Keines Menschen Fuß - Ute Mrozinski - E-Book

Keines Menschen Fuß E-Book

Ute Mrozinski

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Beschreibung

Dies ist eine Geschichte von Liebe, Krieg und Frieden, von Stammesfehden, Mord und brutalem Verrat. Einst lebte auf der Erde im Stadtstaat Dinodia, ein Volk intelligenter Echsen. Doch ein vernichtender Bruderkrieg blutet das Volk aus. Zähneknirschend beschließen die Fürsten der zwei Stämme den Frieden. Doch der egoistische Raptor Torric, Sohn eines Feldherrn der Sternenhistoriker fühlt sich von Fürst Sichelion da Velocin seiner Ehre beraubt und sinnt auf Rache. Er bricht mit seinem Clan und offenbart dem Gatorianerfürsten, "Gatorian dem Großen" einen teuflischen Plan! Der Leibwächter Torontos und seine Freunde, versuchen die Echsen Dinodias vor den Gatorianern zu retten. Doch sie können den Sieg der Gatorianer nicht mehr aufhalten. Ist das der Untergang der Alten Welt?

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Seitenzahl: 435

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Keines Menschen Fuß

Zum Buch ...VorwortPrologDer Bote ...Anfang vom Ende ...Torric ...Die Gassen von Dinodia ...Zwei Brüder ...Der Verrat ...Der Läufer ...Schlechte Nachrichten ...Inferno ...Der Untergang der alten Welt!Zwischenspiel I - Faule Eier im Gelege!Zwischenspiel II - Tyrannen(alb)traum!Machtwechsel!Das Volk der Sümpfe und Höhlen!Zweiter Band - Kometendämmerung! Inhaltsangabe u. LeseprobeImpressum

Zum Buch ...

Zum Buch…

Dies ist eine Geschichte von Liebe, Krieg und Frieden, von Stammesfehden, von Mord und brutalem Verrat.

Einst lebte auf der Erde im Stadtstaat Dinodia, ein Volk intelligenter Echsen. Ein vernichtender Bruderkrieg blutet das Volk aus.

Zähneknirschend beschließen die Fürsten der zwei Stämme den Frieden.

Doch der egoistische Raptor Torric, Sohn eines Feldherrn der Sternenhistoriker, fühlt sich von Fürst Sichelion da Velocin seiner Ehre beraubt und sinnt auf Rache. Er bricht mit seinem Clan und offenbart dem Gatorianerfürsten ˝Gatorian dem Großen˝ einen

teuflischen Plan. Der Leibwächter Torontos, und seine Freunde versuchen die Echsen Dinodias vor den Gatorianern zu retten. Doch sie können den Sieg der Gatorianer nicht mehr aufhalten.

Ist das der Untergang der ˝Alten Welt?˝

Über mich…

Ich bin Ute Mrozinski, 1961 geboren, verheiratet, vom offiziell erlernten Beruf Altenpflegerin aber auch mit Leib und Seele Autorin.Ich tummle mich in allen Genre`s, habe mich aber spezialisiert auf Science-Fiction und Fantasy.Die Betonung liegt dabei auf Science im Sinne von Wissenschafts-Vision, also Wissenschaft, die es in der Zukunft so geben könnte.Ich verarbeite dabei aktuelle Erkenntnisse, aus wissenschaftlichen Zeitschriften, wie "Sterne und Weltraum" und "Spektrum der Wissenschaft!", diverse Fachbücher.

Ebenfalls im Eigenverlag erschienen ist die SF-Trilogie –

Der ewige Treck, mit den Bänden:

Der lange Weg der Sternenspürer!

Rückkehr zum Herzen der Sonne!

Die Sonnenpriester von Hasperod!

Außerdem der Einzelroman – Raumzeitlegende!

Nähere Infos auf:http://www.foto-literatur-planet.eu/

U.M. 2015

Vorwort

Vorwort…

Lieber Leser! Dieser Roman spielt mit dem Gedanken – was wäre wenn vor Millionen von Jahren schon einmal ein intelligentes Volk auf unserer Erde existiert hätte? Alt genug ist unser Planet. Die Saurier haben bis zu ihrem Verschwinden, etliche Jahrmillionen auf der Erde gelebt und sich entwickelt. Ist es so abwegig darüber nachzudenken, ob einige Gruppen dieser uralten Spezies intelligent geworden sind?

Der Untergang der ˝Alten Welt˝, greift diesen Gedanken auf, und thematisiert in einer abenteuerlichen, vielfältigen Handlung, den Horror und die Sinnlosigkeit des Krieges.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zu den Figuren. Für die im Roman agierenden Echsen möchte ich keine wissenschaftliche Richtigkeit beanspruchen. Selbstverständlich habe ich, wie immer in meinen Romanen, in etlichen Fachbüchern recherchiert, doch ich habe mir die Freiheit genommen, im Rahmen der stattgefundenen ˝Echsenevolution“, Arten zusammenzuwerfen, (Anklyotoro), oder ihr Aussehen minimal zu verändern.

Wer sich über die Großechsen dieser Zeit informieren möchte, kann z. B. in meinem Quellenverzeichnis auf den letzten Seiten, ein paar interessante Bücher über dieses Thema finden. Nun aber viel Spaß beim Lesen wünscht,

Ute Mrozinski.

Prolog

Multiversum – Gravitationskollaps – Urknall – Raum – Zeit – Raumzeit – Vergehen – Werden – neues Universum – neue Strings und Dimensionen – Sein - Ich.

Ich bin - reiner, uralter Geist. Psi-onen! Existenz vom Anbeginn der Zeit! Entstanden in der ersten Nanosekunde des Urknalls zu diesem Universum. Ich bin. Wer bin ich? Ich schlafe. Ich träume. Unzählige Existenzen, unzählige Träume. Ich. Bin. Der ewige Träumer! Erst wenn ich erwache, erfüllt sich mein Schicksal. Erst dann bin ich wirklich angekommen in meiner Existenz. Noch träume ich. Was träume ich? Wen träume ich? Ich träume – den Traum eines Planeten, eines Planeten vor sechzig Millionen Jahren!

Ich bin - ein blaues Juwel, ein grünes Paradies.

Regenwälder, Grasland, unüberschaubar groß, mit üppiger Vegetation. Ein feuchtwarmes Klima in tropischen Ausmaßen. Doch etwas ist nun anders.

Der Regenwald endet abrupt. Ein Teppich von abgeknickten, zerstückelten Baumriesen, faulenden tropischen Pflanzen wie Araukarien, Magnolien, Papyrus, Palmen bedeckt ein riesiges Gebiet.

Aber das ist nicht etwa das Werk eines zerstörerischen, heftigen Orkans, wie er in diesen Zeiten oft vorkommt. Nein, es ist schlimmer.

Lautlos und unheimlich gleiten monsterähnliche Gebilde aus massivem Stahl durch ein Feld der Zerstörung. Kastenartige Würfel, einen Meter über den Boden schwebend, fahren lange, stabile Rohre aus, fräsen mit bläulichen, gebündelten Strahlen eine Schneise in das dichte Farbenmeer der Pflanzen.

Desintegratorfräsen im Einsatz. Im Hintergrund nur wenige Kilometer entfernt: eine dicht zusammengedrängte Siedlung. Die Bewohnerzahl dieser Stadt wächst ständig, beansprucht Raum, verdoppeltsich innerhalb kürzester Zeit. Ein Volk in der Blüte seiner Zivilisation und doch schon wieder auf dem absteigenden Ast überschwemmt den Planeten. Die Einwohner lassen einander kaum noch Luft. Der Platzmangel und die Überbevölkerung zwingen sie dazu, über den Planeten auszuschwärmen, machen sie zu rücksichtslosen Kriegern.

Diese hochintelligenten Lebewesen existieren schon lange. Sie blicken zurück auf eine uralte Historie. Ihr Drang, sich weiter zu entwickeln, neue Fähigkeiten, neue Möglichkeiten für das Überleben zu finden, ließ sie überhaupt so weit kommen.

Ihre Dekadenz und ihre Arroganz machen nun alles wieder zunichte. Ihre Geschichte wird enden wie ein plötzlich abgebrochener Zweig im Stammbaum der Evolution.

Alles, was wir hier lesen, ist nicht nur der Anfang, sondern auch schon das Ende der Geschichte!

Der Reptilio sapiens, der wahrscheinlich durch Zufall das Feuer für seine Zwecke entdeckte, hat der Zähmung dieser Naturkraft einen Großteil seiner Intelligenzentwicklung zu verdanken.

Allerdings glaubte der Reptilio sapiens, der sich später Gatorianer nennen sollte, tatsächlich, dass die Entdeckung des Feuers kein Zufall war. Er überlegte nicht, dass er vielleicht wirklich nur am richtigen Ort zur richtigen Zeit war. Er glaubte an sich als ein von der Evolution auserwähltes Wesen.

Er war noch immer nicht erwacht, noch immer der schlafende Riese.

Er glaubte wirklich, das Element Feuer in all seinen Ausprägungen gezähmt zu haben. Welch ein fataler Irrtum...!

Alles, was sie hinterlassen, ist ein schwierig zu lesender Fußabdruck, in der Geschichte des Lebens. Es ist keines Menschen Fuß.

Aber es passt schon. Ja, es passt …

Der Bote ...

