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Kater Anton und seine Besitzerin Ella sind zurück aus Frankreich. Aber Anton hat es nicht leicht, denn Ella ist kreuzunglücklich. Ihr Job in Dijon entpuppte sich als Reinfall, und die Beziehung zu ihrem Freund Xavier liegt auf Eis. Während Anton durch die Straßen seines Viertels streift und von französischen Leckereien träumt, versucht Ella, sich ein neues Leben aufzubauen. Sie will Madame Bernards berühmte Honigkuchen aus Dijon in Deutschland verkaufen. Das ist aber schwieriger als gedacht, und kurz vor Heiligabend steht Ellas Welt auf dem Kopf. Doch zum Glück macht Anton eine aufregende Entdeckung – und rettet damit nicht nur das Weihnachtsfest der beiden ...
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Seitenzahl: 250
Buch
Kater Anton und seine Besitzerin Ella sind zurück aus Frankreich. Aber Anton hat es nicht leicht, denn Ella ist kreuzunglücklich. Ihr Job in Dijon entpuppte sich als Reinfall, und die Beziehung zu ihrem Freund Xavier liegt auf Eis. Während Anton durch die Straßen seines Viertels streift und von französischen Leckereien träumt, versucht Ella, sich ein neues Leben aufzubauen. Sie will Madame Bernards berühmte Honigkuchen aus Dijon in Deutschland verkaufen. Das ist aber schwieriger als gedacht, und kurz vor Heiligabend steht Ellas Welt auf dem Kopf. Doch zum Glück macht Anton eine aufregende Entdeckung – und rettet damit nicht nur das Weihnachtsfest der beiden …
Autorin
Die Autorin, Lektorin und Ghostwriterin Angela Troni hat sich sowohl im Sachbuch als auch in der Belletristik etabliert. Zu ihren Erfolgen gehören die Romane »Risotto mit Otto« und »Spaghetti in flagranti«, das Sachbuch »Am Ende des Kreisverkehrs links abbiegen« sowie ihre Katzenbücher. Die Autorin hat siebzehn Jahre mit ihrem Kater Jarvis zahlreiche Abenteuer erlebt, die sie zu ihren Katzengeschichten inspirieren.
Angela Troni
Kater Anton und der Weihnachtsengel
Roman
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Originalausgabe September 2019
Copyright © 2019 by
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Covergestaltung: UNO Werbeagentur München
Coverfoto: © GettyImages/E+/hocus-focus
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Redaktion: Ilse Wagner
BH · Herstellung: Han
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-23434-8V002
www.goldmann-verlag.de
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Für GR 7, best husband ever und Katzenmensch wider Willen.
Anton grub die Krallen in den Sofastoff, gähnte und drehte sich auf den Rücken. Satt und zufrieden mit sich und der Welt blinzelte er in die Wintersonne, die das Leben schönschien. Der Kater wusste genau, dass er gerade etwas Verbotenes tat, umso mehr genoss er die wärmenden Strahlen auf dem Bauch. Die Augen fielen ihm zu, er döste weg. Nach der Riesenportion Thunfisch in Gelee, die ihm der Napf pünktlich um halb eins serviert hatte, brauchte er dringend ein Verdauungsnickerchen.
Die neue Futterstation, die Ella vorletzte Woche angeschleppt hatte, war phänomenal. Das Ding konnte zaubern. Auf die Minute genau wusste es, wann der Kater hungrig in die Küche kommen würde, und zack, rieselte entweder Trockenfutter in eine Schale, oder ein Deckel glitt zur Seite, unter dem die dollsten Leckereien auf ihn warteten. Die Zaubermaschine war deutlich zuverlässiger als Ella, die oft erst spätabends von der Arbeit nach Hause kam und zu Antons Leidwesen fast jedes Mal zuerst zur Toilette statt in die Küche eilte. Vor Hunger halb tot lief er ihr dann nach, strich ihr maunzend und schnurrend um die Beine, bis sie endlich den Weg in den wichtigsten Raum der Wohnung fand. Prioritätensetzung war eben nicht so ihr Ding. Der Automatenkollege dagegen schien zu wissen, dass Katzen Gewohnheitstiere sind und feste Rhythmen brauchen, vor allem bei der Nahrungsaufnahme. Wenn das so blieb, konnten sie Freunde werden. Ziemlich beste Freunde.
Von dem Napf animiert beschloss Anton, sich ebenfalls in Zauberei zu üben. Beobachten war ohnehin eine seiner Stärken, und Zeit hatte er im Überfluss, also gewöhnte er sich an, über Stunden hinweg in der Küche zu sitzen und von dem ausgeklügelten System zu lernen. Inzwischen war der Kater davon überzeugt, dass er durch zielgerichtetes Starren − ohne zu blinzeln, versteht sich! − die Futterausgabe beeinflussen konnte. Es funktionierte zwar nicht jedes Mal, aber Anton war ja auch noch ein Zauberlehrling. Eines nicht allzu fernen Tages hatte er sicher ausgelernt. Dann konnte er beliebig wählen. Zwischen Trocken- und Nassfutter. Oder gar beidem. Und zwar inklusive der gewünschten Menge. Obwohl, die Menge war nicht variabel. So viel, wie irgend möglich in die Futterschale passt, lautete die Devise. Weniger kam nicht in die Tüte.
