Pützer-Flugzeuge - Paul Zöller - E-Book

Pützer-Flugzeuge E-Book

Paul Zöller

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Beschreibung

Alfons Pützer gehört zu den Mitbegründern des bundesdeutschen Luftfahrzeugbaus der Nachkriegszeit. In beachtenswerter Weise gelang es Alfons Pützer in den schwierigen Jahren des Neuaufbaus der deutschen Luftfahrtindustrie auch ohne die wirtschaftliche Rückendeckung eines größeren Konzerns seinen privaten Luftfahrzeugbetrieb zu etablieren. Schon zu Zeiten als in der jungen Bundesrepublik der Bau von Motorflugzeugen noch durch die Alliierten verboten war, entstanden im Pützerbetrieb in Bonn erste Segelflugzeuge, die bereits für eine spätere Motoraufnahme vorbereitet waren. Sein erstes Motorflugzeug "Moraa" präsentierte Alfons Pützer nur wenige Tage nach der Aufhebung des Flugzeugbauverbots im Jahr 1955. Bekannt wurde Alfons Pützer mit seiner "Elster", die ab 1958 in Bonn in Serie gebaut wurde. Am 3. August 2018 jährte sich der 100. Geburtstag von Alfons Pützer. Aus diesem Anlass widmen sich die Autoren mit dem vorliegenden Band dem Leben und Werk von Alfons Pützer, sowie der Geschichte seines Pützer Flugzeugbaus in Bonn und der von ihm in der Eifel mitbegründeten Sportavia-Pützer GmbH & Co KG auf der Dahlemer Binz.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Alfons Pützer

Schul-, Studien- und Kriegsjahre

Frühe Nachkriegsjahre

Leitgedanken zum Flugzeugbau und Aufbaujahre

Produzent von Serienflugzeugen

Im Ruhestand

Pützer Unternehmen und Beteiligungen

Alfons Pützer KG

Pützer Kunststofftechnik GmbH & Co KG

Leichtflugtechnik Union GmbH

Sportavia-Pützer GmbH & Co KG

Sportavia als RFB-Tochterunternehmen

RFB-Zweigniederlassung Dahlem

Aviostar GmbH, ABS- und E.I.S. Aircraft GmbH

Pützer Partner und Kooperationen

Horten-Brüder

Fritz Raab

Karl Lürenbaum

Ludwig Bölkow, Hanno Fischer und Erich Ufer

René Fournier, Antoine d’Assche und Peter Limbach

Egon Scheibe

Herbert Gomolzig

Pützer Flugzeuge

Horten H.VIII

Horten Ho 33

Pützer „Motorraab“ (Moraa)

Pützer „Dohle“

Pützer „Elster“

Pützer SR-57 „Bussard“

SR-57 Fernwellen-Versuchsträger

SR-57-2K Ringleitwerks-Erprobungsträger

„Bussard“ in konventioneller Bauweise

Scintex Sepal 01A Fernwellenantrieb

Pützer MS 60

Pützer P307B „Air Auto“

Leichtflugtechnik Union LFU-205

Sportavia/Fournier RF-4

Sportavia RF-4D

Scheibe-Fournier-Sportavia SFS-31

Sportavia/Fournier RF-5

Sportavia Hochleistungsmotorsegler (1969)

Sportavia RF-5B „Sperber“

Helwan RF-5B (Ägypten)

Sportavia RF-55

Sportavia RF-5D

Sportavia Versuchsträger S-5 „Leiseflieger“

Sportavia Versuchsträger C-1 „Tarnflugzeug“, RF-5C

Sportavia RF-5C / C-2

Sportavia RPV

Sportavia/Fournier RF-6 / RS-180

Sportavia RF-6

Sportavia RF-6C

RFB-Sportavia RS-180

Sportavia/Fournier RF-7

Sportavia-Pützer MS-75 und MS-II

Sportavia/Partenavia P.68 „Observer“

Sportavia „Leisetransporter“

ABS Aircraft/Fournier RF-9

Technische Daten

Einsitzige Motorsegler

RF-5 Derivate

Motorflugzeuge

Sonstige Pützer/Sportavia-Entwicklungen

Pützer Patente

Pützer Flugzeugproduktion

Pützer/Horten Flugzeuge

Pützer/Raab Flugzeuge

Pützer/Lürenbaum Flugzeuge

Pützer/Bölkow/RFB Flugzeuge

Sportavia/Fournier Flugzeuge

Index

VORWORT

Nach Abschluss der ersten Publikation dieser Edition über den Flugzeugkonstrukteur Hanno Fischer sollte der nächste Band den Flugzeugen der Sportavia-Pützer gelten. Bei näherer Befassung mit den dort produzierten Flugzeugen der RF-Serie offenbarten sich die zahlreichen Verzweigungen und Produktionsstätten, welche die Flugzeuge ihres Konstrukteurs René Fournier gefunden hatten. So wurde aus dem geplanten Buch über die Sportavia ein Buch über René Fournier, auch wenn die Ära der Sportavia den Mittel- und Höhepunkt seines Schaffens darstellte.

