Kisses in the Snow - Leonie Lastella - E-Book
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Kisses in the Snow E-Book

Leonie Lastella

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Beschreibung

Drei Autorinnen. Drei Lovestorys. Eine Romance. Eine Weihnachtsromance, die die Herzen höher schlagen lässt – von Tonia Krüger, Leonie Lastella und Valentina Fast! Eine Lawine schneidet kurz vor Weihnachten ein Dorf in den Rocky Mountains vom Rest der Welt ab – und sechs junge Menschen sitzen dort eingeschneit fest: Ava und Mason, die schon lange ein Paar sind – doch ihre Beziehung kriselt. Nolan aus dem Dorf, der all das hat, was Ava bei Mason fehlt. Hunter, Nolans bester Freund, der erstmals seit langem seine Heimat besucht. Peyton, seine Highschool-Liebe, die das Bed & Breakfast führt, in dem alle unterkommen. Und Grace, Hunters beste Freundin, die dieser zu seiner seelischen Unterstützung mitgebracht hat – und die eine große Wellenlänge zu Mason verspürt. Während das Weihnachtsfest näher rückt, brechen sich zwischen ihnen allen unterdrückte Sehnsüchte, latente Konflikte und verbotene Gefühle Bahn … Superschöne, romantische Romance mit viel Weihnachtsflair Jetzt außerdem entdecken: Die Reihen ›Love Songs in London‹ von Tonia Krüger, ›Seaside Hideaway‹ von Leonie Lastella und ›Still you‹ von Valentina Fast!

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Seitenzahl: 537

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Über das Buch

Es gibt ihn. Diesen einen Moment, der einfach alles verändert.

 

Ausgerechnet kurz vor Weihnachten schneidet eine Lawine sechs junge Menschen in einem Bergdorf von der Außenwelt ab und macht all ihre Pläne für die Feiertage zunichte:

Ava, die kurz vor ihrer geplanten Abreise einen Liebesbrief an Nolan geschrieben hat, von dem sie dachte, dass sie ihn nie wiedersieht.

Hunter, der nicht nur Big Sky für seinen Lebenstraum den Rücken gekehrt hat, sondern auch seiner große Liebe Peyton. Nun sind alle Gefühle wieder da, aber sie wird den Ort nie verlassen. Und er kann nicht bleiben.

Und Grace, die sich auf keinen Fall in Mason verlieben will. Zwar gibt er ihr das Gefühl, die Richtige für ihn zu sein, doch er ist vergeben.

Werden sie am Ende vielleicht mehr finden als den Zauber von Weihnachten?

 

Drei Paare. Drei Perspektiven. Drei Autorinnen. Eine Geschichte.

 

Von Tonia Krüger ist bei dtv außerdem lieferbar:

Love Songs in London – All I (don't) want for Christmas (Band 1)

Love Songs in London – Here comes my Sun (Band 2)

Love Songs in London – Dancing on Sunshine (Band 3)

Love Songs in London – It’s raining love (Band 4)

 

Von Leonie Lastella ist bei dtv außerdem lieferbar:

Das Licht von tausend Sternen

Wenn Liebe eine Farbe hätte

So leise wie ein Sommerregen

Carry me through the night

Seaside Hideaway – Unsafe (Band 1)

Seaside Hideaway – Unseen

 

Von Valentina Fast ist bei dtv außerdem lieferbar:

Still missing you (Band 1)

Still wanting you (Band 2)

Still searching for you (Band 3)

Tonia Krüger / Leonie Lastella / Valentina Fast

Kisses in the Snow

Roman

Christmas Playlist

What If – Kate Winslet

Merry Christmas, Kiss My Ass – All Time Low

Rudolph The Red-Nose Reindeer – Babyface

Last Christmas – Carly Rae Jepsen

I Won’t be Home For Christmas – Blink-182

Frosty The Snowman – Fiona Apple

Santa Tell Me – Ariana Grande

I Hate You This Christmas – Kate Nash

It’s The Most Wonderful Time Of The Year – Andy Williams

Christmas Tree Farm – Taylor Swift

Christmas Blows – Matt And The Nobodys

I Saw Mommy Kissing Santa Claus – The Jackson 5

Unterneath The Tree – Kelly Clarkson

That Was The Worst Christmas Ever! – Sufjan Stevens

Last Christmas – Wham!

19. Dezember

Ava

»Es tut mir leid.« Ich sage die Worte und erschauere. Irgendwie machen sie alles so endgültig. Es ist aus. Ich weiß das. Und Mason weiß es auch. Wir wollten es beide nicht wahrhaben, aber es läuft schon lange nicht mehr gut zwischen uns – seit fast einem Jahr, um genau zu sein. Seit ich mein Mathematikstudium an der Caltech geschmissen habe, um Fotografin zu werden. Mason hat das keine Sekunde lang verstanden. In seinen Augen habe ich meine Chance auf eine sichere Zukunft verspielt.

Unsere Beziehung ist nicht plötzlich zu Ende gegangen. Wir beide sind über die Monate nach und nach weniger geworden als Paar. Denn Masons Studium erinnert mich an das, was ich bewusst hinter mir gelassen habe. Und er hält meine Arbeit für nicht viel mehr als einen Zeitvertreib.

Aber immerhin wollte er um uns kämpfen. Deshalb sind wir hergekommen. In diesen entlegenen Winkel in den gewaltigen Bergen Montanas – einen kleinen eingeschneiten Ort namens Big Sky. Nur wir beide. In diesem heimeligen B&B, dem Mountain Hideaway. Das war der Plan. Damit wir wieder zueinanderfinden. Damit das, was mit einem Kuss beim Flaschendrehen begonnen hat, nicht mit Unverständnis, enttäuschten Erwartungen und Frust endet. Wir waren Highschool-Sweethearts. Alle – wir eingeschlossen – glaubten, das zwischen uns sei für immer. Aber jetzt: Es tut mir leid. Wir schaffen es nicht.

»Es ist wegen ihm, oder? Du willst seinetwegen alles hinschmeißen.« Mason steht vor mir – zwischen uns das Bett mit den gemütlichen Blümchenbezügen, hinter mir das Fenster zur Straße. Draußen ist es klirrend kalt. Schnee türmt sich entlang der geräumten Fahrbahn. Ich lasse meinen Blick über die Holzbalken, die Dachschrägen, den Bauernschrank und die niedlichen Nachttische schweifen.

Als wir ankamen, hat mich das Zimmer entzückt. Jetzt ist es nur noch eine Ausflucht, damit ich nicht Mason ansehen muss. Ich kann seine Wut verstehen. Und seine Verzweiflung. Denn die fühle ich genau wie er. In einem Punkt irrt er sich allerdings.

»Es ist nicht seinetwegen. Es liegt daran, dass du mich nicht mehr siehst. Dass du nicht verstehen willst, was meine Arbeit mir bedeutet. Dass wir hierhergekommen sind, um Zeit zu zweit zu verbringen, aber du dich freiwillig bereit erklärt hast, das Serviceportal eurer Firma zu bedienen. Erklär mir mal, wie du eine Beziehung retten willst, während du ständig an Telefon und Laptop hängst.«

»Du hast dich doch schnell getröstet.« Sein Ton ist bitter. Aber obwohl er so wütend ist, hat er noch immer etwas Kontrolliertes an sich – die Hände in den Taschen seiner dunklen Hose, seine blonden Haare ordentlich in einen Seitenscheitel gekämmt. »Du streitest ja nicht mal ab, dass du auf diesen Ranger stehst.«

Ich presse die Lippen zusammen. Ich kann es nicht abstreiten, weil es wahr ist. Je mehr Zeit ich in den letzten Tagen mit Nolan verbracht habe, desto mehr ist er mir unter die Haut gegangen. Und irgendwann hat er mein Herz getroffen. Es hat sich ganz langsam angefühlt, aber ich fürchte, ich habe mich Hals über Kopf verliebt. Nolan jeden Tag wiederzusehen hat sich wie Fliegen angefühlt – berauschend und angsteinflößend gleichermaßen. Es war ja klar, dass der Absturz kommen würde. Und jetzt ist er da.

»Seit wann fällst du auf so eine Naturburschen-komm-ich-zeige-dir-meine-Berge-Masche rein?«

»Ich wollte das nicht, Mason.« Und damit meine ich nicht, auf eine Masche hereinzufallen. Nolan ist nicht der Typ für eine Masche. Er ist einfach er. Mich zu verlieben … Das wollte ich nicht. Und ich hätte auch nie gedacht, dass mir das einfach so passieren würde. »Ich wollte das nicht«, wiederhole ich. »Ich wollte mit dir unseren Urlaub hier verbringen. Ich wollte, dass wir uns daran erinnern, warum wir uns lieben. Stattdessen hast du ständig in deinen verdammten Laptop gestarrt und mir versprochen, dass wir am Nachmittag Ski fahren würden.«

»Ja, aber nachmittags warst du nie da. Du bist mit deiner Kamera und deinem Lone Ranger durch den Schnee gestapft und hast Schnappschüsse von der Welt gemacht.«

Ich gebe ein Schnauben von mir. Klar, dass er das so sieht. Schließlich hat dieses Gespräch genau mit solchen Vorwürfen angefangen. Ich habe mich umgezogen, um Nolan zu treffen, als Mason mich gefragt hat, ob ich vorhabe, abends wiederzukommen. Diese Frage und die damit verbundene Unterstellung haben mich so wütend gemacht! Und dann habe ich die fatalen Worte gesagt: Es ist aus, Mason. Das zwischen uns funktioniert nicht. Ich fühle da nichts mehr.

