Kater Frieda - Gert Podszun - E-Book

Kater Frieda E-Book

Gert Podszun

0,0

Beschreibung

Eine ausgefallene Erbangelegenheit bringt eine Arztfamilie in ungeahnte Bedrängnis. Durch eine trügerische Idee gerät der Familienvater in einen Konflikt, welcher ihn in die kriminellen Machenschaften eines internationalen Konzerns verstrickt. Er entscheidet sich, den Kampf aufzunehmen. Ein spannungsreicher Wirtschaftskrimi über die Verführung durch Gier und moralische Verantwortung. Doktor Drempel ist ein erfolgreicher Arzt und hat eine liebenswürdige Familie. Dort lebt auch Kater Frieda. Der Doktor sieht sich dem Ehrgeiz seiner Frau zur Schaffung einer eigenen Klinik ausgesetzt und lässt sich auf ein Abenteuer ein, sein Persönlichkeit über einen ungewissen Zeitraum zu ändern, um eine Bedingung eines Erbvertrages zu erfüllen. Im Einsatz für die Organisation Ärzte ohne Grenzen wird er mit den Machenschaften der Industrie konfrontiert und sucht eine Lösung, die moralisch zu vertreten ist. Ein weiteres Werk von dem Autor, der sich mit Wirtschaftskrimis beschäftigt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 258

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gert Podszun

Kater Frieda

Kampf um Pharmamärkte

 

 

 

Dieses eBook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

54

55

56

57

58

Impressum

Kapitel 1

Kater Frieda

Kampf um Pharmamärkte

Wirtschaftskrimi

1

Als Eva-Maria Drempel sich zum Mittagessen an den Tisch setzen wollte, wich sie im letzten Moment vor der fauchenden Katze zurück. Sie ärgerte sich insgeheim, dass sie es damals nicht geschafft hatte, Frieda, wie der Kater von der Familie genannt wurde, anzunehmen. Sie hatte sich in all den Jahren nicht daran gewöhnen können, dass Frieda alle Menschen anfauchte. Nicht aber ihren Mann Edmund, ihre Tochter Elisabeth sowie deren Geschwister. Eva und Kater Frieda waren nie Freunde geworden.

Elisabeth, Betti gerufen, hatte den Tisch gedeckt. Ihr Vater lächelte sie an:

„Ich verstehe, wenn Du immer wieder daran erinnerst, dass es eine gute Tat war, Kater Frieda das Leben zu retten.“

Bettis Geschwister, Chriss und Alex, schwie-gen. Edmund, von seiner Frau Eddi genannt, fuhr fort:

„Nun ist Zeit für weitere gute Taten.“

Eva-Maria griff Eddis letztes Wort auf:

„Eddi, Du bist doch bald fertig. Kann ich Dich bitte gleich unter vier Augen sprechen? Es ist wich-tig!“

Ihr Mann nahm ruhig den weißen Arztkittel von der Rückenlehne seines Stuhls und warf ihn über seinen linken Arm.

„Gehen wir ins Wohnzimmer, meine Liebe.“

Die Kinder blieben am Esszimmertisch sitzen. Kater Frieda schnurrte unter einem der langen Brokatvorhänge.

„Ich kann mich einfach nicht an dieses Viech gewöhnen“, lamentierte Eva-Maria.

„Du hast Dich ja damals auch nicht um das verletzte Tier gekümmert.“

„Gut, lassen wir das. Ich möchte mit Dir unsere gemeinsame Zukunft besprechen.“

„Aha, es geht um Deine oder auch unsere Klinik, nicht wahr?“

„Ja, stelle Dir nur vor, es ist so gut wie sicher, dass wir die Klinik übernehmen können, ich meine natürlich den Umbau und Ausbau des alten Hotels am Neroberg.“

„Du weißt, dass die Finanzierung bis jetzt noch nicht ganz geklärt ist. Wir müssen das noch mit der Bank klären.“

„Darüber habe ich inzwischen schon mit Doktor Fels gesprochen. Und inzwischen auch mit den Krankenkassen. Die sind sehr an einer Zusam-menarbeit mit uns interessiert. Für unser Vorhaben werden wir genug Patienten haben. Hinzu kommen noch die Kunden, die Deine Fähigkeiten als Chirurg nutzen werden.“

„Du meinst die, die unsinnigerweise wild auf Schönheitsoperationen sind.“

„Ja, Du kannst das doch, warum willst Du das nicht nutzen? Also kurzum, die Finanzierung ist gesichert.“

„Denkst Du daran, dass die Kinder auch weiterhin Geld kosten werden? Das müssen wir in der Planung berücksichtigen.“

„Alles eingerechnet, mein Schatz! Wir werden bald selbstständig. Du wirst Dein eigener Herr sein und kannst Deine Fähigkeiten endlich entfalten! Ich freue mich! Du bist doch einverstanden? Es sind doch schließlich gute Nachrichten.“

Edmund nickte. Er konnte sich nicht gegen den Eifer seine Frau wehren und fand keine weiteren Worte. Eva übersah die Pause. Sie sprang auf und verließ den Raum.

