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Ein nicht aufgeklärter Verkehrsunfall wird zum Anlass einer Erpressung. Der Tod eines Mannes in einer Ratsstättentoilette stellt die Polizei vor ein Rätsel. Ein machtgeiler Manager will den Wassermarkt beherrschen und setzt alle erdenklichen Mittel ein, um sein Ziel zu erreichen. Lehrer Otten behandelt in Rostock einen Unterrichtszyklus Wasser. Rostock ist Testmarkt für den vom Manager gestarteten Wasserkrieg. Dort werden Leute gefügig gemacht. Vom Raststättenmord gibt es einen Hinweis auf Rostock. Politische und andere Kräfte geraten in die Dynamik des Wasserkriegs. Der Manager setzt aus enttäuschter Liebe die familiären Beziehungen aufs Spiel und erpresst über seine Datenbanken Unternehmen und Menschen. Ein von ihm beschützter Fremdenlegionär sucht nach einer Zeit der Unterwürfigkeit seine Freiheit und beteiligt sich an der Aufdeckung der Strategien und Maßnahmen des Managers. Lehrer und Schüler finden unerklärliche Dinge im Zusammenhang mit der Wasserversorgung in dem Testmarkt Rostock und recherchieren, bis der Manager sich um seine Vorgehensweise zu sorgen beginnt. Die Verfolger können ihn nicht fassen, bleiben ihm aber auf den Fersen.
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Seitenzahl: 281
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Gert Podszun
WasserGeld
Kampf um den Wassermarkt
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Inhaltsverzeichnis
Titel
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Impressum neobooks
Ohne Wasser geht gar nichts.
Wasser ist verantwortlich für alles Leben auf der Erde. Das Leben ist im Wasser entstanden, lange bevor die Atmosphäre ihre heutige Zusammensetzung hatte.
Weltweit droht in den kommenden Jahren eine Verschärfung der Wasserkrise. Mega-Städten sind besonders von Trinkwassermangel, sinkender Wasserqualität sowie Ausfällen der Kanalisation gefährdet.
Nach Angaben des UN-Programmes Habitat haben derzeit in einigen städtischen Regionen Schwarzafrikas bis zu 50 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Wasser, bis zu 60 Prozent hätten keine ausreichenden sanitären Anlagen.
In Interpretation dieser Lage kann man folgern: „Wer die Macht über das Wasser hat, hat die ganze Macht.“
In diesem Spannungsfeld ist der Wirtschaftskrimi WasserGeld entstanden.
Franҫois schlief unruhig. Bin ich an dem Unfall mit schuldig? Ich habe doch nachdrücklich gesagt, dass Marie nicht fahren sollte, eher Bernd. Sie hatte möglicherweise zu viel getrunken. Vielleicht war sie auch noch aufgeregt wegen des bestandenen Abiturs und weil ihr Vater ihr etwas Besonderes versprochen hatte. Ich hätte mich durchsetzen sollen.
Aber nun ist es passiert. In der Tageszeitung stand es:
Nächtlicher Unfall auf der B 3
Nach einer Party im Hause der Familie Bellecourt ereignete sich in der letzten Nacht südlich von Hannover ein Unfall, an dem zwei Abiturienten in einem Mini beteiligt waren. Die Fahrerin blieb unverletzt. Der Beifahrer erlitt mittelschwere Verletzungen und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Sein Zustand ist noch nicht stabil. Die Unfallsursache ist noch ungeklärt. Ob ein anderes Fahrzeug an dem Unfall beteiligt war, ist noch ungeklärt. Die Polizei ermittelt den Unfallhergang. Etwaige Mitteilungen und Hinweise über Unfallort und Unfallzeit bitte der nächsten Polizeistation melden.
Franҫois beruhigte sich, stand auf und begab sich ins Bad. Im Dialog mit seinem noch unrasierten Gesicht im Spiegel entschied er sich, nicht mehr mit sich zu hadern. Ich werde den Fall verfolgen. Wenn Bernd den Unfall nicht überleben sollte, dann werde ich selbst der Sache nachgehen. Es wird ja bestimmt ein Verfahren geben. Ich werde als Journalist alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Licht in die Angelegenheit zu bringen.
Er überlegte, ob er Marie anrufen sollte. Schließlich waren sie gute Freunde. Ich möchte keine Schuldzuweisungen aussprechen, wenn die Lage nicht geklärt ist. Aber ich habe Zweifel, ob die Sache neutral aufgeklärt werden wird. Maries Vater ist ein bedeutender Jurist aus einer anerkannten Familie. Ihre Kanzlei gibt es seit vielen Jahrzehnten. Wer weiß denn, welchen Einfluss sie auf die Unfalluntersuchungen nehmen können? Da geschieht viel hinter den Kulissen. Franҫois beendete die Rasur und bereitete sich auf das Frühstück vor.
Das fand auf der Terrasse des elterlichen Anwesens statt. Es war angenehm warm hier, südlich von Hannover im Sitz derer von Bellecourt. Der Frühstückstisch war gedeckt, die Karaffe mit frisch gepresstem Orangensaft gefüllt, über der gerade geöffneten Kaffeekanne wehte ein leichter Duftnebel, als sein Vater seine Tasse füllte.
„Hast Du den Lokalteil schon gelesen?“
„Da stand etwas über Deine Party drin. Glückwunsch zu Deinem ersten größeren Artikel, mein Sohn.“
„Danke, aber da stand auch etwas über einen Unfall.“
„Was für ein Unfall?“
„Das waren zwei von unseren Gästen. Die hatten in der Nacht auf dem Nachhauseweg einen Unfall.“
„Das habe ich gar nicht gelesen. War es schlimm?“
„Bernd liegt im Krankenhaus, da muss es schon schlimm gewesen sein.“
„Wer ist die andere Person?“.