Heute war ein besonders guter Tag, denn der Napf hatte gleich die doppelte Ration ausgespuckt. Pure Magie. Mit stolzgeschwellter Brust hatte Anton sich über den Thunfisch hergemacht und jeden Bissen genossen.
Dass sein Bauch nun zum Bersten spannte, nahm er gern in Kauf, obwohl er deshalb nicht die richtige Schlafposition fand. Wenn einem das Leben unverhofft Gutes beschert, darf man nicht lange fackeln. Wer weiß schon, was morgen kommt?
Der Kater rekelte sich, rappelte sich gähnend auf, drehte sich fünfmal im Kreis und ließ sich mit ausgestreckten Pfoten auf die Seite plumpsen. So ging es. Vorausgesetzt, er atmete flach.
Eigentlich galt ja Wohnzimmerverbot – völlig zu Unrecht, wie Anton fand. Er hatte nämlich nichts Böses getan, jedenfalls aus Katzensicht, sondern lediglich seinem natürlichen Jagdtrieb nachgegeben, als sich neulich eine Fliege in die Wohnung verirrte. Wenn er Spinnen fraß, die Ella völlig panisch machten, lobte sie ihn doch auch jedes Mal, als hätte er ein zweibeinerfressendes Ungeheuer zur Strecke gebracht. Eines mit mehreren Köpfen. Dass er statt der Fliege den nagelneuen Vorhang in seine Einzelteile zerlegt hatte, geschenkt. Wer konnte auch ahnen, dass das Ding aus besonders dünnem Fisselstoff bestand, der bei der leichtesten Berührung riss?
Das erhoffte Lob war ausgefallen, stattdessen hielt sie ihm, passend zum kaputten Vorhang, eine Gardinenpredigt und erteilte als kostenlose Zugabe Wohnzimmerverbot – einer von Ellas harmloseren Scherzen. Im Leben einer Katze gibt es wahrlich Schlimmeres, etwa den pseudofreundlichen Typen im weißen Kittel mit dem Pikseisen, zu dem Anton zweimal im Jahr musste. »Impfung« nannten sie das. »Körperverletzung« fand der Kater zutreffender.
Von solchen Kinkerlitzchen wie Verboten ließ Anton sich jedenfalls nicht aufhalten. Es existierte nun mal in der ganzen Wohnung kein besserer Schlafplatz als das Sofa. Mit dem superweichen Stoffbezug konnte sein Katzenkorb nicht mithalten. Was hätte er denn tun sollen? Etwa im Flur im Schatten liegen? Nee, nee, dafür war er nicht auf der Welt. Katzen sind Genießer. Von Natur aus.
Trotzdem irgendwie niedlich, dass Ella nach zweieinhalb Jahren immer noch dachte, sie könnte ihn erziehen, und nicht bemerkte, dass es genau umgekehrt war. Sein Vorteil. Sie gab sich echt Mühe, zu Antons Leidwesen deutlich mehr als mit der pünktlichen Fütterung. Das nur als Nachtrag zum Thema Prioritäten. Vermutlich hatte sie zu viele dieser Bücher mit den süßen Katzenbabys vorn drauf durchgeblättert und sich von wem auch immer irgendwelche Flöhe ins Ohr setzen lassen. Ob sie sich deshalb so oft am Kopf kratzte? Der Kater wusste, wie sehr Flöhe jucken können.
Anton waren diese bunten Pappdinger suspekt. Die Kätzchen auf dem Umschlag guckten ihn zwar an, als wollten sie mit ihm spielen, aber weder rochen sie wie Artgenossen, noch antworteten sie auf sein Miauen. Und wenn er sie antatzte, passierte: nichts. Seltsam. Sehr seltsam sogar. Denn manche der Katzen im Innern der Bücher schienen sehr wohl zu spielen. Mit Mäusen zum Beispiel, die unmöglich echt sein konnten. Erstens rochen sie ebenfalls nicht, was ihm höchst verdächtig vorkam, außerdem hatten sie bunte Ohren oder lila Federn am Po. Solche Mäuse hatte Anton noch nie gesehen, und wenn sich einer auskannte mit Mäusen, dann er.
