Klemm-Flugzeuge I - Paul Zöller - E-Book

Klemm-Flugzeuge I E-Book

Paul Zöller

0,0
22,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kein anderer Name ist mit dem Begriff des Leichtflugzeugbaus so eng verbunden, wie der Name von Hanns Klemm. Schon 1919 entwickelte Hanns Klemm die Idee vom Fliegen für Jedermann. Bis 1924 entstand unter Führung von Hanns Klemm bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft mit der Daimler L20 das erste serientaugliche Leichtflugzeug in Holzbauweise. Das Nachfolgemodell Klemm L25 war ein preisgünstiges und für weite Teile der Bevölkerung erschwingliches Volksflugzeug, das in den 30er Jahren zum meistgeflogenen Sportflugzeug in Deutschland wurde. Eng ist der Name Klemm mit der Stadt Böblingen verbunden, wo Hanns Klemm 1928 sein eigenes Flugzeugwerk errichtete. Mehr als 2000 Klemm-Flugzeuge entstanden in der Zeit von 1928 bis 1943 im Böblinger Klemm-Werk. Unter den Nationalsozialisten verlor Hanns Klemm seine gestalterischen Möglichkeiten im eigenen Betrieb. Aus Protest gegen die Vorgaben des Reichsluftfahrtministeriums trat Hanns Klemm von seinem Posten als Geschäftsführer der Klemm Flugzeugwerke 1943 zurück. Sein Unternehmen wurde beschlagnahmt. Hanns Klemm selbst wurde bis Kriegsende mehrmals von der Gestapo verhaftet. Seinem Sohn Hanns-Jürgen gelang nach dem Krieg eine kurze Wiederbelebung des Klemm-Flugzeugbaus bevor Hanns Klemm 1961 starb.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 425

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



unter Mitwirkung der

AG Böblinger Flughafengeschichten

Wilfried Kapp, Reinhard Knoblich und Hans-Jürgen Sostmann

luftfahrtarchive.bplaced.net

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hanns Klemm

Die frühen Jahre

Der Flugzeugbauer

Der Unternehmer

NS-Zeit

Kriegsjahre

Konflikte mit dem NS-System

Nachkriegszeit

Klemm Unternehmen und Beteiligungen

Daimler Flugzeugbau

Daimler Flugmotoren

Anfänge des Daimler Flugzeugbau (Loutzkoy)

DMG Flugzeugwerk Sindelfingen

Daimler Groß- und Riesenflugzeuge R.I/II und G.I/II

Daimler Lizenzfertigung FdH GII/III

Daimler V8-Motor-Erprobungsträger

Daimler Leichtflugzeugbau

DMG Flugzeugproduktion 1915 - 1925

Klemm Flugzeugbau

Übernahme des Daimler-Flugzeugbaus

Versuchsbau Klemm

Fliegerschule Klemm-Flug

Leichtflugzeugbau Klemm GmbH

Klemm Flugzeugwerk Halle GmbH

Hanns Klemm Flugzeugbau

Hanns Klemm Flugzeugbau, Leichtflugzeugbau Klemm GmbH

Treuhänderbetrieb des RLM

Klemm-Technik GmbH

Vermögensverwaltung Hanns Klemm Flugzeugbau

Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH

Klemm Flugzeuge GmbH

Bekannte Auslieferungen/Fertigstellungen LFK Böblingen 1927-1945

Lizenz- und Auslandsbetriebe

Aeromarine Klemm Corporation

British Klemm Aeroplane Co.

Keane Aircraft Corporation

William Davis Corporation

RLM Lizenzbauten

Bölkow KG / Apparatebau Nabern GmbH

Personen

Karl Schopper

Martin Schrenk

Robert Lusser

Friedrich Fecher

Carl Bucher

Friedrich Wilhelm Siebel

Weitere Personen

Klemm Flugzeuge

Daimler L11

Daimler L14

Daimler L15

Daimler L17

Daimler L18

Daimler L19

Daimler L20

Serienfertigung der Daimler L20

Wettbewerbs- und Rekordflüge der L20

Daimler L21

Klemm L22/Kl22

Klemm L25

Weiterentwicklungen der Klemm L25

Wettbewerbs- und Rekordflüge der L25

Aeromarine-Klemm AKL-25

British Klemm L25C Swallow

Klemm L26

Wettbewerbs- und Rekordflüge der L26

Aeromarine-Klemm AKL-26

Klemm L27 / FL27

Rekordflüge der L27

Aeromarine-Klemm AKL-27

Keane Aircraft / ACE HKL-27

Klemm L28

Klemm Alpha

Klemm L30

Klemm Kl31

Klemm Kl32

Wettbewerbs- und Rekordflüge der Kl32

British Aircraft Manufacturing „Eagle“

Klemm L33 „Volksflugzeug“

Klemm-Aero KA-Versuchsmotor

Klemm E34

Klemm Kl35

Weiterentwicklungen der Klemm Kl35

Klemm Kl35 für zivile Nutzung und Exporte

Klemm Kl35 für Versuchszwecke

Rekord- und Wettbewerbsflüge der Kl35

Hirth Klemm Kl35-D160 / Special

Klemm Kl36

Klemm Kl37 (E.37)

Klemm E63 / E64 Trägerflugzeug

(

Klemm Kl101 – Kl104)

Klemm Kl105

Klemm Kl106 / Kl35C

Klemm Kl107

Bölkow/Klemm Kl107

Bölkow Bo207

Klemm Kl151

Klemm Kl152

Klemm Kl153 „Späher“

Klemm Kl154/155

Technische Daten

Klemm-Motorvarianten

Daimler-Flugzeuge

Klemm Ein- und Zweisitzer-Flugzeuge

Klemm Kabinenflugzeuge

Klemm Patente

Weiterführende Literatur und Internetquellen

Index

VORWORT

Hanns Klemm war nach dem Ersten Weltkrieg einer der geistigen Väter des deutschen Sport- und Reiseflugzeugbaus. Mit einfachen, preiswerten Flugzeugen versuchte er in den 20er Jahren das Fliegen für Jedermann zu ermöglichen. Kaum ein Pilot flog in den 30er Jahren ohne Erfahrungen auf einer der vielen Klemm-Flugzeuge gesammelt zu haben. Heute existieren noch viele Klemm-Flugzeuge, die von ihren Haltern mit Aufwand und Liebe flugfähig erhalten werden. Umso erstaunlicher ist es, dass die Arbeit von Hanns Klemm zwar in einigen frühen Biographien der 30er und 50er Jahre aufgearbeitet wurde, seither allerdings, abgesehen von einigen kleineren Veröffentlichungen, nie gesamtheitlich mit neuen Erkenntnissen aktualisiert wurde.

Während der Autor bei seinen bisherigen Werken die Unterstützung authentischer Zeitzeugen hatte, ist die vorliegende Ausarbeitung in erster Linie anhand der Auswertung und Interpretation vorliegender Zeitdokumente aus den einschlägigen Archiven zustande gekommen. Eine hervorragende Vorarbeit hatte dazu die AG Böblinger Flughafengeschichten um Wilfried Kapp, Reinhard Knoblich und Hans-Jürgen Sostmann geleistet, die seit Jahren Dokumente, Informationen und Bilder über Hanns Klemm der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen und den Autor nachhaltig bei der Erstellung dieses Buchs unterstützt haben. Ohne ihre langjährige Vorarbeit in den örtlichen Archiven, ohne die Aufzeichnung ihrer Gespräche mit Zeitzeugen und ohne ihre laufende Unterstützung dieses Buchprojekts wäre die vorliegende Ausarbeitung so nicht möglich geworden.

Wichtige, zum Teil authentische Einblicke in die Denkweise von Hanns Klemm lieferte die Klemm-Biographie von Peter Supf aus den 50er Jahren. Man mag über den Stil der frühen Autobiographien der 30er und 50er Jahre streiten. Inhaltlich sind diese frühen Werke trotz authentischer Zeitzeugenaussagen durchaus kritisch zu bewerten. In der Erinnerung von Zeitzeugen verschieben sich oft Fakten vor dem Hintergrund der weiteren historischen Entwicklung oder sie sind bei den Zeitzeugen nach Jahrzehnten nur noch unvollständig oder ohne Kontext vorhanden. Dennoch ist die frühe Biographie von Peter Supf eine unverzichtbare, authentische Quelle, die zahlreiche Zeitzeugen-Aussagen für uns erhalten hat.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch Karlheinz Kens. Er hatte über Jahrzehnte zahlreiche originale Klemm-Dokumente gesammelt und für eine Veröffentlichung über Hanns Klemm vorgesehen. Leider kam es hierzu nicht. Allerdings hatte Karlheinz Kens aus seinem Archiv viele Detailinformationen in zahlreichen kleineren Veröffentlichungen bekannt gemacht, die heute viele Lücken in den öffentlich zugänglichen Dokumenten schließen.

Das private Archiv von Hanns Klemm und das Firmenarchiv der Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH gingen bei den Bombenangriffen des Jahres 1943 auf Böblingen weitgehend verloren. Umso bedeutender ist heute die Arbeit der Archive, die Klemm-Dokumente sammeln und der Öffentlichkeit zugänglich machen. An erster Stelle sind hierbei das Stadtarchiv Böblingen, das Haus der Geschichte in Stuttgart und das Mercedes-Benz Classic Archiv zu nennen, die über eine umfangreiche Sammlung von Klemm-Dokumenten verfügen. Weitere Unterlagen des Bundesarchivs in Freiburg, sowie der Airbus Corporate Heritage Organisation in Manching ergänzen die Sammlung der Klemm-Dokumente.