„Marie, Marie Naschneiner.“
„Das geschieht dem Alten recht.“
„Das kannst Du doch nicht sagen.“
„Doch, das kann ich. Der Mann ist nicht ganz koscher, der zieht an allen Fäden, wo er nur einen schnappen kann.“
„Übertreibst Du da nicht?“
„Wenn Du wüsstest, was der alles kann und schon gemacht hat. Als höherer Jurist in der Anwaltskammer hat er das Sagen. Seine Kanzlei hat viel Macht, auch in manchen Unternehmen, ohne dass das jedermann weiß. Außerdem hat er im MarketingClub getrickst.“
„Weil Du nicht mehr Vorsitzender bist?“.
„Das auch. Das ist etwas, was ich ihm nicht verzeihen kann.“
„Wo ist Mutter?“
„Sie ist noch oben und telefoniert mit ihrer Mutter.“
„Das kann dauern.“
Der Präsident der Rechtsanwaltskammer in Hannover machte wieder einmal Stichproben. Das zählte zu seinen unberechenbaren Gewohnheiten. Unklar waren nur die Zeiten, zu den diese Stichproben gezogen wurden, nicht aber die Tatsachen als solche.
„Er möchte die letzten fünf Akten über Einbrüche und Unfälle in Hannover und Umgebung ansehen.“
„Das ist eine seiner Marotten. Es ist wieder einmal so weit.“
„Du hast Recht. Aber diese Marotte hat schon öfter geholfen. Er ist ein Fuchs. Ihm sind beim Studium von Gerichtsakten einige Fehler aufgefallen. Das hat zu verschiedenen Ergebnissen geführt. In einem Fall wurde das Verfahren neu aufgerollt, in einem anderen gab es sogar einen Freispruch. Zusätzlich fühlen sich die betroffenen Anwälte unter Kontrolle.“
„Ja, der Alte ist ein Fuchs, ein durchtriebener.“
„Ja, und nun übergibt er bald an seinen Sohn.“
„Der ist nicht besser, der Ferdinand. Steht ja unter dem Druck des Alten.“
„Eher noch schlimmer, die Erbmasse wird sich bemerkbar machen. Die Naschneiners sind ja schon seit Generationen in diesem Geschäft.“
Die beiden Angestellten der Rechtsanwaltskammer suchten im Archiv die geforderten Akten.
„Vorm Wietzenbruch, gehört dieser Rastplatz zu unserem Verantwortungsbereich?“
„Ja, der liegt an der A7.“
„Die Kollegen von der Streife haben von dort angerufen. Da gibt es einen Toten. Wir müssen dahin.“
Kriminalhauptkommissar Herter, Mordkommission Hannover, zog seine Leinenjacke mit Ellenbogenaufnähern an und machte sich zusammen mit seinem Kollegen auf den Weg zum Tatort.
Während der Fahrt erkundigte sich Herter bei den Kollegen des Streifendienstes nach der Situation am Tatort.
„Wer hat den Toten vorgefunden?“
„Ein Mitarbeiter einer Reinigungsfirma hat den Toten gefunden und angerufen. Seine Kollegin konnte eine der Toiletten nicht reinigen, weil sie verriegelt war. Dann hat sie zusammen mit dem Anrufer die Tür geöffnet und diesen Mann gefunden. Der ist mit einem Draht an der Wasserleitung unter dem Spülkasten angebunden, wahrscheinlich erdrosselt. Mit dem Draht.“
„Ihr bleibt bitte vor Ort, bis wir da sind.“
„Selbstverständlich!“
Nach knapp einer Stunde war Herter mit seinem Kollegen vor Ort. Auf Anweisung der Kollegen von der Streife waren die Mitarbeiter der Reinigungsfirma noch vor Ort.
Dietrich Horst, ein gewissenhafter Mitarbeiter der CleanObjekt GmbH, fühlte sich als Leiter der neu gegründeten Niederlassung in Hannover für die weitere Expansion der Firma mit verantwortlich. Um das Geschäft, welches er selbst von der Pike an gelernt hatte, in seiner neuen Funktion als Niederlassungsleiter mit hoher Qualität in Schwung zu bringen, hatte er sich entschlossen, selbst eine Reinigungstour mitzumachen. Er prüfte seine Dienstkleidung auf guten Sitz und Sauberkeit.
„Reinlichkeit ist unser Beruf!“ lautete sein Credo.
Er begleitete seine Mitarbeiterinnen zu einem Reinigungsauftrag bei dem neuen Kunden. Sie erreichten die Raststätte "Vorm Wietzenbruch" bevor sie offiziell geöffnet hatte, meldeten sich bei der Geschäftsleitung an und nahmen ihre Arbeit auf. Horst hatte eine gute Stunde eingeplant.
Der Rastplatz befindet sich in einer waldreichen Landschaft. Hinter dem Raststättengebäude bietet ein Parkplatz Flächen für ein Dutzend Fahrzeuge. Nach der Reinigung des Gastraumes setzte eine Mitarbeiterin ihre Arbeit im Toilettenbereich fort. Wenige Minuten später rief sie um Unterstützung.
„Ich komme hier nicht weiter. Diese verdammte Tür ist verriegelt. Da meldet sich auch niemand. Offenbar ist jemand drin oder schläft. Man hört gar nichts. Können Sie einmal kommen?“
Die Kollegin war schnell zur Stelle und schaute die Tür an.
„Lass mich mal sehen.“
Sie bückte sich und erkannte ein paar dunkelbraune Schuhe, wahrscheinlich Herrenschuhe.
„Du hast recht. Hallo! Hallo! Ist da jemand? Der antwortet nicht! Da stimmt was nicht.“
Sie rief erneut und bekam wieder keine Antwort. Ihr Rütteln an der Tür half auch nicht.
