Mutterliebe ist stärker - Judith Parker - E-Book

Mutterliebe ist stärker E-Book

Judith Parker

0,0

Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Die junge Frau wirkte nervös. Immer wieder zog sie den kleinen Jungen auf ihrem Schoß zärtlich an sich. Immer wieder strich sie ihm mit der Hand über die dunkelblonden Locken. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Frau von Schoenecker, wenn Sie Uwe für einige Zeit behalten könnten. Selbstverständlich kommen wir für die Unkosten auf.« Die schönen dunklen Augen der jungen Mutter flehten. Denise von Schoenecker, die das Kinderheim Sophienlust für ihren Sohn Nick verwaltete, nickte. »Gern. Uwe wird sich bestimmt wohlfühlen. Die Kleinen sind alle gern hier. Manchen von ihnen ist Sophienlust zur Heimat geworden.« Denise sah lächelnd auf den hübschen kleinen Kerl, der keine Ahnung davon zu haben schien, dass hier über ihn verhandelt wurde. Er lehnte das Köpfchen an den Oberkörper seiner Mama und strahlte sie aus dunklen Augen glücklich an. »Man hört viel Gutes von Ihrem Heim. Deshalb hatte ich auch den Mut, hierherzukommen«, meinte Inge Hellbach leise. »Uwe soll nur vorübergehend bei Ihnen bleiben. Vielleicht für vier oder sechs Wochen. Genau weiß ich es noch nicht. Mein Mann ist Dirigent und tritt mit seinem Orchester eine Auslandstournee an. Er besteht darauf, dass ich ihn begleite. Und da er, wie vielleicht alle Künstler, sehr sensibel ist, möchte ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen. Uwe aber ist für derartige Strapazen noch zu klein. Er hätte auf dieser Reise keine Ruhe. Jeden Tag in einer anderen Stadt, jeden Abend in einem anderen Bettchen, das möchten wir ihm nicht zumuten.« »Das verstehe ich sehr gut. Ich erinnere mich, kürzlich über Ihren Mann in der Zeitung

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 145

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sophienlust –132–

Mutterliebe ist stärker

Auch wenn Uwe erstmal ins Heim muss...

Roman von Judith Parker

Die junge Frau wirkte nervös. Immer wieder zog sie den kleinen Jungen auf ihrem Schoß zärtlich an sich. Immer wieder strich sie ihm mit der Hand über die dunkelblonden Locken.

»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Frau von Schoenecker, wenn Sie Uwe für einige Zeit behalten könnten. Selbstverständlich kommen wir für die Unkosten auf.« Die schönen dunklen Augen der jungen Mutter flehten.

Denise von Schoenecker, die das Kinderheim Sophienlust für ihren Sohn Nick verwaltete, nickte. »Gern. Uwe wird sich bestimmt wohlfühlen. Die Kleinen sind alle gern hier. Manchen von ihnen ist Sophienlust zur Heimat geworden.« Denise sah lächelnd auf den hübschen kleinen Kerl, der keine Ahnung davon zu haben schien, dass hier über ihn verhandelt wurde. Er lehnte das Köpfchen an den Oberkörper seiner Mama und strahlte sie aus dunklen Augen glücklich an.

»Man hört viel Gutes von Ihrem Heim. Deshalb hatte ich auch den Mut, hierherzukommen«, meinte Inge Hellbach leise. »Uwe soll nur vorübergehend bei Ihnen bleiben. Vielleicht für vier oder sechs Wochen. Genau weiß ich es noch nicht. Mein Mann ist Dirigent und tritt mit seinem Orchester eine Auslandstournee an. Er besteht darauf, dass ich ihn begleite. Und da er, wie vielleicht alle Künstler, sehr sensibel ist, möchte ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen. Uwe aber ist für derartige Strapazen noch zu klein. Er hätte auf dieser Reise keine Ruhe. Jeden Tag in einer anderen Stadt, jeden Abend in einem anderen Bettchen, das möchten wir ihm nicht zumuten.«

»Das verstehe ich sehr gut. Ich erinnere mich, kürzlich über Ihren Mann in der Zeitung gelesen zu haben. Norbert Hellbach, nicht wahr? Er soll sehr begabt sein. Man sagt ihm eine großartige Zukunft voraus.« Wieder fiel Denise auf, dass die Besucherin sehr unruhig war. Angst spiegelte sich in ihren schönen dunklen Augen. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie sich das lange blonde Haar aus der Stirn.