Dass Ella all die unechten Tiere so faszinierend fand, irritierte ihn. Stundenlang sah sie sich die bunten Bilder an, las die Texte dazu, und meist erteilte sie ihm danach irgendwelche seltsamen Anweisungen, die er nicht verstand. Oder in denen er keinen Sinn sah. Aber das war auch kein Wunder. Nicht nur, dass die unechten Katzen immerzu die Krallen eingezogen hatten. Sogar beim Spielen – wo gibt’s denn so was? Es waren auch nirgendwo zerrissene Tapeten, zerrupfte Sessellehnen oder herumfliegende Tierhaarknäuel zu sehen. Von ausgebuddelten Zimmerpflanzen oder Markierungsspuren an den Türrahmen ganz zu schweigen. Wie Ella und andere Zweibeiner anhand solcher Inszenierungen etwas über den natürlichen Jagd- und Bewegungstrieb − siehe oben! − von Katzen lernen sollten, war Anton schleierhaft. Kein Wunder, dass sie nach der Lektüre unsinniges Zeug redete. Doch zum Glück sind Katzen wahre Meister im Nichtbeachten von Unsinn. Anton vorneweg.
Meist vergaß Ella das Ganze ziemlich schnell wieder, und er machte einfach weiter wie bisher. Solange es keine schlimmeren Ausmaße annahm …
Da der Kater Ella ins Herz geschlossen hatte, kam er ihr bei drohenden Auseinandersetzungen grundsätzlich entgegen, beispielsweise, indem er ihre Anweisungen freundlich ignorierte. Von Pinkelprotestaktionen und ähnlichen Maßnahmen aus seiner Sturm-und-Drang-Zeit war er abgekommen, die Erfahrung zeigte, dass Eskalation der falsche Weg war. Bei der Ausbildung von Personal muss man mit Bedacht vorgehen, Zweibeiner sind überaus empfindlich und schlagen in Sachen Langzeitgedächtnis jeden Elefanten. Um Längen. Vermutlich gibt es im menschlichen Gehirn ein eigenes Areal für Katzenvergehen, das besonders gut durchblutet ist. Dass Anton im Gegensatz zu Ella so gut wie nicht nachtragend war, erleichterte das Zusammenleben zusätzlich. Der Kater wusste um den Vorteil, sich sein Personal stets gewogen zu halten und nicht allzu oft über die Stränge zu schlagen. Obwohl, jetzt, da der Futterautomatenkollege sein bester Freund war …
Anton nickte ein und träumte sich nach Dijon, wo er und Ella ein Dreivierteljahr über der Honigkuchenbäckerei von Madame Bernard gelebt hatten. Er raufte ein bisschen mit Ellas Freund Xavier und ließ sich danach von Madames Enkelin Manon den Bauch kraulen, was angenehm kitzelte. Schnurrrrrr. Er vermisste Manon, genauso wie ihr Flusenkaninchen Monsieur Lapin, mit dem er immer zusammen im Körbchen gelegen hatte, eng aneinandergekuschelt. Wenn er sich doch nur in die Rue Stephen Liegeard beamen könnte, er würde glatt einen Happen Thunfisch in Gelee dafür geben. Einen kleinen. Im Tausch gegen eine von Madame Bernards Pasteten. Für die ließ er jede Maus liegen, dabei fraß er für sein Leben gern Mäuse.
Der Kater vertilgte im Traum gerade eines der sagenhaften Hackfleischtörtchen, als ein Geräusch ihn aufschreckte. Jemand hatte den Wohnungsschlüssel ins Schloss gerammt, der Schließmechanismus klackte – einmal, zweimal. Anton, hellwach, spitzte die Ohren, der Leckerbissen in seinem Maul, eben noch real und verführerisch duftend, löste sich in Luft auf. Dafür verhakte sich seine Kralle im Sofa. Hektisch strampelte der Kater sich frei, wobei er mehrere Fäden aus dem Stoff zog, und rettete sich mit einem Satz auf die Sofalehne hinter eines der Kissen.
Herr im Katzenhimmel! Was tat Ella um diese Uhrzeit hier? Wenn er das gewusst hätte, dann hätte er es sich niemals in der Sperrzone gemütlich gemacht. In seinem Bauch gluckerte es, die erst zur Hälfte verdaute Riesenthunfischportion meldete sich zu Wort. Auch das noch!
Als Ella den Raum betrat, ging der Kater hinter dem Kissen in Deckung und legte die Ohren an, so als würde die bevorstehende Schimpftirade dadurch aerodynamisch über ihn hinweggleiten. Eigentlich kamen sie super miteinander klar, solange er keine Einrichtungsgegenstände oder Vorhänge zerstörte. Nur in letzter Zeit war Ella nicht ganz in ihrer Mitte, und Anton musste mit allem rechnen.
Doch dann passierte …
… nichts.
Ella nahm ihn gar nicht wahr. In Mantel und Mütze ließ sie sich aufs Sofa fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Sie roch nach unzähligen Emotionen. Nach Wut, nach Enttäuschung, nach Traurigkeit. Und nach Verzweiflung. Ihm konnte sie da nichts vormachen, egal, wie viel sie von diesem Zeugs aus dem Fläschchen mit dem Zerstäuber benutzte. Anton wäre es lieber gewesen, sie hätte geschimpft.