Ein Licht wanderte entlang der hohen, weiß getünchten, Mauerquadern. Ihm folgte ein wuchtiger, etwas unförmig wirkender Schatten. Die dazugehörige aufrecht gehende Gestalt allerdings wirkte etwas weniger unförmig, als ihr Schatten es vermuten ließ. Das Licht einer eisernen Harzlampe wurde von einem ungefähr drei Meter großen, kräftigen Wesen getragen. Ein Echsenmann mit einer Schulterbreite von einem Meter fünfzig. Unter der langärmeligen, dunkelblauen Tunika aus Papyrospflanzenfasern spielten eisenharte Muskeln, die Beine wirkten wie Säulen. Die Echse war von oben bis unten mit einem dick verhornten Schuppenpanzer geschützt. Die glänzende, elastisch wirkende Schuppenhaut wies ihn als einen noch jungen, etwa dreißigjährigen Anklyotoro aus. Die überaus kräftigen Halsmuskeln trugen einen länglichen Schädel, mit einem Auswuchs auf dem Schädeldach, wie ein Schild aus reinem Horn, links und rechts wuchsen zwei gerade, kurze Hörner aus der Stirnseite. Zur ersten Aufnahme und Zerkleinerung von Nahrung diente der scharfe, gebogene Schnabel, ebenfalls aus einem harten hornähnlichen Material.

So gefährlich diese Echse auch für andere Lebewesen aussah, Anklyotoro waren Vegetarier. Wenn man ihnen nicht gerade an den Hals springen wollte, waren sie eigentlich ziemlich harmlos. Doch sie konnten sich durchaus anders benehmen. Anklyotoro trugen auch noch einen langen, beweglichen Keulenschweif hinter sich her. Wie alle Echsen benutzten sie diesen als Steuerungsorgan, aber der Schweif war durch die Keule auch eine hochwirksame Schlagwaffe gegen Feinde und Angreifer, und die gab es in diesen Tagen genug. Schon deswegen hielt man in der Echsenwelt Anklyotoro für die geborenen Nachtwächter, Soldaten und Leibwächter.

Die breite, rote Schärpe, mit der Torontos Tunika in der Hüfte zusammengehalten wurde, wies ihn als Leibwächter im Neststützpunkt der Da Velocin aus. Er war der persönliche Leibwächter von Dainara der Nestmeisterin, des aktuellen Nestmeisters, Sichelion da Velocin. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder bzw. Eigefährten, war er nicht nur der befehlshabende Reptilion der etwa fünfzigköpfigen Anklyotorogarde, sondern sie waren beide auch Vorstehende der Herde. Als die ältesten Söhne des verstorbenen Herdenvorsteherpaares waren sie ebenfalls Hüter der Nestmulde.

Der schon seit Jahrtausenden währende Krieg zwischen den zwei großen Machtblöcken hatte die Wirtschaftskraft beider Parteien zugrunde gerichtet. Das Volk darbte. Der Sternenhistoriker Sichelion war nicht mehr bereit dem tatenlos zuzusehen.

Doch es war nicht die Kapitulation der Gilde, die er durch Horontos und Torontos in das Militärlager Gatorians bringen ließ. Es sollte ein Angebot Sichelions zu gleichberechtigten Friedensverhandlungen sein. Ein Angebot, welches Gatorian und seinen Anhängern eine Koalition mit der Gilde, quasi die Hälfte der Macht, anbot. Zumindest hatte Torontos das aus den Gesprächen Sichelions mit Cyrus herausgehört.

Die Leibwächter bekamen so allerhand mit. Irgendwie war es so, als seien die Leibwächter gar nicht anwesend. Anklyotoro wurden schon gar nicht wahrgenommen. »Es bleibt den hohen Herren gar nichts anderes übrig als Frieden zu schließen, wenn sie ihr Volk nicht ganz verelenden lassen wollen. Die Landechsen, die Marktechsen, die Produktionsechsen: alle sind wie gelähmt. Die Kriegskosten fressen alles auf. Ziemlich spät sind sie darauf gekommen.Die gebildeten Herren! Ich hätt’s ihnen schon eher sagen können. Aber wer hört schon auf einen dumpfen Anklyotoro!«, dachte Torontos. Leise fauchte er vor sich hin.

Seine rechte Hand lag wie zum Schwur bereit auf dem Herzen. Doch es war eine Papyrusrolle, die er dort verbarg. Eine ziemlich wichtige Botschaft. Es war die Antwort auf das Verhandlungsangebot, da war sich Torontos sicher. Es hatte zwar keiner darüber gesprochen, aber warum sonst sollte Cyrus, Sichelions General ihn rufen lassen?

Es musste eine wichtige Botschaft sein! So wichtig, dass er sie keinem seiner eigenen Leute anvertraute, sondern nur einem der persönlichen Leibwächter des Nestmeisterpaares. »Cyrus glaubt also«, dachte Torontos, »das die Soldaten seines Raptorenheeres angreifbar sind für Verrat und Korruption.« Torontos unterbrach seine Gedanken als in einigen Metern Entfernung ein ungefähr acht Meter hoher Rundbogen in Sicht kam. Der Durchgang, zugänglich auch für Wesen über drei Metern Größe, war mit einem zweiflügligen eisernen Tor verschlossen. Der Wohntrakt des Nestmeisterpaares wurde abends zu einer bestimmten Uhrzeit grundsätzlich verschlossen. Nur Sichelion und Dainara, und ihre Leibwächter hatten einen Schlüssel. Eine primäre Sicherheitsmaßnahme in diesen Tagen.

Torontos wühlte in seinem Schlüsselbund, der an seiner Schärpe mit einem Stoffbändchen befestigt war, und entriegelte das eiserne Schloss. Er durchquerte die geräumige Vorhalle des Sternendoms. Jetzt, bei Dunkelheit, funkelte über seinem Kopf der gewaltige Sternenhimmel. Der Trabant Nestor, fernere Sterne, die Planeten des Gatorsystems, der feurige, flammende Ball Gatos selber. Spätestens jetzt merkte man natürlich, dass dieser Himmel nicht echt war. Ein genialer Künstler aus grauer Vorzeit hatte ihn geschaffen. Raptangelo so sagte man, sei es gewesen. Maler, Mathematiker, Astronom und der Gründer des Ordens der Sternenhistorikergilde. Sichelion da Velocin war ein direkter Nachfahre aus seiner Genlinie.

Doch heute hatte der Anklyotoro keinen Blick dafür. Er bewunderte auch nicht die Porträts der vergangenen Obernestmeister der Gilde, links und rechts an den steinernen, weiß gekälkten Wänden. Mit schnellen, aber kaum hörbaren Schritten näherte er sich Sichelions Studierstube. Die bis zu den Knien gewickelten Gamaschen waren unten offen, damit er im Notfall seine Krallen schnell ausfahren konnte. Schon von weitem sah er die Raptorhohe Türe aus hellbraunem, glänzendem Papyrospalmenholz einen Spalt offen stehen. Nur noch zwei Meter entfernt sah Torontos, dass jemand den Türgriff aus Bronze umklammerte – eine Raptorenklaue!

Ein wütendes Zischeln drang an Torontos' Ohren, dann ein leises feines Geräusch. Ein charakteristisches Schaben, wie es nur entstehen konnte, wenn Horn aus einer Gewebetasche nach vorne geschoben wurde. Ein Velociraptor fuhr seine Sichelkralle aus. Was das bedeutete, war dem Anklyotoros sofort klar – Ärger – tödliche Gefahr!

Ohne weiter zu überlegen stürmte er nach vorne. Noch im Laufen hörte er die beschwörende Stimme Sichelions. »Torric, machen Sie sich nicht unglücklich! Es ist besser so – glauben Sie mir. Schlafen sie drüber. Dann sehen Sie das anders. Dann können wir …« Ein hohes kreischendes Fauchen. Noch mal dieses Schaben – Sichelions Stimme! »Sie haben es so gewollt, Torric!« Das Fauchen ging in ein lautes Brüllen über. Torontos rannte schneller. Er war nur noch wenige Schritte von der Studierstube entfernt. Die Raptorenklaue hatte sich vom Türgriff gelöst.

Torontos holte Luft, weitete seinen Brustkorb, stieß ein dunkles, grollendes Fauchen heraus und riss die Türe ganz auf. Ein martialisches Bild bot sich seinen Augen.

Er starrte auf zwei drei Meter große, kräftige Echsen. Sichelion, der ältere Gildenobernestmeister mit den blitzenden meergrünen Augen sowie ihm gegenüber ein jüngerer Raptor, wahrscheinlich Torric. Sie hatten ihre Sichelklauen keuchend ineinander verharkt. Torrics Lefzen waren wutverzerrt, das Sprechorgan weit geöffnet. Die scharfen Zähne funkelten im künstlichen Licht der Öllampen! Scharf zischelnd stieß Torric seine lange Zunge nach vorne.

Sichelion streckte sich zu seiner vollen Größe. Die bernsteinfarbenen Augen in dem langen, schmalen Schädel hatten sich zu Schlitzen zusammengezogen. Unter der kniekurzen, mit einer Schärpe gegurteten Tunika aus blau eingefärbtem Leinen spannten sich die Muskeln der breiten Schultern und der Arme. Unter den eng anliegenden Beinkleidern wölbten sich die Muskelpakete der langen Beine, als wolle er gleich springen. Doch der oberste Gildennestmeister bleckte seine scharfen Zähne eher vor Anstrengung! Was wohl eine Drohgebärde sein sollte, wirkte auf Torontos wie ein Hecheln. Der Schweiß tropfte Sichelion von der gespaltenen Zungenspitze ins Gefieder.

Torontos überlegte nicht lange. Noch während Torric vor Überraschung herumwirbelte, holte er mit seinem langen kräftigen Keulenschweif aus und holte den jungen Raptor von den Beinen.

Diesmal vor Überraschung und Angst brüllend, ruderte Torric mit den flügelähnlichen Armen und stürzte mit einem dumpfen Krachen auf die Steinfliesen des Kontors, direkt neben den Schreibtisch. Hastig sprang Torontos auf seinen Rücken, hielt ihn eisern nach unten gedrückt und kniete auf seinen Armen. Der Raptor atmete noch, aber er regte sich nicht mehr. »Nestmeister«, rief Torontos atemlos, »ruft die …«

»Die Wachen?«, stieß Sichelion keuchend hervor. »Schon geschehen!« Gleichzeitig stürmten zwei andere Anklyotoros durch den Hintereingang, beugten sich zu dem scheinbar bewusstlosen jungen Raptor hinunter und banden ihm mit dicken Tauen die Füße zusammen und die Hände auf den Rücken. »Du kannst aufstehen, Torontos«, sagte einer der Beiden. »Ich glaube, der regt sich die nächsten paar Stunden nicht.« Der Soldat hob Torrics Schädel an. Eine dicke Beule zeigte sich auf der linken Seite.