„Das geht nicht. Hier stimmt was nicht.“
Kurz entschlossen nahm sie den Spezialschlüssel zur Hand und drehte das Schloss auf.
„Mein Gott, was ist das? Der Mann, der Mann ist tot!“
Horst hörte helle schrille Aufschreie und eilte sofort in den Toilettenbereich. Er erfasste die Lage, blickte den Mann einen kurzen Moment erstarrt an.
„Man hat ihn erwürgt. Grausam!“
Er versuchte, seinen Schock zu überwinden, senkte seine Stimme.
„Bitte, fassen Sie nichts an, wir müssen das Schlimmste befürchten.“
Auf der Toilette saß schräg nach hinten geneigt ein Mann. Komplett angezogen. Sein Oberkörper war so nach hinten geneigt, dass er eigentlich hätte herunterrutschen müssen. Horst entdeckte den Grund, warum er noch saß. Um seinen Hals war ein dünner Draht gespannt, der hinter der Wasserleitung verknotet oder verwirbelt war.
„Wer macht denn so etwas! Das ist ja pervers!“
Horst schob die beiden Frauen vorsichtig von der geöffneten Tür weg. Einen kurzen Moment schauten sie zusammen starr auf den Körper des toten Mannes. Horst griff zu seinem Mobiltelefon und rief die Polizei an:
„Wir haben hier einen toten Mann gefunden. Der ist ermordet worden. Sie müssen sofort hierher- kommen.“
Er meldete den Standort und erhielt die Bestätigung, dass umgehend eine Streife eintreffen würde. Horst wies seine Mitarbeiterinnen an:
„Wir können hier nicht weiterarbeiten. Wir warten auf die Polizei. Ich informiere den Chef.“
Der Streifenwagen der Polizei fuhr nach wenigen Minuten auf den Parkplatz der Ratsstätte. Horst begleitete die Beamten in den Toilettenbereich.
“Das ist kein Unfall! Der ist ja mit Draht an der Wasserleitung angebunden. Das ist Totschlag oder Mord. Wir müssen die Mordkommission einschalten. Der Bereich wird gesperrt.“
Der Geschäftsführer der Raststätte war inzwischen zum Tatort geeilt.
„So ein Mist! Das ist eine Katastrophe für meine Kunden. Wenn sich das herumspricht!“
Mit seiner Unterstützung wurde der Zugang zu dem Tatort versperrt.
Herter betrat mit seinem Kollegen den Tatort.
„Herzinfarkt oder Altersschwäche scheinen als Ursache für seine Tod auszuscheiden. Er kann sich ja nicht selbst mit dem Draht an die Wasserleitung gebunden haben. Ich sehe keine Wunde, keine Abschürfung, keine Verletzung. Gift? Wir können hier nicht viel ausrichten. Die Spurensicherung muss her. Der Mann gehört in die Pathologie.“
Herter schaute sich die Mitarbeiter der Reinigungsfirma an. Er hielt sie für harmlos. Die werden keinen Grund haben, einen wildfremden Menschen umzubringen. Er ließ sich den Dreikant zeigen, mit dem die Toilettentür von außen geöffnet wurde.
„Gehört das zu ihrer Arbeitsausrüstung?“
Horst bestätigte diese Vermutung.
„Die Schlüssel sind alle gekennzeichnet und gelistet, damit kein Schindluder damit getrieben werden kann.“
„Wir brauchen noch ihre Namen und Adressen und die Daten der Firma, falls wir später noch Fragen an Sie haben. Sie können dann nach Hause fahren. Danke, dass Sie so lange gewartet haben. Die Zulassungsdaten ihres Fahrzeuges benötigen wir auch noch.“
„Das ist doch selbstverständlich.“
Horst fuhr mit den Kolleginnen nach Hannover zurück.
Herter begutachtete den Tatort. Sein Kollege widmete sich dem Draht, mit dem der Tote festgebunden war.
„Was ist das für ein Draht? Der hat ja so komische Schleifen oder Ringe?“
„Wenn ich nicht irre ist das eine Garrotte. Die wird viel von Legionären genutzt. Eine lautlose Waffe im Nahkampf.“
„Der Mann ist nicht mit dieser Garrotte erdrosselt worden. Ich sehe keine Würgemale. Keine Spur!“
„Stimmt. Das sehe ich genauso. Da werden die Spurensicherung und die Pathologie viel zu tun haben.“
„Die Kollegen von der Spurensicherung werden bald da sein.“
„Wir bleiben hier und warten. Wer weiß, wo der Täter steckt.“
Schon als Schüler orientierte sich Ferdinand an den Reichen, den Wohlhabenden, auch am Adel. Seine Familie gehörte zu dem erlesenen Kreis der sogenannten Oberschicht. Seit einigen Generationen war der Name Naschneiner in der besseren Gesellschaft nicht nur bekannt, sondern diente denen, die mit der Familie Kontakt hatten, in verschiedener Hinsicht.
Ferdinand war ein mittelmäßiger Schüler. Er verstand es mit einem fast schon diplomatischen Stil, bei seinen Mitschülern Unterstützung zu finden, um seine Hausaufgaben leichter erledigen zu können oder Referate vorzubereiten. Viele seiner Mitschüler nutzten die Hilfe ihrer Mütter, aber Ferdinands Mutter fand keinen Zugang zu den Schulproblemen. Sie kümmerte sich lieber darum, ihren Mann bei seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen zu begleiten und zu unterstützen.
Sie hatte Ferdinand angeboten, einen Nachhilfelehrer zu engagieren, so wie bei seiner Schwester. Ferdinand hatte das nicht angenommen und fühlte sich in der Nähe seiner Mutter immer weniger wohl. Bis zu seinem Studium hatte er dadurch zu seinen Mitschülerinnen und Kommilitoninnen der ersten Semester eher einen kritischen Abstand. Er konzentrierte sich tüchtig auf das Lernen und seine Zukunft. Die sollte aufregender und spannender sein als seine bisherige durch Tradition geprägte Entwicklung in der Familie.