Inge Hellbach war hübsch. Aber ihr gekünsteltes Lächeln konnte Denise von Schoenecker nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie traurig und bedrückt war. Es musste etwas geben, das sie quälte. »Es muss schön für Sie sein, mit einem so berühmten Mann verheiratet zu sein«, meinte Denise vorsichtig.

Inge Hellbach wich Denises Blick aus. Sie fühlte genau, dass sie Vertrauen zu dieser Frau haben konnte. Doch auch sie konnte ihr nicht helfen. Niemand konnte es.

»Ich habe meinen Mann sehr lieb. Doch es ist oft nicht leicht mit ihm. Die vielen Konzerte fordern seine ganze Kraft. Da bleibt wenig Zeit für ein Privatleben.« Flüchtig streifte Inge mit der Wange das seidenweiche Haar ihres Kindes. Am liebsten hätte sie den kleinen Uwe stürmisch in die Arme gerissen, ihn krampfhaft festgehalten. »Deshalb …, deshalb fällt mir auch die Trennung von meinem Kind so schwer.« Tränen glänzten in ihren Augen.

»Das verstehe ich sehr gut. Jeder Mutter erginge es so. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Uwe Sie kaum vermissen wird. In diesem Alter gewöhnen sich Kinder sehr rasch an die neue Umgebung. Unsere fröhlichen Kleinen werden Uwe ablenken.«

Inge Hellbach nickte voll Dankbarkeit. »Ich bin sehr froh, dass Uwe bei Ihnen Aufnahme findet. Sophienlust ist wunderschön. Man sieht sofort, dass man die Kinder hier wirklich gernhat.«

»Wie alt ist Uwe?« Der kleine Kerl mit seinen dicken Bäckchen und dem drolligen Stupsnäschen hatte Denises Herz längst gewonnen, obwohl er nur Augen für seine Mama hatte.

»Zweieinhalb.«

»Das habe ich geschätzt. Damit ist er vorläufig unser jüngstes Kind. Ich fürchte fast, die Großen werden ihn sehr verwöhnen.«

»Sie haben auch große Kinder?«

»O ja! Da ist zum Beispiel Irmela. Sie ist schon fast erwachsen, besucht das Gymnasium und möchte später einmal Medizin studieren. Sie verlor sehr früh den Vater. Ihre Mutter hat wieder geheiratet und lebt in Mumbai. Irmela will hier das Abitur machen und studieren. Auch Angelina, die von allen nur Pünktchen gerufen wird, ist schon ein großes Mädchen. Sie hat ihre Eltern bei einem Zirkusbrand verloren und lebt seitdem hier.«

»Sie haben eine wundervolle Aufgabe, Frau von Schoenecker«, meinte Inge Hellbach begeistert. »Was sagt denn Ihr Mann dazu?«

»Er kümmert sich natürlich in erster Linie um Gut Schoeneich. Aber er nimmt auch regen Anteil an allem, was Sophienlust betrifft. Er hat die Kinder gern, und sie verehren ihn stürmisch. Wir haben eine große Stütze an ihm.« Flüchtig dachte Denise an jene Zeit, da sie mit ihrem Söhnchen Nick das Gut Sophienlust als Erbe von Nicks Urgroßmutter übernommen hatte. Sie war damals so vielen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, dass sie fast aufgegeben hätte. Doch dann hatte sich Alexander von Schoenecker an ihre Seite gestellt, und alles war leichter geworden. Aus Freundschaft hatte sich Liebe entwickelt, man hatte geheiratet. Es war eine überaus glückliche Ehe geworden.