»Bringt den Eipicker sofort ins Militärlazarett und lasst ihn scharf bewachen.«

Sichelions Atem ging wieder normal. Er hatte zu seiner ruhigen Art zurückgefunden. »Torric ist einer meiner Studenten. Er hat mich angegriffen, weil ich ihm aufgrund seiner, nun ja, Fähigkeiten den Stand des Gildenmeisters verweigern musste. Wenn er wieder aufwacht, müssen wir schauen, was wir mit ihm tun. Ich glaube, ich werde ihn nicht vor das Rechtskonsortium stellen lassen, wenn er wieder zu sich kommt!«

Während einer der beiden Wachen, die rund um den Sternendom Wache hielten, Verstärkung holte um Torric abtransportieren zu lassen, schaute Torontos entsetzt in Sichelions Gesicht.

»Nestmeister«, stieß er hervor. »Ihr wollt diesen – Eipicker – nicht vor das Rechtskonsortium stellen? Wollt Ihr ihn einfach laufen lassen? Er hat Euch bedroht! Er hat Euer Leben bedroht!«

Der Torwächter kam mit zwei weiteren Soldaten zurück, die den bewusstlosen Raptor vorsichtig auf eine Trage hievten und über den Hinterausgang schnellen Schrittes zum Lazarett brachten. Sichelion sah kurz zu den Soldaten hinüber, die nun wieder ihre Posten einnahmen. Dann schaute er wieder zu Torontos hinüber und zuckte mit den Schultern. »Ja, du hast Recht Torontos. Er hätte mich töten können, sicher! Aber er hat es nicht, weil du rechtzeitig hinzugekommen bist.«

»Das war eher Glück«, knurrte Torontos.

»Mag sein«, antwortete Sichelion. »Trotzdem, du warst da! Und ich bin nicht tot! Ich werde keine Strafanzeige beim Rechtskonsortium der Gilde gegen ihn stellen. Sonst sind sie gezwungen, ihn in die Harzplantagen zur Fronarbeit zu schicken. Das geht nicht. Du darfst nicht vergessen, dass er der Sohn von Cregon da Dinod ist - Waffenmeister, Tyrannos des Gildenheeres und der Bruder meiner Nestmeisterin. Torric wird mit seinem Clan schon Ärger genug bekommen. Aber auch die Gilde wird ihm kaum noch eine Anstellung in der wissenschaftlichen Zunft gewähren. Man wird ihn höchstens noch als Boten oder untersten Schreiber einstellen, damit er seine künftige Nestmeisterin und die Brut ernähren kann. Damit ist er schon gestraft genug!«

Torontos blinzelte in die letzten Strahlen Gatos, die durch die Mosaikfenster von Sichelions Arbeitszimmer fielen. Wie dunkler werdendes Gold fiel Gatos Licht auf die unteren Windungen der langen, hölzernen Wendeltreppe. Die oberen Stufen lagen schon im Zwielicht. Sie endeten knapp unter den nur noch schemenhaft zu erkennenden Umrissen einer breiten Falltür, die in der Decke eingelassen war. Auch der schwere Schreibtisch aus Araukarienholz lag schon halb im Dunkeln. Der Gatorglobus auf der linken Seite wurde von den Lichtstrahlen genau an der Äquatorlinie in eine Tag- und eine Nachthälfte geteilt. An der Wand erhellten glitzernde Lichtreflexe im Sekundentakt ein Gerät, das man Astrolabium nannte. Ein Instrument aus vergoldetem Messing, gedacht zur Messung der Fixsterne und Planeten. »Im Grunde nichts anderes«, dachte Torontos, »als ein zweidimensionaler Himmelsglobus, den man in sich verdrehen kann.« Der Erfinder und Erbauer speziell dieses Gerätes wurde allgemein Sumsare genannt. Über dieses Wesen war nicht viel bekannt, nur, dass er ein genialer Ingenieur und technischer Konstrukteur gewesen war.

Torontos bewegte seine Schweifspitze aus keulenartig, verdichtetem Knochengewebe, ungläubig von links nach rechts. Sichelion wähnte sich so gebildet, aber er war gutgläubig wie ein kleiner Schlüpfling.

»Nestmeister«, sagte er laut. »Torric wird sich gerade deshalb an Euch rächen wollen. Er wird Euch ein Leben lang als ein potenzieller Feind verfolgen. Er ist ein Sicherheitsrisiko für Euch persönlich und für Euren Clan!

»Torontos«, sagte Sichelion mit geduldiger Stimme, »dann ziehe ich mir einen noch wütenderen Feind heran. Verstehst du das nicht? So besteht wenigstens die Chance, dass er darüber nachdenkt und sich wieder fängt.«

»Damit das passiert«, rutschte es Torontos heraus, »müsste ihn schon eine erfahrene Echse seiner Art helfend begleiten. Aber auf die Idee wird auf Gatos kaum eine Echse kommen, egal welcher Gesinnung!«

Zornig riss Sichelion die Nickhäute auf und starrte seinen Leibwächter regungslos in die Augen. Torontos starrte trotzig zurück. Sollte Sichelion ihm doch ruhig eine Extraschicht aufbrummen. Oder noch besser, er ließ ihn Dainaras Brutkammer bewachen. Das war ein ruhiger Dienst. Dann konnte er wenigstens Sichelions Schriften zur echsischen Revolution oder seine Betrachtung des tausendjährigen Krieges zu Ende lesen.

»Du«, zischelte Sichelion ihn leise an, »bist sicher nicht nur gekommen, weil du einen Angriff auf meine Person vorausgeahnt hast, um dann anschließend über die Rehabilitation von Straftätern mit mir zu reden – oder?« Mit einer Klaue tippte Sichelion auf seine Brust. Torontos Schuppen brannten. Die Nachricht: verdammt – die hatte er fast vergessen. Verdammte Schuppenfäule! Das war nicht gerade professionell! Hastig griff er unter seine Tunika und holte den etwas zerdrückten, verknitterten Papyrus heraus. Gator sei Dank, das Draconssiegel war noch intakt.

»Eine Botschaft«, brachte er schließlich heraus. »Eine Botschaft von Dracon Cyrus!«

Sichelion streckte wortlos die Klaue aus und Torontos legte die versiegelte Schriftrolle hinein. Der oberste Nestmeister zerbrach mit leicht zitternden Händen das wächserne Siegel und rollte das Schriftstück auseinander. Hastig überflogen seine Augen die mathematisch, geometrisch anmutende Schrift. Dann hob er seinen Blick abrupt. »Torontos! Du holst sofort deinen Bruder Horontos!«

»Aber er vertritt mich gerade bei der Bewachung der Brut. Die Nestmeisterin und die Ammen sind sonst alleine und das könnte …«

»In diesen Zeiten gefährlich sein! Glaubst du eigentlich, das weiß ich nicht?« Unmutig fegte Sichelion mit dem Schweif über die marmornen Bodenfliesen.

»Einer der Torwachen soll solange mit den Ammen die Brutwache halten. Und nun geh schon endlich los.«

Torontos war schon dabei sich zur Türe zu wenden, da hob Sichelion die Hand. »Halt«, hörte er seine grollende, kalte Raptorenstimme. »Warte, mein Freund, etwas muss ich vorher noch mit dir klären. Weißt du eigentlich, Torontos, wer meine "Schriften zur echsischen Evolution" und noch wichtiger, die "Betrachtungen zum tausendjährigen Krieg", aus meiner Bibliothek entwendet haben könnte?«

Starr vor Schrecken blieb Torontos halb zur Tür gedreht stehen. »Eure, Eure Schriften sind weg?«

»Ja, tatsächlich, das sind sie. Ich habe ihr Verschwinden gestern Abend entdeckt. Kurz vor dieser Entdeckung habe ich dich aus der Bibliothek kommen sehen. Und es schien mir zu diesem Zeitpunkt so, als ob du irgendetwas unter der Tunika versteckt hättest. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, was das ist. Doch wenn ich jetzt darüber nachdenke …«

Torontos Schwanz klopfte mit einem dumpfen „Klong“, immer wieder auf die Marmorfliesen. »Schuppenfäule! Ich muss mir was ausdenken!«

Er wusste hinter her nicht mehr, welcher Echsendämon ihn geritten hatte, als er das sagte. »Jetzt, jetzt weiß ich es wieder, Nestmeister! Die Nestmeisterin. Ich hab sie im Auftrag der Nestmeisterin geholt. Sie wollte die Schriften lesen. Ich hab sie längst wieder zurückgebracht!« Als er das aussprach, wusste er schon, dass er einen Fehler gemacht hatte. Wahrscheinlich war er wirklich ein Anklyotoro mit einem winzigen, kaum gefältelten Gehirn.

Sichelions Blick wurde noch kälter. Ein leises Fauchen drang aus seiner Kehle.

»So, zurückgebracht hast du sie. Dann können wir ja jetzt zusammen nachschauen, wo sie sind – nicht wahr?

Oh, Torontos«, zischte er. »Das war wirklich die armseligste Ausrede, die ich jemals gehört habe. Du scheinst wirklich ein dumpfer Anklyotoro zu sein. Was hast du mit den Schriften gemacht, Torontos? Hast du sie verkauft? An Gatorian vielleicht? Wie viel Geld hat er dir geboten, für diesen Verrat? Und nur zur Information, glaube nicht, dass wir zwei alleine sind. Die Wachen stehen direkt beim Hinterausgang meiner Studierstube!«

Heiß schoss eine Welle der Angst durch Torontos massigen Körper. Ein Zittern begann seine Muskeln zu erfassen. Doch dann straffte er sich plötzlich. Was hatte er schon zu verlieren? Glaubte Sichelion ihm nicht, würde er wegen Hochverrats angeklagt. Würde er nichts sagen, würde er auch wegen Hochverrats angeklagt. Es war also egal.