Viele Informationen wurden wieder von den Mitgliedern des Flugzeugforum.de beigesteuert, die mit ihrer luftfahrthistorischen Expertise kaum eine Frage offen lassen. Das Svenskt Flyhistoriskt Forum (SFF) lieferte umfangreiche Informationen zum bedeutenden Einsatz von Klemm-Flugzeugen in Schweden. Unser Dank gilt allen, die uns mit ihrem persönlichen Einsatz und Material unterstützt haben.

Auf Grund des Umfangs des gesammelten Materials haben wir die Veröffentlichung in zwei Bände unterteilt. Der vorliegende erste Band widmet sich Hanns Klemm, seinen Unternehmen und seinen Flugzeugen. Der in Kürze erscheinende zweite Teil stellt Zusatz-Informationen, wie ein Werknummern-Verzeichnis und eine Übersicht der letzten heute noch existierenden Klemm-Flugzeuge vor.

Wir wünschen den Lesern bei der Lektüre viel Vergnügen und nehmen Ihre Kommentare für mögliche Folgeausgaben gerne entgegen.

Krefeld im September 2020,

Paul Zöller

[email protected]

luftfahrtarchive.bplaced.net

HANNS KLEMM

Hanns Klemm gilt weltweit als geistiger Vater des Gedankens des Leichtflugzeugbaus. Fliegen war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs weitgehend einer kleinen, elitären, wohlhabenden Bevölkerungsschicht vorbehalten. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann dann der entwicklungstechnische Wettbewerb um ständig leistungsstärkere Kriegsflugzeuge. Mit Wegfall der Kriegsproduktion moderner Flugzeuge suchten die meisten Hersteller nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach alternativen Einsatzmöglichkeiten für ihre inzwischen leistungsstarken und zuverlässigen Flugzeuge und fanden diese in der kommerziellen Nutzung des Luftverkehrs. Zahlreiche ehemalige Kriegsmaschinen wurden für die Nutzung als Post- und Passagiermaschinen umgerüstet. Auch die meisten neuen Flugzeugentwicklungen zielten in den frühen Nachkriegsjahren auf den kommerziellen Luftverkehr ab.

Ohne selbst Pilot zu dieser Zeit gewesen zu sein, erkannte Hanns Klemm bereits recht früh, dass es neben dieser weit verbreiteten, konventionellen Sicht auf das Flugzeug als Kriegswaffe oder kommerzielles Transportmittel noch einen weiteren Aspekt der Fliegerei gab, nämlich „des Fliegens zum reinen Selbstzweck, etwa um die Schönheit der Erde genießen zu können oder einfach nur aus sportlicher Begeisterung“. Er knüpfte damit an die Motivation der elitären Vorkriegsfliegerei an, erkannte aber gleichzeitig, dass der Reiz der Fliegerei inzwischen breite Gesellschaftsschichten durchdrungen hatte. Die breite Bevölkerungsschicht, der nach dem Ersten Weltkrieg die Mittel zum Erwerb oder Betrieb hochgezüchteter Kriegsmaschinen fehlte, sammelte sich beim aufkommenden Segelflug mit seinen einfachen, meist im Selbstbau hergestellten und ohne größere Betriebskosten betreibbaren Segelflugzeugen. Die Segelflieger mussten sich allerdings auf Grund der Abhängigkeit von Wetterverhältnissen und Infrastruktur in ihrem Aktionsradius deutlich beschränken. Ein Reiseflug über längere Distanz war mit dem Segelflieger nur selten möglich.

Aus dieser Erkenntnis formulierte Hanns Klemm bereits 1919 den Bedarf für ein kleines, leichtes Flugzeug, das mit einem preisgünstigen, schwachen, aber zuverlässigen Motor betrieben werden sollte, um größere Distanzen mit für Jedermann erschwinglichem Fluggerät überbrücken zu können. Einerseits war dies die Geburtsstunde des Leichtflugzeugs. Gleichzeitig schuf Hanns Klemm mit diesem Leichtflugzeug die Voraussetzung für eine komplett neue Art der Fliegerei, die weder an den kommerziellen Belangen der Militär- und Transportfliegerei noch an den örtlich begrenzten, sportlichen Belangen der Segelfliegerei orientiert war. Es war der private Motorreiseflug, den Hanns Klemm 1919 mit seinem Leichtflugzeug für Jedermann eröffnen wollte. Es ist der besondere Verdienst von Hanns Klemm, mit der bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft 1919 entwickelten Daimler L15 das weltweit erste Leichtflugzeug für den privaten Motorreiseflug geschaffen zu haben. Der spätere Erfolg und das hohe Ansehen seiner ersten serientauglichen Leichtflugzeuge Daimler L20 und Klemm L25 unterstrichen Mitte der 20er Jahre die Richtigkeit dieser frühen Überlegungen von Hanns Klemm.

Dabei war es nicht zwangsläufig, dass sich Hanns Klemm mit Fragen des Flugzeugbaus beschäftigte. Klemm hatte sich zunächst für die Laufbahn eines Bauingenieurs qualifiziert. Im Alter von 32 Jahren blickte er bereits auf eine umfangreiche Zahl größerer Bauprojekte zurück, die unter seiner Federführung entstanden waren. Warum er sich 1917 zum Abbruch seiner erfolgreichen Karriere als Bauingenieur entschloss, ist nicht näher dokumentiert. Es finden sich allerdings zahlreiche Hinweise auf die Selbstzweifel, die Hanns Klemm in Anbetracht der Komplexität der Flugzeugkonstruktionen bei seiner beruflichen Neuorientierung beschäftigten. Nur durch Fleiß, Sorgfalt und Beharrlichkeit gelang Hanns Klemm schließlich der Wechsel in eine Technik, die er weder als Anwender noch von seiner Ausbildung her kannte. Umso beachtlicher, vielleicht gerade aber auch nur von einem frischen, unbelasteten beruflichen Quereinsteiger so formulierbar sind 1919 die innovativen Ideen vom Leichtflugzeug und privatem Reiseflug, die Hanns Klemm konsequent in den folgenden fast 25 Jahren verfolgte.

Die frühen Jahre

Karl Wilhelm Hanns Klemm wurde am 4. April 1885 in Stuttgart als Sohn des Küfermeisters und Weinhändlers Karl Klemm und dessen Ehefrau Emma Schäfer geboren. Er wuchs im Haus seiner Eltern mit seinen beiden älteren Schwestern Cläre und Martha Klemm auf.

Hanns Klemm mit Eltern und Schwestern um 1890 (Stadtarchiv Böblingen)

Ab 1891 besuchte er zunächst die Elementarschule in Stuttgart und wechselte 1893 auf die Friedrich Eugen Realschule. Im Alter von 13 Jahren verlor Hanns Klemm 1898 seinen Vater. Mit 18 Jahren absolvierte Hanns Klemm am 24. Juli 1903 seine Abiturprüfungen mit der Gesamtnote „Gut“. Die Familie ermöglichte Hanns Klemm die Aufnahme eines Studiums an der Königlich Technischen Hochschule in Stuttgart, wo Klemm 1903 das Fach Bauingenieurwesen belegte.

Bereits 1904 legte Klemm die Vordiplomprüfung ab. Nach weiteren drei Jahren erwarb Hanns Klemm 1907 den Titel des Regierungsbauführers. Ab 1907 arbeitete Hanns Klemm bei den Württembergischen Staatsbahnen und beschäftige sich im brückenbautechnischen Büro mit Fragen des Beton-Monierbaus. Im Alter von 22 Jahren übernahm Hanns Klemm als Bauleiter die Verantwortung für den Bau von drei Eisenbeton-Talbrücken auf der Strecke von Schorndorf nach Welzheim. Hier entstanden die Brücken bei Igelsbach, Strümpfelbach und das Laufenmühle-Viadukt. Die Strecke wurde im November 1911 eingeweiht.

Hanns Klemm als Student um 1907, Diplomzeugnis 1910 (HdG Stuttgart)

Bereits 1909 kehrte Hanns Klemm an die Hochschule in Stuttgart zurück, um dort sein Studium zum Erwerb des Grades eines Diplom-Ingenieurs fortzusetzen. Dieser Titel wurde Klemm am 14. Juli 1910 verliehen. Er nahm daraufhin eine Assistenzstelle am Lehrstuhl für Brücken-, Tunnel- und Grundbau an und arbeitete gleichzeitig als Bauleiter bei der Niederlassung Stuttgart der Beton- und Monierbau AG. Als zweiter Bauleiter war Klemm bis 1911 für die Eisenbetonarbeiten am neuen Hoftheater in Stuttgart tätig. Im Jahr 1911 legte Klemm die II. Staatsprüfung zum Regierungsbaumeister ab und beendete damit im Alter von 26 Jahren seine Hochschulzeit in Stuttgart. Als Regierungsbaumeister wechselte Klemm 1911 zur Firma C. Baresel in Untertürkheim. Für Baresel war Klemm 1911 am Bau des Indianerstegs, einer Fußgängerbrücke über den Neckar in Tübingen tätig. In Friedrichshafen war Klemm 1912 für den Bau der Uferstraßenanlage verantwortlich. Ebenso war Klemm am Bau einer 2,4 km langen Standseilbahn in Kaiseringen beteiligt, die 1912 zur Versorgung des Truppenübungsplatzes Heuberg angelegt wurde. Als Oberingenieur wechselte Klemm 1913 zur Tiefbau AG Gerber & Söhne in Stuttgart. Klemm war zunächst beim Bau eines Dükers (einer Rohrleitung) am Neckar bei Cannstatt tätig. Bei Rüdesheim war Gerber ab Juni 1913 am Bau der längsten Eisenbahnbrücke Deutschlands, der 1175 Meter langen Hindenburgbrücke an der Rüdesheimer Au über den Rhein beteiligt, die im September 1915 fertiggestellt wurde.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs verließ Hanns Klemm die Firma Gerber und meldete sich als Kriegsfreiwilliger zum Militärdienst. Er rückte beim Dragoner Regiment „König“ Nr. 26 in Cannstatt ein. Im Oktober 1914 kam Klemm mit seiner Einheit zunächst in Belgien und später bei Sennheim und im Priesterwald im Elsass zum Einsatz. Hier erkrankte Hanns Klemm Anfang 1915 an der Ruhr. Der schwere Krankheitsverlauf führte dazu, dass Hanns Klemm im Juni 1915 als Unteroffizier aus dem Militärdienst entlassen wurde. Nach seiner Genesung nahm Hanns Klemm eine Stelle bei der Kaiserlichen Werft in Danzig an, wo er sich erneut mit Stahlbeton- und Stahlhochbau beschäftigte. Als Dirigent der Bauabteilung III war Klemm für Hafenbau, Uferanlagen und Eisenhochbauten in Danzig verantwortlich. Über einzelne Baumaßnahmen Klemms aus dieser Zeit liegen keine Informationen vor.