»Ich habe keine Schnappschüsse gemacht. Ich habe fotografiert. Und ich bin mit Nolan und einer Gruppe Kinder unter dem Thema Snowkids on Snowshoes auf geführten Wanderungen unterwegs gewesen. Weil ich nichts anderes zu tun hatte, während du mit eurer Kundschaft beschäftigt warst. Zumindest anfangs. Später waren wir allein unterwegs, das stimmt. Aber bis heute Morgen war mir nicht klar, dass du das überhaupt bemerkt hast.«

»Natürlich kriege ich es mit, wenn sich meine Freundin einem anderen an den Hals schmeißt. Hältst du mich für blöd, Ava? Ich habe gehört, wie du über ihn redest. Und ich habe euch durchs Fenster beobachtet. Auf mich wirkte es nicht so, als wärst du traurig, dass ich nicht dabei war, sondern als amüsierte sich meine Freundin ohne mich besser als mit mir.« Treffer! Aus verengten sturmgrauen Augen starrt er mich an, wartet vielleicht darauf, dass ich widerspreche, aber es wäre gelogen.

»Ex-Freundin«, gebe ich scharf zurück.

»Alles klar.« Mason verdreht die Augen. »Auf der Ebene bewegen wir uns jetzt? Weißt du was? Ich habe genug. Ich muss mir nicht ansehen, wie du mit ihm rummachst und alles in den Wind schießt, was wir uns aufbauen wollten. Ich bin nur deinetwegen hier. Ich will Weihnachten nicht in einem Kaff am Ende der Welt herumsitzen, sondern mit meiner Familie feiern. Und genau das werde ich jetzt auch tun.« Er bückt sich und zieht seinen Koffer unterm Bett hervor. Er wirft ihn auf die Matratze, dreht sich zum Schrank um und fängt an, willkürlich Sachen aus den Fächern in den Koffer zu stopfen. Daran erkenne ich, wie aufgewühlt er ist. Normalerweise würde er alles akkurat stapeln.

Stumm sehe ich ihm zu. Ich will nicht abfahren. Ich kann nicht. Ich meine … Das würde heißen, dass ich Nolan nie wiedersehe. Ich lebe in Pasadena, über tausend Meilen von dieser Ecke mitten in den Rockys entfernt. Und ich weiß nicht mal, ob Nolan auch nur im Ansatz für mich empfindet wie ich für ihn. Anscheinend habe ich auch keine Chance, es herauszufinden.

Anfangs war Nolan mir gegenüber eher schweigsam, sein Lächeln zurückhaltend. Aber er spricht mit Blicken aus seinen irgendwie verletzlich wirkenden dunklen Augen. Und er hat mir seine Lieblingsplätze in der umliegenden Bergwelt gezeigt – wie geheime Orte in seinem Herzen. Die Vorstellung, ihn nie wiederzusehen, verursacht mir einen schmerzhaften Knoten im Brustkorb. Mir ist klar, dass es keine Alternative gibt. Selbst wenn ich Mason überreden könnte zu bleiben, wäre es der falsche Zeitpunkt. Nolan und ich kennen uns seit wenigen Tagen. Ich habe ihm zwar mein Herz ausgeschüttet, weshalb er ungefähr jedes Detail kennt, das zwischen Mason und mir nicht mehr funktioniert. Aber das heißt nicht, dass es eine Zukunft für ihn und mich gibt. Eher im Gegenteil wahrscheinlich.

Mason wirft mir einen scharfen Blick übers Bett hinweg zu. »Worauf wartest du? Wir fahren.« Noch immer rühre ich mich nicht. »Du glaubst doch nicht, dass ich länger bleibe, damit du was mit ihm anfangen kannst. Ich verschwinde von hier. Und wenn du nicht festsitzen willst, kommst du mit. Eine andere Möglichkeit, den nächsten Flughafen zu erreichen, hast du nämlich nicht.«

»Ich weiß.« Endlich finde ich meine Stimme wieder. Der Druck in meinem Brustkorb ist mittlerweile jedoch fast unerträglich. Ich muss hier raus. Ich brauche dringend frische Luft – und zwar genau die kalte klare Bergluft, die ich in den letzten Tagen so lieben gelernt habe. Statt nach meinem Koffer greife ich nach meiner Jacke. Stiefel und Schneehose trage ich bereits. Außerdem schnappe ich mir meine Kameratasche.

»Was soll das jetzt?« Mason hält inne und sieht mich ungläubig an. »Das kann nicht dein Ernst sein.«

»Ich komme mit dir.« Ich gehe zur Tür, drehe mich noch mal zu ihm um. »Aber nicht sofort. Gib mir zwei Stunden.«

Masons Augen verengen sich. »Du willst zu ihm. Habe ich recht?«

»Ich will mich verabschieden. Ja. Aber vor allem muss ich erst mal runterkommen. So kann ich nicht zu dir ins Auto steigen und stundenlang durch die Gegend fahren. Glaub mir. Das wäre für uns beide nicht gut.«

»Eine Stunde.« Mason wendet sich wieder dem Schrank zu. »Wir fahren in einer Stunde.«

Wortlos verlasse ich das Zimmer, schlinge im Gehen den Schal um meinen Hals und ziehe die Mütze tief über meine Ohren.

Alles im Mountain Hideaway ist wunderschön cozy: die Holzvertäfelungen, die liebevoll gestalteten, nicht zusammenpassenden Möbelstücke, die dicken Teppiche, die Fotos der Berglandschaft an den Wänden. Das hier hätte der ideale romantische Ort für Mason und mich werden sollen. Stattdessen ist mein Plan, uns wieder näherzukommen, schiefgegangen. Und zu allem Überfluss ahnt Nolan wahrscheinlich nicht mal, wie ich für ihn empfinde. Außer …

Ich trete durch den leeren, urgemütlichen Frühstücksraum auf die Veranda und ziehe gegen die beißende Kälte meine Handschuhe an. Die Kameratasche hänge ich mir quer über die Schulter. Ich werde es Nolan sagen. Statt dieses Gefühl für den Rest meines Lebens in mir gefangen zu halten, werde ich es ihm sagen.

Entschlossen steige ich die Stufen hinunter und atme die eisige Luft ein. Die Kälte in meiner Lunge hat eine angenehme Wirkung, betäubt die Trauer und den Schmerz über meine kaputte Beziehung. Was bleibt, ist die Erleichterung, dass ich endlich den Mut hatte, auszusprechen, dass Mason und ich nicht mehr zusammen funktionieren. Ich fühle mich wie befreit, diese Last nicht mehr mit mir herumtragen zu müssen.

Ich weiche vom Gehweg auf die geräumte Straße aus, wo ich besser vorankomme. Die Gebäude reihen sich entlang der Fahrbahn unter schneebedeckten Dächern auf. Vor einigen wehen Flaggen im leichten Wind. Die meisten sind üppig mit Lichterketten und funkelnden Weihnachtsmännern mit Rentieren auf den Dächern geschmückt. Es ist jedoch nicht mal Mittag, sodass noch nichts leuchtet. Meine weihnachtliche Stimmung hält sich zurzeit ohnehin in Grenzen.

Mitten auf der Straße bleibe ich stehen und lasse meinen Blick über die umliegenden Berghänge wandern. Nolan ist nicht der einzige Grund, warum ich nicht abreisen will. Das hier will ich einfach nicht so schnell wieder gegen die lauten Straßen und die Hektik Pasadenas eintauschen. Ein Stück hinter dem Mountain Hideaway erhebt sich der Steilhang zum Red Lodge Mountain. Zusammen mit den hinter Big Sky aufragenden Gipfeln des Bold Mountain und des Palisades Peak bildet er den Kern des Skigebiets. Einige der Lifte und Pisten sind derzeit allerdings gesperrt. Nolan hat mir erklärt, dass der Wind in der Höhe deutlich stärker weht und in den letzten Tagen für Triebschneeansammlungen an den oberen Hängen gesorgt hat. Dadurch steigt die Lawinengefahr.

Ich drehe mich weiter um die eigene Achse, folge mit dem Blick den hoch aufragenden Felsformationen des deutlich wilderen Grizzly Peak, über den ich in den letzten Tagen meistens mit Nolan in die umliegende Bergwelt eingestiegen bin. Die in der Sonne glitzernden Hänge zeichnen sich vor dem Blau des Himmels ab. Ich liebe die so wilde wie zauberhafte Landschaft. Und ich wünschte, Big Sky hätte Mason und mir mehr Glück gebracht.

Noch einmal drehe ich mich um dreihundertsechzig Grad. Die Aussichten habe ich in zahlreichen Fotografien festgehalten. Aber das Gefühl von Freiheit und Ungezwungenheit, das ich hier erlebe … Das muss ich in meinem Herzen speichern.

Schließlich überquere ich die Straße. Abgesehen von mir sind nur wenige Leute draußen unterwegs – vor allem ein paar der Touristinnen und Touristen aus dem luxuriösen Hotel außerhalb des Ortes am Eingang des Skigebiets.

Ich stapfe am größten Gebäude des Ortes vorbei, das mit seinem Mix aus Stein, sehr viel Glas und rustikalen Holzbalken etwas Villenartiges und gleichzeitig Montanatypisches hat. Davor knickt die Fahrbahn nach links ab und führt als schmaler werdende Passstraße zwischen die Berghänge hinauf. Laut Nolan ist sie im Winter nicht passierbar und einige Kilometer weiter gesperrt. Dennoch folge ich ihr für etwa zweihundert Meter zu dem Blockhaus, in dem die Ranger Station untergebracht ist.