Ihm schwebte vor, einmal ganz reich und mächtig zu sein. Mächtiger als sein Vater oder sein Großvater. Er hatte die Redewendung Wissen ist Macht für sich besonders interpretiert. Er war davon überzeugt, dass es für sein Leben wichtig sein würde, so viele Informationen für sich verfügbar zu machen, wie nur möglich. Seit seiner Schulzeit sammelte er unentwegt Daten von allen Menschen und Unternehmen, die er kennengelernt hatte. Von seinem Vater und seinem Großvater geprägt, lernte er schnell die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Politik kennen, wusste um die Bedeutung von Seilschaften, Verbindungen und Vereinen. In seiner Datensammlung befanden sich bald viele Namen von Bekannten, Firmen, Managern, Politikern, Honoratioren aus Deutschland und Europa. Er lernte supranationale und internationale Verbindungen kennen.
Nach seinem Abitur studierte er Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft in England und Deutschland, verbrachte einige Monate bei verschiedenen Unternehmen, die dem Hause Naschneiner verbunden waren. Zuletzt absolvierte er ein Praktikum bei einem amerikanischen Beratungsunternehmen mit weltweiten Niederlassungen.
Bevor er als Partner in die familieneigene Rechtskanzlei eingetreten war, verbrachte er einen Urlaub an der Elfenbeinküste. Er erinnerte sich auch später gerne an diesen Kurzurlaub im Ferienclub in Assinie am Golf von Guinea. Dort hatte er in wenigen Tagen mehr erlebt als in vielen Jahren davor.
Besonders aufgeregt war er durch die Begegnung mit Henriette. Sie hatte etwas Verrufenes und dennoch Adliges in ihrem Auftreten. Eine schöne Frau mit symmetrischen Gesichtszügen, an der linken Seite gescheitelten, dickem, schwarzen Haar, das ihr bis zur Taille reichte, sinnliche Lippen, stolze, mandelförmige Augen. Ferdinand war von ihr fasziniert. Glücklicherweise hatte er schon als Schüler eine Schwäche für die französische Sprache. Diese Kenntnisse wollte er unbedingt anbringen. Die Französin machte ihn neugierig. Einmal, weil sie Französin war und unerreichbar schien, weil sie so einen leichten und provozierenden Gang hatte und ihre schwarzen Haare apart über ihre Schultern fielen und so auffallend glänzten. Dazu kam noch ihr anregendes Parfum, dem Ferdinand nachlief. Sie war die erste Frau, die ihn stark interessierte. Er folgte ihr bis zum Strand und nutzte die Gelegenheit, sie auf ihre Bitte hin mit Sonnenschutzcreme einzureiben. Am späten Abend liebten sie sich spontan. Ferdinand merkte sich alles, was sie über ihre Familie und den Konzern berichtete. Er trug die Daten von ihrer Visitenkarte in seine Datenbank ein. Wenig später fand er heraus, dass der Konzern ihrer Familie den Namen OSuez du Mont trug.
Die damalige Begegnung mit Henriette blieb nicht ohne Folgen. Ferdinand pflegte seine Erinnerungen an die gemeinsame kurze Zeit und wünschte sich, mit ihr zusammen sein zu können. Er glaubte, mit ihr das entdeckt zu haben, was man Liebe nennt. Er wünschte, dass sie zu ihm nach Hannover kommen sollte. Sie konnte oder durfte sich nicht entscheiden. Ihr war nicht erlaubt nach Deutschland zu kommen. Als brave Tochter einer weit bekannten vornehmen Familie musste sie sich dort eingliedern. Es war in der Familie verpönt, einen Ausländer zu ehelichen.
Ferdinand hielt trotz des familiären Verbotes weiter Verbindung zu ihr und erfuhr bald, dass sie schwanger war. Ihr gemeinsamer Sohn erhielt den Namen Jacques. Sie heiratete ziemlich schnell nach der Begegnung mit Ferdinand einen reichen Geschäftsmann namens Balaban. Sie blieb in Frankreich bei ihrer Familie und hütete heimlich mit Ferdinand das Geheimnis ihres Nachwuchses. Viel später sollte Ferdinand Jacques für seine Pläne nutzen.
Die zweite Begegnung im Ferienclub hatte sich eines Abends an der Hotelbar ergeben. Ferdinand sprach einen Herrn in seiner Nähe an, der ein Französisch mit deutschem Akzent sprach. Er stellte sich als Sergent-chef vor und nannte sich Josèphe oder Josef, ohne Nachnamen. Er hatte sich bei der Fremdenlegion verdingt und habe derzeit in der Nähe des Ferienclubs einen Einsatz. Dort stünden ihm zwei Kameraden, ein Deutscher namens Tanner und ein Franzose namens Blanchard zur Seite. Ferdinand hörte interessiert zu, wie Josef ihm von der Nahkampfausbildung erzählte, an der er mit seinen Kameraden teilgenommen hatte. Die Schilderung hatte etwas Geheimnisvolles, so als wenn es nicht im Sinne der Legion sei, dass interne Belange den inneren Kreis der Legion verlassen. Sie tauschten Visitenkarten aus. Ferdinand ergänzte seine mobile Datenbank mit ihren Namen und Adressen. Er versah jeden Eintrag mit Notizen über Fähigkeiten, Talente und Neigungen. So wuchs sein Netzwerk weiter. Er glaubte, irgendwann einmal Nutzen aus den gesammelten Informationen ziehen zu können.