Seltsam. Ihr war weder aufgefallen, dass die Wohnzimmertür offen stand, noch schien sie die Fäden zu bemerken, mit denen Anton gerade erst die Sofalehne verziert hatte. Dabei hatte sie Augen und Ohren wie ein Luchs. Dieser Frau entging nichts, erst recht nichts, was er anstellte.
Der Kater hob den Kopf, um die Lage zu peilen. Seit ihrer Rückkehr aus Frankreich war Ella, in guten wie in schlechten Tagen sein Lieblingsmensch, nicht mehr die Alte. Sie lachte nur noch selten, wirkte gestresst und zerstreut, schlief schlecht und aß kaum was – vor allem Letzteres ist aus Katzensicht absolut nicht hilfreich. Manchmal brauchte sie schon beim Frühstück zwei Päckchen Taschentücher, obwohl sie keinen Schnupfen hatte. Jedenfalls nieste sie nicht ein einziges Mal, sondern putzte sich nur ständig die Nase, mit kaninchenroten Augen, die heftiger tränten als seine nach drei Stunden auf der Pirsch bei eisigem Ostwind.
Seit Neuestem konkurrierte ihre Laune gar mit der Außentemperatur um die größte Nähe zum Gefrierpunkt, und Anton war sich nicht ganz sicher, wer den Wettbewerb gewann. Obwohl, nach schlechter Laune sah das hier nicht aus. War sie traurig? Er konnte die Geräusche nicht zuordnen. Bei Traurigkeit drohte ihm zumindest keine Gefahr, da war sie eher hilfsbedürftig und brauchte Zuwendung. Er wagte sich aus der Deckung.
Im selben Moment ließ Ella die Hände sinken. Sie bemerkte erst den Kater, dann fiel ihr Blick auf die Sofalehne. Ihre Pupillen weiteten sich. »Runter mit dir! Aber zackig!«
Oh, er war sich doch sicher: Ella hatte die Außentemperatur geschlagen. Mit mindestens sechs Grad Abstand.
Intuitiv beschloss Anton, den Befehl zu ignorieren, und sprang ihr stattdessen mitten auf den Bauch.
Sie stöhnte und schubste ihn zur Seite. »An-ton! Ich mach Katzensalami aus dir!«
Solche Sätze kannte er, die musste man nicht ernst nehmen. Die sagte sie manchmal, wenn sie mit der Gesamtsituation überfordert war. Vor allem in Gesamtsituationen mit Katze. Fakt war, ihr ging’s nicht gut, und der Kater überlegte fieberhaft, was zu tun sei. Wenn eine Katzenmutter ihr Junges beruhigen möchte, dann schnurrt sie und schleckt ihm übers Fell. Schnurren ist immer gut, dachte Anton, das wirkt auch auf Zweibeiner beruhigend.
Gedacht, getan – der Kater warf seinen Dieselmotor an und strich Ella, die zusammengekauert und mit hängendem Kopf dasaß, um die Oberschenkel. Als sie nicht reagierte, stapfte er tretelnd herum, und immerhin ließ sie zu, dass er sich auf ihren Schoß kuschelte. Dicke Tränen tropften auf sein Fell, die sie ungelenk wegstreichelte. Mit Hingabe schleckte er ihre Finger ab, einzeln und gründlich, wie es sich für eine anständige Katze gehört. Sie wirkte auf ihn zart und verletzlich wie ein Schmetterling, den man nur zwischen die Pfoten bekommen muss, und schon fällt er auseinander. Das war nicht seine Ella. War sie krank? Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Nur was?
Ob es an Frankreich lag? Hatten ihr Madame Bernards Pasteten etwa nicht so gut geschmeckt wie ihm? Anton war davon ausgegangen, dass sie für immer dortblieben, umso verwirrter war er, als Ella ihn und ihre Siebensachen plötzlich zusammenpackte. Klar war es schön, Oma Gerda und Lissy von schräg obendrüber wiederzusehen, immerhin war Gerda eine sichere Bank in Sachen Nahrungszufuhr in Not- und sonstigen Situationen und Siamkatze Lissy eine ganz Süße. Aber seinetwegen hätten sie ruhig länger in Dijon bleiben und la belle vie genießen können.
Ella schob Anton ein Stück zur Seite, holte ihr Handy aus der Manteltasche und legte es − nach einem Blick darauf − enttäuscht neben sich. Das war auch so was. Stundenlang starrte sie seit Neuestem diesen Piepskasten an, als wollte sie ihn hypnotisieren. Je nachdem, welche Geräusche das Telefon von sich gab, tippte oder wischte sie entweder darauf herum, oder sie sprach hinein. Manchmal kamen auch Stimmen heraus. Sogar solche, die Anton kannte. Die von Ellas Freundin Isi, zum Beispiel, oder die von Madame Bernard. Das Handy konnte Ella auch zum Lachen bringen. Oder zum Weinen.