Meine Stiefel klingen dumpf auf den Holzbohlen, als ich die Stufen zur Veranda hinaufsteige, auf der trotz der Kälte zwei Schaukelstühle stehen. Ich trete einige Male kräftig auf, um den Schnee von meinen Stiefeln zu schütteln, klopfe kurz an die schwere Holztür und drehe den Türgriff.

Statt heimeligem Licht, dem Duft nach Kaffee und leisen Stimmen aus dem Büro empfängt mich Stille. Ich taste nach dem Lichtschalter an der Wand und die Lampen an der Decke tauchen den Hauptraum der Ranger Station in warme Helligkeit – die Vitrinen mit den Präparaten der lokalen Flora und Fauna, die Karten und Plakate an den Wänden mit Erklärungen der ökologischen Kreisläufe, die Postkartenständer und Regale mit Souvenirs. Da auch der Treppenaufgang in den ersten Stock im Dunkeln liegt, habe ich keine große Hoffnung auf eine Antwort, rufe aber dennoch einige Male ein fragendes »Hallo« in das stille Blockhaus. Ich zögere. Nolan und ich hatten eigentlich vor, eine kurze Wanderung zu unternehmen. Vielleicht ist er allein aufgebrochen, als ich nicht aufgetaucht bin. Leider haben wir bisher keine Nummern ausgetauscht. In dem kleinen Ort erschien das irgendwie nicht nötig. Und ehrlich gesagt habe ich ihn auch nicht danach gefragt, weil ich mir zumindest die Illusion bewahren wollte, mit Mason könne alles wieder gut werden. Da wollte ich mich nicht in Versuchung führen, auch noch WhatsApps mit Nolan auszutauschen.

Der Knoten in meinem Brustkorb zieht sich wieder enger zusammen. Sieht ganz so aus, als würde ich Nolan tatsächlich nie wiedersehen. Trotzdem will ich nicht einfach verschwinden, ohne ihm zumindest eine Nachricht zu hinterlassen. Entschlossen ziehe ich meine Handschuhe aus, durchquere den Raum, klopfe der Form halber an die Tür zum Büro und trete ein. Nolan hat mich einige Male mit hier reingenommen, wenn wir von unseren Schneewanderungen zurückgekommen sind und uns bei Tee und Keksen aus der angrenzenden Küchenzeile aufwärmen wollten. So kurz vor Weihnachten sind die vier sonst hier beschäftigten Ranger alle im Urlaub. Nur Leroy, der etwas verschrobene Chef, ist hin und wieder aufgetaucht, um Nolan Anweisungen zu geben oder sich zu beschweren, weil er findet, in der Ranger Station müsse mehr Ordnung gehalten werden.

Jetzt sehe ich mich kurz um, setze mich an einen der beiden Schreibtische, die sich am Fenster gegenüberstehen, und suche nach Papier und Stift. Dabei formen sich bereits so viele Worte gleichzeitig in meinem Kopf, dass ich überhaupt nicht weiß, wie ich anfangen soll. All das, was sich an widersprüchlichen Emotionen in mir angestaut hat, drängt an die Oberfläche. Einen Kugelschreiber habe ich schnell zur Hand, aber ein Blatt muss ich mir schließlich aus der Druckerlade stibitzen. Lieber Nolan, schreibe ich und zögere. Zu altmodisch? Egal. Ich werde jetzt nicht denken, nur fühlen und alles auf dieses wartende Blatt Papier ausschütten: was die gemeinsame Zeit mir bedeutet hat, was ich in ihm sehe und was das mit mir gemacht hat. Ich habe mich in ihn verliebt. Und ich kann nicht anders, als ihm das auch mitzuteilen. Ich zögere kurz. Aber es ist nicht übertrieben. Das ist eine Gewissheit in dem ganzen Chaos, das in mir seine Kreise zieht.

Unwillkürlich denke ich an diesen Moment, als Nolan mich zu dem Plateau am Grizzly Peak geführt hat und wir gemeinsam auf Big Sky hinabgeblickt haben. Nolan hat seine Heimat gesehen, ich ein kleines Dorf, das sich wie das andere Ende meiner Welt anfühlte.

In dem Moment ist uns beiden klar geworden, wie unterschiedlich die täglichen Erlebnisse sind, die uns prägen. Nolan liebt es, den Sonnenaufgang über den Bergen zu beobachten und ganz allein in der Wildnis unterwegs zu sein. Einmal konnte er aus nächster Nähe ein Wolfsrudel beobachten. Er gehört genau hierher. Ich hingegen bin auf der Suche. Zu Hause beginnen meine Tage mit ratlosen Momenten vor der Getränkeauswahl im Starbucks. Ich verdiene mein Geld als Fotografin bei Hochzeiten und Familienshootings und versuche meinen künstlerischen Platz zu finden, indem ich neue Perspektiven auf die klaren Ecken und Kanten des städtischen Raumes einfange. Aber hatte ich dabei schon ein schönstes Erlebnis – etwas, das mir so eindrucksvoll in Erinnerung geblieben ist wie Nolans Wolfsbegegnung? Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, Nolan ist das Schönste, was mir in meinem Leben passiert ist.

Ein bisschen drüber? Egal! Einfach raus mit dem Gefühl aufs Papier. Schließlich – so weh es auch tut – werde ich ihn ohnehin nicht wiedersehen.

Zwischendurch öffne ich den Reißverschluss meiner Jacke, weil Hitze in mir aufsteigt. Aber ich fühle mich auch ruhiger, als ich – so altmodisch, wie ich begonnen habe – Deine Ava unter meinen Brief schreibe. Ich falte das Papier zusammen, schiebe es in einen Briefumschlag, den ich in einem Fach hinter mir finde. Nolan, schreibe ich darauf und lasse ihn mittig auf dem Schreibtisch liegen.

Ich werfe einen Blick auf die Wanduhr. Die Stunde, die Mason mir zugestanden hat, ist fast rum. Trotzdem will ich noch einen Umweg machen. Mason wird mich sicher nicht einfach zurücklassen, auch wenn ich eine halbe Stunde länger unterwegs bin. Draußen werfe ich einen prüfenden Blick in den Himmel. So wolkenlos habe ich ihn seit unserer Ankunft kaum erlebt. Jetzt zur Mittagszeit ist das Licht zwar nicht optimal, weil es fast zu grell auf den Schnee fällt, aber ich will trotzdem noch eine Aufnahme von Big Sky machen. Die Prospekte und der Internetauftritt des Ortes sind sicher einige Jahre alt und die darin abgebildeten Fotos semiprofessionell. Ich hatte schon vor ein paar Tagen die Idee, meine Bilder aufzubereiten und dem Tourismusverein anzubieten. Ich folge dem präparierten Wanderweg, der hinter dem Ort sanft ansteigend den Hang des Grizzly Peak kreuzt. Bis ein Stück außerhalb von Big Sky verläuft er parallel zur Straße, ehe er entlang des Bergrückens höher hinaufführt. Mit Nolan bin ich den Weg mehrmals mit Schneeschuhen gegangen, weil er sich hinter einem kleinen zugefrorenen See in mehrere Wanderwege verzweigt. Ohne Nolan würde ich mich dort niemals zurechtfinden, aber jetzt will ich den Weg nur bis zu einem höher gelegenen Punkt außerhalb des Ortes gehen, von wo ich bei diesem Licht einen perfekten Winkel habe, um Big Sky in einem Bild einzufangen.

Ich schlage einen zügigen Schritt an, um Mason nicht länger als nötig warten zu lassen. Obwohl ich es nicht bereue, Nolan den Brief geschrieben zu haben, sitzt mir ein beißendes schlechtes Gewissen im Nacken. Ich hätte mich nie in Nolan verlieben dürfen. Mir ist klar, dass ich mich auch ohne ihn von Mason hätte trennen müssen, aber es ist Mason gegenüber ungerecht, dass ich einem anderen so viel Platz in meinem Herzen gelassen habe. Wie konnte mir das nur passieren? Dass es mir leidtut, wird Mason jetzt nicht helfen. Ich hoffe, er wird mir wenigstens glauben, dass ich Nolan nicht wiedersehen werde.

Tief atme ich die kristallklare Luft ein, sauge mich voll mit den Kontrasten von weißem Schnee, dunklem Fels und blauem Himmel, lausche dem knurpsenden Geräusch des festgetretenen Schnees unter meinen Füßen. Nach Osten hin öffnet sich der Blick in das tiefer gelegene Tal mit dem nächstgrößeren Ort Red Lodge. Am Horizont ballen sich riesige Wolkenbänke zusammen. Ein weiterer Grund, mich zu beeilen. Ein Paar kommt mir Hand in Hand entgegen. Gleich darauf höre ich ausgelassenes Lachen und entdecke zwei Schlitten, die auf mich zugleiten. Ein Mann und eine Frau jeweils mit einem Kind vor sich brausen an mir vorbei. Dann erklingt plötzlich Hundegebell hinter mir. Alfie? Sofort drehe ich mich wieder um, mein Blick fliegt den Weg zurück. Tatsächlich. Ich erkenne Nolans schlanke, dunkel gekleidete Gestalt sofort – seine schwarze Schneehose und dunkelgrüne Jacke. An seiner Seite läuft sein Hund Alfie mit dem rötlich goldenen Fell, der sich wahrscheinlich vor den vorbeisausenden Schlitten erschreckt hat und deshalb bellt. Irgendwie fühle ich schon wieder zu viel. Die schlagartige Freude, die mein Herz weit werden lässt, wenn ich die beiden sehe, genauso wie die schwere Gewissheit, dass ich mich von ihnen verabschieden muss. Und leise Zweifel, ob ich mit meinem Brief nicht doch völlig übers Ziel hinausgeschossen bin. Ob er ihn etwa schon gelesen hat?

