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Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Luchs, Balthasar ist unruhig. Ich glaube, er muss einmal aussteigen«, meinte die kleine schwarze Peggy. Dabei strich sie den Collie, der zwischen ihrem Pflegeonkel und ihr selbst saß, über den rassigen schmalen Kopf. »Ich sehe es. Er muss sich auch noch etwas gedulden. Wir dürfen erst beim nächsten Parkplatz anhalten. Wenn ich mich nicht irre, ist er in der Nähe des Titisees. Dort werden wir auch Picknick machen. Wir können uns ruhig Zeit lassen, Peggy.« Seine blauen Augen richteten sich liebevoll auf das Kind. »Aber wir sind doch heute Abend daheim?«, fragte Peggy. »Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder in Swasiland zu sein.« »Hat dir denn die Reise durch den Schwarzwald nicht gefallen, Peggy?« »Sehr gut, Onkel Luchs. Aber am schönsten ist es doch daheim.« Noch immer streichelte Peggy selbstvergessen ihren Hund. »Weil doch auch Sophienlust in der Nähe ist. Und das Tierheim Waldi & Co.« Der sehnsüchtige Glanz in den schwarzen Augen des Kindes vertiefte sich. »Ich verstehe dich gut, mein Kleines.« Eugen Luchs fuhr nun langsamer. »Ich habe mich nicht getäuscht. Dort ist ein Parkplatz.« Peggy richtete sich etwas auf. »Es gibt sogar einen Tisch und Bänke dort. Da können wir picknicken. Hast du auch einen solchen Hunger wie ich, Onkel Luchs?« »Ja, Peggy. Immerhin sind wir heute sehr früh aufgestanden und haben schon um sieben Uhr gefrühstückt. Und jetzt ist es eins.« Eugen Luchs bog in den Parkplatz ein, der neben einer Wiese lag. Dahinter versteckten sich gewaltige Hügel. Peggy hielt Balthasar ganz fest an der Leine, als sie ausstieg. »Zieh doch nicht so«,
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Seitenzahl: 145
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»Luchs, Balthasar ist unruhig. Ich glaube, er muss einmal aussteigen«, meinte die kleine schwarze Peggy. Dabei strich sie den Collie, der zwischen ihrem Pflegeonkel und ihr selbst saß, über den rassigen schmalen Kopf.
»Ich sehe es. Er muss sich auch noch etwas gedulden. Wir dürfen erst beim nächsten Parkplatz anhalten. Wenn ich mich nicht irre, ist er in der Nähe des Titisees. Dort werden wir auch Picknick machen. Wir können uns ruhig Zeit lassen, Peggy.« Seine blauen Augen richteten sich liebevoll auf das Kind.
»Aber wir sind doch heute Abend daheim?«, fragte Peggy. »Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder in Swasiland zu sein.«
»Hat dir denn die Reise durch den Schwarzwald nicht gefallen, Peggy?«
»Sehr gut, Onkel Luchs. Aber am schönsten ist es doch daheim.« Noch immer streichelte Peggy selbstvergessen ihren Hund. »Weil doch auch Sophienlust in der Nähe ist. Und das Tierheim Waldi & Co.« Der sehnsüchtige Glanz in den schwarzen Augen des Kindes vertiefte sich.
»Ich verstehe dich gut, mein Kleines.« Eugen Luchs fuhr nun langsamer. »Ich habe mich nicht getäuscht. Dort ist ein Parkplatz.«
Peggy richtete sich etwas auf. »Es gibt sogar einen Tisch und Bänke dort. Da können wir picknicken. Hast du auch einen solchen Hunger wie ich, Onkel Luchs?«
»Ja, Peggy. Immerhin sind wir heute sehr früh aufgestanden und haben schon um sieben Uhr gefrühstückt. Und jetzt ist es eins.« Eugen Luchs bog in den Parkplatz ein, der neben einer Wiese lag. Dahinter versteckten sich gewaltige Hügel.
Peggy hielt Balthasar ganz fest an der Leine, als sie ausstieg. »Zieh doch nicht so«, schimpfte sie. »Du reißt mich ja um.« Dann lief sie mit dem Hund die Böschung hinab.