»Ich habe die Schriften nicht an die Gatorianer verkauft!“, sagte er laut. „Einen gewalttätigen Raptor, der Euch fast getötet hätte, wollt Ihr schonen. Aber Euren langjährigen Leibwächter und Diener bezichtigt Ihr ohne Umstände des Hochverrats? Hört mich erst einmal an, Nestmeister!«

Sichelions geöffnete Kiefer schlugen krachend aufeinander. Doch Torontos blieb regungslos stehen wie eine steinerne Skulptur. Nur das Zwinkern seiner Nickhäute konnte er nicht verhindern. Sichelion würde den Echsendämon tun, Torontos tatsächlich anzugreifen, wie eine Urechse. Das würde seinem Ansehen als Oberhaupt der Gilde beträchtlich schaden.

Erleichtert sah Torontos, dass Sichelions gesträubtes Flaumgefieder sich wieder glatt an den Körper legte. »Gut, jedem eine Chance«, stieß der oberste Nestmeister, fast verlegen, heraus.

»Ich werde dich, ob deiner langjährigen Treue und Verlässlichkeit, anhören. Und heute hast du mir wahrscheinlich wirklich das Leben gerettet. Aber deine Begründung muss trotzdem schon sehr gut sein. Denn eine unzuverlässige Echse, die ihr Ei wechselt, wo es ihr gerade frischer erscheint, kann ich momentan nicht gebrauchen. Also: ich höre.«

Sichelion verschränkte die Arme demonstrativ auf der Brust und wartete.

Torontos atmete noch einmal tief durch. Jetzt würde es sich erweisen, ob Sichelion nicht doch zum dünkelhaften Echsenadel gehörte.

»Zuerst«, sagte er, »möchte ich einfach nur etwas zugeben. Ja, Nestmeister, ich habe Eure Schriften aus der Bibliothek entwendet!« Als er sah, dass Sichelion schon wieder seine Kiefer öffnete, hob er abwehrend seine rechte Klaue. »Halt, lasst mich weiter reden. Ich habe sie entwendet, aber nur, weil ich sie lesen wollte.«

Ungläubig riss Sichelion die Augen auf und diesmal konnte Torontos nicht mehr verhindern, dass er ihn abrupt unterbrach.

»Torontos, merkst du eigentlich nicht, wie unglaubwürdig das jetzt klingt? Du – ein Anklyotoros - wolltest diese rein wissenschaftlich gehaltenen Schriften, die zumal noch für Gelehrte gemacht sind, lesen? Warum solltest du das tun wollen? Und wenn dein Interesse so groß war, warum hast du mich nicht gefragt?«

Torontos lachte kehlig. »Warum sollte ich Euch fragen, Nestmeister? Ihr hättet mir die Schriften bestimmt nicht überlassen. Ihr hättet mich doch gar nicht ernst genommen.« Jetzt kommt es auch nicht mehr drauf an,« dachte er. »Ihr habt doch mit Euren Worten so eben bewiesen, was Ihr von dem Volk der Anklyotoro haltet. Es fängt doch schon damit an, dass Ihr uns grundsätzlich duzt und unsereiner Euch immer mit der Herrenrede ansprechen muss. Von Kindheit an habe ich von allen Seiten, sogar von meinen eigenen Leuten immer hören müssen: "ein Anklyotoro ist von Kopf bis Fuß dermaßen stark gepanzert, da kann nicht viel Hirn im Schädel sein. Ein Anklyotoro ist ein netter, raubeiniger Typ mit harten Muskeln. Doch Denken gehört nicht zu seinen Eigenschaften.“ Noch nicht einmal Ihr, Sichelion, würdet es glauben, dass ein Anklyotoros wie ich, sich im Geheimen mit der echsischen Weltgeschichte beschäftige. Niemand würde auch nur daran denken! Dabei weiß ich einiges! Ich habe Eure Abhandlung über die echsische Evolution schon fast zu Ende gelesen. Ich habe Eure Betrachtungen zum tausendjährigen Krieg verschlungen!

Was Ihr entdeckt habt, gibt den Echsen erstmals in ihrer Existenz eine durchgehende Geschichte. Es zeigt logisch und konsequent, warum wir untereinander, und mit allen Völkern, die es vielleicht noch geben wird, Frieden schließen sollten. Nämlich, weil unsere Existenz davon abhängt.

Die Evolution derer, die sich später die Gatorianer und Sternenhistoriker nannten, schritt, einmal in Gang gebracht, zügig voran.

Auf die Entdeckung des Feuers folgte die Optimierung von Handwerkszeugen wie Faustkeile, Äxte und Messer. Schon früh oder eigentlich auf der Stelle entdeckte man, dass diese Werkzeuge auch Waffen waren, dass sie töten konnten. Nicht nur Beutetiere, wie die pflanzenfressenden Vertreter der Echsenzunft, konnten damit effektiver erlegt und zerteilt werden, sondern auch gegnerische Clans.

Wer die besten und die schärfsten Waffen herstellen konnte gewann den Krieg um die Verbreitung seiner Gene, der vergrößerte das Territorium und die Macht des Clans und somit auch seine eigene Macht. Je rücksichtsloser man dabei vorging, desto erfolgreicher verlief dieser Krieg.

Dabei erwies es sich meist als praktikabel, Frauen und kleinen Kindern das Leben zu schenken und sie in den eigenen Clan einzugliedern. Denn ohne sie wäre die Evolution irgendwann abrupt gegen die Wand gelaufen.

Die Methodik, nein – die Philosophie der absoluten Expansion nahm also im Nebel der Urzeiten seinen Anfang. Sie spornte die echsischen Clans zu technischen, wissenschaftlichen Höchstleistungen an. Doch jeder Clanfürst mit seinen Untertanen, den Clanis, wollte den anderen übertrumpfen.

Die Folge war, alle fünfzehn bis zwanzig Kilometer gab es neue Grenzen, mit neuen Steuern und Abgaben, neuen, meist überteuerten Preisen, gab es starrsinnige Behörden, Grenzscharmützel, Übergriffe, blutige Schlachten. Der einzige über alle Grenzen hinweg funktionierende Wirtschaftszweig war der Schmuggel.

In diesem Zeitalter begann die Entwicklung der Gatorianer zu stagnieren, denn da alle gegeneinander arbeiteten, kam niemand voran. Die Echsen, die als einiges Volk eigentlich noch nicht existierten, verloren sich in blutigen Gemetzeln.

Doch die Echsen wären nicht bis heute so erfolgreich gewesen, hätte sich nicht irgendwann begonnen, eine Lösung abzuzeichnen.

Einige der adligen Echsenfürsten, ausgerechnet die mit den kleinsten Ländereien, waren es leid, dass ihre Untertanen ständig aufs Grausamste dezimiert, und ihre Ländereien regelmäßig verwüstet wurden. Da ging eine Menge Material verloren. Sie stellten in einer nächtlichen Diskussionsrunde ein Dokument zusammen, mit dem Titel, "Hundert Thesen gegen den Kampf im Inneren!" Sie hielten Versammlungen ab und scharten mit flammenden Reden Anhänger auch außerhalb ihrer Fürstentümer um sich. Immer mehr Clans schlossen sich dieser Bewegung an.

Nach den mehr als tausendjährigen Kriegen standen sich schließlich nur noch zwei Vereinigungsblöcke gegenüber.

Zwei große Clans, die nach der Macht griffen, aber auf völlig verschiedenen Wegen.«

Mit locker aufgeklapptem Kiefer und aufgerissenen Augen starrte Sichelion ihn an. Doch dann schloss er den Kiefer, rollte den Schweif zusammen und hörte ihm konzentriert zu. Torontos hatte schnell und immer lauter gesprochen. Seine Stimme wurde heiser, Kehle und Brustkorb taten ihm weh. Er spürte, wie ein schrecklicher Hustenanfall in seine Kehle hinaufstieg und …

»Doch damit ist jetzt Schluss!«

Sichelions dunkle, knurrende Stimme drang in seinen Rede- und Gedankenschwall.

»Damit ist jetzt Schluss, Torontos! Bald ist es so weit. Die Kleinstaaterei wird enden! Und beim allumfassenden Sein, das Volk unseres Planeten findet endlich zusammen. Die schon seit Jahrtausenden andauernden aufreibenden Kämpfe enden. Die zwei übrig gebliebenen Machtblöcke werden sich schon bald gegenüber sitzen und ein Bündnis unterschreiben, dass jedem der Echsenvölker die gleichen Rechte und Pflichten, den gleichen Anteil der Macht verspricht.

Eine föderale Clanregierung, von einer Versammlung gewählt, wird dann zukünftig die Geschicke des ganzen Echsenvolkes lenken.

Du hast die Schriften verstanden. Du hast sogar verstanden, warum wir alle verlieren werden, wenn der Krieg weitergeht und nur eine der Volksgruppen gewinnen sollte. Das haben noch nicht einmal alle Clannods verstanden. Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Torontos. Ich gebe zu, dass auch mich der Standesdünkel gepackt hat. Das ist für einen Sternenhistoriker unverzeihlich, aber ich bin auch nur eine Echse. Ich werde dich und andere Echsenvölker in Zukunft respektvoller behandeln. Das verspreche ich.

Und für dich und deinen Bruder habe ich einen kleinen, aber wichtigen Auftrag. Morgen in aller Frühe werdet ihr die Antwort der Gildenmeister in Gatorians Feste bringen! Noch heute Abend rufe ich die Gildenmeister zusammen. Gatorian stellt Forderungen. Das kann ich nicht alleine entscheiden.«

Als Torontos hörte, welche Bedingungen das waren, begannen tausend alarmierte Pteros in seinem Kopf zu fiepen.