Ich will ihnen entgegengehen, doch etwas lässt mich schlagartig innehalten. Schräg hinter mir oberhalb am Hang ertönt ein dumpfes Geräusch – nicht besonders laut, nicht besonders erschütternd. Dennoch lässt es mich instinktiv spüren, dass Gefahr droht. Ich drehe mich um. Einen Moment noch scheint es, als hätte sich nichts verändert.

»Ava!« Nolans Stimme dringt zu mir und ich höre vor allem eins: Panik. »Lauf!«

Im gleichen Augenblick beginnt der Hang zu rutschen. Einen irren Moment lang habe ich das Gefühl, der ganze Berg komme auf mich zu, die ganze Welt breche um mich herum zusammen. Und in gewisser Weise tut sie das auch. Die Erkenntnis reißt mir den Boden unter den Füßen weg, bevor der in Bewegung geratene, Geschwindigkeit aufnehmende Schnee es tun kann: Lawine.

Ich stolpere rückwärts. Adrenalin übernimmt schlagartig die Kontrolle über meinen Körper, drängt mich, weiter zurückzuweichen, wegzurennen, irgendwie zu entkommen. Ich rutsche, falle, verliere die Orientierung. Irgendwo aus weiter Ferne höre ich Nolan, der Anweisungen brüllt. Aber alles, was mein vernebeltes Hirn wahrnimmt, ist das sich zusammenballende, den ganzen Berg erfassende Donnergrollen über mir und das dunkle Band der schneefrei geräumten Straße am Fuß des Hangs. Aus irgendeinem Grund ist mein Gehirn der Meinung, dort in Sicherheit zu sein. Einfach nur weg, raus aus dem Schnee, festen Boden unter meine Füße.

Ich renne abwärts, versinke bis zur Hüfte im Schnee, rutsche der Straße entgegen.

»Ava!« Mit Wucht werde ich von hinten getroffen und ich schreie auf. Doch es ist nicht die Lawine, die mich von den Füßen reißt. Kräftige Arme schlingen sich um meinen Oberkörper. Jemand zerrt mich seitwärts weiter. Wildes Hundegebell dringt mir über dem mittlerweile betäubenden Donner in die Ohren. Die Erde unter mir bebt. Um mich herum ist alles nur noch weiß. Halb rennend, halb fallend bewege ich mich schräg auf die Straße zu. Der Schnee klebt an mir, dringt mir in Augen, Nase und Mund ein. Ich kann nicht mehr atmen. Ich werde weiter durch den Schnee gezogen, erreiche plötzlich die Straße. Der Teer fühlt sich ungewohnt fest unter meinen Füßen an.

»Nicht stehen bleiben! Renn!«

Der Hund schießt an mir vorbei und ich laufe einfach hinter ihm her, kann jedoch nicht anders, als über die Schulter zurückzublicken. Ich sehe nichts als eine übermächtige weiße Wand. Stolpere. Hart treffe ich auf dem Boden auf, weiß nicht mehr, wo oben und unten ist, wo vorne oder hinten, wo Gefahr und wo Sicherheit.

»Ava!« Wieder schlingen sich Arme um mich. Jemand hält mich fest, beugt sich schützend über mich. So kauern wir einen Moment lang am Boden, während das dumpfe Rauschen um uns nachlässt. Schneestaub umwirbelt uns.

»Keine Angst.« Ich höre Nolans atemlose Stimme an meinem Ohr, habe noch immer das Gefühl zu rutschen, obwohl wir auf der Straße sitzen. »Es ist gleich vorbei.«

Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergeht. Es kann nicht mal eine Minute gedauert haben von dem Moment, in dem ich losgerannt bin, bis zu dem, als ich auf die Straße fiel. Doch meine Lunge brennt. Meine Beine fühlen sich vollkommen kraftlos an, mein ganzer Körper zittrig. Ich weiß nur, dass mein hektischer Atem plötzlich sehr laut klingt, als es um uns herum still wird. Automatisch versuche ich tiefer und langsamer Luft zu holen.

»Mein Gott, Ava, was hast du dir dabei gedacht?« Nolan lässt mich los. Ich sehe zu ihm auf. Er kniet neben mir auf der Straße. Sein Gesicht ist gerötet. Schnee bedeckt seine Kleidung, seine dunklen Haare, schmilzt auf seiner Haut. Aus seinen nachtschwarzen Augen mustert Nolan mich besorgt.

»Was soll das heißen?« Ich verstehe seine Frage nicht. »Da war eine fucking Lawine und ich bin weggerannt.«

»Du wärst mitten in die fucking Lawine reingerannt, wenn ich dir nicht gefolgt wäre.«

»Was?« Meine Stimme ist dünn. Fassungslos starre ich ihn an, kapiere gar nicht, warum er plötzlich so wütend aussieht.

»Du bist doch nicht schneller als eine Lawine. Wolltest du ein Wettrennen machen oder warum bist du vor dem Schnee hergerannt, statt seitlich aus der Gefahrenzone zu laufen? Das habe ich dir und den Kids auf den Schneetouren doch erklärt.« Sein Blick fliegt über mein Gesicht und er runzelt die Stirn. Sacht fasst er an mein Kinn und dreht meinen Kopf leicht zur Seite. Ich spüre ein leichtes Brennen links an der Stirn und der Schläfe, aber das interessiert mich gerade nicht.

»Ich … also …« Mühsam komme ich auf die Füße, ringe nach Atem. Irgendwie fühlt sich mein Brustkorb immer noch zu eng an. Nur wenige Meter von uns entfernt liegt Schnee auf der Fahrbahn. Genauer gesagt befindet sich dort, wo eben noch die Straße war, ein gigantisches Lawinenfeld. Meterhoch zieht es sich über den unteren Teil des Hangs, den Weg, auf dem ich eben noch gelaufen bin, die Straße, die aus Big Sky rausführt, und weiter über die hier nur noch sacht abfallende Ebene, hinter der in der Ferne die Talstation der Liftanlage und die Dächer der Hotelgebäude zu erkennen sind. Fast wäre ich unter einer verdammten Lawine begraben worden.

»Scheiße!« Ich sehe Nolan an, der ebenfalls aufgestanden ist.

Er klopft sich Schnee von der Jacke. Wahrscheinlich sollte ich das auch tun. Ich schätze, ich gebe keinen besseren Anblick ab als er. Aber ich kann mich nicht bewegen.

Der Glanz in Nolans schwarzen Augen verrät mir, dass er womöglich ebenso viel Angst hatte wie ich. »Wir hätten beide draufgehen können.«

»Scheiße«, wiederhole ich. Meine Muskeln fangen an zu schlottern, sodass ich mir nicht sicher bin, ob ich mich auf den Beinen halten kann. Auch die Worte, die ich hervorbringe, klingen nur noch nach hilflosem Gestammel. »Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, was passiert. Irgendetwas ist in meinem Kopf durchgeknallt und ich bin einfach losgerannt.«

»Hey, alles okay?« Besorgt mustert Nolan mich.

»Nichts ist okay. Ich habe mich von Mason getrennt. Und ich wollte …« Ich mache eine hilflose Geste in seine Richtung. »Ich wollte … Ich habe dich gesucht, weil ich abreisen muss. Und beinah läge ich jetzt unter Tonnen von Schnee begraben. Shit.«

Nolan starrt mich an, während ich spüre, wie Tränen in mir aufsteigen. Sein Blick wird weicher. Ich habe das Gefühl zu fallen. Meine Nase läuft. »Willst du dich lieber setzen?«

Ehrlich gesagt will ich vor allem eins: hier weg. Die Aussicht, zu Mason ins Auto zu steigen und so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, hat plötzlich etwas unwahrscheinlich Verlockendes. Aber meine Beine machen da nicht mit. Als Nolan mich zögernd am Arm ergreift, stolpere ich einfach gegen ihn und lasse mir von ihm helfen, mich an den Straßenrand zu setzen. Etwas unbeholfen streicht Nolan mir über den Rücken. Plötzlich ist auch der Hund wieder da. Alfie schnuppert in meinem Gesicht herum. Als ich meine Hände in seinem Fell vergrabe, lässt Nolan mich los und geht wieder auf Abstand. Mir ist schwindelig. Und schlecht. Gott! Ich will jetzt nicht auch noch kotzen. Wobei das wahrscheinlich auch schon egal wäre. Denn eins steht fest: Dieser Tag kann auf keinen Fall noch schlimmer werden.

Hunter

Ich hätte nicht kommen sollen. Verflucht noch mal. Ich hätte nicht nach Big Sky zurückkehren sollen. Egal wie sehr Nolan mich in den letzten drei Jahren angefleht hat.