»Auch Nick, mein Sohn aus erster Ehe, kümmert sich eifrig um alles, was Sophienlust betrifft. Und Henrik, unser Nesthäkchen, will selbstverständlich nicht zurückstehen.«

»Eine große, fröhliche Gemeinschaft also. Das spürt man irgendwie sofort. Die Ruhe hier fiel mir sofort auf. Wie machen Sie das nur? In einem Haus, in dem so viele Kinder

leben?« Inge sah sich in dem elegant eingerichteten Biedermeierzimmer um. Es wirkte vornehm und gepflegt. Über dem offenen Kamin hing das Gemälde einer alten Dame. Es musste wohl Nicks Urgroßmutter, die Gründerin von Sophienlust, sein.

»Das ist durchaus nicht immer so.« Denise schüttelte lächelnd den Kopf. »Im Moment sind die größeren Kinder in der Schule, unsere Kleinen machen mit Schwester Regine einen Spaziergang. Deshalb diese Ruhe. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen gern das Haus.«

»Es würde mich sehr interessieren.«

»Dann kommen Sie bitte.« Denise lächelte charmant.

Die beiden Frauen traten in die Halle, gingen von dort weiter. Uwe trippelte artig an der Hand seiner Mutti.

»Hier kommen wir zum Musikzimmer, zum Zeichensaal und zu dem großen Aufenthaltsraum. Aber vielleicht sehen wir uns zuerst den Wintergarten an. An den Vögeln, die dort untergebracht sind, wird auch Uwe Spaß haben.«

Inge Hellbach blieb überrascht an der Tür zum Wintergarten stehen. »Das ist ja wunderbar!«, rief sie. Voll Bewunderung sah sie auf die prächtig gedeihenden exotischen Pflanzen. Viele von ihnen blühten in verschwenderischer Fülle. Durch ein riesiges Fenster, das vom Boden bis zur Decke reichte, sah man in den gepflegten Park von Sophienlust. Weite grüne Rasenflächen und mächtige alte Bäume gab es hier. Auf dem silbrig glänzenden Weiher schwammen einige muntere Enten. Es war ein zauberhaftes Bild. Ein Bild, das jeden Betrachter in seinen Bann zog.

Klein Uwe entdeckte jedoch etwas ganz anderes. Er riss sich von der Hand seiner Mutti los und lief auf seinen kurzen dicken Beinchen zu dem bunten Papagei, der auf einer Stange saß und gelassen blinzelte.

»Piep-piep!«, quietschte Uwe voll Freude und klatschte in die Händchen.

»Das ist Habakuk, unser Papagei«, stellte Denise vor. Sie ging Uwe nach und nahm ihn auf den Arm, damit er den bunten Vogel besser sehen konnte.

Uwe ließ sich das gern gefallen. »Piep-piep, lieb!«, krähte er und streckte den Arm aus, um die schillernden Federn von Habakuk zu streicheln.

»Keine Angst, unser Habakuk ist an Zärtlichkeiten gewöhnt«, beruhigte Denise die besorgte junge Mutter. »Habakuk ist der Freund unserer Kinder. Er würde keinem etwas tun.«

Tatsächlich hielt der große Vogel ganz still und ließ sich streicheln.

Uwe quietschte vor Vergnügen. Nach Kleinkinderart fuhr er grob zwischen die leuchtenden Federn und patschte auf Habakuks Rücken. Doch auch das ließ sich das gutmütige Tier ruhig gefallen.

»Habakuk kann sogar sprechen«, erklärte Denise ihrem künftigen Pflegling. »Wenn du ihm etwas vorsagst, spricht er es nach.«

Uwe begriff sofort. »Mami!«, kreischte er und beugte sich dabei weit vor.

Habakuk legte den Kopf schief und äugte den Kleinen neugierig an.

»Sag Mami!«, forderte Uwe noch lauter.

Der Papagei schüttelte sich, dass die glänzenden Federn nur so raschelten. Dann öffnete er den Schnabel und krächzte schauerlich.

Erschrocken fuhr Uwe zurück. Enttäuschung spiegelte sich auf seinem hübschen Gesichtchen.

»Versuch’s noch einmal«, ermunterte Denise den kleinen Kerl. Dabei legte sie zärtlich den Arm um das Kind.