Lächelnd blickte der Schriftsteller ihr nach. Noch keine Stunde hatte er bereut, das elternlose kleine Mädchen aus Swasiland in Afrika zu sich genommen zu haben. Ohne Peggy konnte er sich sein Leben nicht mehr vorstellen.
»Onkel Luchs, ich laufe mit Balthasar noch bis zu dem großen Baum!«, rief Peggy.
»Gut, Peggy. Ich hole indessen den Picknickkorb aus dem Wohnwagen.«
»Fein, Onkel Luchs.«
Peggy hatte Mühe, dem kräftigen jungen Hund zu folgen. Aber fest umklammerten ihre kleinen kräftigen Hände die Leine. Sie war ein sehr hübsches kleines Mädchen mit einem runden Puppengesicht und ausdrucksvollen schwarzen Augen. In den abgetragenen Jeans und dem rot-weiß gestreiften Pulli mit dem runden Ausschnitt kam ihr hübsches Figürchen gut zur Geltung. Ihr einziger Kummer war ihr kurzes schwarzes Kraushaar. Zu gern hätte sie langes hellblondes Haar gehabt wie ihre Freundin Heidi Holsten im Kinderheim Sophienlust. Aber ihr Haar wuchs nicht und wurde auch nicht hell und glatt. Oft fragte sie ihren Onkel Luchs, ob er ihr nicht eine Perücke kaufen könne. »Später«, erwiderte er darauf jedes Mal. »Später, wenn du groß bist und dir die Perücke noch immer wünscht.«
»So, und nun laufen wir zurück«, erklärte Peggy energisch. »Du hast schon alles gemacht.«
Balthasar sah sie aus seinen klugen Augen an.
»Wenn du brav bist, lasse ich dich los«, erklärte sie. »Aber du musst mir folgen.«
Der Hund schien übers ganze Gesicht zu lachen, und Peggy löste den Karabiner vom Halsband. »Fuß!«, rief sie danach.
Balthasar war zwar noch ein junger Hund, aber sehr gelehrig und folgsam. Brav lief er mit Peggy um die Wette. Plötzlich aber raschelte etwas im Unterholz des naheliegenden Waldes. Der Collie spitzte die Ohren und jagte davon.
»Balthasar!«, schrie Peggy. »Balthasar, so komm doch!« Erschrocken blickte sie ihm nach.
Eugen Luchs, der gerade den Picknickkorb auf dem Steintisch auspacken wollte, hörte die angstvollen Rufe des Kindes. Er ließ alles stehen und liegen und lief zu Peggy.
»Warum hast du ihn von der Leine gelassen?«, fragte er vorwurfsvoll und strich sich dabei über den rotblonden Vollbart. Das tat er stets, wenn er ratlos war. »Balthasar!«, rief er dann laut. »Komm zurück!«
»Oh, da ist er ja«, jubelte Peggy glücklich, als der Collie mit zurückgelegten Ohren und eingekniffener Rute angelaufen kam. »Böser Hund«, schalt sie ihn. »Du bist ein sehr böser Hund.«
Schuldbewusst sah der Collie sie an, dann leckte er ihr über die Hand.
»Eigentlich verdienst du Strafe«, erklärte Eugen Luchs und sah den Hund strafend an. Doch das wollte ihm nicht so ganz gelingen. »Du Schlingel«, fügte er lachend hinzu. »Du weißt genau, dass ich dich nicht schlage.«
Gemeinsam kehrten sie zu dem Picknickplatz zurück. Peggy sah sich neugierig um. »Sieh doch, Onkel Luchs, von dieser Seite aus kann man einen See sehen«, stellte sie begeistert fest.
»Das ist der Titisee.«
»Das Wasser ist ganz schwarz, Onkel Luchs.«
»Das scheint nur so, Peggy, weil der See im Schatten der Berge liegt. So, und nun wollen wir endlich etwas essen.«
Peggy nickte und befestigte wieder die Leine an Balthasars breitem Halsband. »Auf alle Fälle«, sagte sie und setzte sich auf eine der Steinbänke. Eugen Luchs nahm ihr gegenüber Platz.