Der Kater hatte das Teil schon mehrfach abgeschnüffelt, um herauszufinden, was daran so toll war. Aber es roch nach gar nichts. Höchstens nach Ella oder dem Salamibrot, das sie gegessen hatte, während sie an diesem Kasten herumfingerte. Anton fand, sie sollte lieber ihm übers Fell streicheln, das war wenigstens warm und weich. Und angenehm für ihn.
Nun gut, Zweibeiner machen den ganzen Tag komische Sachen. Anton wunderte sich über nichts mehr. Über gar nichts.
Zauberkräfte schien Ella jedenfalls nicht zu haben, denn der Kater konnte kein vergleichbares Erfolgserlebnis wie bei ihm und dem Futterautomatenkollegen feststellen. Vielleicht fehlte ihr das Talent? An mangelnder Übung lag es jedenfalls nicht. Während Anton überlegte, ob er ihr freundlicherweise Nachhilfe geben und sie in die sieben Geheimnisse erfolgreichen Anstarrens einweisen sollte, fiel es ihm plötzlich ein.
Na klar! Wieso war er denn nicht gleich darauf gekommen? Dabei lag es so deutlich vor ihm wie ein frisch aus dem Gartenteich geangelter Goldfisch, den er sich nur noch einverleiben musste. Es ging um Xavier! Irgendetwas musste zwischen den beiden vorgefallen sein. Etwas richtig Schlimmes. Es bestand kein Zweifel. Ella hatte diese weit verbreitete Zweibeinerkrankheit mit heftigen Symptomen, die selbst aus klug agierenden Menschen wehr- und hilflose Jammerlappen macht: Liebeskummer.
Nach allem, was Anton über Liebeskummer wusste – und das war eine Menge, denn er spitzte immer und überall die Ohren und merkte sich sogar die absurdesten Dinge –, befand Ella sich gerade mitten in Phase II: aufbrechende Gefühle. Kein Wunder, dass sie so eigenartig roch.
Phase I, das Nicht-Wahrhaben-Wollen, hatte sie offenbar hinter sich. In den letzten Monaten hatte sie sich wie eine Irre in die Arbeit gestürzt, um ihren Kummer zu vergessen. Das funktioniert durchaus. Für eine gewisse Zeit. Aber früher oder später brechen die Gefühle sich Bahn, und früher oder später war offensichtlich heute. Gut so, dachte Anton, es geht voran, auch wenn es bis zu Phase III, der Neuorientierung, sicher noch ein weiter Weg ist.
Der Kater hatte mal gehört, dass es bei anhaltendem schwerem Liebeskummer im schlimmsten Fall zu lebensbedrohlichen Funktionsstörungen des Herzmuskels kommen kann. Das durfte unter keinen Umständen passieren! Auch wenn Ella manchmal anstrengend und ein klitzekleines bisschen ungerecht sein konnte, er mochte sie. Sehr sogar. Er wollte sie nicht leiden sehen. Außerdem war Liebeskummer eine ernste Sache. So durfte es nicht weitergehen. Am Ende vernachlässigte sie ihn noch. Er musste handeln. Sofort.
Ein letztes Mal leckte er ihr aufmunternd über die Hand, dann sprang er vom Sofa. Mit hoch aufgerichtetem Schwanz lief er quer durchs Wohnzimmer, zwängte sich mühsam durch die Katzenklappe – Madame Bernards Pasteten hatten dauerhafte Spuren hinterlassen – und verschwand im Garten.
Anton hatte eine Mission, und die duldete keinen Aufschub.
»Alles gut!« Ella brüllte den Satz fast, um durch das Fauchen der Kaffeemaschine zu Isi durchzudringen. Gegen den hohen Lärmpegel in dem brechend vollen Café anzukommen, das war eine Herausforderung. »Ich hab’s im Griff.« Sie grinste alle Zweifel weg, auch ihre eigenen, und stellte die Cappuccino-Tasse mit Nachdruck ab. Prompt schwappte der Inhalt über.
»Wieso glaube ich dir nicht?«
Mit ihrer Serviette tupfte Isi den verschütteten Kaffee auf, so gut es ging, knüllte sie zusammen und drehte sich hilfesuchend nach der Kellnerin um, die gerade ein Tablett mit Getränken zwischen den eng gestellten Stühlen hindurchbalancierte. Auf dem Holztisch war kein Zentimeter Platz wegen der Tassen und Gläser, des Brötchenkorbs, der Wurst- und Käseplatte, der Eierbecher und Schälchen mit hausgemachter Marmelade. Die Kellnerin nickte, und Isi wandte sich wieder Ella zu, die sich gegen die Skepsis ihrer besten Freundin nur zu gern abgeschirmt hätte. Deren kritischer Blick ging ihr durch und durch.