Nach dem Tod seiner Mom sind wir jedes Jahr zu Weihnachten zusammen ihre Lieblingsbergroute geklettert, haben an ihrem Lieblingsplatz in den Bergen gecampt, uns den Arsch abgefroren, und obwohl es traurig war, war es wichtig und irgendwie gut. Ich weiß, was es Nolan bedeutet und dass Peyton zu sehr im B&B eingespannt ist, um als Ersatz für mich herzuhalten. Ich weiß, dass ich der mieseste Freund überhaupt bin, weil ich trotzdem weggeblieben bin. Aber mir war klar, dass Dad und ich nach nicht einmal fünf Minuten aneinandergeraten würden. Es hat sogar nur drei gebraucht. Drei verfickte Minuten.

Ich stehe in der monströs großen Eingangshalle unserer protzigen Villa im Blockhausstil, die Dad Hütte nennt. Ein übertrieben mit Lametta behängter Weihnachtsbaum dominiert den Raum. Dieses Haus ist alles, aber keine Hütte. Ich trage immer noch meinen Mantel, der Schnee an meinen Stiefeln schmilzt vor sich hin, fuck, ich habe ihm noch nicht einmal Hallo gesagt, geschweige denn Grace vorgestellt. Sie hatte ja nicht mal Zeit zu kapieren, wie zum Kotzen reich meine Eltern wirklich sind, bevor Dad losgelegt hat. Ich hätte sie nicht mitnehmen sollen. Aber sie an Weihnachten allein in unserer WG zu lassen war auch keine Alternative.

Jetzt sieht sie unbehaglich von mir zu ihm und zurück, bevor sie die Brille auf ihrer Nase zurechtschiebt.

»Egal was du brauchst, um endlich nach Hause zurückzukommen, wir machen es möglich. Du könntest von hier aus dein Studium fortführen, während ich dich schon in das Unternehmen einarbeite. Du hast hier alles.« Er macht eine allumfassende Geste, die die verfickte Tannengirlande mit einschließt, die sich das Treppengeländer hinaufwindet. »Wieso kannst du das nicht annehmen? Lässt dir stattdessen lieber dein Hirn beim Football wegtackeln.« Er schnauft, als wäre es frustrierend schwer, an meinen schon angeschlagenen Verstand zu appellieren.

»Meinem Hirn geht es super«, knurre ich und konzentriere mich auf Grace. Sie ist meine Mitbewohnerin, beste Freundin und gerade definitiv der einzige Grund, der mich davon abhält, auszurasten und zu verschwinden.

»Anscheinend ja nicht, sonst würdest du endlich zur Vernunft kommen«, stößt Dad jetzt scharf hervor.

»Und tun, was du willst«, beende ich den Satz. »Newsflash: Das wird nicht passieren.« Ich ziehe die Augenbrauen hoch und sehe ihn jetzt doch an. Dann den Boden, weil es nicht so leicht ist, ihm die Stirn zu bieten. Nicht, weil ich Angst vor ihm habe oder nicht wüsste, was genau ich will. Oder besser, nicht will. Wie zum Beispiel sein Imperium leiten und für ewig in diesem kleinen Bergdorf feststecken. Es ist so verdammt schwer, weil ich ihn genug liebe, um dennoch ins Wanken zu geraten. Weil ich ihn nicht enttäuschen will und es dennoch tue. Jedes Mal.

Und weil er mich nicht genug liebt, um meine Entscheidungen zumindest zu akzeptieren, wenn er sie schon nicht unterstützt.

»Tu nicht so, als würde ich dir etwas Schlimmes antun. Ich will nur, dass du in das Unternehmen einsteigst. Das wird nun mal alles irgendwann dir gehören.«

»Ich will es nicht.« Nichts hiervon. »Ich bin nur hier, weil Mom mich eingeladen und Nolan mich überredet hat. Also lass uns einfach die verfluchten Feiertage zusammen verbringen.« Ich muss verrückt sein, das überhaupt noch in Betracht zu ziehen.

»Ich biete dir eine Chance, mit diesem Irrsinn aufzuhören«, motzt er weiter und geht gar nicht auf meinen Vorschlag ein. So viel zum gemeinsamen Weihnachtsfest. Bei ihm klingt die Aussicht auf eine Karriere bei der NFL fast so, als wäre ich drogenabhängig und das hier die dringend überfällige Intervention, um mich vor dem Totalabsturz zu bewahren.

»Hörst du mir eigentlich zu, Hunter?«

Ich presse die Zähne fest zusammen.

»Hunter?«, wiederholt Dad genervt.

»Ich kann das nicht«, murmle ich. Vielleicht macht es mich zu genau dem verzogenen, undankbaren Mistkerl, den Dad in mir sieht, aber ich kann nicht hierbleiben. Ich erwarte nicht, dass er einknicken wird. Oder versucht mich aufzuhalten. Wir haben Übung darin, unsere Treffen so zu beenden. Mit nichts als verbrannter Erde zwischen uns. Und ungesagten Worten. »Richte Mom aus, dass ich sie lieb habe.« Ich drehe mich um und greife nach Grace’ Arm. »Komm.« Ich sehe, dass sie etwas sagen will, sich dann aber doch entschließt, loyal zu sein und in dieser Sache hinter mir zu stehen. Am Eingang verpasse ich dem Mistelzweig einen Fausthieb, bevor ich uns nach draußen schiebe und die Tür hinter uns zuknalle.

Eilig halte ich mit Grace im Schlepptau auf den Pick-up zu, den ich so in der Auffahrt geparkt habe, als hätte ich gewusst, dass die Sache mit Flucht endet. »Steig bitte ein. Wir verschwinden.«

»Du willst echt los? Also, weg?«

Sie hat doch live miterlebt, was gerade passiert ist. »Jepp.« Ich öffne die Fahrertür, steige ein und sehe stur geradeaus.

»Was war das gerade, Hunter?« Sie steht noch immer neben dem Wagen und ich schwöre, ich lasse sie hier stehen, wenn sie nicht sofort einsteigt.

»Das war ein winziger Einblick in die warme Herzlichkeit der Familie Adams.« Ich lasse die Schultern nach vorn sacken und lege den Kopf auf dem Lenkrad ab. »Es gab einen Grund, aus dem ich nicht herkommen wollte.«

Grace rutscht nun doch auf den Beifahrersitz und legt mir ihre Hand auf den Rücken. »Aber Nolan und ich haben dich so lange genervt, bis du nachgegeben hast.« Es klingt wie eine Entschuldigung.

»Können wir einfach fahren?«

»Was ist mit deiner Mom? Und Nolan?«, fragt Grace, noch nicht bereit, die Tür zu schließen, damit wir endlich aus Big Sky wegkommen.

Ich zucke die Schultern. »Bei Nolan können wir noch vorbeifahren. Mom rufe ich von unterwegs an.« Ich weiß, es ist nicht fair, dass sie darunter leiden muss, dass Dad und ich uns nicht zusammenreißen können. Aber ich kann nicht zu ihr ins Büro fahren und riskieren, noch einmal mit Dad zu kollidieren.

Mit einem Seufzen gibt Grace sich geschlagen und wirft die Autotür zu.

Wir fahren durch den verschneiten Ortskern, vorbei am bunt blinkend dekorierten Hardware Store, dem Diner, dem Grocery Store und dem Outdoor- und Sportladen, deren Schaufenster alle aussehen, als hätte sich eine Horde Weihnachtswichtel auf Koks bei der Deko ausgetobt. Und sie alle tragen den Namen Adams. Genau wie ich.

»Du hättest mich vorwarnen können, dass du der Rockefeller der Rocky Mountains bist«, sagt Grace und knufft mich in die Seite.

Als wäre das die Enthüllung und nicht mein vollkommen verbohrter Vater, der uns gerade zur Begrüßung angebrüllt hat. Ich schnaube. »Du wusstest, dass meine Familie reich ist.«

»Es gibt einen Unterschied zwischen reich und euch gehört ein ganzes Dorf.«

»Spielt keine Rolle.«

Sie lacht. »So etwas kann nur jemand sagen, der Geld im Überfluss hat.« Sie dreht sich von mir weg und sieht aus dem Fenster. »Und eine Familie.«

Ich halte an der einzigen Ampel im Ort, die über der Hauptstraße sachte im Wind schwingt und eine Mütze aus Schnee trägt. Sie schaukelt genau wie die kreuz und quer über die Straße gespannten Lichterketten.

»Tut mir leid.« Ich drücke ihre Schulter. Ich wollte Grace wirklich nicht daran erinnern, dass sie niemanden hat. »Aber es ist nicht automatisch alles gut, nur weil meine Eltern noch leben und im Geld schwimmen.« Ich seufze und fahre nicht an, obwohl Grün ist. Außer uns ist niemand auf der Straße. Zur Hochsaison atmet der Ort samstagnachmittags kurz durch, bevor am Abend die neuen Gäste anreisen. »Ich wollte es echt versuchen.« Für sie. Für Nolan. Für Mom. Und vielleicht sogar für Dad und mich. »Aber ich kann nicht hierbleiben und mich die ganzen nächsten Tage streiten. Lass uns bei Nolan vorbeigucken und dann hauen wir hier ab, okay?«

Grace öffnet den Mund, um noch etwas zu sagen, aber der Blick, den ich ihr zuwerfe, lässt sie verstummen. Sie seufzt, nickt, und ich bin ihr verdammt dankbar, dass sie meinen Wunsch akzeptiert und hinter mir steht, obwohl sie mich vielleicht nicht versteht. Selbst wenn es bedeutet, dass wir allein in unserer undekorierten WG in Missoula feiern, obwohl sie sich auf ein richtiges Weihnachtsfest mit Familie, Freunden und einer Überdosis Lametta in Big Sky gefreut hat.