»So, dieser Knochen ist für dich«, erklärte Peggy und gab ihrem Hund einen dicken Kalbsknochen. »Er riecht zwar schon ein bisschen, aber das magst du doch. Und Herr Dr. von Lehn sagt, dass solche Knochen sehr gesund sind für Hunde.«
»Das stimmt, Peggy.« Eugen Luchs schnitt einige Scheiben von dem frischen Brotlaib ab und legte zwei davon auf Peggys Holzteller. »Wie ich dich kenne, möchtest du eine dicke Scheibe geräucherten Speck dazu haben.«
»O ja, Onkel Luchs.« Peggy fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Ein Duft von modrigem Holz und Pilzen wehte vom Wald herüber. Tiefblau wölbte sich der Spätsommerhimmel über den bewaldeten Hügeln und den smaragdgrünen Matten.
Eugen Luchs liebte den Schwarzwald um diese Jahreszeit. Mit Genuss verzehrte er das frische Brot und die dicke, mit Pfeffer und Paprika bestreute Scheibe Speck.
Auch Peggy aß mit gutem Appetit.
»Um diese Zeit sind die Kinder von Sophienlust schon mit dem Mittagessen fertig«, erzählte sie mit vollem Munde. »Onkel Luchs, ich kann es kaum erwarten, endlich wieder daheim zu sein.« Ihr Blick wanderte zu dem weißen Wohnwagen hinüber, dessen Lack im hellen Licht der Sonne bläulich glänzte. »Morgen, wenn wir wieder in Swasiland sind, werden mich die Kinder von Sophienlust bestimmt besuchen. Oder ich besuche sie in Sophienlust. Ob sich die Kinder freuen, wenn ich wieder bei ihnen bin?«
Aus ihrer Stimme hörte Eugen Luchs die Sehnsucht der Kleinen nach Swasiland heraus. So hieß das Terrain, das Alexander von Schoenecker ihm für seinen Wohnwagen zur Verfügung gestellt hatte. Das schöne Fleckchen Erde lag an einem Forellenbach zwischen dem Kinderheim Sophienlust und dem Tierheim Waldi & Co.
Als Eugen Luchs an die Familie von Schoenecker dachte, hellte sich sein Gesicht auf. Viel hatte er ihr zu verdanken. Niemals würde er vergessen, wie viel Denise und Alexander von Schoenecker für Peggy und ihn nach der Katastrophe mit dem abgestürzten Flugzeug getan hatten. Damals war sein erster Wohnwagen zertrümmert worden. Dass Peggy und er mit dem Leben davongekommen waren, kam ihm noch heute wie ein Wunder vor.
»Was hast du denn?«, fragte Eugen Luchs und sah Peggy an, die plötzlich zu kauen aufgehört hatte und zur Straße blickte.
»Sieh doch mal!«, rief sie. »Das Auto dort fährt zickzack und hupt ganz laut.«
Eugen Luchs drehte sich um und er fasste die Situation sofort. »Peggy, lauf schnell mit Balthasar zum Waldrand!«, rief er. »Schnell, schnell!«, spornte er sie an, als sie zögerte. »Es besteht die Gefahr, dass das Auto von der Straße abkommt.«
»Ja, Onkel Luchs.« Peggy tat, worum er sie gebeten hatte.
Als ob er es geahnt hätte! Der Wagen kam von der Straße ab und fuhr die abfallende Wiese, laut hupend hinunter, direkt auf ihn zu.
Entsetzt dachte Eugen Luchs an den Steinbruch, der dahinter lag. Nun hörte er die durchdringenden Schreie von Kindern. Und noch immer hupte der Wagen wie verrückt.
Auch die Frau, die mit dem Oberkörper halb über dem Volant hing, hörte die Entsetzensschreie und das anhaltende Hupen, aber sie konnte sich nicht rühren. Ein schneidender Schmerz in ihrer Brust hinderte sie daran. Ihr Herz fing zu rasen an. Die Straße mit den Bäumen zu beiden Seiten drehte sich vor ihr in einem wilden Wirbel, alles verschwamm vor ihren Augen. Dann wurde es dunkel um sie herum. Laut stöhnend sackte sie in sich zusammen.