Am nächsten Morgen ereignete sich ein ungewöhnliches Schauspiel. Bedienstete des Hotels verfolgten einen jungen Mann, von dem sie annahmen, dass er eine Flasche Champagner und möglicherweise Geld aus der Hotelbar gestohlen habe. Der junge Mann lief sehr schnell. Als Zuschauer dieser Szene sah Ferdinand, dass ein militärisches Fahrzeug, Typ Jeep, in das Schauspiel eingriff. Der Wagen fuhr auf den laufenden Mann zu, zwei Männer hievten ihn in das Fahrzeug, welches sich dann mit erhöhter Geschwindigkeit dem Zugriff der zu Fuß verfolgenden Angestellten entzog.
Ferdinand hörte später, dass der vermeintliche Dieb nicht gefunden worden war. Das war für ihn nicht wichtig, hatte er doch Daten von Josèphe und seinen Kameraden in seine Datei eingetragen. Er konnte ja nicht wissen, ob man sich wiedersehen oder einander gebrauchen können würde. Legionäre sind eine besondere Spezies, sie sind belastbar, kommen mit wenigen Ressourcen aus und sind verschwiegen.
In der Rechtskanzlei Naschneiner et al. folgte Ferdinand Naschneiner seinem Vater als Senior Partner und bezog nach dessen Ausscheiden das größte Büro im Gebäude. Er hatte es sich zu Eigen gemacht, dort an einem Tag in der Woche ungestört zu sein. Diese Zeit nutzte er, um sein Netzwerk zu studieren und Pläne für die Zukunft zu machen. Zugleich erhielt er in dieser Zeit Rückmeldungen aus den verschiedenen Engagements der Kanzlei.
Sein Gewicht in der Kanzlei bezog sich nicht nur darauf, dass er Nachfolger seines Vaters, dessen Vater der Gründer der Kanzlei gewesen war, sondern auch auf seine Erscheinung. Mit über 140 kg Gewicht und einer Körpergröße von 186 cm hatte er sich angewöhnt, ausschließlich Anzüge mit Weste zu tragen, um die Fülle seines Körpers weniger auffällig zu machen. Er lag auf der braunen Ledercouch in seinem Büro und meditierte. Sein Kopf ruhte auf einer der Armlehnen, die etwas zu langen Haare kräuselten sich um seine Ohren. Ihr Ansatz legte eine sehr hohe Stirn offen. In der Hand, die etwas von der Couch gerutscht war, hielt er eine randlose Brille mit Titanbügeln. Auf dem Tisch mit einer dicken Glasplatte vor der Couch lagen Lageberichte von verschiedenen Unternehmen, ausgewählte Presseartikel von seinem Sekretariat und sein Tablet, zu dem nur er Zugang hatte.
Ferdinand hatte die väterliche Kanzlei über die ursprüngliche Aufgabenstellung hinaus weiterentwickelt. Er hatte die Geschäftsaktivitäten auf Beteiligungen an Unternehmen, die von der Kanzlei beraten worden waren, ausgedehnt. Dabei nutzte er die internen Daten der jeweiligen Firmen für seine Datenbank und verschaffte sich auch durch Vernetzungen Kenntnisse über Schwächen und Entwicklungschancen. In dem Portfolio der Beteiligungen befanden sich unter anderem eine Logistikfirma in Italien, die sich auf Flüssigkeitstransporte spezialisiert hatte, sowie eine Sicherheitsfirma in Frankreich. Er verfügte über weitgehende Einblicke in die Unternehmen und konnte so unmittelbar Einfluss nehmen. Seine Kenntnisse nutzte er, um sein Netzwerk zu erweitern. Mittlerweile war der Umfang dieses Netzwerkes so weit gediehen, dass er einen Dienstleister mit der Pflege, Auswertung und dem Schutz der Daten beauftragt hatte. Dieser Dienstleister war vordem einer der Klienten der Kanzlei. Es handelte sich um eine Reinigungsfirma in Köln, die durch den Konkurs eines Großkunden in Liquiditätsschwierigkeiten geraten war und bei der Kanzlei Naschneiner Rat und Hilfe suchte. Die Beratung ergab, dass der Fehlbetrag nicht durch eine Darlehenserweiterung bei der Hausbank ausgeglichen werden konnte. Der Geschäftsführer Mertens nahm darauf ein Angebot der FN-Holding an, den Fehlbetrag zu übernehmen und dafür Unternehmensanteile zu erhalten und das Geschäftsfeld durch einen neuen Bereich zu erweitern.
Dieser Bereich sollte sich mit allen IT-Aspekten der Kanzlei und der FN-Holding befassen. Dabei hatte die Verschlüsselung aller vorhandenen Daten die höchste Priorität. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit bestehen, sich in fremde Systeme einschalten zu können und Profile aller Personen in den Datenbanken zu erstellen, um sie neuen Verwendungen zuzuführen. Damit entstand die Basis für eine Jobvermittlung, da Links zu verschiedenen Jobbörsen in Ferdinands Netzwerk integriert waren. So bestand die Möglichkeit, über eine automatische Überprüfung von Nachfrage und Angebot Kandidaten für neue Jobs ausfindig zu machen. Dieses Potenzial wurde in einer neuen neutral gehaltenen Internetseite publiziert. Das Eindringen in andere Netzwerke erlaubte im Laufe der Zeit, unentdeckt in die Steuerungen fremder technischer Systeme einzugreifen.
Zur Umsetzung dieser neuen Aufgaben wurden im Untergeschoss der Reinigungsfirma Räume abgeschirmt, mit den notwendigen IT-Geräten ausgestattet und mit fähigen Fachleuten besetzt. Ferdinand kümmerte sich in der Anfangsphase persönlich um die Besetzung der Stellen. Die Erstellung der Personenprofile nahm er bei drei Personen persönlich in die Hand: Josef, Blanchard und Tanner.
Mertens wurde verpflichtet, niemand in die Räumlichkeiten zu lassen und einer Fernkontrolle durch Ferdinand zuzustimmen. Entsprechende Zugangscodes wurden vereinbart.
