiel mit Liesl Karlstadt. Die Filme und Schellackplatten der beiden sind das eigentliche Werk, zum großen Glück in digital restaurierter Form leicht zugänglich.

Valentin beim Schminken zur Aufführung von Vorstadttheater, im Apollo, 1928

Die nächsten mehr als zwanzig Jahre sind die Jahre der großen Erfolge des Duos. 1922 drehen beide gemeinsam mit Bertolt Brecht den Kurzfilm Mysterien eines Frisiersalons, eine Mischung aus Grand Guignol und Surrealismus. 1924 findet die Uraufführung des Stückes DieRaubritter vor München statt. Im Theater Bewährtes wird verfilmt, so Orchesterprobe (1933), Der verhexte Scheinwerfer (1934), Im Schallplattenladen (1934), Der Theaterbesuch (1934), Der Firmling (1934). Dazwischen erfolgreiche Gastspiele in Berlin.

Aber die Zeit ist mittlerweile eine andere geworden. 1933 prägte Carl Niessen maßgeblich den Begriff Thingspiel und wirkte am Aufbau eines Freilichttheaters im Sinne nationalsozialistischer Kulturpolitik mit. Ausgerichtet für mehrere hundert bis tausende Darsteller auf eigens errichteten Thingstätten, die dem griechischen Amphitheater nachempfunden waren, werden Stoffe der deutschen Geschichte als Weihespiele aufgeführt, heroisch, völkisch, in der Intention hochaffektiv, um eine Gemeinschaft ideologisch Gleichgesinnter herzustellen. Im Politischen entsprechen dem die Nürnberger Parteitage. Thingspiele und das Theater von Karl Valentin – das ist einer der größtmöglichen Gegensätze in deutscher Sprache zur selben Zeit, vergegenwärtigt man sich dieses solitäre Multitalent an Sprachwitz, Maske, Acting, Musikclownerien, mit Scharfblick für moderne Medien und Sinn fürs Tragikomische, Groteske, Absurde.

Valentins 1936 unter der Regie von Jacob Geis entstandener Film Die Erbschaft wird von der Reichsfilmkammer ausdrücklich wegen »Elendstendenzen« verboten. Gedreht im April desselben Jahres, hätte dieser Film vermutlich zur Zeit der Olympischen Sommerspiele in Berlin, also im August, in die Kinos kommen sollen. Und in der Tat – Handlung und Ausstattung von Die Erbschaft stehen in geradezu provokantem Gegensatz zur Kulturfassade des Nationalsozialismus. Protagonisten sind ein Altwarenhändler und seine Frau, Schauplatz eine Einzimmerwohnung mit Mobiliar, das so karg wie abgenutzt ist. Auf die Mitteilung hin, sie seien Erben einer Wohnungseinrichtung geworden, vernichten sie die alte. Das neue Mobiliar ist jedoch für den kleinwüchsigen Nachbarn bestimmt, passend zu seiner Körpergröße. Das Ganze ist Folge einer simplen Namensverwechslung: Maier statt Meier. Dieser Film gilt als Valentins bester, als sein ungewöhnlichster. Uraufgeführt wird er aufgrund der Filmzensur tatsächlich erst 1976.

Diese finstere Sozialgroteske – später Naturalismus, frühes Theater des Absurden – bezeichnet den Anfang vom Ende in Valentins Karriere. Liesl Karl- stadt zieht sich nach einem Suizidversuch von der Bühnenarbeit weitestgehend zurück. Zum finanziellen Desaster für Valentin wie auch für Karlstadt, die er als Mitinvestorin gewinnen konnte, gerät Valentins Projekt einer Dauerausstellung, das sogenannte Panoptikum, ein Kuriositäten- und Schauerkeller, ersteröffnet im Oktober 1934 in München, das aber noch im selben Jahr wieder schließen muss. 1937 Umzug innerhalb der Stadt. Ab 1941 tritt Valentin in der Öffentlichkeit kaum noch auf. Er verlässt seine Wohnung in München-Mitte und zieht in die vom Bombenkrieg weniger gefährdete Vorortsgemeinde Planegg, wo er ein Haus besitzt. Dort verfasst er neben Szenen, Monologen und Couplets das Buch Meine Jugendstreiche, ein hintersinniges Spiel mit der Memoirenliteratur. Veröffentlicht wurde es posthum 1951.

Versuche, nach Kriegsende an frühere Erfolge anzuknüpfen, scheitern. Der Bayerische Rundfunk befindet seine Aufnahmen von damals für unzeitgemäß. Eine Radiosendung, die dennoch zustande kommt, wird infolge von Protestbriefen aus Hörerkreisen nach der fünften Folge eingestellt.

Im Januar 1948 schließt man ihn versehentlich in ungeheizten Bühnenräumlichkeiten ein oder vielleicht sogar in seiner Garderobe, wo er die Nacht verbringen muss. Seiner angeschlagenen Gesundheit gibt dies den Rest. Am 9. Februar verstirbt Karl Valentin in Planegg bei München infolge einer Lungenentzündung. Er wird 65 Jahre alt.

