Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Warum ist Wachstum so wichtig? Diese Frage beschäftigt die Menschen seit dem Bekanntwerden der internationalen Finanzkrise besonders. Eine Flut von Veröffentlichungen hat sich zu diesem Thema bereits ergeben. Und nun noch mehr? Als Zeitgenosse erlaubt sich der Autor eine Anmerkung: Die Verneigung der Politik vor den Kräften der Wirtschaft ist unbestritten. Die Gestaltungskraft der Politik richtet sich darauf, die Produktivitätsfortschritte der Wirtschaft, welche in potentieller Arbeitslosigkeit münden, zu absorbieren. Produktivität ist nicht nur ein Phänomen in der konkreten Erstellung von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch in der Welt der „Nicht-Produktivität“, der Finanzwelt. Dort sind fiktive Werte erfunden und in den internationalen Verkehr gebracht worden. Die Sucht nach besonders hohen Gewinnen hat zu einer weltweiten Spekulationswelle geführt, in der ein Mehrfaches der tatsächlichen Wertschöpfung aller Länder virtuell entstand. Diese Blase platzte. Neben diesen Gegebenheiten stellt sich die Frage, ob Wachstum mit Glück korreliert. Versuch einer Antwort.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 74
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Es war früher nicht damit zu rechnen, dass Wachstum problematisch werden würde. Wir wissen, dass über die Bedeutung des Wachstums seit dem Untergang von Lehmann Brothers im September 2008 und dem Zusammenbruch von AIG anders und neu nachgedacht wird.
Diese Arbeit soll dabei helfen, die Bedeutung von wirtschaftlichem Wachstum kritisch zu beleuchten.
Als ich noch Unternehmenspläne und Marketingpläne schrieb, glaubte ich an das Geschriebene. Immer stand da etwas über Wachstum, Zuwachsraten, Marktanteile und Konkurrenz.
Was ich jetzt hier versuche zusammen zu tragen, richtet sich an alle Zeitgenossen/innen, die Vergleichbares taten und solche, die über die Bedeutung der Wirtschaft, Wachstum und die Folgen des Wachstums nachdenken.
Und diejenigen, die unsere Zukunft gestalten wollen.
In den Haushaltsplänen der Kommunen, Länder und des Bundes ist das jeweilige Wachstum des BIP1 ein wichtiger, wenn nicht gar der wichtigste Indikator. Ist er positiv, schaut man optimistisch in die Zukunft, ist er negativ, werden Schreckensnachrichten verbreitet.
Wachstum in der Wirtschaft gehört zu den Kernelementen des Credos derjenigen Länder, in denen Politik sich an wirtschaftlichem Handeln orientiert oder ihm zumindest eine hohe Priorität zumisst.
Die Aufgabenstellung dieser Arbeit besteht in einer kritischen Stellungnahme zu diesem Phänomen und stellt darauf ab, eine Würdigung vorzunehmen.
Reingelegt und reingefallen!
Es wächst gar nicht so wie man sagt oder gesagt bekommt. Wenn etwas wächst, bedeutet das, dass dieses Etwas zunimmt. Das so Zugenommene muss ja irgendwo herkommen. Es kommt mehrheitlich aus der Natur. Das heißt, wenn hier etwas zunimmt, nimmt anderswo irgendetwas ab, was nicht immer nachwächst. Demzufolge wird dort etwas fehlen.
Daraus folgt im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung, dass Wachstum des BIP nicht ausschließlich der Maßstab sein kann, mit dem man die Entwicklung der jeweils angesprochenen Gesellschaft (Volkswirtschaft) anspricht, denn es fehlt eine Aussage darüber, welche natürlichen Ressourcen für das Wachstum abgebaut wurden.
Im Prinzip ist es einfach:
Wachsen ist zunächst ein natürlicher Prozess. Dieser Prozess ist endogen2.
Wachstum in der Wirtschaft ist eher exogen3. Es gibt in aller Regel keinen innewohnenden Eigenzwang, sondern externe Energien wie Wettbewerb oder Gier.
In einem geschlossenen System, als welches zum Beispiel unsere Erde verstanden werden kann, kann Wachstum nur Verschiebung heißen: an einer Stelle kommt etwas hinzu, was woanders weg genommen worden ist. In der Natur findet es genauso statt.