Betti konnte diesen einen furchtbaren Tag nicht vergessen. Es war ein düsterer Herbstnachmittag in ihrer Heimatstadt Wiesbaden. Auf der Straße vor der Villa der Familie Drempel war wenig Verkehr. Dichter Nebel stieg träge und langsam den Hang des Neroberges hinauf. Sie hatte soeben das Haus verlassen, um eine Klassenkameradin zu besuchen, als das für sie Unbegreifliche geschah. Eine kleine Katze lief über die Straße, ein vorbei rasendes Motorrad erfasste sie und zerquetschte ihr Hinterteil. In das vorbeiheulende und allmählich abtauchende Geräusch der Zweiradmaschine mischte sich ein hell aufsteigender schriller Schmerzensschrei.

Blutend, halb zerquetscht lag die kleine Katze auf der Straße. Und Betti hatte den für sie bösen Mann in seiner schwarzen Motorradkluft natürlich nicht packen können. In Sekundenschnelle war er weg. Die Katze lag mitten auf der Straße. Jammerte wimmernd. Betti überwand den Schreck und hob sie ohne Angst und Ekel auf. Vorsichtig trug sie sie zu ihrem Vater ins Haus. Er sorgte sofort für das gequälte Tier, bereitete ein Körbchen und pflegte es. Betti blieb geraume Zeit fast den ganzen Tag bei der Katze. Sie schwänzte sogar die Schule. Ihre Geschwister halfen ihr bei der Pflege der Katze. Schließlich wurde die Katze gesund und sprang jedes Mal, wenn Betti kam, auf ihre Schulter und legte sich wie ein Schal um ihren Hals. Das war wie ein immer wieder kehrendes Dankeschön. Betti nannte die Katze Frieda. Obwohl es sich um ein Katzenmädchen handelte, entschied man sich diesen Namen zu behalten. Kater Frieda. Fortan fauchte der Kater alle Menschen, die ihn nicht gepflegt hatten, an, also auch Bettis Mutter Eva.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen saßen die Kinder noch kurze Zeit zusammen am Tisch. Betti nahm Kater Frieda auf den Arm.

„Du und Kater Frieda, ihr seid ein tolles Paar!“, sagte ihre Schwester Chriss.

„Na und?“

„Es sind die Unzertrennlichen.“, ergänzte Alex und stand auf.

„Schade, dass die Eltern uns nicht in ihre Pläne mit der Klinik einbeziehen. Die Pläne der Alten sind die zukünftigen Wege der Jungen.“, meinte Chriss.

„Du bist unser Philosoph, Bruder. Wenn es wichtig ist, was unsere Eltern wollen, werden wir es schon erfahren.“, entgegnete Betti.

2

Nachdem die Kinder mit dem Vater wenig später das Haus verlassen hatten, telefonierte Eva mit dem Architekten, Herrn Adalbert Fels.

„Wir sind übereingekommen, dass unser Vorhaben mit den Namen Residence oder Drempelklinik in Angriff genommen werden kann.“

„Wie schön, dass Sie unser sagen.“

Eva lächelte und warf während des weiteren Gespräches einen Blick auf die eingegangene Post. Darunter befand sich der Brief eines Notars. Sie wurde neugierig und beendete das Gespräch.

„Ich rufe später zurück!“

Notar Dr. E. G. Breckhader stand da als Absender. Das Schreiben war mit dem Vermerk Vertraulich an Eddi persönlich gerichtet. Was kann das nur sein? Sie rief sofort die Asklepios Paulinen Klinik an, in der Edmund arbeitete. Ihre Stimme war seiner Sekretärin bekannt. Sie verband sofort.

„Ja, Drempel hier.“

„Eddi, ich bin es. In der Post ist ein vertraulicher Brief für Dich. Es scheint wichtig zu sein. Er ist von einem Notar namens Breckhader, Doktor Breck-hader. Kennst Du den?“

„Nein, was steht denn in dem Brief?“

„Ich habe ihn nicht geöffnet.“

„Dann schaue doch einfach mal rein.“

Eva öffnete das Schreiben.

„Es handelt sich um eine Erbangelegenheit und eine Einladung wegen eines Vermächtnisses. Wenn ich das richtig verstehe, hat es mit den USA zu tun. Da wird der Ort Hartfort genannt. Du sollst den Notar deswegen aufsuchen.“

„Das hat ja bestimmt Zeit bis heute Abend. Es könnte mit Onkel Ferdinand zu tun haben. Nein, das kann nur mit Onkel Ferdinand zu tun haben. Gib mir trotzdem doch schon mal die Telefonnummer dieses Notars, bitte. Dann werde ich ihn wegen des Termins im Laufe des Tages noch anrufen können.“

Eddi notierte sich die Telefonnummer.