»Nestmeister“, sagte er langsam. »Ich weiß Eure Worte von eben zu schätzen. Ich bin froh, dass endlich Klarheit zwischen uns herrscht. Deswegen erlaubt mir auch weiterhin diese klaren Worte. Wenn ich Gildenmeister wäre – ich würde dagegen stimmen. Das ist eine Falle!«

Sichelion zischte leise, seine Zunge fuhr vor und zurück.

»Vielleicht«, sagte er schließlich. »Aber wir brauchen diesen Frieden dringend. Gerade du als Echse des Volkes weißt das. Unsere Leute sind ausgeblutet. Und ich glaube, auch Gatorian braucht diesen Frieden. Auch seine Anhänger liegen wirtschaftlich am Boden.

Nein, der "Große Gatorian", ist einfach nur misstrauisch. Mach dich auf den Weg zurück ins Truppenlager und benachrichtige Dracon Cyrus. Cyrus wird Meister Rapton und die anderen Gildenobermeister informieren. Mit der Nestmeisterin werde ich selber sprechen. Wenn du das erledigt hast, solltest du wieder nach unten zur Nestmulde gehen und deinen Bruder ablösen! Die Ammen brauchen einen schlagkräftigen, intelligenten Wächter. Dainara muss als Nestmeisterin in der Versammlung anwesend sein. Wenn das Ergebnis der Abstimmung feststeht, werden wir dich und deinen Bruder benachrichtigen!«

Noch immer stand Torontos angespannt vor Sichelion. Zögernd klopfte er mit der Schwanzspitze dreimal auf den Boden, um Zustimmung zu signalisieren. Doch es gab keinen Grund für ihn sich zu entspannen. Seine Angst hatte nun ein anderes Ziel. Ein Waffenstillstand schien sich herauszuformen, ein Frieden vielleicht. Sichelion hatte Recht. Die Echsenvölker brauchten diesen Frieden dringend, um ihr Leben wieder in Ordnung zu bringen.

Er sollte sich also über den Beginn dieser Entwicklung freuen, aber warum war er dann bloß so nervös, warum schrien seine Instinkte „Gefahr?“

Anfang vom Ende ...

Mit lautem Knall schlug Sichelion das Buch zu. Ein dickes Buch in hellbraunes Purgatoriusleder gebunden, dessen Seiten aus gepresstem Papyrus hergestellt wurden.

Der Titel war in Lettern aus funkelndem Blattgold geprägt:

Das Clanbuch

der Sternenhistoriker!

Betont ruhig stellte Sichelion den an der Spitze mit Harz versiegelten Federkiel in das hölzerne Tintenfass zurück.

Doch damit war seine Ruhe auch schon wieder vorbei.

Krampfhaft versuchte er den meterlangen, kräftigen Schwanz ruhig zu halten, indem er ihn zusammenrollte. Sogar die Sichelkralle fuhr er aus. Dabei gab es in seiner Schreibstube momentan niemanden der ihn angriff oder dem er imponieren müsste.

Dass der Student Torric vor wenigen Stunden durchgedreht war, weil er ihm auf Grund seiner Unfähigkeit den Stand des Gildenmeisters verwehrt hatte, war eher die Ausnahme. Gatos sei Dank, waren Raptoren und die Echsen überhaupt mittlerweile von humanoid/reptiloider Gestalt. Sie waren zwar noch immer sehr groß, zwischen drei und vier Metern, aber nicht mehr so gigantisch wie in ihrer Anfangszeit.

Für die sechs bis zwölf Meter langen Überriesen wäre auf Gator mittlerweile auch gar kein Platz mehr gewesen. Was sollte der Sonnengott Gatos doch einst gesagt haben? Wachset und mehret euch? Machet euch den Planeten zum Untertan? Das erste zumindest hatte sehr gut funktioniert, gegen das zweite Ansinnen würde sich der Planet schon zu wehren wissen! Sichelion lächelte ironisch bei diesen Gedanken. Die dichten Zahnreihen in dem schmalen, länglichen Echsenschädel blitzten wie scharf geschliffene Dolche.

Als er an die aktuelle Situation dachte, schoss seine lange gespaltene Zunge vor und zurück. Er war eigentlich nur nervös, doch obwohl er es gar nicht wollte, wirkte er dabei wie ein gefährliches Raubtier.

Sichelion klappte die Nickhäute über seine Augäpfel und atmete heftig ein und aus, ballte die Klauen zu Fäusten und merkte kaum, dass er seine spitzen Krallen ausgefahren hatte und sich die Handinnenflächen blutig stach. Ein leises Zischeln neben ihm holte ihn wieder aus seinen Gedanken. Die Gestalt einer schlanken, muskulösen Raptorin, mit rötlich braunen Augen, drang in sein Bewusstsein.

»Dainara«, seufzte er. »Musst du mich so laut anzischeln. Mein Herz ist fast aus der Brust gesprungen vor Schrecken!«

Dainara zog die Lefzen bis hoch hinauf zu den Ohren, sie lächelte dieses kühle, ironische Echsenlächeln, und nur aus der Situation heraus konnte man beurteilen, ob dieses Lächeln Angriff oder Amüsiertheit bedeutete.

»Oh, und dabei dachte ich beinahe, mein Nestmeister Sichelion, es sei Begehren, das sich in deinen Augen zeigt, das sich in deiner Brust und anderen Regionen des Körpers ausbreitet, obwohl die Zeit der Paarung erst in den Wintermonaten akut ist!«

»Ja, meine Schwester hat spitze Zähne nicht wahr? Sie sollte ins noch zu wählende Clanum eintreten.«

Spöttisches, zischelndes Lachen aus dem Hintergrund, ein Raptor so breit und groß wie Sichelion trat durch die Flügeltüren in den Raum. Doch sein länglicher Schädel, mit der keilförmigen Schnauze wirkte schmaler und asketischer. Ein breiter Gefiederstreifen von der Stirn bis zum Hinterkopf glänzte silbern im schwindenden Sonnenlicht. Von den Gehörgängen bis zu den bernsteingelben Augen zog sich eine längliche, rötliche Narbe.

Sichelion presste finster die Kiefer aufeinander, unter seiner Haut begann es zu kribbeln, sein Flaumgefieder stellte sich nach allen Seiten auf.

»Cregon da Dinod«, zischte er, halb ärgerlich, halb verlegen. »Ihr habt ein ziemlich loses Maul, Tyrannos! Die Versammlung der Gildenmeister ist vorbei, wir haben schon genug Zeit mit unnützen Diskussionen vertan. Die anderen Gildenmeister haben sich nun endlich zurückgezogen und Dracon Cyrus wird die Anklyotoro-Brüder Torontos und Horontos nun instruieren und ihnen meine Antwort für die Gatorianer aushändigen. Wenn Gatorian da Rexus von meiner Zustimmung erfährt, wird hoffentlich in einigen Tagen so etwas wie eine Waffenruhe zustande kommen. In einem Monat möchte ich den Friedensvertrag unterzeichnen. In einem halben Jahr sollte eine von den Ständen in einem Clanum gewählte, gemeinsame Regierung stehen. Damit einhergehend Ordnung, Ruhe, Sicherheit für die Lebewesen dieses Planeten und irgendwann einmal Fortschritt und Wohlstand für jede Echse.«

Cregon da Dinod lachte bellend. »Ordnung und Ruhe werdet Ihr bei diesen Partnern im Clanum nie haben«, antwortete er. »Gatorian und seine Gefolgsleute werden nur für eine kurze Zeit stillhalten. Momentan müssen sie uns als Verbündete akzeptieren. Die Sternenhistoriker stellen einen mindestens gleich großen Bevölkerungsanteil. Und natürlich ist das Volk den Krieg leid. Es ist ausgeblutet und will endlich wieder leben und seine Brut großziehen.«

Dainara schlug mit ihrer Schwanzspitze auf und nieder. »Es stimmt, was mein Bruder sagt. Noch braucht Gatorian uns, um dem Volk zu beweisen, dass wir seinen Wohlstand verhindern wollen. Er würde seinen Leuten zu gerne weismachen, dass wir die Einigung eigentlich gar nicht möchten. Es passt ihm nicht, dass wir ein Parlament fordern, das nicht nur von den hohen Nestmeistern, den Clannods eines Clans gewählt wird, sondern auch von ihren Mitgliedern den Clanis. Wahrscheinlich wird er dem Echsenvolk auch noch verkaufen, dass wir sogar die Clanlosen, die Nestflüchter und Sklaven über Eier und Planeten abstimmen lassen wollen. Ich sage dir was, Sichelion, nach einer kurzen Anstandspause werden die Gatorianer uns versuchen mit faulen Eiern zu bewerfen, wo sie nur können. Darauf musst du gefasst sein!«

Sichelion hörte abrupt auf, mit seinem mächtigen Schweif über den Boden zu fegen, als er merkte, dass der Schreibtisch zu zittern begann und der Globus unaufhaltsam auf die Tischkante zurückte. Hastig rollte er den Schwanz seitlich zusammen.