Ein zeitnahes Interesse der Stadt München am Nachlass bestand nicht. Für 7000 DM ging er 1953 an den bereits erwähnten Carl Niessen, Verfechter des Thingspiels, von 1938 bis 1959 außerordentlicher Professor für Theaterwissenschaft an der Universität zu Köln, zudem Sammler von Zeugnissen deutschsprachiger Theaterkultur. Untergebracht wurde der Nachlass schließlich in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung in Schloss Wahn, bei Köln. Eine geradezu valentineske Konstellation.

Karl Valentin galt in der Rezeption lange Zeit als Lokalgenie, als Volkskünstler mit bayerischem Zungenschlag, volksnah und nah an der Sprache der Bevölkerung, nah an der Umgangssprache und ihren Tücken, die denen der Dinge nicht nachsteht. Im kultur- und literaturhistorischen Kontext hat sich erst in der Rückschau – leider, möchte man sagen – gezeigt, Valentin ist in seinen Anfängen Teil jenes kreativen Münchens der Vorkriegszeit, das von Thomas Mann über die satirische Wochenzeitschrift Simplicissimus, die Schwabinger Boheme bis zum Kreis um Stefan George reicht. Bertolt Brecht, Alfred Kerr, Thomas Mann, Kurt Tucholsky schätzten und bewunderten Valentin zu Lebzeiten. Samuel Beckett, 1937 auf Deutschlandreise, war von ihm so begeistert, dass er um ein Treffen bat, das auch zustande kam. Gerhard Polt, Herbert Achternbusch, Urs Widmer und Christoph Schlingensief haben sich auf Valentin bezogen. 2012 erhielt Helge Schneider den Großen Karl-Valentin-Preis und darf mit der ihm eigenen, unverwechselbaren Art des Humors als kongenial gelten, auch er wie Valentin ein Multiinstrumentalist, Komiker, Film- und Theaterregisseur, Schauspieler und Schriftsteller.

Zur Sprachkomik

Valentins Kunst ist immer Bühnenkunst, in Auftritten entstanden, für Auftritte geschrieben: sei es für seine Live-Darstellungen in den Münchner oder Berliner Theatern oder für den Film. Dabei liegt seine Spezialität in einer Komik, die im weitesten Sinne dem Spiel mit der Sprache entspringt. Der große Theaterkritiker Alfred Kerr trifft Wesentliches mit seinem Wort vom »Wortzerklauberer«. Nur lässt sich damit nicht die Spannweite dieses Könnens abdecken. Auch sagt es nichts über das Ziel dieser Kunst, über den Sinn der immer neuen Einfälle beim Spiel mit der Sprache.

Um mit dem letzten Punkt zu beginnen: Valentins Anfänge fallen exakt in eine intellektuelle Phase, die man als »Sprachkrise« bezeichnet hat. Die große These lautet, dass Wahrheit an Sprache gebunden ist, aber eben nur an Sprache, deren Zuverlässigkeit allein aufgrund ihrer Konventionalität ein großes Problem darstelle. Als Friedrich Nietzsche, der eigentliche Begründer dieser philosophischen Richtung, einmal den Druckbogen eines seiner Texte korrigierte, stieß er auf eine seltsame Verschreibung. Der Setzer hatte statt »weitsichtig« »weitsüchtig« getippt – und Nietzsche reagierte begeistert. Sinn, davon war er überzeugt, entsteht nicht unbedingt durch tiefes Nachdenken, sondern durch dumme Fehler. Die Sprache verstellt Sinn, stellt ihn gewissermaßen aus Versehen her. Valentin hat sicher nicht Nietzsche gelesen und auch nicht Schriftsteller, die Nietzsche gefolgt sind wie Hugo von Hofmannsthal oder Karl Kraus (beide 1874 geboren), also ungefähr Altersgenossen Valentins. Aber der Münchner gehört ohne Zweifel zu denen, die das Spiel mit der Sprache als Kampf mit einem übermächtigen Sinn besonders elegant inszenierten.

Wenn man versucht, ein wenig Ordnung in die Vielfalt zu bringen, könnte man nach den Lehren der Rhetorik mit den Wortspielen beginnen, die auf Klängen beruhen. Etwa auf der Vertauschung von Lauten oder Silben, die nach Sigmund Freud vom Unterbewussten gesteuert sind, wenn es etwa heißt: »Gleich hinter der Schei ... Schießbude links« oder »Sich sägen bringt Regen«. Es spricht für Valentin, dass er dieses Kunstmittel eher selten verwendet – es tendiert zum bloßen Kalauer. Und wenn doch einmal Laute eine Rolle spielen, dann geschieht dies in einer wunderbaren Diskussion über die Frage, ob der Plural von Semmelknödel nun »Semmelknödeln« oder nicht richtiger »Semmelnknödeln« heißt, mit einer kleinen Abhandlung darüber, wie zu verfahren ist, wenn diese Knödel aus einer oder aus mehreren Semmeln gemacht werden – bei Mottenkugelgröße der Knödel gehe tatsächlich »Semmelknödeln«. Oder wir erleben die Schwierigkeiten, die bei bloßer Abweichung in der Rechtschreibung entstehen, wenn etwa ein neuer Buchhalter namens »Maier« auf seinen Chef namens »Meier« trifft, wozu dann auch noch jede Menge andere Varianten kommen.