Ich parke den Wagen vor der Arztpraxis von Nolans Dad und wir gehen gemeinsam die Stufen zu der winzigen Ein-Zimmer-Junggesellenbude hinauf, die mein bester Freund sich über den Praxisräumen ausgebaut hat. An der Tür hängt ein Blechschild mit der Aufschrift »Dear Santa, define good«. Nolan kann Weihnachten definitiv mehr abgewinnen als ich, aber der Spruch ist tatsächlich lustig und ringt mir ein Lächeln ab. Vermutlich ist im Inneren seiner Bude auch eine Weihnachtsdeko-Bombe geplatzt, genau wie früher in Doc James’ Haus. Ich klopfe. In der Ferne donnert es. Nicht wie bei einem Gewitter, sondern so, als würde das Geräusch tief aus dem Inneren des Grizzly Peak kommen.

»Was ist das?« Grace sieht sich irritiert um.

»Wahrscheinlich ist in einem der umliegenden Täler ’ne Lawine runtergekommen.« Nichts Ungewöhnliches zu dieser Jahreszeit, außer, dass es verdammt nah klang. Ich klopfe wieder, aber Nolan scheint nicht da zu sein.

Ich schreibe ihm eine Nachricht, auch wenn ich schon vorher weiß, dass er sie vermutlich erst zu spät lesen wird, und wende mich dann wieder Grace zu. »Lass uns los.«

»Wir könnten auf Nolan warten. Er ist dein Freund und ihr habt euch ewig nicht gesehen.«

Das letzte Mal bei unserem Trip im Glacier Nationalpark im letzten Sommer. »Bis er das nächste Mal auf sein verfluchtes Telefon sieht, können Stunden vergehen. So lange warte ich nicht.« Selbst dann nicht, wenn es bedeutet, Nolans Gesicht monatelang wieder nur über den Bildschirm meines Smartphones zu sehen.

»Okay, wie du meinst.« Grace rümpft die Nase. »Aber nur fürs Protokoll, du hast echt eine Macke, Hunter Adams. Wir könnten auch einfach eine Nacht hier im Dorf schlafen und morgen noch mal versuchen, Nolan zu erwischen.«

»Hauptsaison.« Ich brumme. »Die Zimmer sind auf Wochen ausgebucht. Außerdem gehört das einzige Hotel in der Nähe meinen Eltern. Und das Mountain Hideaway Bed & Breakfast …« leitet Peyton Scott.

»Alles okay? Du siehst aus, als hätte dir jemand in den Magen getreten.« Grace legt mir ihre Hand auf den Arm.

»Alles gut«, beruhige ich sie. »Bloß schlechte Erinnerungen. Lass uns einfach sehen, dass wir nach Hause kommen. Wir können Essen vom Thailänder holen und den ganzen Abend Filme schauen. Dann bin ich wieder ganz der Alte.« Meinetwegen sogar Liebesschnulzen oder Horrorstreifen, was mir normalerweise echt gegen den Strich gehen würde, aber gerade hört es sich himmlisch an.

Ich setze den Pick-up zurück und halte auf den Ortsausgang zu. Mit jedem Yard, den wir uns von der Adams-Hütte und dem Ortskern entfernen, wird mein Herz ein wenig leichter. Wir lassen das Ortsschild hinter uns. Neben uns windet sich der Wanderweg den Grizzly Peak hinauf. Die Landschaft liegt unter einer dicken Schneedecke, alles wirkt still und friedlich. Ich werde ruhig und es kommt fast so etwas wie Vorfreude darauf auf, dass ich die Tage mit Grace in Missoula verbringen werde. Nicht an diesem Ort. Ohne Dad und seine verfickte Meinung zu meinem Leben. Ohne die Gedanken an Peyton.

Es wird mir gut gehen. Davon bin ich überzeugt. Bis ich hinter der nächsten Kurve scharf bremsen muss. Weil Nolan vor einer verdammten Wand aus Schnee steht, wo eigentlich Asphalt sein sollte. Vor einer Frau, deren Klamotten voller Schnee sind und die am Boden hockt, ihre Hand in Alfies Fell vergraben, als müsste sie sich an ihm festhalten. Ihr Gesicht und die zerzausten Haare sind ebenfalls schneebedeckt, was sie aussehen lässt, als hätte Nolan sie vor drei Sekunden höchstpersönlich aus der Lawine gezogen, die die Straße verschüttet hat. Es hat nicht nur nah geklungen. Die Lawine war nah. Gefährlich nah am Ort. Das hätte auch anders ausgehen können.

Wir steigen aus und ich begrüße Nolan mit einem Handschlag. Dann Alfie, der um uns herumhüpft. Nolan grinst breit, schließt Grace in die Arme und drückt sie stumm an sich, während Alfie bellend um die beiden herumspringt. »Ihr seid hier«, bemerkt er und verbirgt nicht, wie sehr er sich darüber freut. »Das ist übrigens Ava. Sie macht hier Urlaub und … sie ist der Lawine deutlich zu nah gekommen. Sie braucht vielleicht noch eine Minute.« Da ist etwas fast Liebevolles in Nolans Stimme. Nicht nur in seiner Stimme. Auch in dem besorgten Blick, den er jetzt auf sie richtet. Dabei fängt er in der Regel nichts mit Touristinnen an.

»Ich bin okay«, sagt sie entschlossen und nickt uns zur Begrüßung zu. »Vielleicht übergebe ich mich gleich noch, aber, hey, ich bin nicht tot. Also betrachte ich das als Gewinn.«

»Freut mich, Ava, und noch mehr, dass dich die Lawine nicht zermatscht hat. Ich bin übrigens Hunter«, erwidere ich grinsend. Ich mag sie auf Anhieb, wende mich aber wieder Nolan zu, überlege, ob ich ihm sagen soll, dass ich seine Wahl ausgezeichnet finde, entscheide mich aber dagegen. Das ist ein Gespräch, das wir besser ohne Zuhörer führen. »Eigentlich sind wir nicht hier, sondern wir waren«, antworte ich zu spät auf Nolans Begrüßung und kämpfe mein schlechtes Gewissen nieder, weil ich zu wenig Zeit mit ihm verbringe, obwohl ich weiß, wie scheiße bekloppt er sich auf diese gemeinsamen Tage gefreut hat. »Wir sind schon wieder auf dem Sprung.« Waren wir. Ich sehe verzweifelt die Schneemauer an.

»Nicht dein Ernst.« Nolan verdreht die Augen. »Na ja, hat sich jetzt eh erledigt.« Er deutet auf die Schneemassen hinter sich, die die Straße nach Red Lodge blockieren. »Hier kommt so schnell niemand rein oder raus.«

Ich puste mir die Haare aus der Stirn. »Wann räumen deine Freunde vom Straßendienst den Scheiß weg?« Ich würde sogar selbst schaufeln, wenn es dadurch schneller geht.

»Nicht so bald«, sagt er seelenruhig, als wäre das keine große Sache. »Für heute Abend ist ein Blizzard angekündigt. Ziemliches Monsterding. Soll das ganze County ein paar Tage lahmlegen. Danach räumen sie erst die wichtigen Verkehrsverbindungen. Dann kommen wir irgendwann dran. Du kennst das Spiel.«

Vor Weihnachten wird die Straße also nicht passierbar sein. Das ist alles eine Scheißverschwörung. Ich stecke hier fest. Wir alle. Kann man in der Weite von Montanas Bergen Klaustrophobie bekommen? Denn ich kriege, verdammt noch mal, keine Luft. Ich muss mich am Pick-up abstützen, um nicht umzufallen.

»Alles gut?«, fragt Nolan besorgt.

»Alles super.« Ich verziehe das Gesicht und halte einen Daumen sarkastisch nach oben.

»Blizzard?«, fragt Ava überrascht. »Es sieht gar nicht nach einem Unwetter aus.«

Das stimmt. Es ist zwar schweinekalt, aber noch scheint die Sonne.

Nolan deutet auf die Bergkämme, über denen sich Wolkentürme aufballen. »Das kann sich superschnell ändern, wenn die kalte Luft aus Kanada auf die warmen Tiefdruckluftströmungen aus dem Süden trifft.«

»Nerd.« Ich schlage ihm gegen den Oberarm. Wenn er vorhat, seine neue Flamme zu Tode zu langweilen, ist er mit seiner Wetterfroschmasche auf dem besten Weg.

»Idiot«, kontert Nolan und lächelt Ava an. »Was ich sagen will, es wird ungemütlich.«

»Was heißt das jetzt? Sind wird so richtig abgeschnitten von der Außenwelt?« Grace fühlt sich zumindest solidarisch unwohl.

Nolan lacht. Dem Mistkerl scheint das Ganze zu gefallen.

»Ja, aber wir sitzen das einfach aus. Passiert hier in den Bergen immer mal wieder. Darauf sind wir vorbereitet. Und wir sind alle zusammen. An Weihnachten. Könnte also schlimmer sein.«

Blinzelnd sehe ich ihn an. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast diese Scheißlawine höchstpersönlich ausgelöst, nur damit ich nicht von hier wegkomme.«

Grace

Die Kälte verdrängt langsam das Adrenalin und ich schlinge die Arme um mich, während Taubheit sich durch meine gefütterten Winterstiefel bis in meine Zehen ausbreitet. Ich trete von einem Fuß auf den anderen und versuche an etwas Warmes zu denken. Etwas, das nicht sonderlich leicht ist, wenn man mitten im Winterwunderland vor einem Berg aus Schnee steht.