»Natürlich«, entgegnete Sichelion jetzt ruhiger. »Das weiß ich nur zu gut. Wir wollen angeblich den technischen Fortschritt verhindern, weil wir uns Sternenhistoriker nennen und die Geschichte des Lebens, unseres Lebens als Echsen, mit der Geschichte des Weltalls, der Natur überhaupt verbinden. Die Gatorianer wollen die Natur besiegen. Sie werfen uns vor, dass wir das Volk in einem falschen Frieden einlullen. Der permanente Krieg, gegen schädliche Philosophien, ist nichts anderes als Wachsamkeit und dergleichen glibberiges Eiweiß mehr. Sie werfen uns einiges vor. Natürlich weiß ich, dass die Gatorian da Rexus dies nur verbreitet um uns schließlich als schweiflose, unechsische Dämonen zu entlarven, um schlussendlich ein Tyrannensystem zu errichten, das er irgendwie bei seinen Anhängern als die einzig wahre Regierungsform verkaufen kann. Das weiß ich alles – aber …«

»Dann wisst Ihr hoffentlich auch«, unterbrach ihn Cregon, »dass seine Bedingungen für ein erstes Treffen zur Aushandlung des Waffenstillstandsabkommens ein Risiko sind. Das Tempelion ist zwar geschichtsträchtig und liegt auf neutralem Boden, aber es steht auch ziemlich einsam, mitten in der Wildnis. Und ich hoffe, er hält sich an seine eigene Forderung, die Delegationen klein zu halten und die Armee zu Hause zu lassen! Sichelion, ich habe Bauchschmerzen mit deiner Zustimmung zu diesem Punkt!«

»Cregon«, grollte Sichelion wir haben in der Versammlung schon darüber diskutiert. Außer Euch waren alle Nestmeister dafür!«

»Ja«, sagte Cregon leise, »ich war dagegen, und ich bleibe auch dabei. Aber trotzdem werde ich natürlich meine Rolle in der Friedensdelegation spielen. Es kann kein Fehler sein, wenn noch jemand die Augen bei diesen Verhandlungen offen hält.«

»Auch ein Gatorian da Rexus ist auf sein Volk angewiesen. Auch er will deshalb den Frieden!« Noch einmal wiederholte Sichelion diesen Satz wie eine Beschwörungsformel.

»Außerdem«, fügte er leise hinzu, »ist es jetzt zu spät. Torontos und Horontos sind seit zehn Minuten aufgebrochen zu dem Teil Dinodias, das die Gatorianer besetzt halten. Torontos hält unter seiner Tunika die Papyrusrolle versteckt, auf der die gesetzgebende Versammlung der Sternenhistoriker mit ihren Unterschriften die Zustimmung, zu Gatorians Friedensbedingungen gibt. Es gibt kein Zurück mehr!«

Die Kälte der Nacht hielt den Kontinent noch gefangen. Doch sobald das Gestirn Gatos aufging, würde es schlagartig wärmer werden. Innerhalb einer Stunde würde die feuchtwarme Hitze des Tages beginnen, die Kälte zu verdrängen, und gegen Mittag wäre jedes Lebewesen auf diesem Planeten froh um ein schattiges Plätzchen.

Das konnte die beiden Anklyotoro allerdings nicht trösten. Momentan froren sie. Missmutig trotteten die beiden Kolosse durch die Gassen von Dinodia. Am Anfang waren es noch die breit und sauber gepflasterten Straßen der Clannods gewesen, über die sie liefen. Nun führte sie ihr Weg durch die kopfsteingepflasterten Gassen der Clanis, die teilweise durch den Krieg zerstört, oder einfach seit undenklichen Zeiten nicht mehr saniert worden waren. Sie rutschten über bemooste, glitschige Steine, blieben in Rissen hängen, durch die sich nachwachsende Farne reckten. Zerplatzte Kanonenkugeln hatten Trichter in Durchmesser und Tiefe von mehreren Metern geschlagen. Die Höhlen der Clanis mit ihren oft winzigen, beengten Neststützpunkten standen Wand an Wand. Um Platz zu sparen, waren oft bis zu fünf Reihen übereinandergestapelt und wirkten wie riesige Insektenbauten. Manchmal wunderte Torontos sich, dass keine Libellen, Falter oder Termiten daraus hervorkrabbelten. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er die halbzerstörten, aufgerissenen Höhlenwände sah, von denen immer wieder Material abplatzte. In unregelmäßigen Abständen ertönten Knackgeräusche aus den Wänden, als würden sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Trotzdem war jedes Fensterloch, jedes Türloch von Echsen bewohnt. Er sah die zusammengesunkenen, abgerissenen Silhouetten von Raptoren, Tyrannos und Anklyotoros. Die Kapuze der grauen, grob gewebten Tunika tief über den Schild und die seitlich gelegenen Hörner gezogen, ging er schweigend neben seinem Bruder Horontos durch das Armenviertel. Die grauen Kutten, die die Brüder statt ihrer himmelblauen Gildenrobe übergeworfen hatten, waren unauffälliger. Ihre Schritte wirkten zwar eilig, aber nicht hektisch. Torontos seufzte tief. Sein Bruder Horontos, quasi eine Kopie seiner selbst, schielte genervt zu ihm herüber. »Was ist los?«, knurrte er. »Seitdem wir die Randgebiete des Gildenviertels erreicht haben, stößt du alle zehn Schritte einen Seufzer aus. Tun dir die Füße weh, hast du dir die Hornplättchen an deinem Schweif abgerieben oder was? Du nervst langsam.«

Finster zog Torontos die Augen zu Schlitzen zusammen. »Weißt du, was mich nervt? Erst mal friere ich wie ein nackter Wurm, der durch feuchten Humus kriecht, und zweitens – sieh dich doch einfach nur um. Wir können froh sein, Leibwächter und Diener bei Sichelion zu sein. Wenn ich diese armen Echsenteufel hier sehe, dann kommen mir die frischen Farnblätter vom Frühstück hoch.« Er machte mit seiner schmalen Schnauze eine sparsame kaum merkbare Bewegung nach rechts. Am Rande der dämmrigen Gasse, durch die sie gingen, war ein Trupp bunt gemischter Echsen bei der Arbeit. Sie schleppten Basaltsteine, mit kalkiger Kreide durchsetzte Brocken und zerbrochene Platten von graubraunem Lehmputz, und wuchteten sie gemeinsam auf hölzerne Handkarren. »Schutträumer«, flüsterte Torontos.

»Na und«, flüsterte sein Bruder zurück. »Das Schutträumen ist schon seit Jahrtausenden, seitdem Krieg zwischen Sternenhistorikern und Gatorianern herrscht, eine anerkannte, ehrenwerte Arbeit – oder? Mit unseren grauen Kutten könnten wir genauso gut dazugehören und zu einem der Sammelpunkte gehen. Immerhin tragen die Schutträumer das Material zerstörter Höhlen und anderer Bauwerke zusammen, damit daraus wieder neue Unterkünfte für die Clanis dieses Viertels gebaut werden können! Wir haben doch vorher besprochen, dass diese Tarnung am unauffälligsten ist. Sichelions offizielle Boten könnten von einigen gatorianischen Hardlinern und Gildenfundamentalisten leicht abgefangen werden, damit der Friedensvertrag nicht zustande kommt aber zwei Schutträumer? Was willst du also?«

»Ach, das ist es doch gar nicht«, zischelte Torontos.

Sie waren schon längst hundert Echsenschritte von dem Räumertrupp entfernt.

»Das Schutträumen ist vielleicht eine ehrenwerte Arbeit, aber auch ziemlich schlecht bezahlt. Mit fünf Gats Lohn am Ende des Tages kann man keine großen Sprünge machen, noch nicht mal einen kleinen Sprung. Deshalb sind doch ein paar findige Clanis darauf gekommen, dieses Baumaterial an die großen Baufirmen von reichen Clannods zu verkaufen. Ich kann es ihnen noch nicht einmal verdenken. Doch was mal aus bitterer Not heraus geboren wurde, ist mittlerweile ein #einträgliches/lohnendes, straff organisiertes Geschäft geworden. Das weißt du doch auch. Die Baufirmen der Clannods nehmen das billige Baumaterial gerne. Die illegalen Schuttverkäufer verdienen zwar nicht viel, aber immer noch mehr als beim legalen Schutträumen. Das kann einen Clani und seine Familie schon über die Runden bringen.

Und für den Boss einer solchen illegalen Räumertruppe ist es sogar ein gutes Geschäft. Der Boss kassiert nämlich die meisten Gats. Wer in die leere Nestmulde guckt, ist der gemeine unbescholtene Clani, dessen Höhle eigentlich damit wieder aufgebaut werden sollte.«

»Ja, ja, das weiß ich auch«, flüsterte Horontos, während sie langsam das Ende des Viertels erreichten und bald den einen Quadratkilometer großen Streifen Niemandsland erreichten, der Dinodia in zwei Herrschaftsgebiete teilte. »Ich kenne die Verhältnisse genauso wie du. Das Geschäft mit dem Bauschutt geht schon seitdem Echsen bewusst Wohnhöhlen errichten, schon solange Echsenstämme sich gegenseitig die Wohnhöhlen zerstören. Wenn nichts funktioniert: dieses Geschäft funktioniert über die Grenzen hinweg. Das organisierte Verbrechen, die Reptiliaden haben kapiert, dass man zusammenarbeiten muss.«

Torontos rieb knirschend seine hornigen Schnabelhälften aufeinander. »Die von Sichelion angeordneten Razzien haben nie etwas gebracht«, stieß er wütend #aus, »weil man sich grenzüberschreitend gegenseitig gedeckt und versteckt hat. Verhaftet haben wir immer nur die kleinen Schuttschlepper. Und die haben Angst um ihr Leben und um ihren kargen Verdienst. Die reden nicht!«

Abrupt blieben die beiden Anklyotorosbrüder stehen. Die Straße endete, eine breite sandige Piste zog sich plötzlich mitten durch die kreisförmig angelegte Superstadt und teilte sie in zwei Hälften von Süden nach Norden. Die vierte Stunde des neuen Gator-Tages brach an. Von Osten her kroch langsam die Morgendämmerung hervor und tauchte alles in ein frühes diffuses Licht.

»Wir sind fast da«, sagte Horontos.