»Mami! Mami!«, schrien die Kinder auf dem hinteren Sitz. »Hilfe! Hilfe!«
Nun erblickte auch Eugen Luchs die über dem Volant hängende Gestalt. Niemand hätte ihm zugetraut, dass er so schnell laufen konnte. Er ahnte die kommende Katastrophe und handelte blitzschnell
Als der Wagen ihn erreichte, wich er ihm geschickt aus, lief ein Stück neben ihm her und riss dabei die Tür auf. Mit der einen Hand klammerte er sich an die Tür, mit der anderen an den Fahrersitz. Dann versetzte er der Frau am Volant einen Stoß, sodass sie zur Seite fiel. Endlich erreichte er die Handbremse. Kurz vor dem steilen Abhang des Steinbruchs blieb das Auto stehen.
Das hätte schlimm ausgehen können, dachte Eugen Luchs, noch
benommen von dem furchtbaren Erlebnis. Welch ein Glück dass die Autotür nicht von innen verriegelt war.
Die Kinder klammerten sich schluchzend aneinander. Auch Eugen Luchs brauchte einige Sekunden, um sich von dem Schock zu erholen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Erst allmählich konnte er wieder ruhiger atmen.
Endlich hatte er sich so weit gefasst, dass er sich mit den drei kleinen Mädchen befassen konnte. »Es ist alles gut«, tröstete er sie. »Sag, wie konnte das nur geschehen?«, fragte er das älteste Mädchen, die siebenjährige Doris. Dabei blickte er auf die noch immer bewusstlose junge Frau.
»Wir wollten mit Mami zum Schwimmen an den Titisee fahren«, erzählte sie, wobei ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Dann hat Mami plötzlich gesagt, ihr sei nicht gut. Und dann ist sie mit dem Kopf auf das Lenkrad gefallen. Vielleicht ist Mami gestorben – wie unser lieber Papi?«, fragte Doris entsetzt.
Diese Worte ließen ihre beiden jüngeren Schwestern wieder in Tränen ausbrechen. Rasch griff Eugen Luchs nach dem Handgelenk der Bewusstlosen. »Eure Mami lebt. Steigt aus, Kinder«, bat er die drei. »Peggy! Peggy! Komm!«, rief er dann.
Peggy kam sogleich angelaufen. Verwundert betrachtete sie die drei Mädchen, die kaum einen Blick von dem kleinen schwarzen Mädchen wenden konnten.
»Peggy, du wartest mit den drei Mädchen hier auf mich. Ich bringe ihre Mutter ins Krankenhaus«, sagte Eugen Luchs. Konnte er die Kinder wirklich allein hier lassen? fragte er sich zugleich. Aber was sollte schon geschehen? Die Straße war belebt, sodass die Kinder bestimmt nicht von einem Landstreicher belästigt werden würden. Außerdem waren es nur wenige Kilometer bis nach Neustadt, sodass er schnell wieder zurück sein würde.
»Ja, Onkel Luchs.« Peggy erwiderte seinen Blick ernst. »Ich passe auf die Kinder auf«, erklärte sie und sah die drei Mädchen an, die sich auf der Steinbank dicht aneinander drängten. Das größte Mädchen redete leise auf die anderen ein.
»Gut, Peggy, ich verlasse mich auf dich.«
Eugen Luchs stieg in den Wagen ein, in dem die junge Frau noch immer ohne Bewusstsein lag. Er setzte sie auf.
Im gleichen Augenblick öffnete die Unbekannte die Augen. »Wer sind Sie?«, fragte sie erregt. »Was ist geschehen? Die Kinder? Wo sind die Kinder?«
»Sie sind ohnmächtig geworden. Ich habe gerade noch das Auto anhalten können. Ich bringe Sie ins Krankenhaus. Frau …«
»Bergner«, flüsterte sie und schloss wieder erschöpft die Augen. »Aber die Kinder …«
»Sie sind aufgehoben. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Frau Bergner.«
Die junge Frau antwortete nicht. Sie war schon wieder bewusstlos geworden.