In der Wirtschaftswelt nicht:
Der Druck ist bereits messbar: Erhöhung des Kohlendioxidanteils um 30 Prozent in der Atmosphäre (IPCC)4, Übernutzung von zwei Dritteln aller Ökosysteme (Millennium Ecosystem Assessment)5 und ein ökologischer Fußabdruck der Menschheit, der bereits 30 Prozent der natürlichen Regenerierbarkeit übersteigt (Global Footprint Network)6. Was wird geschehen, wenn die zwei Drittel der Menschheit, die in unannehmbaren Armutsbedingungen leben, unseren Lebensstandard einmal teilen werden?
Die Natur zeigt uns ein ideales Modell. Sie funktioniert zu 100 Prozent mit Energie aus Sonne oder Erdwärme, produziert jedes Jahr Milliarden Tonnen Holz, Süßwasser, Fisch, Fleisch, Pflanzen, Medikamente [Naturheilmittel]7 und Sauerstoff, und das ohne weltweites Wachstum und ohne Abfall, der nicht umgehend rezykliert würde – seit Millionen von Jahren. Diese optimale Wirkung der Natur beruht auf wesentlichen Qualitäten, die wir am besten kopieren sollten: Diversität, gegenseitige Ergänzung und dynamisches Gleichgewicht zwischen allen Lebewesen.
Die Wirtschaft kann die Natur nachahmen, um mit weniger Ressourcen und weniger Energie mehr zu produzieren, um effiziente und saubere Technologien zu entwickeln und um die Abfälle zu rezyklieren. Können wir unsere Bedürfnisse und unsere Produktionsarten so beherrschen, dass wir in einer gerechteren Gesellschaft gut leben werden, inmitten einer weiten, wilden Natur?8
In der praktizierten Wirtschaft9 ist es anders. Dort geht es nicht nur aber auch um Energie.
Energie für die Industrie bedeutet Nutzung von Stoffreserven der Erde. Hierbei wird in Kauf genommen, dass die endlichen Reserven abgebaut werden. Damit werden essentielle Verluste akzeptiert. Das ist Raubbau10. Dieser sollte vermieden werden. Das heißt: wenn Energie aus der Natur genommen wird, muss zur Aufrechterhaltung der Natur die jeweils nächste Entnahme solange warten, bis kein Verlust mehr entsteht. Wenn das nicht der Fall ist, wird der Verlust unweigerlich eintreten.
Das gefällt keinem! Aber es wird billigend in Kauf genommen.
1 Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum. Es misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Das BIP wird in jeweiligen Preisen und preisbereinigt (Deflationierung mit jährlich wechselnden Vorjahrespreisen und Verkettung) errechnet. Auf Vorjahrespreisbasis wird die "reale" Wirtschaftsentwicklung im Zeitablauf frei von Preiseinflüssen dargestellt. Die Veränderungsrate des preisbereinigten BIP dient als Messgröße für das Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaften. Das BIP ist damit die wichtigste Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und gehört zu den Indikatoren des Verbreitungsstandards des Internationalen Währungsfonds (IWF).
2endogen (griech. im Inneren erzeugt)
3 Der Begriff exogen bezeichnet das Gegenteil zu endogen und findet in verschiedenen Wissenschaften Verwendung. Das Wort setzt sich aus den griechischen Wortbestandteilen „exo“, nach, von, außen, außerhalb, und „gen“, etwas hervorbringen, verursachen, durch etwas hervorgebracht, aus etwas entstanden zusammen. Exogen heißt daher, etwas liegt außerhalb oder ist durch äußere Ursachen entstanden.
4 Die Abkürzung IPPC steht für: Integrated Pollution Prevention and Control, eine EG-Richtlinie: RL 96/61/EG: IVU-Richtlinie
5 Beim Millennium Ecosystem Assessment (MA) handelt es sich um eine groß angelegte und von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Studie, mit der ein systematischer Überblick über den globalen Zustand von 24 Schlüssel-Ökosystemdienstleistungen erstellt wurde. UN-Generalsekretär Kofi Annan gab im Jahr 2001 den Auftrag zu seiner Durchführung. Die Gesamtkosten betrugen 24 Millionen US-Dollar. Die Resultate des MA wurden im Laufe des Jahres 2005 veröffentlicht. Darin wurde deutlich, dass sich die Erde in einem Zustand der Degradation befindet. 60% oder 15 von 24 untersuchten Ökosystemdienstleistungen befanden sich in einem Zustand fortgeschrittener und/oder anhaltender Zerstörung.