»Ein bis zwei Stunden später könnten wir schon die frühen Händler des Niemandslandmarktes beim Aufbau ihrer Stände sehen.«

Torontos zog grinsend die Lefzen zurück. »Momentan«, antwortete er, »schleichen nur die Schwarzmarkthändler durch die Gegend, die schnell noch ihre Schmuggelgeschäfte mit beiden Seiten abwickeln, um dann zu den seriösen Händlern zu mutieren, die ihr Gemüse, ihr Fleisch und ihre Fische verkaufen!«

Mit peitschendem Schweif stieß Horontos zwischen den Zähnen hervor, »Siehst du ca. zweihundert Meter entfernt diese Mauer aus dunkelblauen Gestalten? Wenn wir weitergehen, wird sie sich in Figuren, in Soldaten auflösen. Und zwar in Anklyotoros und in Velociraptoren. Die Tyrannos, die königlichen Echsen, siehst du nicht. Sie hocken in ihren Garnisonskontoren und warten darauf, dass ihre Untergebenen ihnen das Schmuggelgut bringen. Selber tauchen sie nicht auf. Sie sind ja das Gehirn der Truppe, sie müssen sich schützen.«

»Das ist auch eine der Gemeinsamkeiten von Gildenleuten und Gatorianern!« Torontos Stimme war angefüllt mit Bitterkeit. »Da wird es noch so einige von diesen "grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen geben", denen dieser Frieden nicht passt. Das Clanum, von dem Sichelion spricht wird noch genug mit dieser Art von Reptiliaden zu tun bekommen.«

»Dann komm Bruder«, sagte Horontos leise. »Lass uns die Grenzmauern durchschreiten, um diese Gemeinsamkeiten zu bekämpfen und andere herauszufinden!«

Wie ihre Schwester war die gatorianische Stadthälfte umschlossen von einem Ring aus Soldaten, deutlich zu erkennen an dem wie verkohlt wirkenden Zeichen auf der Brust. Und das war es auch, verkohlt. Es war ein großes 'G.' und stand für Gatorian. Bei beiden Heeren fiel der Ring um die städtischen Ausläufer ins wilde Umland hinein eher dünn aus. Die meisten Soldaten konzentrierten sich bei beiden Stadtteilen auf die Grenzwälle. Und auch die Gatorianer hatten einen zweiten Ring von Bewachern um das Gelände und den Palast ihres Fürsten und Anführers gezogen. Doch der Grüngürtel war sehr gepflegt und schnurgerade angelegt. Alle Wege zwischen dem künstlichen Grasland, den kleinen Teichen und Springbrunnen, führten sternförmig zum Diamantpalast. Ein ringförmiges Gebäude mit Innenhof. Es war aus weißem, poliertem Kalkstein gebaut. Es erreichte selbstverständlich die Höhe des Sternendoms. Doch der prachtvolle Glanz des Gebäudes rührte von den faustgroßen Diamanten her, die in regelmäßigen Abständen das Mauerwerk der zehn übereinandergebauten Ringetagen zierten. Ganz unten im Erdgeschoss des Palastes lag der Empfangssaal. Ein Stockwerk höher befanden sich die Verwaltungsräume des militärischen Oberbefehlshabers, dazwischen die anderen Regierungskontore, Wohnungen für die adligen Mitarbeiter, Verpflegungsräume sowie Unterkünfte für das Gesinde. Ganz oben residierte Fürst Gatorian in seinen Privaträumen, als absoluter Herrscher. Hier hatte er auch Ruhe- und Baderäume einrichten lassen. Nur ausgewählte, engste Clanmitglieder wussten das und durften diese Räume ebenfalls nutzen.

Doch momentan wurde der Ruheraum nur von einer Echse benutzt. Das 3,50 Meter große, von einer Schuppenhaut bedeckte, äußerst kräftige Wesen wälzte sich genüsslich in einem Sandbad. Danach ließ es sich von den geschickten Klauen weiblicher Saurus Rex mit großen Farnblättern den grobkörnigen Sand verreiben. Das förderte die optimale Durchblutung der Schuppenhaut, die entstehende Wärme strahlte auf die Muskulatur aus und macht den Echsenmann nach der Kälte der Nacht schneller wieder beweglich. Als er genug hatte, sprang er einfach auf und stieß die Rexus-Frauen beiseite. Mit erschrockenem Fauchen schafften es die Geschickteren zurückzuspringen, die anderen stürzten mit schmerzerfüllten Lauten auf die steinernen Fliesen. Doch der Rexus kümmerte sich nicht darum, streckte grollend seinen muskulösen Körper und schaute auf den ängstlich da stehenden Anklyotoro-Diener hinunter. »Was willst du, Loros?«, zischelte er. »Du solltest schon einen guten Grund haben, um mich beim Sandbad zu stören!«

»Herr – großer Gatorian – ich – hätte es nicht gewagt«, stotterte der Anklyotoros, »Euch beim Regenerationsbad zu stören. Doch zwei fremde Anklyotorosleibdiener haben eine Botschaft mit dem Siegel der Sternenhistorikergilde gebracht. Ich meine mich zu erinnern, dass Ihr auf diese Botschaft wartet.«

Gatorian der Große zog seine Lefzen bis zu den Ohren, das beeindruckende Gebiss mit den über hundert scharfen Dolchzähnen blitzte im Licht der zahlreichen Öllampen an den Wänden.

»Ich wusste gar nicht Loros, das du überhaupt ein Erinnerungsvermögen hast!« Gatorian streckte einen seiner mit gewaltigen Muskeln bepackten Arme aus und riss Loros die versiegelte Papyrusrolle aus den Klauen. Hastig zerbrach er das Siegel und überflog die Zeilen.

Dann hob er den Schädel und zum zweiten Mal verzogen sich die Lefzen zu diesem ganz speziellen Echsenlächeln.

»Sie gehen also auf unsere Forderungen ein«, sagte er langsam zu sich selber.

»Gut, Loros! Sag den Boten, sie können ihrem Herrn Sichelion versichern, das Treffen findet wie vereinbart statt. Die Freude ist auf meiner Seite. Ein neues Zeitalter wird beginnen! Ganz sicher – ein neues Zeitalter!«

Begleitet von zwei bis an die Zähne bewaffneten Artgenossen, schritten Torontos und Horontos durch die weitläufige Empfangshalle des gatorianischen Palastes. Die zwei anscheinend persönlichen Leibwächter von "Gatorian dem Großen" keilten sie geradezu zwischen sich ein. Im Gleichschritt polterten ihre Stiefel über die blanken Marmorplatten, vorbei an den prunkvoll gearbeiteten Wänden, an denen im Wechsel riesige Kristallspiegel hingen und kunstvoll gearbeitete, bemalte Wandbehänge aus Araukarienblättern, die von clanlosen Sklavinnen aller Echsenartigen zusammengenäht wurden. Die Brüder hatten einen verstohlenen Blick auf die mühsame Produktion werfen können, als sie im Vorhof zum Palast darauf warten mussten, das Gatorian der Große sie empfangen würde. In einem abgeteilten Areal, nur geschützt durch ein auf Holzpfosten gespanntes Dach aus Leinen, wurden diese Wandbehänge mühsam von Hand zusammengenäht. Die clanlosen Näherinnen waren schmal, ihre Mienen wirkten eingefallen. Torontos glaubte nicht, dass sie ausreichend für diese Arbeit entlohnt wurden. Dass es Clanlose waren, sah er an den Abzeichen auf ihren bunt geflickten Umhängen, das aufgenähte Bild einer durchgestrichenen Nestmulde. »Na, Bruderherz«, zischelte er leise. »Die Gatorianer behandeln ihre Armen auch nicht viel besser, was?«

Endlich traten die Brüder, noch immer begleitet von den Wachen, aus dem Palast hinaus. Die Wächter entließen sie aber erst aus ihrer Bewachung, als sie auch die Außenanlagen des Palastes durchquert hatten. Erst dann waren sie wieder unter sich und konnten den Rückweg in ihr Viertel antreten. Doch der war noch weit. Bis sie sich wieder dem Sternendom näherten, mussten sie noch das gesamte gatorianische Viertel durchqueren.

»Wenn wir schon hier sind, Bruderherz«, murmelte Torontos, die Klaue schützend auf die Papyrusrolle unter seinem Hemd gelegt, »warum schlendern wir nicht ein bisschen über den Niemandslandmarkt? Schauen wir uns die Marktstände doch mal an. Jetzt ist zwar nicht der Zeitpunkt sich mit den Verkäufern näher zu befassen, das würde zu viel Aufsehen erregen, aber vielleicht können wir uns ein paar Kandidaten für den nächsten Einkaufsbummel merken!«

Als wären sie an alltäglichen Einkäufen interessiert, schlenderten die Anklyotorobrüder über den Markt, schauten mal hier und mal da und ließen sich ab und zu auf eine Verhandlung ein, um dann doch nichts zu kaufen. Ihre Augen huschten hin und her um Spuren verborgener Waren ausfindig zu machen.

Es gab nicht wenige Händler, die unter ihren Gemüse- und Fleischtheken schwere, kompakte Transportkisten stehen hatten, die mit schweren Schlössern versehen waren. Was konnte so wertvoll sein? Goldstücke hatten diese Herren eher auf der Bank. Und wieso wurden bei manchen Händlern die Waren kaum weniger?

Nach einer Viertelstunde hatten sie den Markt im Niemandsland endlich durchquert und wurden nach kurzer Kontrolle von den Grenzern der Gilde wieder auf ihr Gebiet gelassen. »Ich schätze mal«, murmelte Torontos, »Dracon Cyrus und der oberste Gildenmeister werden sehr interessiert an diesem Markt sein.«

»In der Tat«, bemerkte Torontos trocken. »Es sind hauptsächlich Gatorianer, die diesen Schwarzmarkt beherrschen – nicht wahr? Eine ausgezeichnete Verhandlungsbasis für Sichelion. Er soll es noch einmal wagen, Anklyotoros für dumpf zu halten!«

Der Weg war lange und anstrengend gewesen, sie hatten einige Zeit warten müssen, bis sie in Gatorians Palast vorgelassen wurden. Das lag an Gatorians Art, seine Macht zu zeigen. Es ging schon auf den Abend zu. Mit einem Fuß quasi schon wieder in einer kopfstein- gepflasterten Gasse der Sternenhistoriker, warf Torontos noch einmal einen abschätzenden Blick auf den Niemandslandmarkt.