„Ich habe lange nichts mehr von Onkel Ferdinand gehört, aber der hatte ja sowieso nie Zeit wegen seiner Firma. Die hat ihn stark, sehr stark eingebunden, ja ihn regelrecht beherrscht und möglicherweise abhängig gemacht.“

„Also gut, Du wirst den Notar anrufen. Bis heute Abend.“

„Bis heute Abend, Schatz!“

Bettis Bruder Alexander, Alex genannt, liebte Musik und konnte darin aufgehen. Musik bedeutete ihm Alles, war wichtiger als die Schule. Mit Klassenkameraden war er Mitbegründer einer Band, die sich Crowns nannte. Die Crownies trafen sich mindestens einmal in der Woche, um ihre Stücke einzuüben. Dazu hatte ihnen ein Freund der Familie eine großräumige Doppelgarage in der Nähe der Villa Drempel zu Verfügung gestellt. Alex fühlte sich zum Komponisten berufen. Er gab der Band mit neuen Ideen viele Impulse. An diesem Nachmittag kam er zufrieden von der Übungsstunde nach Hause zurück und hing seine Gitarre neben die Ukelele in seinem Zimmer auf, als ihn seine Mutter zu sich rief.

„Alexander, kommst Du mal bitte!“

Alexander hatte es schon mit seinen zwölf Lebensjahren gelernt, nicht sofort auf jeden Zuruf oder eine Ansprache seiner Mutter zu reagieren. Er hatte sich angewöhnt, zunächst zuzuhören oder auch gelegentlich einfach zu gehorchen, weil er damit Raum für etwaigen späteren Widerspruch gewinnen konnte. Er reagierte.

„Ich komme!“

Er schloss die Tür seines Zimmers, das er entgegen allgemeinem Verdacht gegenüber Kindern in seinem Alter gerne gut aufgeräumt hielt.

„Was kann ich tun? Was liegt an?“

„Hattet ihr eine gute Übungsstunde?“

Alex antwortete selten sofort. Sie fuhr fort:

„Alex, ich freue mich ja, dass Du so viel Freude an der Musik und eurer Band hast. Gute Noten in der Schule hast Du ja auch noch. Aber ich habe mir überlegt, dass Dein Spiel mit der Gitarre nicht ausreichen wird, um aus Dir einen guten Musiker zu machen. Und das willst Du doch, oder?“

Ohne eine Antwort von Alex abzuwarten, fuhr sie fort:

„Also, ich habe mich entschieden, Dir auf dem Weg zu einem guten Musiker zu helfen. Du wirst bald regelmäßig Klavierstunden nehmen, um Deine musische Qualifikation weiter zu entwickeln.“

Alex wusste, wenn er jetzt eine kleine Weile schweigen würde, würde das von seiner Mutter nicht als Zustimmung ausgelegt. Er war sich sicher, dass es ihm Spaß machte, mit seinen Klassenkameraden in der Band zu spielen. Aber Musiker? Wollte er Musiker werden? Das wusste er doch noch gar nicht. Diplomatie war nötig.

„Klavier!“

Dieses Wort von Alex reichte, um seine Mutter zu einer weiteren Erklärung zu bewegen.

„Nun ja, es gibt auch noch andere klassische Instrumente. Man muss eventuell prüfen, wer zu welchem Instrument die beste Eignung hat. Vielleicht solltest Du zuerst herausfinden, welches der Instrumente Dir zunächst am besten liegt. Ich kenne da jemand, der das für uns organisieren könnte. Das ist, glaube ich, eine gute Lösung für Deine Entwicklung als Musiker.“

Alex schaute ihr offen ins Gesicht, wiederholte sichtlich pikiert:

„Musiker!“

Das Gespräch war beendet. Seine Mutter schwieg.

Eddi rief den Notar kurze Zeit nach dem Gespräch mit seiner Frau an.

„Guten Tag, Herr Dr. Breckhader. Mein Name ist Eduard Drempel. Meine Frau hat mich heute darüber informiert, dass Sie einen Termin mit mir vereinbaren wollen. Können Sie mir vorab schon einmal mitteilen, worum es sich handelt?“

„Ich kenne Sie nicht persönlich, aber Ihr Name ist mir bekannt. Ihr Onkel hat Nachrichten für Sie, die ich Ihnen mitzuteilen habe. Dafür ist ein persönliches Erscheinen nötig. Wann können Sie kommen?“

„Heute ist Freitag. Da geht es erst am Anfang der kommenden Woche.“

„Warten Sie, am Dienstag gegen 11 Uhr bei mir? Die Adresse haben Sie ja.“

„Danke, dann also bis zum Dienstag bei Ihnen.“

„Einen schönen Tag noch!“

„Danke.“

Eddi kam ziemlich spät aus der Klinik nach Hause. Eva hatte eine Gesichtsmaske aufgelegt, lag entspannt auf der Chaiselongue und schaute sich einen Film im Fernsehen an.