»Du siehst echt …« Isi zögerte, zupfte einen imaginären Fussel von ihrem Wollpulli und setzte neu an. »Du siehst total fertig aus.«
»Danke. Wenn man dich zur Freundin hat, braucht man keine Feinde mehr.«
»Mensch, Ella, du hast Augenringe bis zum Kinn. Ich mach mir Sorgen um dich.«
Ella winkte ab, kicherte. »Ich weiß, mein Make-up hat mir schon mal bessere Dienste geleistet. Aber bis zum Marie-Antoinette-Syndrom muss der Stresslevel schon noch steigen.« Dann fuhr sie sich mit den Fingern durch die dunklen Locken. »Oder werde ich etwa schon grau?«
»Mit dem Gag kannst du vielleicht deine Oma abwimmeln.« Isi angelte quer über den Tisch nach Ellas Hand, sah ihre Freundin an und hielt ihren Blick fest. »Ich meine es ernst, Süße. Was ist los?« Dabei funkelten ihre blauen Augen so intensiv, dass Ella ganz schwindlig wurde.
»Nichts! Sag ich doch.« Es klang trotzig und zugleich ein bisschen kläglich. Ella hatte ihre Stimme nicht unter Kontrolle, und diesmal lag es keineswegs an der Kaffeemaschine. So überzeugend sie gern gewirkt hätte, so sehr offenbarten Körperhaltung und Tonlage das Gegenteil. Sie biss sich die Unterlippe blutig, um nicht loszuheulen.
»Das sehe ich.«
Ella wusste nicht, was mehr brannte, das Salz, das Isi gerade in ihre Wunden streute, oder die mühsam zurückgehaltenen Tränen.
Die Kellnerin kam an den Tisch, erlöste Isi von der triefenden Serviette, tupfte mit dem Lappen die restliche Kaffeepfütze auf und verschaffte Ella ein paar Sekunden Zeit, um sich zu sammeln. »Soll ich dir einen neuen bringen?« Sie deutete auf die Tasse.
»O ja, bitte.« Die Erleichterung zauberte ein Lächeln auf Ellas Gesicht.
Es war Samstagmorgen, die beiden Freundinnen saßen bei Schneetreiben und beschlagenen Scheiben im MAXX, einem Frühstückscafé in der Maxvorstadt, und nahmen sich endlich mal wieder Zeit füreinander. Das MAXX war einer von diesen trendigen Läden, halb Café mit wild zusammengewürfelten Möbeln und halb Feinkostladen, die Ella urgemütlich fand, doch heute konnte sie die Atmosphäre nicht richtig genießen. Einerseits hatte sie sich auf das Treffen gefreut, zugleich hatte sie riesigen Bammel davor gehabt. Sie kannte Isi und ihren Röntgenblick, dem nicht die kleinste Kleinigkeit entging, so als schaute sie ihr mitten ins Herz. Isi konnte man nichts vormachen, da war es sogar leichter, sich selbst anzulügen. Davon abgesehen hatte sie ein schlechtes Gewissen, das von hier bis zum Mars und wieder zurück reichte.
Ella hatte Isi in der vergangenen Viertelstunde in Kurzform erzählt, dass in ihrem Leben alles super sei. Ihre Geschäftsidee, die Honigkuchen ihrer sympathischen Vermieterin aus Dijon exklusiv in Deutschland zu vertreiben: ein voller Erfolg. Anton: verrückt und putzig wie eh und je. Ihre Gemütslage: bestens. Dabei hatte die treueste Seele von Mensch und liebste Freundin aller Zeiten, sonst genauestens informiert über alles, was in und bei Ella so passierte, keine zusammengeschwindelten Phrasen verdient, sondern eine ehrliche Antwort. Trotzdem oder gerade deswegen saß Ella ihr nun gegenüber und starrte wie gebannt auf die Glasflaschen mit hausgemachter italienischer Nudelsoße in dem Regal an der Wand, weil sie Isi nicht in die Augen sehen konnte.
»Da fehlt doch wer!«
»Was meinst du?«, fragte Ella mit Unschuldsmiene, genauer: mit misslungener Unschuldsmiene.
Isi rang sichtlich um Fassung. »Nicht was. WEN! Fängt mit X an und hört mit avier auf. Der kommt seltsamerweise gar nicht vor in deinem Bericht. Dabei gab es mal Zeiten, da hast du von nichts anderem geredet.« Sie stieß die Luft aus und löschte dabei die Kerze auf dem Tisch. »Und erzähl mir jetzt nicht, dass er gar nicht echt war und wie ein Hirngespinst geplatzt ist.«
»Nee.« Ellas Mundwinkel zuckten verdächtig. »Geplatzt ist was anderes.« Sie hatte Mühe, die richtigen Worte zu finden, und dass Isi plötzlich gar nicht mehr forsch und fordernd, sondern mitfühlend dreinblickte, machte es nur noch schlimmer. »Mein Traum … vom Leben … in Frankreich. Mit … Xavier«, presste sie heraus, ehe sie den Tränen freien Lauf ließ.
Isi zog ein Taschentuch hervor und hielt es ihr hin.