Im Alter von 32 Jahren heiratete Hanns Klemm 1917 die acht Jahre jüngere Martha Charlotte „Marlott“ Seeger. Charlotte Seeger wurde am 31. August 1893 als Tochter des Druckereibesitzers Gottlob Seeger geboren. Bereits 1918 wurde die gemeinsame Tochter Renate Klemm geboren. Es folgte der einzige Sohn Hanns-Jürgen Klemm, mit dem Hanns Klemm nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiederbelebung des Klemm Flugzeugbaus gelang und Tochter Brigitte Klemm.

Der Flugzeugbauer

Nachdem Hanns Klemm zehn Jahre als Bautechniker tätig war, widmete er sich 1917 im Alter von 32 Jahren einem neuen Tätigkeitsfeld. Klemm bewarb sich im März 1917 auf eine Stellenanzeige der „Luftschiffbau Zeppelin GmbH“ in Friedrichshafen, die einen Statiker und Flugzeugkonstrukteur suchte. Klemm wurde Leiter der Versuchsabteilung beim Luftschiffbau Zeppelin in Seemoos am Bodensee unter Claude Dornier, der bei Zeppelin den Versuchsbau von Flugzeugen in Ganzmetallbauweise betrieb. Bei Zeppelin sammelte Klemm erste Erfahrung in der reinen Metallverwendung als Baustoff und im Flugzeugbau. Die Zusammenarbeit zwischen Klemm und Dornier dauerte nur einige Monate. Bereits im August 1917 verließ Hanns Klemm den Luftschiffbau Zeppelin wieder. Über die Stuttgarter Burschenschaft Ghibellinia, in die Klemm während seines Studiums eingetreten war, lernte Hanns Klemm den ebenfalls zu Ghibellinia gehörigen Ernst Heinkel kennen. Heinkel unterhielt in Briest 1917 ein eigenes Flugzeugwerk unter dem Namen Hansa-Brandenburg Flugzeugwerke. Nachdem Hanns Klemm bei Zeppelin erste Erfahrungen im Flugzeugbau sammelte, schlug ihm Ernst Heinkel den Wechsel zu seinem Werk vor, wo Hanns Klemm ab August 1917 als leitender Statiker die Gemischtbauweise im Flugzeugbau kennenlernte.

Hansa Brandenburg WL29 Konstruktionszeichnung vom April 1918 (Wikimedia, gemeinfrei)

Bei Hansa Brandenburg war Klemm als Statiker an der Entwicklung des See-Tiefdeckers Hansa Brandenburg WL29 beteiligt, der zu den ersten statischen Flugzeugentwürfen von Hanns Klemm zählt. Die WL29 flog erstmals im März 1918 und wurde in 78 Exemplaren bei Hansa-Brandenburg bis Kriegsende gebaut.

Klemms Ehefrau Charlotte zog Anfang 1918 zur Niederkunft ihres ersten Kindes aus der Abgeschiedenheit Briests wieder zu ihren Eltern in Stuttgart, wo Tochter Renate am 31. März 1918 geboren wurde. Aus Stuttgart wirkte Charlotte Klemm auf ihren Ehemann Hanns ein, den Familiensitz wieder vom brandenburgischen Briest nach Stuttgart zu verlagern. Hanns Klemm bewarb sich im Februar 1918 bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) in seiner Heimatstadt Stuttgart, wo die Stelle eines leitenden Konstrukteurs ausgeschrieben war. Nach Abschluss der Arbeiten an der Hansa-Brandenburg WL29 wechselte Hanns Klemm im April 1918 zur DMG in das neu errichtete Zweigwerk in Sindelfingen. Die junge Familie bezog ein von der DMG angemietetes Wohnhaus in der Bahnhofstrasse 38 in Sindelfingen. Bei DMG beschäftigte sich Hanns Klemm gemeinsam mit Karl Schopper mit den 1917 begonnenen Versuchsträgern für neue V8-Motore. Unter Klemm entstand bei DMG das Jagdflugzeug Daimler L11 und der Aufklärer Daimler L14. Die Arbeiten kamen wenige Monate nach dem Einstieg von Hanns Klemm im November 1918 durch das Ende des Weltkriegs vollständig zum Erliegen.

Nach der Einstellung des Flugzeugbaus bei der DMG wurde Hanns Klemm 1920 zum Technischen Direktor des KFZ-Produktionsbetriebs der DMG in Sindelfingen ernannt. Er führte gegen den Widerstand der Belegschaft serienbautaugliche Abläufe in den DMG-Produktionsbetrieb ein und beschäftigte sich mit Stromlinien-Rennfahrzeugen und –Lokomotiven.

Privat beschäftigte sich Hanns Klemm in diesen frühen Nachkriegsjahren mit Überlegungen zur möglichen Zukunft des deutschen Luftfahrzeugbaus. Neben den beiden hauptsächlichen Strömungen des kommerziellen Flugzeugbaus für den Luftverkehr und des preisgünstigen Selbstbaus von Segelflugzeugen für den privaten Flugsport entwickelte Hanns Klemm eine dritte Vision des Fliegens, die neben dem privaten Luftsport auch die private Luftreise mit kleinen, sparsamen und kostengünstigen Leichtflugzeugen für Jedermann ermöglichen sollte. Bereits 1919 entwarf Hanns Klemm zu diesem Zweck ein Musterflugzeug, das er in den früheren DMG-Flugzeugwerkstätten unter der Bezeichnung Daimler L15 bauen ließ. Auf Grund der alliierten Beschränkungen des deutschen Flugzeugbaus untersagte die Direktion der DMG jedoch Hanns Klemm 1919 jegliche weitere Beschäftigung mit flugzeugtechnischen Fragestellungen im Rahmen der DMG. Erst nach Lockerung der alliierten Beschränkungen gelang es Klemm 1922 mit einer Denkschrift an die DMG-Direktion, diese von einer Wiederaufnahme des Flugzeugbaus und seiner Idee eines Leichtflugzeugs zu überzeugen.

Gemeinsam mit Martin Schrenk entwickelte Hanns Klemm ab 1922 bei der DMG die 1919 begonnene Daimler L15 zur weltweit ersten brauchbaren Leichtflugzeugkonstruktion weiter. Bis 1924 entstand hieraus das erste serientaugliche Leichtflugzeug Daimler L20, mit dem Schrenk und Klemm beachtliche Erfolge beim Deutschen Rundflug 1925 erzielten und damit das öffentliche Interesse an Leichtflugzeugkonstruktionen nachhaltig weckten. Zu einem Serienbau dieses Flugzeugs bei der DMG kam es allerdings auf Grund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach der Hyperinflation von 1923/24 nicht mehr. Nach dem Zusammenschluss mit dem Konkurrenten Benz & Cie traf die Direktion der neu geformten Daimler-Benz A.G. Anfang 1926 die Entscheidung zur Einstellung des Flugzeugbaus. Hanns Klemm übernahm daraufhin wieder die Leitung des Karosseriebaus in Sindelfingen.

Der Unternehmer

Hanns Klemm bemühte sich 1926 um die Rettung des ehemaligen DMG-Flugzeugbaus und seiner Idee vom Leichtflugzeug für Jedermann. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten, wie etwa der Aufbau einer Flugzeugbau-Abteilung beim Automobilhersteller Horch, verwarf Hanns Klemm auf Drängen seiner Ehefrau Charlotte. Schließlich erwarb Hanns Klemm mit der Unterstützung von Freunden und Familie 1926 die ehemalige DMG-Flugzeugbauabteilung von der Daimler-Benz A.G. und gründete im Alter von 41 Jahren am 15. Dezember 1926 sein eigenes Flugzeugwerk unter dem Namen „Leichtflugzeugbau Klemm“ in Sindelfingen.

Das neue Unternehmen nahm 1927 zunächst im ehemaligen DMG-Flugzeugwerk in Sindelfingen, später dann in eigenen Räumlichkeiten in Böblingen die Serienfertigung von Leichtflugzeugen auf. Gemeinsam mit dem jungen Elektro-Ingenieur Robert Lusser entwickelte Hanns Klemm ab 1927 bei der „Leichtflugzeugbau Klemm GmbH“ eine Palette von Leichtflugzeugen. Die aus der Daimler L20 weiterentwickelte Klemm L25 repräsentierte dabei das einfache, kostengünstige Einstiegsflugzeug für Jedermann im Sinne von Hanns Klemm. Der erfolgreiche Wettbewerbsflieger Robert Lusser leitete aus diesem Einstiegsmuster eine Reihe leistungsstärkerer Varianten ab, die die Wettbewerbsfähigkeit der Leichtflugzeuge verbesserte. Bis 1932 entwickelten Klemm und Lusser eine Vielzahl von Leichtflugzeugkonstruktionen, die das gesamte Spektrum der offenen Zweisitzer vom unteren Einstiegssegment der Segelflugzeuge mit Hilfsmotor bis zur gehobenen Klasse der leistungsstarken Wettbewerbsflugzeuge abdeckte. Ab 1931 ergänzten Klemm und Lusser diese Palette der offenen Zweisitzer mit den neu aufkommenden ersten Kabinenreiseflugzeugen in Gemischtbauweise.