»Ich glaube, er würde es gar nicht merken, wenn ich jetzt gehe«, tuschelte Inge Hellbach. »Es wäre vielleicht für alle besser als ein großer Abschied.«

»Der Meinung bin ich auch. Alle Formalitäten wird Frau Rennert, unsere Heimleiterin, erledigen. Sie finden sie drüben in dem kleinen Büro.«

Uwe war von Habakuk so begeistert, dass er die leise geführte Unterhaltung nicht hörte. »Mami«, sagte er laut und deutlich.

»Ma-mi!«, wiederholte Habakuk jetzt ungeduldig. Er schaute ein bisschen gekränkt und ungnädig drein. Offenbar schien es ihn zu ärgern, dass man seine Fähigkeiten bezweifelte.

Uwe lachte so fröhlich, wie es nur ein Kind vermochte. Seine helle Stimme erfüllte den Wintergarten und drang hinaus in die Halle.

Inge Hellbach, die sie dort hörte, presste hart die Lippen aufeinander. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass heiße Tränen über ihre Wangen liefen.

*

Galant war Alexander von Schoenecker beim Ausladen der Einkaufstaschen behilflich. »Konntest du alles erledigen?«, fragte er seine Frau schmunzelnd. Natürlich wusste er, dass Denise, wie üblich, für alle etwas mitgebracht hatte. Vor allen Dingen aber ein hübsches Kleidungsstück oder ein Spielzeug für das Enkelkind Peterle. Seit Andrea, seine Tochter aus erster Ehe, mit dem jungen Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn verheiratet war, hatte sich die Freundschaft zwischen Denise und ihrer großen Stieftochter noch vertieft. Kaum ein Tag verging, da Denise nicht zu einem kurzen Besuch ins Tierheim hinüberfuhr. Niemand war über dieses gute Verhältnis froher als Alexander. Denise verstand es, alles so geschickt zu arrangieren, dass es zwischen den Stiefgeschwistern niemals Schwierigkeiten gab. Sie verstanden sich ausgezeichnet.

»Weißt du, wen ich in der Stadt getroffen habe?«, fragte Denise, ohne auf die Anspielung ihres Mannes einzugehen.

»Keine Ahnung.« Alexander sah seine hübsche Frau bewundernd an. »Du warst beim Friseur. Gut siehst du aus, Denise. Ich frage mich, wie du es anstellst, immer jünger und immer hübscher zu werden.«

Denise überhörte das Kompliment. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders. »Inge Hellbach«, sagte sie.

Alexander stellte die Taschen in der geräumigen Halle von Gut Schoeneich ab und öffnete die Tür zum kleinen Salon. Die Köchin Martha hatte dort bereits den Kaffeetisch gedeckt.

»Das ist doch nicht möglich. Hat sie nicht gesagt, dass ihr Mann mit seinem Orchester auf eine Tournee nach England geht?«

»Ja. Deshalb war ich auch so verblüfft. Die beiden müssten längst unterwegs sein. Übrigens ist mir Frau Hellbach ausgewichen. Sie muss mich erkannt haben, aber sie wollte nicht gesehen werden.«

»Aber wenn sie hiergeblieben ist, warum nimmt sie dann ihr Kind nicht zu sich?« Alexander dachte an den drolligen kleinen Uwe, der inzwischen zum Liebling aller geworden war. Nicht nur die großen Mädchen, auch die Erwachsenen verwöhnten und verhätschelten das hübsche Kind. Trotzdem blieb Uwe der gutmütige kleine Lausbub, der so fröhlich lachen konnte, dass ihn einfach alle gernhaben mussten.