„Siehst Du, Du bist schon wieder spät. Wenn Du Deine eigene Klinik haben wirst, dann wird das Leben für Dich leichter und besser werden.“

„Erst einmal Guten Abend, Eva, so viel Zeit muss sein. Meinst Du mein Leben oder auch Dein Leben? Ob eine eigene Klinik weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, wage ich zu bezweifeln. Aber so weit ist es ja noch nicht, oder?“

„Du weißt doch, dass ich mit Dir zusam-menarbeiten will. Du, der Arzt, der Chirurg für alle Fälle und ich die Psychologin an Deiner Seite. In unserer Klinik! Du machst die Körper der Frauen und Männer schöner und ich kümmere mich um die Schönheit der Seelen. Das ist doch eine perfekte Kombination, findest Du nicht auch?“

„Wir haben schon viel darüber gesprochen, aber Du weißt, es muss auch finanziert werden.“

„Du wiederholst Dich. Erinnerst Du Dich nicht an unser Gespräch von heute Vormittag?“

„Gut, gut, wenn es denn alles stimmt.“

„Es wird schon gehen. Hast Du mit dem Notar telefoniert? Was hast Du mit ihm besprochen? Hier ist das Schreiben.“

„Wir sehen uns am Dienstag.“

„Da bin ich mal gespannt.“

3

Eddi war pünktlich zum vereinbarten Termin bei dem Notar. Frau Kleinwasser, die Vorzimmerdame des Notars, trug eine gut ondulierte dunkelbraune Frisur und blickte Eddi über den Rand ihrer schmalen 3,0-Dioptrien-Brille kritisch an.

„Der Herr Notar ist sogleich für Sie da.“

Rechtsanwalt und Notar Dr. Breckhader trug einen strengen Scheitel auf der linken Seite. Er pflegte diesen wie eine wichtige Tradition und unterstützte das durch gelegentliches Glätten seiner Haartracht mit der linken Hand. Sein graues Haar glänzte matt. Im Nacken kräuselten sich ein paar weiße Locken.

Eddi musste nicht lange warten. Frau Kleinwasser begleitete ihn durch die hohe alte Eichentür in das Büro des Notars. Die schweren Eichenmöbel gaben dem Büroraum etwas von erhoffter Ewigkeit. Der Raum war nur wenig beleuchtet. Nur auf dem breiten Eichentisch des Dr. Breckhader stand eine eingeschaltete Leseleuchte. Er kam Eddi entgegen und reichte ihm einladend seine rechte Hand.

„Herr Drempel, schön, dass Sie da sind. Trinken Sie einen Kaffee mit mir?“

Frau Kleinwasser nahm sein Nicken war und verließ den Raum.

„Bitte nehmen Sie doch Platz!“

Eddi saß dem Notar an dem breiten Schreibtisch gegenüber.

„Herr Notar, Sie haben mir eine Nachricht zukommen lassen. Sie erwähnten darin meinen Onkel in Amerika. Ist er gestorben?“

„Lieber Herr Drempel, um Gottes Willen, das nicht. Ich muss Ihnen eine seiner Entscheidungen mitteilen. Ich bin damit beauftragt, sozusagen insofern um Amtshilfe gebeten worden. So einfach ist das. Sonst müssten Sie ja nach Amerika fliegen.“

Begleitet von dem Duft frisch gebrühten Kaffees kehrte Frau Kleinwasser in das Büro zurück und ließ die beiden Herren nach dem Einschenken allein. Dr. Breckhader glättete langsam und besonnen sein Haupthaar und griff langsam zu der vor ihm liegenden Akte.

„Ihr Onkel, Ferdinand Drempel, hat mich beauftragt, Ihnen seine Entscheidung mitzuteilen. Es handelt sich um ein Vermächtnis. Nebenbei bitte ich Sie, mir Ihren Ausweis zu zeigen. Ich benötige eine Kopie für die Akte.“

Eddi nippte an dem Kaffee. Der Notar strich erneut über seine Haare und öffnete bedächtig die inzwischen hoch genommene Akte.

„Der Einfachheit halber lese ich Ihnen vor:

Vermächtnis.

Ich, Ferdinand Drempel, geboren in Wies-baden, am 24. 05. 1934 verfüge hiermit über mein Vermögen wie folgt.

Da ich keine leiblichen Kinder habe, vermache ich mein in einer Stiftung abgesichertes Vermögen meinem Neffen Edmund-Walter Drempel, wohnhaft in Wiesbaden, Deutschland. Das Vermögen beträgt zum Zeitpunkt der Erstellung des Vermächtnisses 3.750.000 US $. Da mir bekannt ist, dass mein Neffe in finanziell gesicherten Verhältnissen lebt, verfüge ich, dass dieses Vermögen seinen direkten natürlichen Nachkommen zusteht. Die Verfügung über das Vermögen durch die Vermächtnisnehmer tritt erst dann ein, wenn die Nachkommen nicht mehr durch meinen Neffen versorgt werden können, oder, um es zu konkretisieren, wenn er gestorben sein wird.

Damit sichere ich in den angespannten Zeiten der Weltwirtschaftskrise die Zukunft der jüngsten Familiengeneration.