Nachdem sich Hanns Klemm seit mehr als 10 Jahren mit der Konstruktion von Flugzeugen beschäftigt hatte, nahm er im Sommer 1927 an einem der ersten Fliegerlehrgänge der Werksfliegerschule der Klemm-Werke unter Hermann Weller teil. Hanns Klemm erwarb am 4. August 1927 den Flugzeugführerschein A1837 der Klasse A. Der Schein berechtigte Hanns Klemm allerdings ausschließlich zur Führung von Flugzeugen des Typs Daimler L20, auf dem er seine Flugstunden absolviert hatte. Im Oktober 1929 erhielt Hanns Klemm die Sport Lizenz Nr. 191 der FAI, die ihn zur Teilnahme an internationalen Wettbewerben berechtigte.

Formal überließ Hanns Klemm sein Unternehmen der Führung von Robert Lusser und seinem Prokuristen Christof Schwegler. Klemm selbst blieb 1927 weiterhin als Direktor des Karosseriewerks in Sindelfingen bei der Daimler-Benz A.G. tätig.

Erst im Rahmen einer Vorstandssitzung am 28. Dezember 1927 stellte Hanns Klemm seinen Direktoren-Posten zum 1. Januar 1928 zur Verfügung. Als Anerkennung für seine 10-jährige Leistung übertrug die Daimler-Benz A.G. die angemietete Villa in der Bahnhofstraße 38 in Sindelfingen an Hanns Klemm.

Nach der Verlegung des Firmensitzes von Sindelfingen nach Böblingen verlagerte Hanns Klemm 1928 auch seinen privaten Lebensmittelpunkt nach Böblingen. Nach dem Verkauf der ehemaligen Daimler-Villa in der Sindelfinger Bahnhofstraße 38 erwarb Hanns Klemm in Böblingen eine Villa in der Waldburgstraße 29.

Rechts: Klemm-Villa in der Waldburgstr. 29, Böblingen um 1938 (Stadtarchiv Böblingen)

Auf dem Grundstück entstand eine Versuchswerkstatt, in der sich Hanns Klemm mit wissenschaftlichen Fragen der Flugzeugentwicklung beschäftigte, die im kommerziellen Rahmen seines Flugzeugwerks nicht abgewickelt werden konnten, wie etwa Mitte der 30er Jahre die Entwicklung des Teilschalenbaus oder der Klemm-Leime. Hier entstanden aber auch Versuchsflugzeuge, wie die Klemm Kl22, mit denen Hanns Klemm die Leistungsfähigkeit der Leichtflugzeugbau-Konstruktion auf eigenes Risiko zu verbessern versuchte.

Fünf Jahre nach Gründung der „Leichtflugzeugbau Klemm GmbH“ verließ Robert Lusser den Betrieb. Ihm folgte 1933 Friedrich Fecher als neuer Chefkonstrukteur. Mit Fecher modernisierte Hanns Klemm in den Jahren 1932-1935 seinen erfolgreichen Entwurf des offenen Leichtflugzeug-Zweisitzers.

NS-Zeit

Dem in den 30er Jahren aufkommendem Nationalsozialismus dürfte der christlich orientierte Hanns Klemm eher skeptisch gegenüber gestanden haben. Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 und ihren Folgen versprachen die Nationalsozialisten aber Impulse für einen wirtschaftlichen Aufschwung, dem sich die Unternehmer in Deutschland nur selten widersetzten. Auch Hanns Klemm trat nach der Machtergreifung in die NSDAP ein. Über das Berliner Verkaufsbüro von Friedrich Siebel verfügte der Klemm-Betrieb über hervorragende Kontakte bis in die Spitzen des neu gegründeten Reichsluftfahrtministeriums (RLM). Siebels Partner Paul Körner war ein direkter Vertrauter von Hermann Göring. Hanns Klemm hatte gute Beziehungen zu Ernst Udet, der 1933 zunächst zum Vizekommodore des Deutschen Luftsportverbands ernannt wurde und ab 1939 Chef des Technischen Amtes im RLM wurde. Hanns Klemm war mit den neuen Machthabern in Berlin also gut vernetzt, wenngleich Göring Klemmflugzeuge abfällig als „Pappkisten“ bezeichnete, die in seiner Luftwaffe keine Verwendung finden sollten.

Der erhoffte Aufschwung machte sich nach der Machtergreifung auch für Hanns Klemm bemerkbar. Rasch zentralisierten die Nationalsozialisten die gesamte Fliegerei in Deutschland über das neu gegründete Reichsluftfahrtministerium (RLM). Flugsportvereinigungen und Flugschulen, die bisher zu den Hauptkunden der „Leichtflugzeugbau Klemm GmbH“ gehörten, wurden bereits 1934 in Großorganisationen, wie dem Deutschen Luftsport Verband (DLV) zusammengefasst.

Die Beschaffung von Flugzeugen erfolgte ab 1934 nicht mehr durch einzelne örtliche Gruppierungen, sondern wurde in Großbestellungen zentral durch das RLM veranlasst. Infolge dieser Großbestellungen verdoppelte sich die Zahl der verkauften Klemm-Flugzeuge 1934 auf 200 Flugzeuge.

Bereits 1934 sah sich Hanns Klemm aber auch der massiven Einflussnahme des RLM auf sein Unternehmen ausgesetzt, als man ihm Mittel für den Ausbau seines Werks in Böblingen verweigerte und ihn auf Grund der grenznahen Lage Böblingens zur Betriebsverlagerung nach Mitteldeutschland aufforderte. Die Schließung seines Böblinger Werks konnte Hanns Klemm nur mit der Unterstützung seines Partners Friedrich Siebel und der Rückendeckung von Ernst Udet verhindern. Den angeordneten Aufbau des Zweigwerks in Halle überließ Hanns Klemm seinem Partner Friedrich Siebel, der das Werk später von Klemm übernahm.

Klemms Grundphilosophie vom „Fliegen für Jedermann“ aus dem Jahr 1919 schien anfänglich auch von den neuen Machthabern verfolgt zu werden. Hermann Göring forderte, dass „das deutsche Volk ein Volk von Fliegern werden muss“. Hanns Klemm wollte dies mit einem „Volksflugzeug“ erreichen, dass preiswert und betriebsgünstig von weiten Teilen der deutschen Bevölkerung ähnlich einem PKW betrieben werden konnte. Die Nationalsozialisten verfolgten einen anderen Ansatz. Sie wollten große Teile der Bevölkerung für das Fliegen begeistern, indem sie ihnen an jedem Ort in Deutschland den einfachen Zugang zu Ausbildungsstellen und Flugzeugen ermöglichen wollten. Die „Leichtflugzeugbau Klemm GmbH“ profitierte hiervon, da das RLM überwiegend die einfach zu fliegenden und betrieblich preisgünstigen Klemm L25 für die Ausstattung der Ortsgruppen des Deutschen Luftsportverbands beschaffte. Mit der wachsenden Verfügbarkeit von Flugzeugen an praktisch allen Orten in Deutschland, erübrigte sich aber das eigene, preisgünstige, private Klemm-„Volksflugzeug“ in der privaten Heimgarage.

Die weitere Entwicklung des preisgünstigen, privaten Volksflugzeugs gab Hanns Klemm Mitte der 30er Jahre endgültig auf. Mit der Klemm L33 endete 1934 die 1919 mit der Klemm L15 begonnene Entwicklung des preiswerten Leichtflugzeugs bei Klemm.

Trotz des zunehmenden Verlusts an unternehmerischer Freiheit arrangierte sich Hanns Klemm Mitte der 30er Jahre weiterhin mit dem System. Da die gestalterische Rolle der Hersteller- und Entwicklungsbetriebe durch das RLM Mitte der 30er Jahre in erster Linie auf die Verbesserung der Produktionsabläufe und des Produktionsaufwand beschränkt war, beschäftigte sich Hanns Klemm in seinem privaten Versuchsbau mit neuen Konstruktionsformen für den Leichtflugzeugbau. Er entwickelte ab 1934 die Halb- und Teilschalenbauweise, bei der Teilschalen aus Spanten, Gurten und Holzpaneele durch eine neue Klebetechnik fest miteinander verklebt wurden. Das entstehende Bauteil wurde anschließend einer Druck- und Temperaturbehandlung unterzogen, die das Bauteil einerseits sehr leicht, andererseits aber auch sehr fest machten. Neben deutlich leichteren Baugruppen versprach sich Hanns Klemm auch für den Produktionsbetrieb aus der Teilschalenbauweise einen deutlich reduzierten Produktionsaufwand.