»Das frage ich mich auch. Sie hat ihr Kind gern, davon bin ich überzeugt. Es muss einen schwerwiegenden Grund dafür geben, dass sie Uwe in Sophienlust untergebracht hat. Als ich sie sah, Alexander, bin ich richtig erschrocken, so blass und verhärmt wirkte sie. Es scheint, als wäre sie in der Zwischenzeit um viele Jahre älter geworden.«

»In knapp zwei Wochen?«

»Das ist es ja eben. Sie muss ernste Sorgen haben.«

Alexander trat zu seiner schlanken Frau und legte zärtlich die Arme um sie. »Meine geliebte, mitleidige Denise. Du musst nicht immer die Sorgen anderer zu deinen eigenen machen. Vielleicht hast du dich getäuscht. Vielleicht war es gar nicht Inge Hellbach, die du gesehen hast.«

Denise schmiegte sich in die starken Arme ihres Mannes. »Ich täusche mich normalerweise kaum. Aber vielleicht hast du recht. Wir könnten an der ganzen Sache nichts ändern.«

»Es könnte höchstens sein, dass uns der kleine Uwe bleibt.«

»Nein, das glaube ich nicht. Inge Hellbach ist nicht die Frau, die ihr Kind im Stich lässt. Das habe ich sofort gefühlt.«

»Wenn du es sagst, Denise, wird es stimmen.« Voll Zärtlichkeit streichelte Alexander das glänzende dunkle Haar seiner Frau. Verliebt betrachtete er dabei ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht. Er kannte und liebte jede Linie darin, und doch war es, als wollte er sie sich immer wieder neu einprägen. »Du hast oft genug bewiesen, dass du die Menschen richtig einschätzt. Deshalb bewundere ich dich ja auch so sehr.«

»Schmeichler!« Lachend drohte Denise mit dem erhobenen Zeigefinger.

»Das, was ich sage, stimmt genau. Du bist die interessanteste Frau, die ich je kennengelernt habe. Jeder Tag mit dir ist wie ein kostbares Geschenk. Ich möchte am liebsten keine Minute davon versäumen.«

»Und das Gut?«

»Das ist ja eben das Traurige, dass ich mich manchmal um die finanziellen Interessen unserer Familie kümmern muss.« Alexander machte ein trauriges Gesicht.

»Was du aber ausgezeichnet verstehst. Außerdem findest du daneben auch noch Zeit, dich mit meinen Sorgen zu befassen.« Denise rieb ihre Stirn an Alexanders rauem Kinn.

»Deine Sorgen sind von allgemeinem Interesse. Schließlich dürfte es keinem gleichgültig sein, was aus elternlosen Kindern wird. Oder aus kleinen Buben, die man einfach in ein Heim abschiebt.«

»Wenn du dabei an Uwe denkst, so ist es zumindest seiner Mutti bestimmt nicht leichtgefallen, ihn hierzulassen. Sie hat mir richtig leidgetan.«

»Auf jeden Fall werden wir den Kleinen behalten, wenn er nicht mehr abgeholt werden sollte. Ich finde, er hat sich schon hervorragend eingelebt. Gestern ist er mir entgegengelaufen, und ich habe ihn ein bisschen herumgeführt. Du, er interessiert sich für Ponys. Aber noch mehr für Pferde. Bestimmt wird einmal ein guter Reiter aus ihm. Nick wird ihm das Reiten beibringen.«

»Wo ist Nick übrigens? Und wo ist Henrik?« Denise lauschte. Es war auffällig still im Gutshaus von Schoen­eich.

»Da fragst du noch? Du müsstest doch wissen, dass die beiden jeden Tag nach Sophienlust hinüberradeln. Das wundert mich jedoch nicht. Sophienlust ist tatsächlich ein kleines Kinderparadies. Das ist dein Werk, Denise.« Behutsam strichen Alexanders kräftige Hände über Denises zartes Gesicht. »Ich liebe dich«, flüsterte er mit dunkler, erregender Stimme. »Als ich dich kennenlernte, habe ich mich in deine schöne Figur, in dein hübsches Gesicht und dein wundervolles Haar verliebt. Inzwischen ist viel mehr daraus geworden, Denise. Eine tiefe, echte Bindung, die durch nichts mehr zerstört werden kann. Sie lässt mich unsagbar glücklich sein.«

»Mir geht es genauso. Du bist mein Leben, Alexander. All mein Denken, Handeln und Fühlen richtet sich nach dir. Du bist wie die Sonne für mich. Die Sonne, die alles erhellt, erwärmt und gedeihen lässt. Ich bin dir so unendlich dankbar.«

Alexander legte sanft und zärtlich seine Lippen auf Denises hübsch geformten Mund. Voll Innigkeit küsste er seine Frau.