Die Kanzlei stand der regierenden Partei sehr nahe und gehörte auch wegen der Vernetzung mit vielen Unternehmen zu deren bedeutenden Ratgebern. Ferdinand Naschneiner war seit einigen Monaten Vorsitzender des MarketingClubs von Hannover. Auf diese Weise kannte er zusätzlich die wirtschaftliche Situation vieler Unternehmer ausführlich und durchschaute viele Interna auch von Unternehmen, an denen die Kanzlei nicht beteiligt war. Kenntnisse über diese Unternehmen gelangten auch in die Datenbank seines geschützten Netzwerkes, in welchem er Zugänge zu den Intranetzwerken der dort gespeicherten Organisationen und Institutionen hatte.
Einen ersten Erfolg mit seinem Netzwerk erlebte er anlässlich einer Tagung der Oberbürgermeister aus allen Bundesländern. Dort gab es auch einen Stellenmarkt. Die Suche nach einem technisch kompetenten Mann für die Stadtwerke Rostock konnte aus dem Netzwerk bedient werden. Tanner konnte sich dort bewerben.
In der Oberstufe des Ernst-Barlach-Gym-nasiums unterrichtet Lehrer Otten in den Fächern Chemie und Geographie. Der Schwerpunkt der aktuellen Unterrichtsreihe lag in der Behandlung der Wasserproblematik global und zuletzt regional. Er begann mit einer provozierenden Behauptung:
„Ich konfrontiere Sie mit einer Aussage: Das Jahr ist jetzt zu Ende!“
„Aber es ist doch erst August!“
„Richtig. Dennoch halte ich meine Aussage aufrecht.“
„Wo ist der Haken?“
„Im Fußabdruck der Menschheit.“
„Was bedeutet das?“
„Der WWF schlägt Alarm. Wenn die Ausbeutung unseres Planeten so weitergeht wie bisher, dann wird die Menschheit schon im Jahr 2035 die Ressourcen von zwei Planeten benötigen. Diese Tatsache nennt man den Fußabdruck der Menschheit.“
„Über die Ausbeutung hat man schon viel gelesen. Ich habe gelesen, dass es auch einen Wasser-Fußabdruck gibt. Was bedeutet das?“
„Das ist eine gute Überleitung zu unserem Thema, Wasser. Was wissen Sie über den Wasser-Fußabdruck?“
„Das ist eine Rechengröße und meint quasi Virtuelles Wasser.“
„Richtig. Ich werde noch einige Beispiele nennen. Doch zunächst soll der Begriff geklärt werden. Der Wasser-Fuß-Abdruck bezeichnet die gesamte Wassermenge, die benötigt wird, bis ein bestimmtes Produkt beim Verbraucher ankommt. Das umfasst die ganze Produktionskette. Das beginnt zum Beispiel mit der Wassermenge, die benötigt wird, um die Futterpflanzen zu bewässern, die für Tierprodukte anfallen. Die dänische Umweltorganisation Water Footprint Network weist nach, dass besonders der Anbau von Reis, Kaffee und Baumwolle wie auch die Tierzucht extrem viel Wasser verbrauchen.
Ein paar Beispiel habe ich mitgebracht und gehe davon aus, dass Sie für die nächste Unterrichtseinheit weitere Beispiele beisteuern. Zum Beispiel Reis. Bei der Art des Anbaus im Sumpf oder im flachen Wasser leuchtet ein, dass viel Wasser verbraucht wird. Es sind etwa 1700 Liter für eine Packung mit 500 Gramm. Viele von Ihnen tragen ja T-Shirts. Nehmen wir an, dass sie aus Baumwolle sind, dann kommt man auf einen Verbrauch von etwa 2000 Liter pro T-Shirt. Für eine Jeans kommt man auf 6000 Liter. Diese Zahlen sollen Sie auf das bevorstehende Thema vorbereiten. Es gibt noch weiter reichende Themen rund um das Wasser. Wir werden uns um die Wasserversorgung insgesamt kümmern, diejenigen Einflussgrößen studieren, die zur Qualitätssicherung dienen und auch eine praktische Seite beleuchten, indem wir die örtlichen Wasserwerke besuchen werden.“
Ferdinand legte sein Mobiltelefon enttäuscht neben sich. Henriette hatte wieder einmal nicht viel Zeit, mit ihm zu sprechen. Er hatte erneut versucht, sie dazu zu bewegen, dass sie sich treffen. Sie lehnte sein Ansinnen ab und verwies wieder einmal auf die Familie.
„Die Familie will nicht, dass ich alleine eine Reise antrete. Mein Mann ist außerdem sehr eifersüchtig.“
Ferdinand fühlte sich äußerst verletzt. Seine Sehnsucht würde sich nicht erfüllen. Er würde alleine bleiben. Wenn ich schon alleine sein werde, dann möchte ich etwas Großes, etwas Größeres erreichen. Ich will Macht, richtige Macht. Nicht als Galionsfigur, sondern als Beobachter aus dem Hintergrund. So werde ich mich verwirklichen! Vater hat ja seine Lust darin gefunden, Macht auszuüben, sonst wäre unsere, meine Holding, heute nicht so stark.
Er lehnte sich in seinem Chefsessel zurück, legte beide Hände auf seinen Bauch, schloss seine Augen und schaute in sich. Mein Leben muss ich mir selbst deuten. Mutter war mehr an den Geschäften der Firma interessiert als an den Kindern. Henriette ist für mich unerreichbar. Meine Frau Elisabeth, ehemalig Frau Schuch, ist lieb, aber nicht meine Liebe. Sie sorgt für die Familie. Sie ist da. Einfach da. Sie hat Marie mitgebracht. Marie wird in eine Machtposition hineinwachsen. Sie hat das Talent dazu. Ich werde für ihren Weg sorgen. Corinna ist anders. Sie liebt diese französische Welt. Das verstehe ich. Ich werde sie in der Nähe von Henriette parken, ja parken. Die Kinder werden mich begleiten, unwissend begleiten, wenn ich meine Pläne verwirkliche. Ich will, dass Henriette an mich denkt, viel an mich denkt. Unser Sohn heißt Jacques. Ich werde ihn wahrscheinlich nicht kennenlernen, aber er wird mich kennenlernen. Indirekt.