Promotionsfeier von Hanns Klemm in der Alten Post in Stuttgart 1937 (Seeger)

Ein umfangreiches Teilthema dieser Arbeiten war die Verleimung der Bauteile und die Zusammensetzung der Bauleime, nachdem sich die verfügbaren Leime Mitte der 30er Jahre für Klemms Zwecke als ungeeignet erwiesen hatten. Klemm experimentierte in seiner Versuchswerkstatt mit Kaltkunstharzleimen. Nach fast dreijähriger Forschungsarbeit fasste Hanns Klemm 1937 die Ergebnisse seiner Leimuntersuchungen in einer Dissertation unter dem Titel „Neue Leimuntersuchung mit besonderer Berücksichtigung der Kaltkunstharzleime“ zusammen. Am 15. Dezember 1937 legte Hanns Klemm im Alter von 52 Jahren an der TH Stuttgart erfolgreich die Doktor-Prüfung zu seiner Arbeit ab.

Inzwischen waren wesentliche Teile des Böblinger Klemmwerks auf Anweisung des RLM in das Zweigwerk nach Halle verlagert worden. Hierzu gehörte auch die Konstruktionsabteilung von Friedrich Fecher, die Anfang 1936 nach Halle übersiedelte. In Böblingen war lediglich ein kleiner Rest von 25 Mitarbeitern verblieben, die in erster Linie zur Unterstützung der Serienfertigung für die Klemm Kl35 eingesetzt wurden. Leiter dieses kleinen Konstruktionsteam wurde 1936 Carl Bucher, mit dem Hanns Klemm in den nächsten Jahren seine Überlegungen zum Teilschalenbau in die Praxis umsetzte. Seine Anteile am Zweigwerk Halle verkaufte Hanns Klemm 1937 an Friederich Siebel. Mit Mitteln aus dem Verkauf seiner Anteile und ersten Einnahmen in Höhe von 150.000 Mark aus einer Nutzung seiner Leimpatente durch die I.G. Farben in Uerdingen zahlte Hanns Klemm die Gesellschafter der „Leichtflugzeugbau Klemm GmbH“ aus und wurde 1938 zum Alleineigentümer des Flugzeugwerks.

Kriegsjahre

Seit 1935 zeichnete die NSDAP die Leiter rüstungswichtiger Betriebe mit dem sogenannten Ehrentitel „Wehrwirtschaftsführer“ aus. Als Wehrwirtschaftsführer wurde ihnen gleichzeitig ein Offiziersrang der Wehrmacht verliehen, mit dem die Leitung der Rüstungsbetriebe enger an die Wehrmacht gebunden wurde, um künftig ggf. auch Weisungen von dort zu übernehmen. In seinem Unternehmen konnte der Wehrwirtschaftsführer bei Bedarf auch Sondermaßnahmen außerhalb gültiger arbeitsrechtlicher Bestimmungen umsetzen. Während in den ersten Jahren fast ausschließlich die Führer großer deutscher Wirtschaftskonzerne mit dem Titel ausgezeichnet wurden, erhielten im Vorfeld des sich abzeichnenden Zweiten Weltkriegs auch Führer kleinerer kriegswichtiger Betriebe diese Auszeichnung. Insgesamt 400 Wehrwirtschaftsführer wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ernannt. Hanns Klemm wurde am 20. April 1939 zum Wehrwirtschaftsführer bei der Leichtflugzeugbau Klemm GmbH ernannt.

Spätestens bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war Hanns Klemm als Wehrwirtschaftsführer nur noch für die Bereitstellung eines funktionstüchtigen Produktionsbetriebs verantwortlich. Die Entscheidung über die Programm-Einlastung bei Klemm wurde ausschließlich im RLM getroffen. Auch auf die Entscheidung zur Einstellung des letzten in Serie gebauten Klemm-Flugzeug Kl35 hatte Hanns Klemm keinerlei Einfluss. Als Wehrwirtschaftsführer hatte er diesen Beschluss des RLM allerdings umzusetzen und den bisherigen Flugzeug-Herstellungsbetrieb mit eigener Musterpalette auf einen reinen Baugruppen-Zulieferbetrieb für andere Hersteller umzustellen. Noch am 28. August 1940 wurde Hanns Klemm das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse verliehen.

Konflikte mit dem NS-System

Nach dem Selbstmord von Ernst Udet im November 1941 verlor Hanns Klemm auch die Unterstützung des RLM für seine Flugzeugentwicklungen. Die Klemm Kl151 war die letzte Flugzeugentwicklung, die Hanns Klemm mit Carl Bucher bis 1943 fertigstellte. Weitere Entwicklungsaufträge des RLM wurden an Hanns Klemm nicht mehr vergeben. Nach dem Flugzeugserienbau wurde damit auch der Entwicklungsbetrieb bei Klemm eingestellt. Anfang 1943 bestand der ehemalige, weltweit bekannteste Entwicklungs- und Herstellerbetrieb für Leichtflugzeuge von Hanns Klemm lediglich noch aus einem Instandsetzungs- und Zulieferbetrieb für Flugzeugbaugruppen anderer Hersteller.

Anfang 1943 forderte das RLM die Umstellung der auf Holzbauweise spezialisierten Produktion bei Klemm auf reine Ganzmetallverarbeitung. Gleichzeitig sollte die Produktion des raketengetriebenen Abfangjägers Messerschmitt Me163 in Böblingen vorbereitet werden. Hanns Klemm intervenierte gegen diese Entscheidung bei den Spitzen des RLM mit dem Hinweis auf die geringe Metallbauerfahrung in seinem auf einfache Leichtflugzeugbauweise spezialisierten Betrieb.

Nachdem seine Bemühungen erfolglos blieben und er selbst nun von einer Absetzung als Geschäftsführer durch das RLM bedroht war, trat Hanns Klemm am 23. Mai 1943 seinerseits aus Protest von seinen Ämtern als Geschäftsführer der „Hanns Klemm Flugzeugbau“ zurück. Der tiefe Riss zwischen Hanns Klemm und den ihm ohnehin fernstehenden Nationalsozialisten zeigte sich drei Tage später am 26. Mai 1943 mit seinem Austritt aus der NSDAP. Die Belastungen des Jahres 1943 scheinen Hanns Klemm psychisch und physisch stark belastet zu haben, wie er in einem Schreiben an die Witwe seines früheren Prokuristen Christof Schwegler Anfang 1944 erwähnt. Einen weiteren, schweren Rückschlag erlitt Hanns Klemm während der Bombardierung Böblingens in der Nacht vom 7./8. Oktober 1943. Brandbomben setzten den privaten Versuchsbau von Hanns Klemm in der Waldburgstraße in Brand, der bis auf die Grundmauern einschließlich sämtlicher Unterlagen abbrannte. Auch das Patentbüro der Klemm-Technik GmbH mit allen wichtigen Patentunterlagen wurde in der Nacht durch Sprengbomben zerstört.

Hanns Klemm bemühte sich in der Folgezeit darum, seinen Einfluss auf die Gestaltung der „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ über seine Rolle als alleiniger Gesellschafter auszuüben. Sein früherer Prokurist und Interimsgeschäftsführer Direktor Thoma gab noch 1943 die Geschäftsführung der „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ an den vom RLM eingesetzten Direktor Wenz ab. Hanns Klemm hatte für den Fall seiner eigenen Verhaftung die LFK inzwischen formal auf seine Ehefrau Charlotte übertragen. Im April 1944 eskalierte die Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern Klemm und der Geschäftsführung des Werks. Hanns Klemm sprach daraufhin als Gesellschafter der „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ eine fristlose Kündigung gegen die vom RLM eingesetzte Geschäftsführung unter Direktor Wenz aus. Wenz erstattete im Gegenzug eine Anzeige bei der Gestapo, nach der Hanns Klemm und seine Ehefrau Sabotage am eigenen Unternehmen betreibe. Hanns Klemm und seine Frau Charlotte wurden daraufhin von der Gestapo verhaftetet und ins Gestapo-Hauptquartier „Hotel Silber“ in Stuttgart eingeliefert.

Persönliche Anmerkungen von Hanns Klemm zu den Ereignissen des Jahres 1943:

(datiert vom 3. Januar 1944 in einem Neujahrsgrußschreiben an die Witwe des früheren Klemm-Prokuristen Christof Schwegler)

Sehr geehrte, liebe Frau Schwegler!

….

Seit meinem körperlichen und Gemütszusammenbruch im Mai vergangenen Jahres und meines dadurch bewirkten Rücktritts von der Leitung meines Lebenswerks, der LFK, habe ich recht Schweres durchmachen und an Gemeinheit und Niedertracht selbst von Solchen, von denen ich dies nie für möglich gehalten hätte, erfahren müssen, wie es mir zu tragen fast und oft unmöglich schien.

Dazu kam dann die Schreckensnacht vom 7./8. Oktober, die auch mir materiell und ideell schwer zusetzte: Meine auf meinem Waldburganwesen in Nachbarschaft unseres Hauses stehende Versuchsanstalt ist mit Allem, was an technischen Entwicklungen, auch Maschinen und Modellen drin war, bis auf den Erdboden niedergebrannt …. In der „Zuckerfabrik“ sind meine sämtlichen Entwicklungsflugzeuge, von der L15 an verbrannt und in der Stuttgarter Strasse ist wertvollstes Material meiner Firma Klemm-Technik den Sprengbomben zum Opfer gefallen.

….

Viel ärger war die Auswirkung dieses ganzen Tragischen auf meinen seelischen und dadurch auch körperlichen Zustand, der sich nun ganz langsam wieder zu bessern beginnt; aber - - - meine ganze Lebensarbeit ist durch die Ereignisse des letzten Jahrs und besonders dann noch der Schreckensnacht ideell völlig zusammengeschlagen ….

Am 24. April 1944 wurde Hanns Klemm von der Gestapo an die Irrenabteilung des Stuttgarter Bürgerhospitals zur Feststellung seines Geisteszustands überführt. Der behandelnde Arzt Prof. Gaupp konnte keine Beeinträchtigung des Geisteszustands von Hanns Klemm feststellen und entließ ihn Ende Mai 1944.