Hartfort, Connecticut, 05. 02. 2011.“

Dr. Breckhader nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

„Das war es schon. Sie erhalten eine Kopie zu Ihrer Verwendung.“

Eddi nickte. Sein Kaffee war nicht mehr warm. Er erschauerte. Wie kann es so etwa machen? Das ist ja pervers. Ich soll tot sein, damit die Kinder erben. Der Alte ist wohl verrückt geworden! Er blickte den Notar an:

„Ist das nicht total verrückt? Sagen Sie, kann so etwas legal sein?“

„Herr Drempel, ich bin nur der Bote, nicht die Botschaft. Jeder kann über seine Botschaft frei entscheiden.“

Der Tag nahm Ferdinand wieder zu sich.

Alexander spielte Gitarre und Ukelele. Er liebte die Musik mit seiner Band. Seine Kameraden besuchten mit ihm zusammen das Gymnasium am Mosbacher Berg. Peter, einer seiner Kameraden, nicht. Er wohnte in der Gegend am Hang zum Opelbad und war sehr begabt. Er hatte niemals Unterricht in Musik oder in der Handhabung eines Instrumentes erfahren. Alex hatte ihn vor ein paar Wochen im Opelbad kennengelernt. Die beiden fanden schnell heraus, dass sie Vergnügen an Musik hatten. Also hatte Alex Peter eingeladen, bei der Band mitzumachen. Peter konnte fast alle Instrumente sofort spielen. Er hatte ein natürliches Talent. Die Kameraden der Band hatten ihn sogleich ohne Probleme als Mitglied aufgenommen.

Alex hatte schon vor Peters Aufnahme in die Band vorgeschlagen, dass sie der Band einen eigenen Namen geben und versuchen sollten, bei dem Weinfest in Wiesbaden aufzutreten. Sie hatten sich daraufhin schnell auf Crowns als Namen für die Band geeinigt. Peters Können war eine echte Bereicherung für das Repertoire der Band. Das beflügelte die Mitglieder umso mehr, beim Weinfest aufzutreten.

Über die beabsichtigte Teilnahme der Band an dem bevorstehenden Weinfest informierte Alex seine Mutter.

„Das ist ja ganz nett, so eine Band zu haben. Und gute Freunde. Aber ich bitte Dich noch einmal zu überlegen, ob Du nicht doch ein richtiger Musiker werden willst? Mit einen ordentlichen Instrument? Und wegen des Festes fragst Du bitte Papa.“

Alex nickte und drehte sich langsam um, ohne eine Antwort zu geben. Eva schwieg. Ich komme mit dem Jungen nicht so richtig klar.

Am späten Nachmittag kehrte Eddi von der Klinik nach Hause zurück. Eva-Maria konnte ihre Neugierde nur schwer verbergen.

„Warst Du pünktlich bei diesem Notar?“

„Ein cleverer Umweg zu Deiner eigentlichen Frage, nicht wahr?“

„Nun ja, man geht ja nicht jeden Tag zu einem Notar.“

„Darüber werde ich Dir gleich berichten.“

Eddi holte eine Flasche Crémant aus dem Weinkühler und stellte zwei Gläser auf den Tisch. Dieser Tisch im großen Wohnzimmer war ein Erbstück. Ein Möbel, das handwerklich einzigartig war. Massives Holz, keine Schrauben, kein Metall, er fühlte sich warm an. Zu dieser Wärme fügte sich das zartgelbe Licht der späten nachmittäglichen Frühlingssonne und umarmte das Bild des Paares durch die gardinenverhangenen Fenster.

„Wie war es denn nun beim Notar?“

„Ich werde Deine Neugierde sofort befriedigen. Doch zunächst trinken wir einen Schluck zusam-men!“

Der Crémant perlte leicht in den Gläsern. Sie nickten einander zu. Eddi genoss den ersten Schluck und berichtete.

„Noch nie in meinem Leben habe ich solch eine irre Nachricht erhalten wie heute. Ich bin völlig konsterniert und kann mich noch nicht einmal wundern. Es ist unglaublich. Stelle Dir bitte vor, Onkel Ferdinand hat ein Vermächtnis geschrieben. Das hat mir der Notar heute eröffnet.“

„Wie alt ist der Onkel jetzt?“

„Er ist 77 Jahre alt.“

„Ich weiß gar nicht mehr, wann wir uns zuletzt gesehen haben. Es muss mindestens 20 Jahre her sein. Aber egal, erzähle doch bitte, was er verfügt hat. Wieso ist die Nachricht irre?“

Eddi nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas.