Als Eugen Luchs Neustadt erreichte, fragte er einen alten Mann nach dem Krankenhaus. Umständlich erklärte dieser ihm den Weg.
Im Krankenhaus kam die bewusstlose junge Frau sofort in ärztlicher Behandlung. Eugen Luchs sagte dort Bescheid, dass er gleich wieder zurückkäme. Er müsse sich aber zuerst um die Kinder von Frau Bergner kümmern, die er auf einem Parkplatz zurückgelassen habe. Das Auto der Kranken ließ er vor dem Krankenhaus stehen und nahm sich ein Taxi.
Die Kinder hatten sich schon miteinander angefreundet. Peggy, die unendlich stolz auf die Heldentat ihres Onkels war, erzählte den drei Schwestern, dass er der bekannte Märchenonkel vom Stuttgarter Rundfunk sei.
»Er schreibt auch viele Bücher über Tiere. Und auch Reisebücher«, fügte sie hinzu. »Wie heißt ihr denn?«, wollte sie dann wissen. »Ich bin die Peggy.«
»Und ich die Doris«, stellte sich die älteste Schwester vor. »Ich bin sieben. Das ist Gunni. Sie ist sechs und kommt nach den Sommerferien in die Schule. Und das dort ist die Kati. Sie ist erst vier Jahre alt. Und unser Papi ist im März gestorben.«
»Das tut mir leid.« Peggys Augen glitzerten verdächtig, denn sie hatte ein mitleidiges Herz und litt mit allen Kindern, die traurig waren.
Kati, ein süßes Kind mit hellbraunen, leicht gelockten Haaren und großen blauen Augen fragte: »Beißt der Hund?«
»Aber nein, Kati, Balthasar hat Kinder gern.«
»Darf ich ihn streicheln?« Kati rutschte von der Bank und ging zu dem Collie, der sie erwartungsvoll ansah.
»Er freut sich bestimmt darüber.« Peggy lächelte das kleine Mädchen an.
»Ob dein Onkel unsere Mami wieder zurückbringt?«, fragte nun Gunni. Sie hatte hellblondes Haar und dunkelbraune Augen. Ihr rundes Gesicht zeigte einen traurigen Ausdruck. »Weißt du, unsere Mami ist so traurig, weil unser Papi gestorben ist. Ich bin auch schrecklich traurig darüber«, setzte sie hinzu und fing an zu weinen.
Doris strich ihr über das Haar. Auch in ihren grauen Augen standen Tränen.
Kati stupste ihre älteste Schwester an. »Soll ich sie einmal fragen?«, flüsterte sie ihr zu.
»Was denn?«
»Na ja, du weißt schon.«
»Aber ja! Natürlich darfst du Peggy fragen«, meinte Doris.
»Was denn?« Peggy blickte Gunni gespannt an.
»Ich möchte dich fragen, warum du so dunkle Haut hast. Bist du eine richtige Farbige?«
»Ja, das bin ich«, entgegnete Peggy, keineswegs beleidigt. »Ich bin in Afrika geboren, in Swasiland. Onkel Luchs hat mich mitgenommen, nachdem meine Eltern gestorben waren. Da kommt er schon, Onkel Luchs!«, rief sie, als sie das Taxi erblickte und darin ihren Pflegeonkel erkannte.
»Aber wo ist die Mami?«, fragte Gunni und fing wieder zu weinen an.
»Bestimmt musste sie im Krankenhaus bleiben«, meinte Peggy.
»Aber wo ist das Auto? Es gehört doch nicht uns«, sagte Doris aufgeregt. »Es gehört dem Hotel, in dem Mami arbeitet.«
»Onkel Luchs wird uns gleich alles erzählen«, beruhigte Peggy sie.
Eugen Luchs bezahlte den Taxifahrer und stieg aus. Alle vier Kinder und auch Balthasar drängten sich um ihn und stellten ungezählte Fragen.
»Nicht so aufgeregt«, sagte er. »Steigt bitte ins Auto ein. Wir fahren gleich zurück zum Krankenhaus. Ich will euch nur nicht so lange allein lassen. Eurer Mutter geht es schon etwas besser«, sagte er zu den Schwestern, die ihn mit ängstlichen Augen ansahen.