Inzwischen hatte das Industriewirtschaftsamt im RLM die „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ beschlagnahmt und unter Treuhänderverwaltung gestellt. Den Gesellschaftern wurde jegliche Einflussnahme während der Treuhänderschaft untersagt. Nach dem Krieg wurde die Treuhänderschaft des RLM durch einen Treuhänder der alliierten Militärverwaltung ersetzt. Hanns Klemm erhielt die Kontrolle über sein Werk nicht mehr zurück. Am 19. Januar 1945 wurde Klemm aus dem Kreis der Wehrwirtschaftsführer ausgeschlossen.

Hanns Klemm im Juli 1945

Anfang März 1945 erhielt Hanns Klemm die Aufforderung, seine Diensttauglichkeit für den Volkssturm bei einem Arzt in Böblingen untersuchen zu lassen. Laut Aussagen des Arztes soll Hanns Klemm sich im Verlauf der Untersuchung mehrfach „defätistisch“ zur Kriegslage geäußert haben. Unter anderem habe Klemm das Hissen einer weißen Fahne mit rotem Kreuz über der Praxis empfohlen. Der Arzt zeigte Hanns Klemm daraufhin bei der Parteileitung der NSDAP an, die Hanns Klemm wenige Tage später über die Gestapo verhaften ließ. Klemm wurde erneut in das Gestapogefängnis „Hotel Silber“ in Stuttgart eingeliefert. In einer Sammelzelle wartete Hanns Klemm fast einen Monat auf die Eröffnung eines Standgerichtsverfahrens wegen Wehrkraftzersetzung. Kurz vor Eintreffen der französischen Truppen verließ die Gestapo am 19. April 1945 Stuttgart. Die Gefangenen ließ man in den Zellen unbehelligt zurück. Sie wurden in den Abendstunden vom verbliebenen Wachpersonal freigelassen. Hanns Klemm kehrte einen Monat nach seiner Verhaftung am 20. April 1945 aus der Gestapohaft nach Böblingen zurück. Zwei Tage später, am Vormittag des 22. April 1945 wurde Böblingen von französisch-marokkanischen Verbänden besetzt. Zwar begannen die Franzosen im Böblinger Klemm-Werk umgehend mit der Demontage und dem Abtransport brauchbarer Werkseinrichtungen. Hanns Klemm und seine Familie blieben in den zwei Monaten französischer Besatzung allerdings in ihrer Villa an der Waldburgstraße 29 weitgehend unbehelligt. Allerdings entstand im Kellergeschoß des Gebäudes in der Nacht nach der Besetzung durch die Franzosen aus ungeklärter Ursache ein Brand. Dabei wurde nicht nur wertvoller Familienbesitz zerstört, der hier zur Sicherung gegen Luftangriffe eingelagert war, sondern auch die letzten aus der Versuchsanstalt und dem Patentbüro nach den Bombenangriffen vom Oktober 1943 geretteten Unterlagen von Hanns Klemm. Am 7. Juli 1945 räumten die französischen Truppen Böblingen und übergaben die Stadt vereinbarungsgemäß an die amerikanische Militärverwaltung. Die amerikanischen Militärbehörden wiesen Hanns Klemm umgehend zur Räumung seiner Villa an der Waldburgstraße 29 an. Hanns Klemm verließ mit seiner Familie Böblingen und übersiedelte ins bayrische Fischbachau, wo er bereits vor Jahren den „Bichlerhof“ als Familienurlaubssitz erworben hatte.

Nachkriegszeit

Als Eigentümer eines größeren deutschen Luftfahrtunternehmens, dass während des Krieges in die deutsche Rüstungsindustrie eingebunden war und als ehemaliger Wehrwirtschaftsführer stand Hanns Klemm ab Mai 1945 im Fokus der Entnazifizierungsbehörden. Im Oktober 1945 erhielt Hanns Klemm durch den Chef der Deutschen Polizei ein Ausweisdokument, dass ihn als politischen Insassen einer Strafanstalt während der NS-Zeit auswies. Nach Erlass des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 wurde auch gegen Hanns Klemm ein gerichtliches Verfahren eröffnet. Erst zwei Jahre später wurde das Verfahren unter dem vorsitzenden Richter Max Wahrmann am 11. August 1948 mit einem Freispruch für Hanns Klemm abgeschlossen. Für den Rechtsstreit um sein beschlagnahmtes Flugzeugwerk gründete Hanns Klemm die „Vermögensverwaltung Hanns Klemm Flugzeugbau“. Die Auflösung und Beseitigung seines Unternehmens durch den eingesetzten Treuhänder konnte Hanns Klemm nicht verhindern. Die „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ wurde 23 Jahre nach ihrer Gründung 1949 durch den Treuhänder aufgelöst.

Um 1948/49 erhielt Hanns Klemm das Angebot für eine Professur an der Forschungsanstalt für Luftfahrt im südafrikanischen Johannesburg. Hanns Klemm blieb in Deutschland und arbeitete bis weit in die 50er Jahre hinein an der Verbesserung seiner Leimpatente, aus denen er seinen Lebensunterhalt bestritt. Als sich 1952 ehemalige leitende Angestellte der Klemmwerke mit Hanns Klemm und seinem Sohn Hanns-Jürgen Klemm trafen, war der Gesundheitszustand von Hanns Klemm bereits so angegriffen, dass er den Belastungen einer erneuten Firmengründung nicht mehr gewachsen war. Sein Sohn Hanns-Jürgen Klemm übernahm die Aufgabe der beabsichtigten Neugründung des Werks.

Am 4. April 1955 feierte Hanns Klemm seinen 70. Geburtstag im Beisein zahlreicher prominenter Gäste aus der deutschen und internationalen Fliegerszene.

70. Geburtstag: Hanns Klemm 1955 mit Liesel Bach und Ehefrau Marlott (Stadtarchiv Böblingen)

Der Gemeinderat der Stadt Böblingen lud aus diesem Anlass zu einer festlichen Sitzung des Rats ein, an der auch die Gäste von Hanns Klemm teilnahmen. Im Rahmen dieser Sitzung wurde Hanns Klemm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Böblingen verliehen. Damit sollten die Verdienste von Hanns Klemm um den deutschen und internationalen Luftsport, sowie die weltweite Verbreitung des Namens der Stadt Böblingen durch den Klemm-Flugzeugbau gewürdigt werden. In seiner Laudatio hob der Böblinger Bürgermeister Brumme das Lebenswerk von Hanns Klemm hervor und betonte: „Ihr Lebensziel, ein Flugzeug für Jedermann, ein Volksflugzeug zu schaffen, haben Sie erreicht und damit sind Sie in die Fliegergeschichte eingegangen“. Seit 1982 ehrt die Stadt Böblingen Hanns Klemm mit einer Gedenkecke im Rathaus der Stadt. Das dort ausgestellte 1:25 Modell einer Klemm L25 entstand 1935 in der Lehrwerkstatt der Klemm-Werke. Eine Bronzebüste von Hanns Klemm wurde in den 30er Jahren von Prof. Stocker entworfen. Sie ist ebenfalls Gegenstand der Klemm-Ausstellung im Rathaus der Stadt Böblingen.

Hanns Klemm war noch bis 1957 beruflich an der Weiterentwicklung seiner Patente bei der „Klemm-Technik GmbH“ tätig. Er zog sich 1958 im Alter von 73 Jahren endgültig aus dem Berufsleben zurück. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er auf dem Bichlerhof in Fischbachau. Die Bundesrepublik Deutschland würdigte Hanns Klemm aus Anlass seines 75. Geburtstags am 22. April 1960 mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die Verleihung erfolgte durch den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger in Stuttgart. Der Gesundheitszustand von Hanns Klemm ermöglichte es ihm nicht mehr, selbst an der Verleihung teilzunehmen. Sein Sohn Hanns-Jürgen Klemm nahm die Ehrung entgegen. Ebenfalls aus Anlass des 75. Geburtstags von Hanns Klemm übergab der schwedische Flieger Sölve Skerving Wester am 4. April 1960 seine Klemm L25, WNr. 980, SE-ANF an das Deutsche Museum in München. Dieses Flugzeug war 1935 als D-EDMU für die „Leichtflugzeugbau Klemm GmbH“ zugelassen worden und wurde 1944 als Schulflugzeug nach Schweden verkauft. Sie ist heute Teil der Ausstellung auf der Museumsinsel in München und wird in ihrem originalen Erscheinungsbild des Jahres 1935 als D-EDMU präsentiert.

75. Geburtstag, Hanns Klemm 1960 mit Gratulant Wester und Sohn Hanns-Jürgen (StA Böblingen)

Hanns Klemm verstarb am 30. April 1961 im Alter von 76 Jahren auf dem Bichlerhof in Fischbachau. Er wurde auf dem Friedhof der Gemeinde beerdigt.

KLEMM UNTERNEHMEN UND BETEILIGUNGEN

Sein erstes eigenes Unternehmen gründete Hanns Klemm im Dezember 1926 mit der „Leichtflugzeugbau Klemm“. Dieses Unternehmen entstand aus der Flugzeugbauabteilung der Daimler-Motoren-Gesellschaft, deren Anfänge bis in das Jahr 1909 zurückreichen. Hanns Klemm hatte 1918 die Leitung der Entwicklungsabteilung des Daimler-Flugzeugbaus übernommen und entwickelte hier nach Ende des Ersten Weltkriegs seine ersten Versuchs-Leichtflugzeuge. Nach der Fusion von Daimler und Benz wurde der Daimler-Flugzeugbau geschlossen. Hanns Klemm erwarb daraufhin die ehemalige Daimler Flugzeugbau-Abteilung von Daimler-Benz und führte diese in eigener Regie fort.