„Es ist wirklich irre. Er macht mich zum Erben, aber ich darf nicht selber erben, sondern nur die Kinder, unsere Kinder. Also kurz gesagt: Wir erben ziemlich viel Geld, aber wir werden nichts davon haben, weil ich erst tot sein muss, damit das Erbe durch die Kinder angetreten werden kann.“

„Das ist ja ein Ding! Der Onkel hat verfügt, dass Du erbst, aber erst tot sein muss, damit unsere Kinder in den Genuss des Erbes kommen?“

„Das hast Du richtig verstanden. So ist es!“

Beide nippten schweigend an ihren Gläsern. Eva schlug vor:

„Ich bin dafür, dass wir den Kindern zunächst noch nichts darüber sagen. Wir müssen das erst einmal bedenken.“

„Meinst Du?“

„Es hat ja keine Eile. Ich denke einfach an unsere Zukunft und die geplante eigene Klinik.“

„Ein Traum, Eva, ein Traum!“

„Eddi, diesen Traum werde ich nicht aufgeben. Und Du wirst dort auch Deine Erfüllung erleben.“

„Hast Du vielleicht neue Erkenntnisse wegen der Finanzierung?“

„Morgen treffe ich den Architekten, er hat das Konzept für unsere Klinik in diesem alten Hotel weiter entwickelt. Wenn ich das mit ihm besprochen habe, werde ich Dir weiter berichten. Jetzt sollten wir etwas essen.“

„Das wird uns gut tun.“

„Sind unsere Kinder alle da?“

„Ja, alle. Ich glaube, dass Alex noch mit Dir sprechen will.“

„Worum geht es?“

„Er will mit seiner Band beim Weinfest spielen.“

„Das finde ich gut. So lernt er früh Erfolg und Misserfolg kennen.“

„Findest Du?“

Bis zum nächsten Wochenende kam es zu keinem weiteren Gespräch zwischen Eva und Eddi über das Vermächtnis des Onkels. Eva war am Sonntag ziemlich früh wach.

„Eddi, ich möchte gerne mit Dir über dieses Testament sprechen. Die Kinder sollen ja noch nichts wissen. Können wir das heute einrichten?“

„Eva, es hat doch keine Eile.“

„Das nicht, Eddi, aber es lastet auf mir. Auch wegen unserer Zukunft.“

„Eva, keine unnötige Anspannung, bitte. Aber Du hast recht, wir müssen uns dem Thema stellen und zu einer klaren Meinung kommen. Was hältst Du davon, wenn wir nach dem Kirchgang zusammen im Mövenpick essen gehen?“

„Eine gute Idee.“

In der Villa Drempel war es seit Jahrzehnten üblich, dass die Familie zusammen frühstückte. So auch an diesem Sonntag. Alex freute sich, dass seine Geschwister ihn zum bevorstehenden Jazzkonzert begleiten wollten, umso mehr, als sein Vater ihn zur weiteren Arbeit in der Band ermutigt hatte. Außerdem hatte er ihm noch ein zusätzliches Taschengeld zugesteckt.

„Danach kannst Du Deine Fans oder Kumpel ein bisschen einladen.“, hatte er ihm zugezwinkert.

Noch bis vor wenigen Monaten war es üblich, dass die Kinder ihre Eltern bei dem sonntäglichen Kirchenbesuch begleiteten. Aber diese Gewohnheit hatte sich geändert. Die Kinder drückten sich mehr und mehr davor, an diesem Routinegang teilzu-nehmen. Eddi duldete das. Eva schwieg dazu. Während sich die Kinder auf das Jazzkonzert vorbereiteten, gingen ihre Eltern zum sonntäglichen Gottesdienst.

Eva gefiel es, dass der Pfarrer in seiner Predigt einen deutlichen Hinweis auf die Verführung durch die Gier eingebaut hatte. Auf dem Weg zum Mövenpick wies sie Eddi darauf hin.

„Wenn man doch immer einen Spiegel zur Selbstkontrolle hätte!“, meinte er zu Evas Ausführungen.

„Du mit Deinen philosophischen Anmerkun-gen!“, meinte Eva und studierte sogleich nach der Ankunft im Restaurant die Speisekarte. Es gab ein mediterran komponiertes Sonntagsmenü. Sie entschied sich anders als sonst schnell dafür. Eddi schloss sich an. Als sie das Dessert - eine Variation von Früchten mit Eierlikör - serviert bekamen, eröffnete Eva das geplante Gespräch.

„Ich bin dafür, dass wir gemeinsam überlegen, ob wir vielleicht doch an diesem Erbe teilhaben können.“

„Teilhaben?“

„Ja, es kann doch niemandem schaden. Es ist nur zu überlegen, in welchem Maße wir die Kinder einbeziehen.“

„In welchem Maße? Sie sind doch eigentlich die Erben!“

„Ja, in gewisser Weise schon, aber sie wissen es ja noch nicht.“

„Nichtwissen ändert doch das Vermächtnis nicht.“

„Aber es geht nicht ohne Dich.“

„Doch, es geht nur ohne mich!“

„Das sehe ich ein wenig anders. Höre mir bitte einfach zu. Ich will ja nicht, dass wir die Kinder hintergehen, aber ich stelle mir vor, dass wir den Effekt des Vermächtnisses – sagen wir einmal – zeitlich verschieben.“