Daneben gibt es die Form des Wortspiels, die auf der Vertauschung von Bedeutungen beruht, wie es bei Homonymen der Fall ist. So geht es angesichts der künftigen Einäscherung nach dem Tod darum, dass Valentin seinen körperlichen Wert auf 50 »Mark« (Währungseinheit) taxiert, weil der Anatomieprofessor ihm erklärt hat, dass jeder seiner Knochen »Mark« (also inneres Gewebe) enthält, wobei er seine kümmerlichen 50 Kilo entsprechend hochrechnet. Dass er als Kind mit der »Stimmgabel« gegessen habe, führt er darauf zurück, dass ihn der Vater »nach Noten« geschlagen habe – in diesem Fall mit der Doppelbedeutung von richtigen und metaphorischen »Noten«.

Insgesamt aber liegt die Stärke von Valentin in einem Kampf mit der Sprache, der sich auf deren logische Seite bezieht. Auch dazu hat die Rhetorik Kategorien zur Verfügung gestellt, die aber vor erhebliche Abgrenzungsprobleme stellen. Man kann etwa Antithesen (als bloße Entgegensetzung) von Paradoxen (als Widersinnigkeiten) unterscheiden und dann weiter nach Steigerungen wie etwa dem Absurden (als eher physikalisch Sinnlosem) oder dem Grotesken (als eher phantastischen Handlungen) suchen. Aber fast immer geht all dies ineinander über, steht in ein und demselben Text nebeneinander und bezeugt letztlich immer nur das Gleiche: eine Welt der Verwirrung und Überforderung.

Um einige Beispiele zu geben: Wenn Valentin in Der neue Schreibtisch an einem wackligen Stehpult so lange jeweils das falsche Bein kürzer sägt, bis er davor nur noch auf dem Boden sitzen kann, wirkt dies grotesk. Genauso wie in »So ein Zirkus« der Versuch, Fallschirmabsprünge mit einem bloßen Regenschirm zu kopieren. Auch der kleine Anschlag auf die Mitmenschen, den er in Kindertagen mit ekelerregenden Gummischlangen inszenierte, wirkt grotesk (»Lumpereien«). Demgegenüber mutet die Schlussfolgerung, dass der »Urgroßvater«, dem seine Uhr gestohlen wurde, nun jünger geworden, also nur noch der »Großvater« sei (»Die Uhr von Löwe«), absurd an. Auf einfachste Weise entstehen absurde Äußerungen, wenn Valentin sich fragt: »... war das gestern oder war’s im vierten Stock oben?« (»Im Gärtnertheater«). Aber ist es nun absurd oder grotesk, wenn sich Valentin mit seiner Partnerin darüber unterhält, ob die Zwetschgen, die er gekauft hat, nicht doch eher Birnen, Stachelbeeren oder vieles andere seien, ein Gerede, für das er ein erfrischend klares Wort findet: nämlich »saudumm«.

Aber wie gesagt: Valentin hält sich nicht an solcherlei Unterscheidungen, er mischt sie, wie es gerade passt. Und hat Spaß an dem, was diesen Unterscheidungen letztlich gemeinsam zugrunde liegt: die Unlogik. Im »Gärtnertheater« wohnen wir einem Feuerwerk dieser Art bei. Es beginnt schon mit der eben zitierten Ungereimtheit bei der Festlegung des Tages, an dem der Besuch stattfand (»gestern oder im vierten Stock«). Dann trauen sich Mutter und Sohn nicht ins Gärtnertheater, weil sie befürchten, nur Gärtner seien zugelassen. Und weil das Stück lange »nicht angeht«, wollen sie nicht für dieses »no net angehn« bezahlen. Weiter wundern sie sich darüber, dass während der Pause nicht gespielt wird und so weiter und so fort. Natürlich ist all dies höchst lächerlich, also irgendwie grotesk, aber es mischt sich auch mit Absurdem. Wirklich klar ist nur der »Sinn« des Ganzen: Diese Welt ist schlicht verwirrend, man kann sich in ihr verlieren, vor allem, wenn man die Dinge auch noch zu genau nimmt wie ganz am Ende des Stücks, wo Mutter und Sohn ins Bett gehen, aber nicht eigentlich »gingen«, sondern »stiegen«, weil der Weg »vom Zimmer zum Bett« nicht gar so weit gewesen sei.

Liesl Karlstadt und Karl Valentin in Der Firmling, Film 1934