Die Scheinwerfer unseres Autos strahlen direkt auf die Schneemassen, die sich unschuldig glitzernd vor uns aufgetürmt haben. Dort, wo zuvor noch eine Straße gewesen ist, die wir befahren wollten. Wären wir nur ein paar Minuten früher losgefahren … Nein, darüber darf ich gar nicht erst nachdenken.

Ich schaudere und wende mich ab. Hunter tritt genervt gegen einen Schneehaufen, dessen oberste Schicht wie Puderzucker durch die Luft fliegt. »So ein Mist.«

Ava hockt noch immer neben dem Schneeberg und krault Nolans Hund, als wäre er ihr Anker. Sie sieht ziemlich mitgenommen aus und bei dem Gedanken, dass sie jetzt ein paar Meter weiter unter der Lawine liegen könnte, wird mir schlecht.

Eisiger Wind zerrt an meinen Haaren und beißt mir in die Ohren. Energisch ziehe ich die Wollmütze ein wenig tiefer und schiebe meine Brille zurecht.

Der strahlend blaue Himmel sieht so gar nicht nach Blizzard aus.

Ich komme aus Montana und bin Schnee gewöhnt. Aber Blizzards sind beängstigend. Doch schlimmer ist, dass Hunter definitiv nicht zurück zu seiner Familie fahren wird und wir keine Unterkunft haben. »Wann, meint ihr, wird es losgehen?«

Nolan legt den Kopf von der einen zur anderen Seite. In seiner Funktionskleidung ist er deutlich besser vor dem Wetter geschützt als ich. Aber ich hätte von einem Ranger auch nichts anderes erwartet.

»In ein paar Stunden.« Er sieht viel souveräner aus als bei den Malen, in denen er Hunter an der Uni besucht hat. Erwachsener.

Hunter blickt mich zerknirscht an und versucht sich an einem schiefen Lächeln. »Nolan hat recht. Im Dorf können wir den Blizzard gefahrlos aussitzen. Wenn man davon absieht, dass wir mit Harold Adams im selben Ort eingesperrt sind.«

»Wehe, du hast unrecht.« Ich knuffe ihn in die Seite, um seine Laune ein wenig zu heben. Doch wegen seiner dicken Winterjacke spürt er es vermutlich kaum.

Mein bester Freund reibt meinen Arm, als wüsste er, dass ich bereits total durchgefroren bin.

Das Knirschen von Reifen auf Schnee lässt uns alle umdrehen. Ein Jeep kommt von Weitem die lange Straße entlangfahren.

»Ist das Peyton?«, fragt Hunter und seine Stimme nimmt einen seltsamen Tonfall an.

Erneut bibbere ich vor Kälte und mache mich von ihm los, als mir mein Kaffee in dem To-go-Becher einfällt, den ich vor unserer Ankunft in einem Diner aufgefüllt habe. Wenn ich Glück habe, ist er noch nicht eiskalt. »Mach mal den Wagen auf, ich brauche dringend was Warmes.«

Abwesend starrt er das andere Auto an, das uns fast erreicht hat. Ein Seufzen entfährt mir. Ich ziehe die Schlüssel aus seiner Jackentasche und stapfe zurück zum Wagen. Mir ist mittlerweile so kalt, dass meine Füße ganz taub sind. Wie dumm, dass meine lange Skiunterwäsche in meinem Koffer liegt. Säßen wir wie geplant im Auto mit Sitzheizung, hätte ich sie auch nicht gebraucht.

Gerade als ich die Türen entriegle und mich über den Beifahrersitz lehne, um an den To-go-Becher zu kommen, höre ich das andere Auto hinter uns anhalten.

Ich nippe an dem Kaffee und trete zurück. Wärme breitet sich von meinem Mund, über meinen Hals und bis in meinen Magen aus. Ein kleines Seufzen entfährt mir, weil es so guttut.

»Ava!«, ruft irgendwer mit panischem Unterton. Eilige Schritte knirschen im Schnee.

Ich trete zurück, werfe die Tür zu und will mich nach den Neuankömmlingen umschauen.

»Achtung!«, ertönt dieselbe Männerstimme. Gleichzeitig bellt Alfie. Ich drehe mich um und werde im nächsten Moment mit voller Wucht umgerannt. Mein Becher fliegt im hohen Bogen aus meiner Hand. Jemand packt mich und dreht mich, als würde er mich noch festhalten wollen. Gleichzeitig knallen wir seitlich in den Schneehaufen neben dem Wagen und sinken ein.

Ich keuche und starre den Kerl an, der mich über den Haufen gerannt hat. Er trägt eine schwarze Mütze, aus der blonde Strähnen hervorlugen. Ein leichter Bartschatten umspielt sein markantes Kinn und seine grauen Augen sind erschrocken geweitet. Mein Herz poltert. Seine vollen Lippen öffnen sich und sein Blick zuckt über mein Gesicht, über meine Augen, meine Nase und meine Lippen. Hitze prickelt über meine Haut und – oh mein Gott, wie kann man nur so unfassbar gut aussehen?

Ich schlucke und merke, dass meine Brille weg ist. »Oh«, entfährt es mir verzögert und ich spüre erst jetzt die eisige Kälte, die meinen Mantel binnen Sekunden durchdrungen hat.

Er blinzelt, schüttelt seinen Kopf und schafft es als Erster aus dem Schneehaufen. »Es tut mir so leid.« Seine Hände umfassen meine und ich kann nicht ignorieren, wie warm und groß sie sind. Verdammt, ich hatte schon immer was für Männerhände übrig.

Mit einem Ruck zieht er mich aus dem Schnee. Ich pralle gegen ihn und starre zu ihm hoch, direkt in seine ernsten Augen, die mich ansehen, als wäre ich ein fremdes Wesen. Er überragt mich und ich muss den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Mein Mund fühlt sich mit einem Mal total trocken an.

Worte, Grace, du musst Worte benutzen! »Meine Brille.«

Er lächelt, und das lässt seine Züge warm und freundlich werden. Mein Herz poltert, als hätte mich noch nie ein Mann angelächelt. Im selben Moment kommt Hunter von hinten angelaufen. Alfie folgt ihm aufgeregt, wird jedoch von Nolan zurückgepfiffen. »Grace, ist alles okay?«

Ich drehe mich zu Hunter um, sehe, wie er sich bückt, meine Brille und den Becher aus dem Schneehaufen zieht und mir dann beides reicht. Dunkle Kaffeeflecken bedecken nun den reinweißen Schnee.

Hunters Augen sind unverwandt auf den Fremden gerichtet und erdolchen ihn nahezu, als würde er Vergeltung üben wollen, weil ich umgerannt wurde.

Ich setze die Brille auf und finde meine Stimme wieder. »Ja, alles gut. Ich stand wohl im Weg.«

Das Lächeln des Fremden erlischt mit einem Mal und er wird bleich. Sein Blick streift mich entschuldigend, als er sich an uns vorbeidrückt und zu Nolan und der Frau rennt. »Ava!«

Ich sehe zu, wie er ihr um den Hals fällt, sie dann von sich hält und nach Verletzungen sucht.

Mir wird unwohl und ich schiebe die Brille noch ein wenig gerader, bevor ich mir mit einer Hand den Schnee vom Mantel klopfe und nicht versuche hinzustarren.

Er hat eine Freundin. Natürlich hat er das.

Meine Wangen werden warm, obwohl mir eiskalt ist, und ich ziehe die Schultern hoch. Es können kaum zehn Sekunden vom Umrennen bis zu Hunters Auftauchen vergangen sein. Dennoch überflutet mich Scham.

»Ein Scheißtourist rennt meine Gracy rum. Ich könnte ihn echt noch mal in den Schnee schubsen«, grummelt Hunter, während er den nun leeren Becher zerknüllt, die Wagentür öffnet und mir stattdessen seinen Becher in die Hand drückt. »Hier, den kannst du haben.«

»Danke.« Ich seufze und schaue auf die Kaffeeflecken im Schnee. Es ist ja nicht so, als hätte ich mich diesem absolut heißen Typen entgegengeworfen. Er hat mich umgerannt und mir wieder hochgeholfen. Es ist nichts passiert.

Tut doch nichts zur Sache, ob er vergeben ist oder nicht.

Meine Wangen werden noch wärmer und ich nicke schnell, während ich mich von Hunter wegdrehe. »Ist noch Schnee auf meinem Mantel?«

Doch Hunter scheint mich nicht zu hören, denn in diesem Moment knallt der Kofferraum des anderen Wagens zu und eine Frau stürmt an uns vorbei. Sie hat einen Erste-Hilfe-Koffer in der Hand und nickt uns knapp und ernst zu, während sie zu Nolan und den beiden Fremden eilt.

Das ist dann wohl Peyton. Unter ihrem dicken Schal, der Mütze und dem Mantel kann ich kaum etwas von ihr erkennen. Dafür sehe ich sehr wohl, dass Hunters Hirnzellen zu kollabieren scheinen. Er starrt Peyton gedankenverloren an, während er auf sie zugeht und ich zu Luft werde. Gut. Das bewahrt mich wenigstens vor peinlichen Fragen.

Ich folge Hunter mit ein wenig Abstand. Der Fremde betrachtet sorgenvoll seine Freundin, die von Peyton gerade versorgt wird. Währenddessen läuft Alfie aufgeregt um Ava herum und stupst sie mit der Schnauze an, als würde er ihre Streicheleinheiten einfordern, sodass Nolan ihn wieder zurückpfeifen muss.