6 Global Footprint Network ist ein internationaler Think Tank mit dem Ziel, Nachhaltigkeit voranzutreiben. Dazu nutzen wir den Ecological Footprint. Der Footprint ist ein Buchhaltungswerkzeug, das misst, wie viele Naturressourcen und –dienstleistungen wir verbrauchen, wie viele wir haben und wer wie viele Ressourcen konsumiert. Indem wir ökologische Grenzen ins Zentrum aller relevanten Entscheidungsfindungsprozesse rücken, unterstützen wir die Bemühungen, den globalen Overshoot (Wörtlich Grenzüberziehung. Unwissentlich oder unabsichtlich werden die Grenzen eines Systems überschritten und damit seine limitierte Tragfähigkeit, Belastbarkeit. So gerät das System unter Stress und sendet Warnsignale aus, die je nach Beachtung zu Korrektur oder Kollaps führen. Overshoot gibt es in allen Lebensbereichen: Ökonomie, Ökologie bis hin zum Privatleben.) zu beenden und eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen innerhalb der verfügbaren Ressourcen unseres Planeten gut leben können.
7 Anmerkung des Autors
8http://www.natur.ch/fileadmin/natur/easyuser/NATUR_Kongress_2007_Programm.pdf
9 "Der Zweck von Wirtschaft ist die Wohlfahrt des Menschen." -Gregor Gysi, Brand Eins, Heft 1, Januar/Februar 2005, S. 83
10 Unter Raubbau versteht man die Nutzung natürlicher Ressourcen (Natur- und Bodenschätze) ohne Rücksicht auf die Folgewirkungen. Raubbau ist am kurzfristigen Gewinn orientiert, wobei er in der Folge eine langfristige Nutzung erschwert oder gar verhindert. Im Gegensatz dazu steht die Nachhaltigkeit.
Widmung
Vorwort
1. Glauben an Wachstum?
2. Was wächst denn da?
3. Was ist das – Wachstum?
4. Wurzeln des Wachstums
5. Wer macht Wachstum?
6. Darf es etwas mehr sein?
7. Bringt Wachstum Glück?
8. Orientierung
9. Das Erbe des Wachstums
10. Veränderung ist Wachstum
11. Wachstum kategorisch
12. Zurück zur Zukunft
Über den Autor
Weitere Arbeiten
Es scheint so. Das moderne Credo orientiert sich an einer Ziffer: dem BIP! Keine andere Ziffer aus dem Universum der Ökonomie elektrisiert Minister und Manager, Verbraucher und Lohnempfänger, Verbandsfunktionäre, Wirtschaftsweise, Investoren und Journalisten mehr als das BIP, das Bruttoinlandsprodukt12. In den tagesaktuellen Bibeln der Börsen auf dieser Welt sind die Zeichen des Glaubens wie Menetekel auszumachen: steigen die Indizes, ist es gut, fallen sie, ist es schlecht.
Daraus ist zu folgern, dass fallende Kurse des Teufels sind, steigende aber Gutes und Wohlstand, ja Glück, bedeuten.
Der Glauben an diesen Zusammenhang gerät ins Schwanken und wird mittlerweile auch durch eine Reihe neuer Forschungsergebnisse erschüttert. Die gleichen Politiker, die versuchen in der aktuellen Krise 2009 mit Konjunkturprogrammen das BIP wieder nach oben zu treiben, haben Fachleute damit beauftragt, die Aussagekraft des BIP zu erforschen und alternative Indikatoren zu entwickeln. Ist der alte Glaube im Wanken begriffen?
Hinter dem Begriff BIP verbirgt sich nicht mehr als der kumulierte Wert aller im Inland hergestellten Güter, also Waren und Dienstleistungen. Die Mängel dieser Definition sind offenkundig: so lassen zum Beispiel Verkehrsunfälle oder das Versagen von technischen Einrichtungen das BIP wachsen, weil die entsprechenden Reparaturen für Einkommen sorgen. Auf der anderen Seite nimmt das BIP ab, wenn zum Beispiel ein Arbeitgeber seine Sekretärin in den Bund der Ehe führt und die dann Ehefrau nicht mehr einer entlohnten Arbeit nachgeht, ihr Einkommen trägt nicht mehr zum BIP bei.
Die OECD13