In dem leichten Dämmerzustand träumte er sich zurück nach Assinie und die schöne Urlaubslandschaft von damals. Damals hatte er nicht auf die Wasserversorgung geachtet, weil ihn das nicht interessiert hatte. Dennoch hatte er in Erinnerung, dass die Preise für Flaschenwasser recht hoch waren. Einen ersichtlichen Grund für ihn gab es damals nicht.
Ferdinand mochte sein Lächeln, obwohl er es nicht sehen konnte. Er war entschlossen, sein Können und sein Wollen in den Dienst seiner zu entwickelnden Macht zu stellen. Wenn ich meine Liebe schon nicht verwirklichen kann, werde ich meine Macht verwirklichen. Das werde ich sein: Ein Mächtiger, einer, der Dinge bewegt, ohne dass man weiß, warum sich die Dinge bewegen. Ich nehme die Enttäuschung an. Sie ist nicht mehr Einschränkung meiner Freiheit. Macht liegt vor mir.
Ferdinand wählte mit seinem abgeschirmten Mobiltelefon eine gespeicherte Nummer.
„Man braucht eine Liste der wichtigsten Trends, vornehmlich diejenigen, die zu möglichen gesellschaftlichen Verwerfungen führen können oder werden.“
Sein Gesprächspartner meldete baldigen Vollzug. Er wusste, wer Man war. Schließlich hatte der Gesprächspartner sein Unternehmen gerettet.
Ferdinand beschäftigte sich regelmäßig mit aktuellen Trends in Politik und Wirtschaft. Dazu nutzte er auch seine mittlerweile mächtige Suchmaschine mit den verbundenen Datenbanken, die er seit seiner Schulzeit aufgebaut und immer wieder erweitert hatte.
Aktuell bewegte ihn ein Artikel der Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Knallhart: EU treibt Privatisierung des Wassers in Europa voran.“
Er las:
„Zuerst kommt der Bailout, dann der Ausverkauf der Existenzgrundlagen: Die EU treibt in den Schuldenstaaten die Privatisierung der Wasserbetriebe voran. In Portugal ist das Wasser seither 400% teurer und ungenießbar. Auch in Deutschland sind erste Bestrebungen in diese Richtung zu erkennen.“
Zusätzlich beschäftigte er sich mit dem Umstand, dass in vielen Gegenden das Grundwasser durch die Landwirtschaft und die dortigen Düngungsmethoden bedroht ist. Der größte Teil des Trinkwassers wird aus Grundwasserquellen gewonnen. Durch Düngemittel gelangen Stickstoffverbindungen ins Grundwasser. In diesen Verbindungen kommt Nitrat vor. Hohe Nitratkonzentrationen sind gesundheitsschädlich. Es gibt Regionen, in denen die Grundwasserversorgung wegen dieser Konzentrationen eingestellt wurde.
Er kümmerte sich um Versorgungsfragen mit Trinkwasser und fand weitere Hinweise aus dem Hause der Deutschen Presse Agentur:
„Leitungswasser ist das sauberste Lebensmittel Deutschlands. Ein wichtiger Parameter stellt sein Nitratgehalt dar. Mit der zunehmenden Massentierhaltung könnte der an einigen Stellen zum Problem werden.
Trinkwasser ist laut dem Umweltbundesamt das am besten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland. Wegen seiner guten Qualität empfahl etwa die Zeitschrift „Öko-Test“ Leitungswasser für die Herstellung von Babynahrung, da es eine bessere Qualität aufwies als viele Mineralwässer.“
Wasserqualität ist von vielen Umständen abhängig. Je mehr von diesen Umständen eintreten, desto kritischer wird die Wasserversorgung. Da liegt der Schlüssel. Wenn man die Umstände beherrschen kann, beherrscht man den Markt. Wer das Wasser beherrscht, der hat die Macht. Wirtschaftliche und politische Macht. Ferdinand war bekannt, dass eine weitere Komponente bezogen auf die Trinkwasserversorgung von Bedeutung war, nämlich die Qualität der Leitungs- und Aufbereitungssysteme. Aus politischen Kreisen wusste er, dass in vielen Kommunen ein nennenswerter Investitionsbedarf für die Erneuerung der Leistungssysteme bestand.
Er verstand es mit seinem analytisch trainierten Verstand, in existierenden Systemen und Organisationen Fehler oder Schwächen zu finden. Nicht umsonst war seine Kanzlei an vielen Firmen beteiligt.
Die Botschaft auf seinem abgeschirmten Mobiltelefon listete unter der Überschrift Megatrends einige Positionen auf. Wasser rangierte ganz oben, auch Flaschenwasser. Ferdinand erinnerte sich an die hohen Preise für Flaschenwasser in der Elfenbeinküste. Er nutzte die Botschaft, um selbst im Internet zu recherchieren und etwaige Links für seine Datenbank zu finden. Es dauerte nicht lange, bis er herausfand, dass es Unternehmen gab und gibt, die sich in vielen Ländern der Welt Wasserrechte sichern, um dort Tiefbrunnen zu bauen. Aus diesen Tiefbrunnen wird dann Wasser gepumpt, in Plastikflaschen gefüllt und teuer verkauft. Eine dieser Firmen hieß OSuez du Mont! Das passt hervorragend. Henriette wird mich unterstützen, ja, unterstützen müssen.