Die Tischnachbarn zur Linken, zwei perfekt gestylte Blondinen, hatten ihr Gespräch unterbrochen und lauschten interessiert, was ihnen einen bitterbösen Blick von Isi einbrachte. Sofort wandten sie sich ab, nicht ohne dabei zu tuscheln. Ausgerechnet jetzt kam auch noch die Kellnerin mit dem Cappuccino an den Tisch. Wenn Publikum, dann richtig. Sie sagte jedoch nichts, lächelte, als sie die Tasse vor Ella hinstellte, und war gleich darauf wieder verschwunden, um die nächste Bestellung aufzunehmen.
»Mist!« Ella tupfte die Tränen weg und verschmierte dabei die Wimperntusche. »Ich habe mir neulich erst die Augen ausgeheult, im Beisein meiner Katze! Wie erbärmlich ist das denn?«
»Gar nicht erbärmlich.« Isi hob ihre Kaffeetasse an die Lippen. »Schmerz will gesehen werden. Alte Inka-Weisheit. Hab ich von Ma…« Sie verschluckte sich und fing an zu husten.
Sofort wurde Ella hellhörig. »Wer ist Ma…?«
Isi wedelte hektisch mit der Hand, als hätte sie gerade auf eine heiße Herdplatte gefasst. »Ach, niemand.«
»Nie-mand. Soso.« Ellas Augenbrauen erreichten fast ihren Haaransatz. »Oder vielleicht doch eher jemand mit Blaue-Flecken-Potenzial für die Herzgegend?«
»Was du immer gleich denkst! Er heißt Marc, ist aus meinem Yogakurs und …«
»… völlig uninteressant, klar«, vervollständigte Ella den Satz und holte Luft, um Isi mit Fragen zu löchern – froh, damit von ihrem eigenen Elend ablenken zu können.
Doch Isi ließ sich gar nicht erst darauf ein. »Später. Nur fürs Protokoll: Wir waren gerade bei deinen blauen Flecken. Die sind real, meine dagegen sind noch nicht mal angedacht. Und jetzt erzähl endlich, was in Dijon passiert ist. Wieso hast du dich denn nicht bei mir gemeldet? Du weißt doch, ich bin immer für dich da.« Isi war mit jedem Satz leiser geworden.
Den letzten hatte Ella kaum noch verstanden. Sie wusste nicht, was schlimmer war, ihr Liebeskummer oder die Tatsache, dass sie sich so weit voneinander entfernt hatten. Dass Isi keineswegs beleidigt klang wie befürchtet, sondern eher traurig und enttäuscht.
In Frankreich hatte ihre beste Freundin und Arbeitskollegin per Skype lebhaft an ihrem Leben teilgenommen und alle bewegenden Momente mit ihr geteilt, außerdem arbeiteten sie damals noch in derselben Firma und hatten auch beruflich viel miteinander zu tun. Die Anfangseuphorie über den coolen Job, durch den die beiden Freundinnen weiterhin verbunden waren, Ella auf Wolke sieben mit Xavier, die schöne Wohnung über der Honigkuchenbäckerei, dann die Phase der Ernüchterung und schließlich die unsanfte Landung auf dem Boden der Realität. Irgendwie lief es in Frankreich komplett anders als erhofft. Der tolle neue Job stellte sich als furchtbar heraus; Xaviers Familie, vor allem seine Mutter, mischte sich ständig in alles ein, und er gab viel zu oft nach; die Franzosen waren zwar aufgeschlossen und nett, aber richtig Anschluss fand Ella nicht. Sie vermisste München mehr als gedacht, ihr Heimweh wuchs von Tag zu Tag, und Xavier und sie stritten bald nur noch. Nach gerade mal neun Monaten beschloss Ella, Frankreich den Rücken zu kehren, und die beiden vereinbarten, ihrer Beziehung eine Auszeit zu gönnen: ein halbes Jahr ohne Kontakt, damit jeder für sich und in Ruhe einen Entschluss treffen konnte. Die Entscheidung war beiden schwergefallen und schmerzte Ella noch genauso wie am ersten Tag, denn sie kam mit der Funkstille nicht zurecht. Zu groß war die Sehnsucht, zu groß die Hoffnung. Darauf, dass sie und Xavier wieder zueinanderfinden würden, auf ein Leben an der Seite dieses Mannes, der sich in ihr Herz geschlichen hatte. Und der sich durch eine Willensentscheidung nicht so einfach hinausbugsieren ließ.
Komplette Verdrängung hieß daher Ellas Überlebensstrategie. In dem verzweifelten Versuch, Xavier und alles, was mit ihm zu tun hatte, aus ihrem Leben zu verbannen, schottete sie sich ab und stürzte sich täglich mehr in die Arbeit für den Feinkostvertrieb La Délicerie, den sie vor knapp fünf Monaten gegründet hatte, damit sie für nichts und niemanden mehr Zeit haben würde. Nicht für sich. Nicht für ihre Yogagruppe. Nicht für Anton. Nicht für ihre alten Kollegen. Nicht für Isi. Vor allem nicht für Isi.