„Also willst Du mich entfernen, unsichtbar machen?“

„Bitte höre mir doch erst einmal zu, bevor Du solche Anmerkungen machst. Wenn wir davon ausgehen, dass die Kinder zurzeit noch nicht über dieses Vermächtnis informiert sind und dass ein Weg bestünde, sie gut zu versorgen, dann ist das doch eine Überlegung wert. Ich habe folgende Idee: Wir beteiligen die Kinder urkundlich an unserer Klinik und garantieren ihnen eine entsprechende Rendite. Dann ist der Wunsch von Onkel Ferdinand ganz gewiss erfüllt und wir schlagen sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“

„Wie, womit willst Du die Kinder an einer noch nicht vorhandenen Klinik beteiligen?“

„Na, überlege doch mal, bitte. Wenn die gewünschte Voraussetzung eintritt, dann steht doch der Umsetzung dieser Idee nichts im Wege.“

„Hmmh. Also muss ich aus dem Leben scheiden, damit Dein Plan aufgeht. Wenn ich das aber nicht will, was ist dann?“

„Also Eddi, Du bist doch sonst auch so clever. Du musst doch nicht sterben, Du musst nur Deine Identität ändern. Und schon haben wir die Klinik und gut versorgte Kinder. Ist das nicht ein guter Ansatz?“

Eddi wollte vom Tisch aufstehen, hinderte sich aber selbst daran, seinen Platz zu verlassen, weil er es als sehr unhöflich empfunden hätte, ein geplantes Gespräch einfach durch ungeplante Abwesenheit zu unterbrechen. So war er.

„Ich habe es wahrscheinlich nicht richtig verstanden, was Du da im Kopf hast. Du siehst also eine Möglichkeit, dass ich irgendwann nicht mehr existiere, dass ich meine Identität verliere oder aber eine neue gewinne oder beides?“

„Die Sache gebietet es, dass Du Dich bitte nicht aufregst.“

Eva winkte dem Ober und bestellte zwei Glas Cynar.

„Es kann doch nicht so schwer sein, aus dem Angebot des Onkels eine Chance zu machen, zudem, wenn dadurch niemand zu Schaden kommt. Betrachten wir das doch einmal aus einem rein praktischen Blickwinkel. Da gibt es ein Vermächtnis zugunsten unserer Familie. Daran ist eine Bedingung geknüpft. Diese Bedingung wird ja wohl zu erfüllen sein. So könntest Du zum Beispiel eine gewisse Zeit im Ausland arbeiten, irgendwo in Südamerika oder in Asien und nach einer gewissen Zeit könnte es Dir gelingen, Deine Identität zu ändern und schon wäre unser Ziel erreicht.“

„Eva, das ist nicht rechtens, was Du da überlegst. Das ist Betrug!“

Der Cynar schmeckte Eddi, im Gegensatz zu sonstigem kleinen Genuss, eher bitter als angenehm, nicht süßlich. Eher herb bitter. Er betrachtete das schwere Glas, die Eisstücke darin und die in zwei Hälften geteilte Scheibe einer Limette. Erneut ließ er einen kleinen Schluck über seine Zunge gleiten und wälzte ihn einen kleinen Moment in seinem Mund.

„Eddi!“

Eddi kannte Momente mit Eva, in denen es unmöglich war, ihr zu widersprechen. Sie hatte mitunter fixe Ideen, die ihr so viel bedeuteten, dass sie sie verfolgte, so wie eine Straßenbahn ihren Weg dem Lauf der Schienen unterordnet. Er sah keine Chance, ihr etwas zu entgegnen.

„Ich sehe, dass Du verbissen an dieser Idee hängst. Ich weiß, dass Du nicht von der Vorstellung einer eigenen Klinik Abstand nehmen wirst. Ich kann Dir noch nicht viel versprechen, aber ich werde mir Deine Idee durch den Kopf gehen lassen. Es wird ganz gut sein, wenn wir jetzt ein paar Stunden nicht mehr über dieses Thema sprechen. Ich würde gerne noch einen Espresso trinken.“

4

Der sonntägliche Abend neigte sich dem Ende zu. Das angenehme Spätfrühlingslicht hatte sich bereits verabschiedet. Der Mond versteckte seine Sichel hin und wieder hinter dem Flug weißgrauer Wolken. Lichtflecken an den Wänden im Eltern-Schlafzimmer der Drempelvilla tanzten unter den einströmenden Lichtern von Mond und vorbeifah-renden Fahrzeugen. Eddi hatte sich früher als sonst üblich ins Bett gelegt. Er schwieg. Er betrachtete Eva-Maria im Spiegel, der an einem massiven Eichenholzschrank montiert war, und freute sich ein paar Momente an dem Anblick seiner Frau, die sich gerade entkleidete, bis er von ihr angesprochen wurde:

„Du, ich habe da noch einen Gedanken!“

Er wollte keinen Gedanken.