Martha, die Köchin, die gerade mit dem heißen Kaffee in den kleinen Salon kam, musste sich mehrmals räuspern, ehe das Paar ihre Anwesenheit bemerkte. Doch weder Martha noch Denise und Alexander wurden verlegen. Denn es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden sich liebten und scheuten nie, sich ihre Zuneigung zu zeigen. Auch für die Kinder war es ganz natürlich, die Eltern hin und wieder in zärtlicher Umarmung anzutreffen.

»Ganz frisch aufgebrüht«, verriet Martha und füllte die Tassen. »Moment, ich hole noch rasch die Sahne.«

»Bringen Sie noch ein Gedeck mit und trinken Sie mit uns Kaffee«, rief der Gutsherr seiner rundlichen Angestellten nach.

Martha kam der Aufforderung nur zu gern nach. Die Kaffeestunde im kleinen Salon war immer eine gemütliche Sache.

»Also gestern«, berichtete die rotwangige Köchin eifrig, »war ich bei meiner Schwester in Sophienlust drüben. Sie kocht ja dort vier Jahre länger als ich hier.«

Martha rührte ein bisschen verlegen in ihrer Tasse, sodass Denise sie nachdenklich ansah. »Ich glaube fast, Sie sind ein wenig eifersüchtig, weil Magda die größeren Töpfe hat«, meinte sie.

Martha nickte bekümmert. »Bei ihr kommt ein Schokoladenkuchen ganz anders an.«

»Na, loben wir nicht immer das gute Essen, das Sie uns vorsetzen?«

Alexander blinzelte wie ein Verschwörer.

»Ich möchte mich ja nicht beklagen«, druckste Martha herum. »Das wäre ungerecht. Ich bin mit meiner Stellung hier sehr zufrieden. Aber ich dachte nur … es wäre schön, wenn …, wenn wir auch wieder einmal eine so muntere kleine Schar am Tisch hätten.«

»Genügen Ihnen Nick und Henrik nicht mehr?« Alexander blies die Backen auf und verdrehte die Augen. Es sah sehr lustig aus.

Doch Martha dachte gar nicht daran zu lachen. »Das ist es ja eben. Sie sind so oft in Sophienlust drüben. Wenn wir einen so drolligen kleinen Kerl wie Uwe hätten, wäre das sicher nicht mehr der Fall.«

»Uwe ist ja nur vorübergehend in Sophienlust. Seine Eltern werden ihn bald wieder abholen.«

Martha schüttelte bedächtig den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich habe da einen Artikel in der Zeitung gelesen. Der Dirigent Hellbach ist gar nicht in England, sondern hier. Er hat in Stuttgart ein Konzert gegeben. Und das Kind wollten die Eltern doch nur loswerden. Der Kleine kann einem leidtun.«

Überrascht sah Denise ihren Mann an. Siehst du, ich habe mich doch nicht getäuscht, schien ihr Blick zu sagen. Ich habe Inge Hellbach in der Stadt gesehen!

»Vielleicht könnte man mit diesen Rabeneltern sogar über eine Adoption verhandeln«, spann Martha ihren Gedanken weiter.

»Sie meinen, dass wir …?« Alexanders Augen wurden groß und fragend.

»Warum nicht? Sie würden es bestimmt nicht bereuen. Uwe ist ein so liebes Kind. Nick und Henrik würden sich freuen.«

Alexander von Schoenecker schüttelte den Kopf. »Martha, ich habe den Eindruck, Sie haben Ihr Herz an einen kleinen Lausbuben verloren.«

»Darf ich das nicht? Magda hat so viele Kinder, die sie verwöhnen kann. Und ich?«

»Sie haben dafür viel mehr Ruhe«, vermittelte Denise lächelnd.

*

Norbert Hellbach ließ die Hände sinken. Entspannt lehnte er sich zurück.

Sofort war Inge neben ihm, legte liebevoll den Arm um seine Schultern. »Möchtest du eine Tasse Tee? Er ist gleich fertig. Du hast vier Stunden ununterbrochen gespielt. Du wirst müde sein.«