»Das ist fein.« Doris fasste Kati bei der Hand. »Ist sie noch immer im Krankenhaus?«
»Ja, Mädchen.«
»Das ist Doris, das Gunni und das Kati«, erläuterte Peggy.
Eugen Luchs hob Kati ins Auto. Die anderen Kinder stiegen selbst ein. Zu viert saßen sie auf dem hinteren Sitz. Eugen Luchs nahm am Volant Platz und fuhr vom Parkplatz weg. Da der angehängte Wohnwagen sehr groß war, dauerte es ein Weilchen, bis er sich in den noch lebhafter gewordenen Verkehr einfädeln konnte.
»Wo wohnt ihr denn?«, fragte er dann die drei Kinder.
»In einem Wochenendhaus in der Nähe vom Titisee. Früher haben wir aber in einem ganz großen Haus gewohnt«, berichtete Doris.
»Früher hatten wir auch schrecklich viel Geld«, erklärte Kati.
»Ja, das hatten wir«, bestätigte Gunni, die sich immer wieder die Tränen fortwischte. »Ich möchte zur Mami.«
»Aber wir fahren doch zu ihr!«, rief Peggy. »Du brauchst nicht mehr zu weinen.«
»Wir sind gleich da.« Diesmal fand Eugen Luchs sofort das Krankenhaus. Er parkte den Wagen und bat die Kinder, sitzen zu bleiben. »Ich muss erst einmal mit dem Arzt sprechen.«
»Aber ich will mitkommen.« Gunni weinte jetzt ganz laut.
Sei vernünftig«, redete Doris ihr zu. »Manchmal dürfen kranke Menschen im Krankenhaus keinen Besuch empfangen.«
»Aber ich will …«
Eugen Luchs hielt es für besser, sich nicht einzumischen. Er lenkte seine Schritte zum Eingang des Krankenhauses. Der Portier sagte ihm, dass man Frau Bergner inzwischen auf Station drei, Zimmer einunddreißig gebracht habe.
Dort sprach der Schriftsteller mit dem Stationsarzt, der ihm sagte, dass Frau Bergner einen schweren Kreislaufkollaps gehabt habe und für einige Zeit im Krankenhaus bleiben müsse.
»Dürfen ihre Kinder sie besuchen?«
»Nein, Herr Luchs. Sie braucht unbedingt Ruhe. Aber Sie dürfen für ein paar Minuten zu ihr. Sie hat uns darum gebeten. Aber wirklich nur für ein paar Minuten«, bat der Arzt noch einmal.
»Danke, Doktor.«
Leise betrat Eugen Luchs das Krankenzimmer. Nun erst sah er, wie hübsch die junge Frau war, obwohl sie sehr mitgenommen aussah. Sie trug ein Krankenhausnachthemd. Ihr mittelblondes Haar umrahmte ein schmales, sehr blasses Gesicht. Ihre großen blauen Augen richteten sich voller Sorgen auf ihn.
»Wie gut, dass Sie gekommen sind«, sagte sie leise und ein wenig atemlos. »Man sagte mir, dass Sie Luchs heißen. Ich habe das Gefühl, dass ich Sie von irgendwoher kenne.«
»Möglich wäre es, Frau Bergner. Vor gar nicht langer Zeit waren Peggy und ich in einer Fernsehzeitschrift abgebildet. Ich bin der Märchenonkel vom Stuttgarter Rundfunk.«
»Aber ja!« Jetzt wurde die Kranke etwas lebhafter. »Sie sind ein Typ, den man nicht so leicht vergisst. Wo sind die Kinder? Und wie …«
»Der Doktor hat mich ausdrücklich gebeten, Sie nicht aufzuregen, Frau Bergner. Sie dürfen auch nicht zu viel sprechen. Lassen Sie mich erzählen«, bat er gütig und zog sich einen Stuhl ans Bett. Dann berichtete er, wie er auf das fahrende Auto aufgesprungen war, um eine Katastrophe zu verhüten.