Die „Leichtflugzeugbau Klemm“ blieb fast 20 Jahre das Kernunternehmen von Hanns Klemm. Mehrfach änderte sich die Geschäftsform des Unternehmens, das Hanns Klemm ab 1938 als Alleingesellschafter unter dem Namen „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ weiterbetrieb. Mit der Beschlagnahmung des Werks durch das RLM 1944, verlor Hanns Klemm sämtlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Unternehmens. Es geriet nach dem Krieg unter alliierte Treuhänderschaft und wurde schließlich 1949 aufgelöst.

Hanns Klemms Sohn Hanns-Jürgen unternahm in den 50er Jahren die Neugründung des Werks unter der namensgleichen Bezeichnung „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“, die ab 1955 den Serienbau der Klemm Kl107 vorbereitete. Diesen übernahm später die Bölkow KG. Die „Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH“ wurde Ende der 50er Jahre mit dem Rückzug von Hanns Jürgen Klemm aufgelöst.

Die private Versuchswerkstatt richtete Klemm 1926 für seine eigenen Forschungsarbeiten ein. Hier entstanden Versuchsflugzeuge, aber ebenso auch neue Konstruktionsverfahren wie die Klemm-Teilschalenbauweise oder Versuchsreihen zu den Klemm-Leimen, über die Hanns Klemm 1937 an der TH Stuttgart promovierte. Die „Klemm-Technik GmbH“ gründete Hanns Klemm 1941 und überführte seine gesamten Patentrechte aus dem Versuchsbau in dieses Unternehmen. In der „Klemm-Technik GmbH“ setzte Klemm bis weit in die 50er Jahre seine wissenschaftlichen Arbeiten fort.

Daimler Flugzeugbau

Die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) wurde im November 1890 von Gottlieb Daimler gemeinsam mit Max von Duttenhofer und Wilhelm Lorenz in Cannstatt gegründet. Daimler beabsichtigte im Rahmen der DMG den Aufbau einer Fahrzeugproduktion mit Verbrennermotoren, die er seit den 1870er Jahren mit Wilhelm Maybach zur Serienreife weiterentwickelt hatte. Duttenhofer und Lorenz wollten hingegen große stationäre Gasmotoren innerhalb der DMG fertigen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Anteilseignern zogen sich bis 1898 hin, als Duttenhofer und Lorenz in Berlin die Motorenfahrzeug- und Motorenfabrik Berlin AG (MMB) in Marienfelde gründeten. Nach dem Tod von Gottlieb Daimer im März 1900 wurde die DMG in Cannstatt und die MMB in Berlin 1902 von Duttenhofer und Lorenz unter dem Namen DMG wieder zusammengefasst.

Daimler Flugmotoren

Erster Motorflug des Wölfert-Ballons 1888 mit einem Daimler 1 PS Motor (Daimler AG)

Bereits 1887 hatte Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach eine Privatwerkstatt auf dem Seelberg bei Cannstatt bezogen, wo sie einen 1 PS Einzylindermotor entwickelten, den sie zur Motorisierung von Fahrzeugen an Land, im Wasser und in der Luft heranziehen wollten. Nachdem sich der Motor bei der Motorisierung eines frühen Daimler-Automobils und eines Boots bewährt hatte, bot der Leipziger Buchhändler Friedrich Hermann Wölfert Daimler den Einbau seines Motors in seinem Lenkballon an. Am 10. August 1888 startete der Wölfertsche Ballon vom Werkshof auf dem Seelberg Richtung Kornwestheim zum weltweit ersten Motorflug, bei dem der Propeller durch einen Verbrennungsmotor angetrieben wurde. Allerdings erwies sich der 84 kg schwere Daimler-Flugmotor als zu gewichtsintensiv für den Lenkballon. Erst acht Jahre später konnten Daimler und Maybach Wölfert für dessen Prall-Luftschiff „Deutschland“ einen 7 PS Flug-Motor mit praktikablem Gewicht anbieten. Auch im ersten Starrluftschiff LZ1 des Grafen Zeppelin kam 1899 ein bei Daimler in Cannstatt an die Luftschiffanforderungen angepasster Daimler NL1 Motor zum Einsatz. Der 4,4 Liter große Vierzylinder-Leichtmetallmotor der Baureihe „N“ lieferte 15 PS. Alle Zeppelin-Luftschiffe vor dem ersten Weltkrieg waren mit Daimler-Motoren ausgestattet.

1901 wurden Mercedes-Motoren erstmals in einem Flugzeug verbaut. Der Österreicher Wilhelm Kress verwendete einen 35 PS Mercedes Motor in seinem Wasserflugzeug. Zwei Jahre vor dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright galt das Kress-Flugzeug als erstes Fluggerät mit einem Verbrennermotor. Erste Schwimm-Versuche begann Kress im September 1901. Allerdings kentert das Flugboot vor seinem Erstflug am 3. Oktober 1901.

Im Wesentlichen handelte es sich bei den Daimler-Motoren in den frühen Fluggeräten um Motoren, die für den Automobilbau ausgelegt wurden und auf die Belange der Fluggeräte individuell angepasst wurden. Erst 1909 begann man bei DMG mit der Entwicklung serientauglicher Motore für Fluganwendungen. Für die unterschiedlichen Anforderungen entstanden bei DMG 1909 mehrere Motoren:

Daimler J4F – 120 PS Vierzylinder, ab Juli 1909

Daimler B4F – 30 PS, ab August 1909

Daimler D4F – 60 PS Vierzylinder, ab September 1909

Daimler E4F – 70 PS Vierzylinder, ab 1910

Im Wesentlichen unterschieden sich die Typen durch ihre Bohrung, die über den ersten Buchstaben der Typenbezeichnung angegeben wurde. Die zweite Stelle der Typenbezeichnung gibt die Anzahl der Zylinder wieder. Versuchsweise wurden auch Motore mit hängenden Zylindern hergestellt, die den Zusatz „u“ für umgekehrt erhielten. Der letzte Buchstabe legte das Applikationsgebiet des Motors mit „F“ für Flugzeugmotor oder „L“ für Luftschiffmotor fest. Dieses Schema blieb bei DMG bis 1913 in Verwendung. Die Serienfertigung dieser Motore erfolgte im DMG-Werk in Untertürkheim.

Daimler Flugmotor E4F im Technikmuseum Berlin 2009 (pilot_micha, Flickr, CC2.0)

Im Juni 1911 erhielt die DMG den Ehrenpreis der Automobil- und flugtechnischen Gesellschaft für den besten Flugmotor, den 70 PS starken Mercedes Vierzylindermotor E4F während des deutschen Rundflugs „B.Z. Preis der Lüfte“. Im gleichen Monat gewann Hellmuth Hirth mit seiner Etrich Taube mit einem Daimler E4F Motor den Kathreinerpreis für seinen Überlandflug von Berlin nach München.

Aus dem D4F entstand der D6F Sechszylinder Flugmotor, den DMG 1912 zum 7,2 Liter 90 PS starken Daimler DF80 und bis August 1914 zum 100 PS starken DF100 weiterentwickelte. Unter der militärischen Bezeichnung Mercedes D.I begann 1914 die Großserienfertigung des DF100 Motors. Ab 1915 kam der auf 120 PS weiterentwickelte Mercedes D.II, der 160 PS starke Mercedes D.III, der bei Kriegsende mit fast 12.000 Stück der meistgebaute deutsche Flugmotor war und der 260 PS starke 6-Zylinder Mercedes D.IVa hinzu, der als Standardmotor in vielen deutschen Flugzeugentwicklungen des ersten Weltkriegs zum Einsatz kamen. Ab 1915 beschäftigte sich DMG mit Motoren für die deutschen Riesenflugzeuge. Bis Kriegsende entstand der 500 PS starke 18-Zylinder D.VI Motor mit einem 45,3 Liter Hubraum.

DMG-Werk in Untertürkheim 1903 (Daimler AG)

Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs gewann die Großserienfertigung von Flugmotoren bei DMG zunehmend an Bedeutung. Bereits 1915 machte die Flugmotorenproduktion 44% des Gesamtumsatzes der DMG aus, während 1916 die Flugmotorenfertigung mit 64% des Gesamtumsatzes den Automobilsektor überflügelte. Neben Benz war die DMG in der Zeit des ersten Weltkriegs zum bedeutendsten deutschen Flugmotorenhersteller aufgestiegen.

Anfänge des Daimler Flugzeugbau (Loutzkoy)

Die ersten Flugzeuge bei der DMG entstanden gleichzeitig mit der Aufnahme der Serienproduktion von Flugmotoren bereits um 1909. Der russische Motoren- und Automobil-Ingenieur Boris Lutsky1 (auch Loutzkoy) arbeitete seit 1900 mit dem Daimler-Werk in Marienfelde an der Entwicklung von Schiffsmotoren für die russische Marine, die in St. Petersburg in Lizenz gebaut werden sollten. Zwischen 1904 und 1909 entwickelte Lutsky mit dem DMG-Werk in Untertürkheim auch eine Reihe von Daimler-Luzk-Automobilen.

Seit 1908 beschäftigte sich Loutzkoy auch mit der Auslegung von Flugapparaten. Sein erster Entwurf war 1909 der fünfsitzige, mit zwei 55 PS Daimler D4F-Motoren ausgerüstete Eindecker „Helicoplan“. Hierbei handelte es sich um den weltweit ersten Flugzeugentwurf, der mit zwei zentral im Rumpf untergebrachten Motoren ausgerüstet wurde. Die beiden Motoren trieben über eine Fernwelle drei im vorderen Teil des Flugzeugs angeordnete Propeller an. Dieses Flugzeug war das erste bei DMG in Untertürkheim gebaute Flugzeug, das nach den Plänen von Loutzkoy entstand. Die Maschine wurde 1910 bei einem Testflug in Stuttgart nach einem Propellerbruch zerstört.