„Wollen wir noch ein wenig fernsehen?“

„Ach Edmund, es gibt doch jetzt etwas Wichtigeres!“

„Also, erzähle!“

„Wenn ich das richtig verstanden habe, wirst Du selbst von dem möglichen Erbe nichts, überhaupt gar nichts erhalten können.“

„Richtig!“

„Das finde ich - gelinde gesagt dumm und schade - und hätte da eine Ergänzung zu unserem Gespräch von heute Mittag.“

„Ich höre.“

„Du müsstest also irgendwie nicht mehr unter Deinem echten Namen existieren, und die Kinder müssten quasi als Entschädigung für ein vorgezogenes Erbe eine materielle Anerkennung leisten.“

„Eine Anerkennung?“

„Na ja, sie würden Dir, also uns, die teilweise Verfügung über das Erbe überlassen.“

„Mmmmh! Du willst also unbedingt diese Klinik und lässt nicht locker, stimmts?“

„Es schadet doch niemandem und wir wären früher mit der Klinik fertig, und die Kinder hätten zweimal etwas davon.“

„Wie das?“

„Sie würden sofort einen verbrieften Anteil bekommen, und wenn die Klinik gut läuft, könnten sie als Anteilseigner eine Rendite haben.“

„Du bist ja ganz schön gewieft. Hast Du da an die möglichen Konsequenzen gedacht? Das ist doch ein möglicher Irrgarten. Was kann da nicht alles schiefgehen. Ich bin unbekannten und unberechen-baren Umständen ausgeliefert. Einfach ausgeliefert, verstehst Du? Du würdest mich einfach opfern. Ich finde das – gelinde gesagt – mehr als bemerkens-wert. Aber Du hast das für Dich ja irgendwie schon entschieden, oder?“

„Ja, wenn Du etwas in Ruhe darüber nachdenken wirst, dann wirst Du finden, dass ich recht habe. Deine Frau eben.“

„Angenommen, ich stimme dem zu, wie würde das praktisch ablaufen?“

„Ziemlich einfach. Du nimmst einen Job im Ausland an, zum Beispiel über Ärzte ohne Grenzen, und dann geschieht etwas.“

„Du meinst, ich bin dann irgendwann offiziell tot?“

„Ja, und dann kommst Du wieder und fertig.“

„Fertig.“

„Ja, bitte denke doch darüber nach, sonst kommen wir nie zu unserer Klinik.“

„Vor kurzer Zeit hattest Du die Finanzierung doch schon fast fertig vorbereitet.“

„Ja, aber so würde es viel besser gehen und wir würden weniger Fremdkapital benötigen.“

„Und was sagen wir den Kindern?“

„Wir machen einen zukunftsorientierten Ver-trag mit ihnen. Der wird hinterlegt. Sie wissen ja jetzt doch noch gar nichts von dem Vermächtnis.“

„Clever. Ich bin ja gar nicht gegen die Klinik, die eigene. Wäre schon schön.“

„Na also.“

„Aber dann muss ich ja….!“

„Ins Ausland. Du bist doch da auch abge-sichert. Und es dauert doch nur eine überschaubare Zeit.“

„Liebling, das muss ich überschlafen, es ist auf jeden Fall verrückt!“

Sie küsste ihn auf die Stirn.

5

Eddis Schlaf wurde von Chimären beherrscht. Sie nahmen überall in seinem Hause Platz, saßen auf den Tischen, wickelten sich in seinen Bademantel und schwenkten seine Gläser, aus denen sie irgendetwas Gelbes tranken. Manche kamen ihm so nah, dass er meinte, einen kühlen Hauch zu spüren.

Irgendwann in der Nacht stand Eddi auf, um diesen Traum abzuschütteln. Er trank ein Glas Wasser in der Küche und setzte sich für eine kleine Weile an den Küchentisch. Ich tot und erben? Er sah noch das fordernde Leuchten in den Augen Evas, als sie diesen Vorschlag machte. Aber es würde ihm nichts übrig bleiben. Er musste eine Entscheidung treffen. Obwohl Eva schon lange von der eigenen Klinik sprach, war er sich noch nicht im Klaren darüber, was er selbst wollte. Seine jetzige Situation als angestellter Arzt in der Klinik war ziemlich sicher. Er würde eventuell noch Oberarzt werden können. Das könnte zwar auch noch lange dauern.

Auf der anderen Seite wäre zu hoffen, dass er in der eigenen Klinik selbst mehr für seine eigene Entwicklung würde leisten können. Die Kombination der anzubietenden Leistungen würde Eva und ihm obliegen. Für Klienten sei auch gesorgt. Und die Ver-dienstmöglichkeiten würden sich in Zweifel deutlich verbessern. Schließlich hatte er ja auch noch die Verantwortung für die Ausbildung der Kinder. Das würde so viel kosten, wie ein Einfamilienhaus. Pro Kind. Bald legte er sich wieder in sein Bett und döste bis zum Morgen. Als er aufstehen wollte, nahmen ihn die ersten Worte von Eva gefangen.

„Was hältst Du von Ärzte ohne Grenzen?“

Eddi schüttelte sich, als wenn er die Frage loswerden wollte. In diesem Moment war ihm klar, dass er sich schneller entscheiden müssen würde, als er dachte.

„Ich bin mir über die rechtlichen Fragen noch nicht im Klaren.“, bereitete er eine ersehnte Verzögerung einer Entscheidung vor.