Wenn es schwierig wurde, war ihre beste Freundin ganz anders als sie: pragmatisch, konfrontativ, lösungsorientiert. Isi litt nicht, grundsätzlich nicht. Sie hätte sich auch niemals auf eine solche Vereinbarung eingelassen. Von Verdrängung hielt sie schon gleich gar nichts, sie ging Probleme an und ließ nicht locker, ehe selbst das abgründigste Gefühl durchlebt und bewältigt war. Sobald Isi von etwas überzeugt war, wollte sie andere bekehren. Und wenn Ella eines in dieser Lebensphase nicht brauchte, dann waren es Bekehrungsversuche – auch noch so gut gemeinte.
Um sich zu schützen, hatte sie Isi mehrfach ins Leere laufen lassen oder abgewimmelt, bis die beiden Freundinnen nach und nach den Kontakt verloren hatten. Ella war insgeheim froh darüber gewesen – und unglücklich zugleich. Ihr schlechtes Gewissen wuchs mit jedem Tag, bis es irgendwann zu spät schien, die Dinge geradezurücken. Wie bei Frischmilch, die an dem einen Tag noch gut ist und am nächsten gekippt. Seit ihrem letzten Kontakt war so viel passiert, dass Ella gar nicht wusste, wo sie anfangen sollte zu erzählen, und daher lieber gar nichts sagte.
Vergangenen Mittwoch hatte Isi abends völlig überraschend vor ihrer Tür gestanden, so als hätte jemand sie alarmiert. Die fünf vorausgegangenen Anrufe hatte Ella einfach ignoriert, doch live und in Farbe ließ sich die Freundin erst abwimmeln, nachdem sie sich mit ihr zum Frühstücken verabredet hatte. An diesem Abend hätte Ella jedes Zugeständnis gemacht, nur um Isi nicht in die Wohnung lassen zu müssen. Sie hatte nicht einmal die Tür öffnen wollen, als es klingelte, doch Anton hatte sich gebärdet, als würde das Haus brennen, und draußen stünde die Feuerwehr.
Ein merkwürdiger Zufall, denn ihr Herz stand seit letztem Dienstag tatsächlich in Flammen – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Verdrängungsmanöver. Xavier hatte sich nämlich nicht an die Vereinbarung gehalten und Ella damit in tiefste Verzweiflung gestürzt. Thommie Bayer hatte recht, das Herz war wirklich eine miese Gegend, eine verdammt miese. Sie war nicht umsonst so begeistert von dem Schriftsteller.
»Xavier hat … Schluss … gemacht«, raunte Ella mit einem Blick auf die Blondinen am Nebentisch kaum hörbar und unterdrückte das Schluchzen, das in ihrer Kehle kratzte. »Per … WhatsApp. Ich hatte gerade das Gefühl, mein Leben halbwegs im Griff zu haben, und dann … das!«
»Waaaas?« Isis Frage schallte durch den ganzen Raum.
Bei dem Aufschrei fuhren fast alle Köpfe im Lokal zu ihnen herum, und selbst die zischende Kaffeemaschine schien für eine Sekunde die Luft anzuhalten.
Knallrot geworden hielt Ella einen Finger an die Lippen und sah sich peinlich berührt um. »Pssst! Es muss nicht gleich ganz München erfahren, wie es mir geht. Ich versteh’s ja auch nicht. Wir hatten ausgemacht, uns Zeit zu lassen bis Ende Dezember. Keiner sollte sich beim anderen melden. Und jetzt das!«
»Hast du ihn denn zur Rede gestellt?«
Ella schnaubte. »Können vor Lachen! Der Mistkerl ist abgetaucht, weder geht er ans Handy, noch reagiert er auf meine Mails, und bei WhatsApp hat er mich blockiert.«
»Siehst du! Ich weiß, warum ich mich weigere, diese dämliche App zu installieren. Am Ende kommt so was dabei heraus.«
»Danke, sehr hilfreich!« Ella klang wie eine Dreijährige in der Trotzphase.
»Was ist mit seinen Eltern? Kannst du die nicht anrufen? Vielleicht bekommst du ihn dort an die Strippe.«
Isi und ihre pragmatischen Vorschläge. Ella verzog das Gesicht. »Nur über meine Leiche!«, stieß sie aus, fing wieder an zu weinen und tupfte sich mit der Serviette die Tränen von den Wangen. »Ich sag dir was. Der Typ kann mich mal. Genauso wie jeder andere Typ auf dieser Welt. Ich hab vorerst genug blaue Flecken in der Herzgegend. Ich konzentriere mich jetzt auf meine Firma. Wer braucht schon einen Mann?«
Isis Gesichtsausdruck wechselte von besorgt zu entsetzt. »Och je, sag so was nicht. Das kann nicht die Lösung sein, niemals! Du musst beim nächsten Mal eben besser aufpassen … oder nicht nach Frankreich ziehen, damit ich