Das Gewimmel des Marktes nahm ab. Gatos Licht sank. Die Schatten wurden länger. Unter einem der zahlreichen Marktstände, die abgebaut wurden, zog eine hohe Echsengestalt, ein Raptor, etwas hervor. Es sah aus, wie eine Handfeuerwaffe, eine Schwarzpulverbüchse?

Torontos konnte die Gestalt nicht wirklich erkennen, denn sie stand im Schatten der Verkaufstheke. Doch irgendwie kam ihm die Art und Weise wie die Echse sich bewegte bekannt vor. Schuppendämon! Er konnte sich nicht mehr erinnern. Torontos blinzelte geblendet von den letzten Strahlen Gatos. Es schien einen Wortwechsel zu geben. Der Raptor gestikulierte wild. Die zwei anderen Echsen griffen nach ihm als wollten sie ihn freundschaftlich unterhaken. »Kommst du?«, unterbrach Horontos seinen Gedankengang, »oder möchtest du drüben bleiben?«

Torontos drehte sich hastig um. »Bin schon da!« Er kannte diesen Raptor nicht. Und was auch immer da geschah, er konnte nichts daran ändern. Das schienen Soldaten der Gegenseite gewesen zu sein, die einen der Händler verhaftet hatten.

Wenn sich jemand zu dumm anstellte, mussten sie zugreifen. Für die Anklyotorosbrüder gab es momentan Wichtigeres zu tun

Torric ...

Geblendet musste Torric sekundenlang die Nickhäute über die Augäpfel ziehen, bevor er sie einen Schlitz weit öffnen konnte. Es war jetzt Mittag. Als er das Gebäude betreten hatte, war es früh am Morgen gewesen, die achte Gatorstunde. Schnell, hastig sprang er fast die breite Freitreppe hinunter. Kurz warf er einen Blick zurück, als habe er Angst vor etwas, das ihm folgen würde. Die Verdammnis nämlich, die Schande, der Fluch zu überleben.

Vorerst allerdings folgte ihm nur ein anderer Raptor, mindestens fünfzig Jahre älter als er. In das braunrote Flaumgefieder mischten sich schon ein paar gräuliche, lichte Stellen. Der schmale Schädel war immer noch kantig. Die Gestalt immer noch kräftig und die bernsteinfarbenen Augen wach. Jedoch die Kiefer so fest zusammengepresst, dass sie fast knirschten. Cregon da Dinod, sein Vater. Doch der junge fünfzigjährige Torric schaute an ihm vorbei. Sein finsterer Blick erfasste die lang gestreckte, leicht erhöht stehende Höhle des Rechtskonsortiums. Mit wütenden Schritten stampfte er über den mit Steinplatten gepflasterten Vorplatz, doch seine bis zu den Knien gewickelte Fußbekleidung aus Fischechsenleder machte kaum einen Laut. Solche luxuriösen Dinge, wie die Fußkleidung aus der Haut des tierhaften Wasserdinos, dürften vorerst einmal für ihn unerreichbar sein. Dafür hatten das Rechtskonsortium und der verdammte Dinod-Clan schon gesorgt. Aber das war natürlich nur seine geringste Sorge.

Er zitterte vor Zorn, als er die Farce, die sich Verhandlung nannte, wieder vor sich ablaufen sah. Hämmernde Kopfschmerzen befielen ihn, wenn er sich die letzte Szene ins Gedächtnis rief.

Ein großer rechteckiger Raum. Während alle anderen auf hölzernen Bänken saßen, stand er als Einziger vor einer Art Theke aus hellem Palmholz. Drei Raptor-Echsen, gekleidet in einer weißen Soutane und einer spitzen kegelförmigen Kappe hatten sich hinter dieser Theke ebenfalls vor ihren Sitzplätzen erhoben. Die weiße Farbe ihrer Roben symbolisierte die Reinheit des Gesetzes. Die Spitze der Kappe zeigte gegen Himmel und symbolisierte ebenfalls das Gesetz, das geradewegs von den Sternen kommen sollte. Was für ein Witz!

Die nüchterne kalte Urteilsverkündung klang ihm jetzt noch in den Ohren!

»… steht es zweifelsfrei fest, dass der Beklagte, der Student der Sternenhistorie Torric da Dinod seinen Meister der Sternenhistorie, Sichelion da Velocin, rein aus gekränkter Eitelkeit vom Leben zum Tode befördern wollte. Da das Konsortium sich nach Anhörung der Zeugen sicher ist, dass dies eine Affekthandlung war, folgen wir dem Antrag des Opfers, des obersten Nestmeisters und Sternenhistorikers, Sichelion da Velocin.

Dem Beklagten werden also die Harzplantagen erspart. Die Höchststrafe ersten Grades, die Todesstrafe, ist hier nicht relevant. Die Höchststrafe zweiten Grades, (Harzplantagen), wird umgewandelt in die Höchststrafe dritten Grades. Torric da Dinod wird ausgeschlossen aus allen wissenschaftlichen Zünften. Er ist noch nicht einmal berechtigt zu einer wissenschaftlichen Hilfstätigkeit als Assistent. Niemand im Bereich der Wissenschaften darf ihn mehr einstellen. Alle niederen Arbeiten sind ihm stattdessen erlaubt. Darunter fällt der Handel mit Waren auf dem Niemandslandmarkt, um den Unterhalt für sich und seinen neugegründeten Clan zu verdienen.«

»Lächerlich«, fauchte er in sich hinein.

Die zwei Raptoren hatten mittlerweile die mit Palmen gesäumte Prachtstraße, die das Rechtskonsortium mit dem Sternendom verband, überquert. Sie ließen das Klappern der Kutschen und Holzkarren, die von Ceratopsiden gezogen wurden, hinter sich. Das Zischen, Fauchen und Geplapper der Echsen war wie abgeschnitten, als sie den Park betraten, in dem der Sternendom, das Zentrum der Sternenhistorikergilde, aufragte wie ein Monument.

Direkt um den Sternendom herum existierte ein fast geschlossener Ring aus einer Mischung aus Lehm Kalkstein und Wasser. Gebaut wie eine überdimensionale Röhre, die man in ihrer Länge halbiert hatte. Dort residierte die Anklyotoro-Leibgarde von Sichelion und Dainara. Nur zwei scharf bewachte Tore aus massivem Eisen unterbrachen diesen lückenlosen Wohn- und Arbeitsring der Leibwächtergarde.

Für die Schönheiten des Parks, für seine erholsame Ruhe verschwendete momentan weder Torric noch sein Vater einen Blick. Achtlos schritten sie durch die Araukarienallee und die Papyrus- Plantagen. Schweigend stampften sie vorbei an den Schachtelhalmwiesen und den riesigen Farnbüschen, nicht links und rechts schauend. Cregon da Dinod, gehüllt in die dunkelblauen Farben der Gilde, mit der gelb leuchtenden Schärpe, das Symbol für den Weltraum und seine Sterne. Der Raum, der aus unendlicher Ferne Einfluss auf seine Planetensysteme nahm. Torric, provokant gekleidet in einen grau-grünen Umhang, den er um den Leib geschlungen und mit mehreren Metallfibeln festgesteckt hatte. Es waren die militärisch-technischen Farben der Gatorianer.

Endlich verließen die beiden Echsen den künstlichen Wald und näherten sich dem eigentlichen Gelände des Sternendoms. Bevor sie den äußeren ebenfalls ringförmigen Schutzwall aus Militär, Kasernen, Soldaten des eigentlichen Heeres passieren konnten, schritten sie noch einen langen ausgedehnten, künstlichen See entlang. Platschend streckten ab und zu große Knochenfische ihre Köpfe aus dem Wasser. Ein Mosasaurier, der hier irgendwo sein Gehege hatte, nahm nahe dem Uferrand ein Bad und sorgte dafür, dass die Knochenfische und Ammoniten einen respektvollen Abstand hielten.

Mit einer Höhe von hundert Metern überragte der kegelförmig gebaute Sternendom alles andere in der näheren Umgebung. Seine Spitze sah von unten herauf winzig aus. Doch in Wahrheit war sie eine große, abgeflachte Plattform mit einem geräumigen Ptero-Gehege. Von dort aus starteten immer wieder kreischende Pteronodons. Wie meterlange, überdimensionierte Pfeile stürzten sie sich ins Wasser. Kurze Zeit später stiegen sie mit einem Knochenfisch im Maul wieder hinauf in die Luft, um majestätisch segelnd erneut auf der Plattform des Domes zu landen. In einem kleinen, extra angelegten Teich schwammen zahlreiche große Fische, die nur dazu dienten, den Pteros ausreichend Futter zu bieten. Der Großteil der Flugechsen rekelte sich in den Nestmulden aus extra herbeigeschafftem Steppengras, riesigen Farnblättern und Araukarienzweigen. Entspannt fraßen sie schließlich an großen bläulich-silbern glänzenden Fischen. Drei andere Pteros hatten sich in die Luft erhoben und machten sich anscheinend einen Spaß daraus, so zu tun, als ob die silbern glitzernde Beute im Wasser ihnen sowieso nicht schon sicher wäre. Sie kreisten minutenlang über dem Teich, stießen dann irgendwann unerwartet zu und stiegen mit der Beute im Schnabel auf, um sich schließlich mit einem ihrer Artgenossen um den Fisch zu streiten. Die Fische entglitten ihrem Schnabel und platschten wieder ins Wasser, nur um in einer erneuten Aktion eines Pteros wieder herausgeholt zu werden. Das ging manchmal so lange, bis die Wesen die Lust verloren. Irgendwer zog dann mit dem Fisch im Schnabel ab zu seiner Nestmulde und fing an zu fressen.