In diesem Moment scheint Hunter sich wieder zu fangen. »Wo sollen wir denn jetzt pennen? Wir waren gerade dabei, Big Sky zu verlassen.«

Nolan schnaubt und tritt neben mich. »Ihr könnt doch bei mir schlafen.«

Hunter sieht aus, als würde er den Vorschlag ernsthaft in Betracht ziehen.

»Moment«, schreite ich ein und hebe die Hände. »Du wohnst doch in einem Einzimmerapartment.« Von den regelmäßigen Videocalls der beiden weiß ich, dass seine Bude ganz nett, aber winzig ist. Ganz sicher werde ich nicht mit zwei Typen dort übernachten.

Nolan grinst ein wenig und nickt.

Meine Augenbrauen heben sich fast bis zum Ansatz meiner Mütze. »Da ist doch nie im Leben genug Platz für uns.«

Er zuckt mit den Schultern. »Die Couch ist recht schmal. Hunter müsste mit dem Boden klarkommen.«

»Auf keinen Fall.« Mein bester Freund stöhnt, als hätte ihn jemand getakelt. Das Geräusch ist so theatralisch, dass ich lächeln muss.

Peyton schließt mit einem lauten Schnappen ihren Koffer und richtet sich wieder auf, während sie in unsere Runde tritt. »Na ja, wenn ihr nicht aus Big Sky rauskommt, kann auch niemand rein. Die Reservierungen für das B&B sind damit hinfällig. Ich renoviere zwar gerade den Großteil der Zimmer, was deutlich länger dauert, als angenommen, aber zwei hätte ich frei. Wenn ihr also wollt …« Ihre Stimme ist freundlich und neutral. Sie macht kaum den Eindruck, als würde sie Hunter besser kennen.

Hunter verspannt sich und mahlt mit dem Kiefer, während er ein leises »Ist das dein Ernst?« herauspresst.

Peyton sieht ihn unbeeindruckt an und reagiert nicht auf seine Worte.

Was auch immer da läuft, ich werde das Angebot definitiv nicht ausschlagen. »Das wäre wirklich nett. Danke.«

Sie lächelt mich an und streicht ihren Pony aus dem Gesicht, zurück unter ihre Mütze. Dann zieht sie den Schal wieder höher, während sich ihre gebräunten Wangen unter dem eisigen Wind röten. »Kein Problem.« Sie hält mir ihre Hand hin. »Ich bin übrigens Peyton Scott.«

Ich erwidere ihren festen Händedruck. »Grace Mathewson.«

Ihr Blick zuckt zwischen Hunter und mir hin und her. »Du bist seine Mitbewohnerin, oder?«

»Genau. Er hat mich mitgenommen, weil er der Meinung ist, dass ich Weihnachten nicht nur mit Arbeiten verbringen darf.« Ich stupse Hunter aus seiner Erstarrung. Er blinzelt, schaut zu mir runter und grinst ein wenig gequält.

»Irgendwer muss dich vor dir selbst beschützen.«

Ich strecke ihm die Zunge heraus und muss lächeln. Hunter ist für mich wie ein großer Bruder und jemanden zu haben, der mich beschützt, und sei es nur vor ein paar einsamen Tagen, fühlt sich gut an. Er ist der erste Mensch in meinem Leben, dem ich wichtig genug dafür bin. Aber das ist etwas, woran ich nicht so gerne einen Gedanken verschwende.

»Ist das okay für dich?« Nolan wendet sich Hunter zu, der noch immer kein Wort gesagt hat und nun den Blick senkt, was bedeutet, dass er sich meiner Entscheidung fügt. »Dann wäre das geklärt.« Nolan schaut in den Himmel. »Wir sollten uns auf den Weg machen. Wenn der Blizzard doch früher losgeht, sollten wir nicht mehr hier draußen sein. «

Peyton wendet sich zu dem Pärchen um. »Kommt ihr mit mir?«

Der Fremde schaut sie an, aber sein Blick zuckt kurz zu mir und ich umfasse Hunters Becher ein wenig fester. Als ich mich umdrehe, höre ich seine tiefe Stimme. »Danke, das möchten wir gerne.«

Ich ignoriere das leise Kribbeln, das sich in mir ausbreitet. Vielleicht brauche ich mal wieder ein Date, um nicht sofort auf den erstbesten Typen abzufahren, der mich über den Haufen rennt.

Hunter wendet sich an Nolan. »Willst du mit uns fahren?«

Doch er schüttelt den Kopf. »Ich muss noch Leroy Bescheid geben und die Umgebung checken. Wir sehen uns morgen.«

»Super.« Ich lächle Nolan breit an, weil ich wirklich froh bin, dass wir nicht schon wieder zurückfahren. Die Begegnung mit Hunters Vater war echt unangenehm, aber das ist kein Grund, unser Weihnachten im Winterwunderland abzusagen. Zumindest können wir so noch ein paar Tage länger bleiben. Ich halte Hunter den Autoschlüssel hin, den ich vor dem Zusammenstoß glücklicherweise in meine Manteltasche geschoben habe. »Lass uns losfahren. Mir ist eiskalt.«

Er schnappt sich den Schlüssel und stimmt mir zu. Die Gruppe setzt sich in Bewegung und verteilt sich auf die Autos. Als ich mich endlich anschnalle, schalte ich auch sofort die Sitzheizung an. »Was für ein Glück, dass Peyton noch Zimmer hat.«

»Ja, was für ein Glück.« Sarkasmus ummantelt Hunters Worte und ich würde gerne wissen, was seine und Peytons Geschichte ist. Ich dachte eigentlich, dass ich so gut wie alles über Hunter weiß, aber von ihr hat er mir nie erzählt. So, wie er meinem Blick ausweicht, hat er es auch jetzt nicht vor und ich war noch nie eine Freundin, die nachbohrt, wenn jemand lieber schweigen will.

»Aber es stimmt. Nolans Bude ist echt nicht für drei Leute ausgelegt. und ehe ich auf dem Boden gepennt hätte, wäre ich mit zu ihm ins Bett gestiegen.« Er meint es völlig ernst und fährt vorsichtig rückwärts, als hinter uns frei ist. Dann dreht er in wenigen Zügen den Wagen, sodass wir Peyton folgen können.

Ich lache, winke Nolan ein letztes Mal zu und kuschle mich in den Sitz, während Feuchtigkeit durch meinen Mantel und den Pullover darunter dringt. Ich werde ihn nicht ausfragen, aber ärgern kann ich ihn auf jeden Fall. »Also, Peyton scheint echt nett zu sein.«

Hunter zuckt gleichmütig mit den Schultern. »Ist sie.«

Ein Grinsen zupft an meinen Mundwinkeln, aber ich belasse es dabei und genieße den Rest des Kaffees. Der Himmel ist klar, rechts und links ragen gezuckerte Bäume in den Himmel und der Schnee türmt sich neben der Straße wie eine Mauer, als wir zurück nach Big Sky fahren.

Der Ort besteht aus einer langen Hauptstraße und diversen Abzweigungen. Und so gut wie jedes Geschäft trägt den Namen Adams. Ich wusste ja, dass Hunters Familie eine große Nummer im Ort ist, aber das Ausmaß ist mir erst vorhin bewusst geworden. Den Adams gehört wirklich alles hier.

Hunter ist immer bodenständig und arbeitet so hart, dass man kaum auf den Gedanken kommt, er sei aus einer derart wohlhabenden Familie. Allein sein Elternhaus ist total überdimensioniert und ein bisschen einschüchternd.

Es ist so anders als die Farm, auf der ich mit meiner Großtante und meinem Großonkel aufgewachsen bin. Sie sind schon alt gewesen, als meine minderjährige Mutter einfach abgehauen ist und mich ohne einen Hinweis auf meinen leiblichen Vater zurückgelassen hat. Meine Großtante rieb mir vor Jahren unter die Nase, dass ich das Ergebnis eines One-Night-Stands meiner Mutter während ihres Besuchs in New York bin. Also ist die Chance, meinen leiblichen Vater zu finden, gleich null.

Als ich nach meinem Highschool-Abschluss und einem Teilstipendium auf die University of Montana in Missoula gegangen bin, kratzte ich all meine angesparten Dollar zusammen und engagierte einen Ermittler, um meine Mutter ausfindig zu machen. Er brauchte nur wenige Tage, weil sie eine relativ bekannte Tänzerin in Las Vegas geworden war.

Mir wird ganz schlecht, als ich daran denke, wie ich sie in jener Burlesque-Show besucht habe. Sie hat mich erst nicht erkannt, und als sie erfuhr, dass ich ihre Tochter bin, reagierte sie mit Entschuldigungen, die ich ihr nicht abkaufen konnte. Ich bin ein Kapitel ihres Lebens, das sie für sich abgeschlossen hat. Das habe ich ihr angesehen, als sie sich während des Gesprächs lieber mit ihrem Spiegelbild und ihrem Lippenstift befasst hat.

Die Erkenntnis tat weh. Auch jetzt noch, während ich durch diese malerische Kleinstadt fahre und Weihnachtsmusik aus Hunters Radio schallt.

Aber es ist leichter, mit diesem Schmerz zu leben, weil ich mich keinen Tagträumen mehr hingeben muss. Meine Mutter will mich nicht. Sie hat neu angefangen und mich vergessen.