Er traf eine Entscheidung. Wir werden den Wassermarkt beherrschen. Es kam nicht oft vor, dass er wir sagte, wenn er sich selbst meinte. Er war überzeugt, eine strategisch wichtige Entscheidung getroffen zu haben.
In meinem Netzwerk und in den verlinkten Datenbanken stehen die notwendigen Informationen bereit. Die geeigneten Akteure für die Umsetzung meines Planes sind vorhanden und werden ohne Widerstand mitmachen. Da wird auch Henriette ihren Beitrag leisten müssen. Ihr Konzern ist im Wassergeschäft tätig und wird sicherlich expandieren wollen. Das wird meinen Plan abrunden. Planung ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Ich werde die politische Schiene motivieren.
Neben den offiziellen Auftritten der politisch Mächtigen gibt es zahlreiche Hinterzimmergespräche. Eines davon fand in dem Tagungsraum eines am Rhein gelegenen Hotels statt. Er zog es vor, nicht in Hannover zu tagen, um einen neutralen Hintergrund zu haben. Zudem würde er die Gelegenheit nutzen, einen Abstecher nach Köln zu machen. Dort hatte die FN-Holding eine Beteiligung.
Ferdinand hatte eingeladen, Das Thema war ziemlich frei gehalten. Die Zukunft der Republik. Die wichtigsten Mitglieder der Parteispitze kamen zu dem Treffen, weil sie davon ausgingen, dass Ferdinand - wie immer - ein brisantes Thema aufgreifen würde.
Sie hatten recht. Ferdinand kam ohne große Umschweife zu seinem Vorhaben:
„Meine Damen und Herren, Ihnen ist hinreichend bekannt, welche Megatrends die Zukunft unseres Landes, nein, nicht nur unseres Landes, sondern weite Bereiche unserer Welt betreffen werden. Wir haben uns vor einiger Zeit mit der Problematik der Seltenen Erden beschäftigt. Die Ergebnisse sind Ihnen weitgehend bekannt. Wir haben da nur einen Teilerfolg erzielt, weil wir möglicherweise zu spät waren. Die Chinesen haben den übrigen Staaten dieser Welt den Rang abgenommen.
Hier möchte ich dieses Thema verlassen und einen Blick in die Zukunft wagen, so wie es die Einladung je benannt hat.
Die Bedeutung von Trinkwasser ist jedem von Ihnen bekannt. Ich habe eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um die Bedeutung des Wassers und die zu erwartende Entwicklung kennenzulernen. Dabei haben wir uns auch auf die neuesten Meldungen der EU bezogen. Dort plant man möglicherweise die Privatisierung der Wasserwerke. Das hat in den südlichen EU-Staaten bereits begonnen. Die Ergebnisse unserer bisherigen Erkenntnisse kann ich Ihnen heute präsentieren.“
Ferdinand zeigte einige Schaubilder, aus denen hervorging, dass ein Kampf um Wasser in absehbarer Zeit in vielen Ländern bevorstehen würde.
Sein Fazit: „Nur wer das Wasser, die Wasserversorgung, beherrscht, hat in der Zukunft die politische und wirtschaftliche Macht.“
„Wie soll das erreicht und gesichert werden?“
Auf diese Frage hatte er umgehend eine Antwort:
„Wir müssen die Macht über die Wasserversorgung in unsere Hände nehmen. Das wird nicht ohne Hindernisse und Auseinandersetzungen gehen. Daher müssen wir zunächst einen weichen Weg nehmen. Es muss eine Kette von kleinen Prozessen sein, die keine großen Wogen in der Öffentlichkeit erzeugen. Ihnen ist ja bekannt, dass meine Tochter Marie als Staatssekretärin im Umweltministerium auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Im Zweifel wird sie für unser Vorhaben plädieren.
Ich schlage folgende Vorgehensweise vor: Wir starten ein Pilotprojekt und wählen dafür eine Stadt aus, die nicht unbedingt im Mittelpunkt des bundesweiten Interesses steht. Dort nutzen wir Pressearbeit, Netzwerke und kooperieren mit kompetenten Fachleuten, um die Übernahme von Wasserwerken vorzubereiten und zuletzt zu übernehmen. Nach einer Pilotphase dehnen wir die Aktivitäten aus, verbinden die verschiedenen Einrichtungen gesellschaftlich miteinander und dehnen das Konzept aufs ganze Land und die Nachbarländer aus.
„Wie soll das mit der Pressearbeit gehen?“
„Meine Herren, sie wissen, dass Nachrichten in unserer Gesellschaft einen großen Nachhall haben, wenn sich eine Vielzahl von Menschen betroffen fühlt. Da wird schnell nach dem Staat gerufen. Und genau das kann ich garantieren. Ich kann versichern, dass die Voraussetzungen für ein Pilotprojekt bereits heute bestehen. Ich möchte Sie heute lediglich darum bitten, dieser Projektidee grundsätzlich zuzustimmen. Keiner von Ihnen wird involviert sein oder gar irgendwelche Maßnahmen ergreifen müssen.
Jetzt lade ich Sie zu einem kleinen Essen und einen Umtrunk ein. Da können wir in individuelle Fragen besprechen. Sie werden sicher nun dazu kommen, Einwände zu bringen und Fragen zu stellen“
Die Begegnung dauerte bis spät nach Mitternacht. Für die Teilnehmer hatte Ferdinand Zimmer reservieren lassen. Dabei hatte er dafür gesorgt, seine Gäste über vorinstallierte Kameras durch seine IT-Zentrale überwachen zu lassen. Er hielt es für angemessen, ihre Reaktionen erfassen und speichern zu lassen, um eventuelle Abweichler ausfindig zu machen.
Das würde er am nächsten Tag in Köln kontrollieren können.