Auch bei der zweiten Loutzkoy-Entwicklung 1912 sollen die DMG-Werke beteiligt gewesen sein. Loutzkoy beabsichtigte in eine Rumpler Taube zwei 100 PS starke Motore in Tandembauweise zu verbauen, die zwei auf einer gemeinsamen Welle sitzende Propeller unabhängig voneinander antrieben. Zur Aufnahme des höheren Gewichts vergrößerte Loutzkoy die Tragflächen und setzte ein verstärktes Fahrwerk mit Doppelrädern ein.

Loutzkoy Helicoplan in Untertürkheim von 1909

Loutzkoy Taube mit zwei 100 PS Motore und Doppelpropeller von 1912

Vermutlich beabsichtigte Loutzkoy ursprünglich die Verwendung des 100 PS starken Daimler DF100, der 1912 aber noch nicht zur Verfügung stand. Stattdessen kam bei der Loutzkoy Taube der Argus Typ 4 Motor zum Einsatz. Daraufhin scheint die Entwicklung der Loutzkoy Taube zu Rumpler in Johannisthal verlagert worden zu sein, wo das Flugzeug am 24. Februar 1912 von Geert erstmals geflogen wurde.

Vermutlich wurde auch die dritte Flugzeugentwicklung von Loutzkoy bei Rumpler in Johannisthal und nicht bei DMG in Untertürkheim umgesetzt. Erneut erwarb Loutzkoy hierfür 1913 eine Rumpler Taube, die mit einem einzelnen 150 PS starken Flugmotor ausgerüstet werden sollte, den Loutzkoy selbst als 6 Zylinder Motor mit einem spezifischen Kraftstoffverbrauch von 214 g/PS speziell für Langstreckenflüge entworfen hatte. Das Flugzeug wurde bei Leistungstests im Herbst 1913 in Johannisthal geflogen. Bei einem Fernflugversuch von Berlin nach St. Petersburg ging die Maschine infolge einer gebrochenen Kraftstoffleitung verloren.

Vermutlich wurde nur Loutzkoys erstes Flugzeug Helicoplan in Untertürkheim gebaut, während die beiden anderen Flugzeuge gemeinsam mit Rumpler in Johannisthal entstanden. Loutzkoy arbeitete ab 1913 bei Argus an der Entwicklung verschiedener Motore mit und wurde Mitglied der Geschäftsleitung. Als russischer Staatsbürger wurde Loutzkoy bei Kriegsausbruch bis 1918 interniert.

Boris Loutzkoy nahm nach dem Ende des Ersten Weltkriegs seine Arbeiten an Luftfahrtentwicklungen in Berlin wieder auf. Er verfasste zahlreiche weltweite Patente, in denen unter anderem auch sein bei DMG gebautes „Helicoplan“ beschrieben wird. Einige seiner Entwicklungen wurden noch bis Anfang der 30er Jahre in Berlin-Staaken erprobt. Loutzkoy verstarb 1934 in Berlin.

Die Beteiligung der Daimler-Motoren-Gesellschaft am Bau des „Helicoplan“ war 1909 ausschließlich im Interesse eines Versuchsträgers für ihren neuen Serienmotor Daimler D4F begründet. Die Idee des Aufbaus eines DMG-eigenen Flugzeugbaus stand hierbei noch nicht im Mittelpunkt.

1 Оleksandr Firsov, „Tätigkeit des Ingenieurs BG Luzk im Bereich Flugzeugbau, Luftfahrt, Motorenbau und Luftschiffbau“, in Research in History of Technology – Ausgabe 24 (2018)

DMG Flugzeugwerk Sindelfingen

Die Aufnahme einer eigenen Flugzeugproduktion wurde bei DMG mit Beginn des ersten Weltkriegs zum Gegenstand von Überlegungen. Daimler beschäftigte sich bereits 1915 mit ersten Entwürfen im Riesenflugzeugbau. Zum Aufbau von Entwicklungserfahrung arbeitete man mit den Union Flugzeugwerken von Karl Bomhard in Teltow zusammen und begleitete mit DMG-Ingenieuren die Entwicklung des Riesenflugzeugs Union G.I. Gleichzeitig begann man mit dem Bau eines DMG-Flugzeugwerks. Da das Motorenwerk in Untertürkheim mit der Produktion von Kriegsmotoren vollständig ausgelastet war und über keine Flugplatz-Einrichtung verfügte, erwarb die DMG am 6. Juli 1915 in Sindelfingen ein 38 Hektar großes Gelände, das an den Militärflugplatz in Böblingen heranreichte.

Gelände der DMG in Sindelfingen um 1919 (Daimler AG)

Um den Standort Untertürkheim vollständig für die Motorenproduktion nutzen zu können, beschloss die DMG-Direktion im Herbst 1915 auch die Verlagerung der Automobilproduktion nach Sindelfingen. Hierfür erwarb die DMG weitere 13 Hektar in Sindelfingen nördlich des künftigen Flugzeugwerks.

Südlich des Bahnhofs in Sindelfingen entstand das Daimler Flugzeugwerk, während nördlich der Bahntrasse bis zur Calwer Straße das Karosseriewerk errichtet wurde. Der erste Spatenstich zum Bau des DMG-Werks in Sindelfingen erfolgte Anfang 1916. Zunächst entstand auf dem angrenzenden Flughafengelände Böblingen ab März 1916 eine Flugzeughalle. Westlich des Flugplatzgeländes entstanden bis 1919 zahlreiche Fertigungshallen für Flugzeugbaugruppen.

Bau der Flugzeughalle auf dem Böblinger Flugplatz 1916 (Daimler AG)

Zum Leiter des Flugzeugbaus bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft wurde Karl Bauer ernannt. Am 20. Juli 1917 übernahm Rudolf von Thüna die Leitung des DMG-Flugzeugbaus, die er bis zur Einstellung des Flugzeugbaus am 7. Juni 1920 innehatte. Erst 1922 wurde der Flugzeugbau unter Hanns Klemm wiederbelebt.

Daimler Groß- und Riesenflugzeuge R.I/II und G.I/II

Während der Prototyp der Union G.I bereits im April 1915 an die Inspektion der Fliegertruppe (IDFLIEG) zur Erprobung übergeben wurde, entstand unter Mitwirkung von DMG-Personal bis August 1915 ein zweiter Prototyp. Der zweite Prototyp ging infolge starker Motorvibrationen bei einem Testflug am 1. September 1915 verloren. Da auch die Flugerprobung der ersten G.I bei der IDFLIEG nicht zufriedenstellend verlief, gerieten die Union Flugzeugwerke Anfang 1916 auf Grund ausbleibender Aufträge in wirtschaftliche Probleme. Die DMG erwarb die Rechte an der G.I Konstruktion und setzte die Arbeiten in Sindelfingen fort.

Union-Daimler G.I im Herbst 1915 (San Diego Air and Space Museum, Ray Wagner Collection)

Die früheren Union-Konstrukteure Baurat Rittberger und Karl Schopper begannen im Spätherbst 1915 in Sindelfingen mit der Überarbeitung des G.I-Entwurfs unter der Bezeichnung Daimler R.I Riesenflugzeug. Im Wesentlichen erfolgte eine Verstärkung der Holzstruktur der Union G.I und ein Austausch der invertierten Mercedes D.IIIu Motore gegen gewöhnliche Mercedes D.III Motore.

Da in Sindelfingen noch keine Werksanlagen für den Bau zur Verfügung standen, wurde die Fertigung der Baugruppen an den Piano-Hersteller Schiedmayer in Stuttgart vergeben. Die Endmontage erfolgte bei DMG in Sindelfingen, wo inzwischen die Flugzeughalle des neuen Werks fertiggestellt war. Die Flugerprobung der Daimler R.I begann Ende 1915 in Sindelfingen.

Daimler R.I Riesenflugzeug in Sindelfingen (Daimler AG)

Die Struktur der R.I erwies sich auch weiterhin als ungenügend. Auch die Flügelanordnung wurde mehrfach verändert, um ein stabileres Flugverhalten zu erreichen. Eine zweite R.I mit vergrößertem Leitwerk wurde zur Verbesserung der Steuerbarkeit gebaut. Die Erprobung der Daimler R.I bei DMG zog sich bis 1917 hin. Vier bereits 1916 fertiggestellte Serienmaschinen vom Typ R.II wurden immer wieder mit den Neuerungen der Erprobungsmaschinen versehen. Mitte 1917 erfolgte schließlich die Ablieferung einer Daimler R.I und zweier R.II mit den Nummern 478/15, 450/15 und 451/15 an die IDFLIEG. Schon 1916 musste die Bezeichnung für die Flugzeuge von „R“ für Riesenflugzeug auf „G“ für Großflugzeug geändert werden, da die Zugänglichkeit der Motore im Flug als Charakteristikum für Riesenflugzeuge von den Daimler-Flugzeugen nicht erfüllt wurde. Seitens IDFLIEG bestand nach der Erprobung der G.I/II Ende 1917 nur noch wenig Interesse, da andere Hersteller vergleichbare Flugzeuge bereits in Serie bauten. Die Daimler G.I/II wurden daraufhin aufgegeben.

Daimler Lizenzfertigung FdH GII/III

Als sich 1916 die längere Erprobungsphase für das Daimler-Großflugzeug abzeichnete, regte die Inspektion der Fliegertruppe die Aufnahme einer Lizenzfertigung in