Es war klar, dass der dritte, nun hier vorliegende Band dieser Edition dem unternehmerischen Initiator und Motor der Sportavia gewidmet werden musste, dem Konstrukteur und Luftfahrtunternehmer Alfons Pützer! Als dieses Buch konzipiert und zur Hälfte des heutigen Umfangs geschrieben war, zeigte sich eine deutliche Lücke an Informationen und Dokumenten über die Zeit Alfons Pützers vor der weithin bekannten Sportavia-Ära. Dies betraf die Vorkriegs- und Kriegszeit seines Werdegangs sowie die unternehmerisch und technisch hochkreativen 50er-Jahre dieses Pioniers des bundesdeutschen Leichtflugzeugbaus.

Am 3. August 2018 jährte sich der 100. Geburtstag von Alfons Pützer. Aus diesem Anlass hat sein Sohn Hanns-Jakob Pützer in dessen Geburts- und Heimatstadt Bonn und auf dem Flugplatz Bonn-Hangelar das dreitägige „Fly In 100 Years Alfons Pützer“ initiiert, an dem über sechzig Flugzeuge seiner Produktion mit weit über 200 Teilnehmern aus ganz Europa und sogar aus Übersee teilnahmen. Mit einer Festveranstaltung sowie einer Ausstellung im Deutschen Museum Bonn, einem Formationsflug über Bonn und zur Dahlemer Binz sowie einer Geburtstagsparty in der Flugzeugwerft Möller in Hangelar wurde glanzvoll an die Leistungen von Alfons Pützer vor allem für die deutsche Sportluftfahrt erinnert.

Alfons Pützer gehörte zur kleinen Gruppe von Luftfahrtpionieren in der jungen Bundesrepublik Deutschland, die aus eigener Kraft ohne Rückendeckung eines größeren Konzerns unmittelbar nach Freigabe des Motorflugs 1955 die ersten bundesdeutschen Motorflugzeuge an den Start brachten. Mehr als 20 Jahre führte Alfons Pützer mehr oder weniger unabhängig von den großen Luftfahrtblöcken erfolgreich eines der wenigen privatwirtschaftlichen, mittelständischen Flugzeugbau-Unternehmen in Deutschland. Viele Jahre widmete sich Alfons Pützer der Entwicklung von Motorsegler-Flugzeugen, die seiner Idee vom „Fliegen für Jedermann“ entsprachen.

Im Rahmen der Vorbereitung der Geburtstagsveranstaltung für Alfons Pützer entstand ein erster telefonischer und bald persönlicher Kontakt zwischen Paul Zöller und Hanns-Jakob Pützer, der über ein umfangreiches Firmen- und Familienarchiv von Alfons Pützer verfügte und selbst ein späteres Buchwerk über das Schaffen seines Vaters plante.

Im Mittelpunkt dieses Fundus steht eine bebilderte Autobiographie von Alfons Pützer, die dieser seinem damals 20-jährigem Sohn Hanns-Jakob in die ihm zuvor geschenkte Schreibmaschine diktiert hatte. Diese bislang unveröffentlichte Autobiographie deckt den bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung fast vergessenen Zeitraum von 1928 - 1962 des Werdegangs von Alfons Pützer ab und liefert höchst anschauliches Zeugnis über seine Philosophie vom Fliegen und die Leitlinien seiner Konstruktionen. Bald wurden die Autoren des vorliegenden Buches einig, dieses gemeinsam als Co-Autoren zu verfassen und herauszugeben. Damit konnte das umfangreiche Bildmaterial, zahlreiche persönliche Aufzeichnungen von Alfons Pützer, sowie eine wertvolle Dokumentensammlung der Alfons Pützer KG und der späteren Sportavia-Pützer GmbH für die vorliegende Ausarbeitung genutzt und hier zumindest auszugsweise vorgestellt werden. Den „Urton“ von Alfons Pützer, seien es die Passagen aus seiner Autobiographie, Interviews oder Briefe, haben wir dabei grau hinterlegt in dieses Buch eingestellt, um es dem Leser ohne jede Veränderung zugänglich und erkennbar zu machen.

Ergänzt wurden diese Informationen durch zahlreiche Gespräche mit früheren Mitarbeitern der Pützer-Unternehmen, wie dem an der Elster-Entwicklung beteiligten Albert Schaden oder dem langjährigen Sportavia-Entwicklungsingenieur Manfred Schliewa. Zahlreiche Informationen ihrer Zusammenarbeit mit Alfons Pützer stellten auch der langjährige Freund und Partner René Fournier, sowie der Technische Leiter von Rhein-Flugzeugbau Hanno Fischer zur Verfügung, die beide als Ehrengäste an dem „Fly In 100 Years Alfons Pützer“ teilgenommen hatten.

Ein besonderer Glücksfall ist der Erhalt des Privatarchivs von Erich Ufer, der lange Jahre mit Alfons Pützer befreundet war und, obwohl für andere Unternehmen tätig, immer wieder gemeinsame Konstruktionen mit Alfons Pützer verfolgte. Auch dieses Archiv gelangte im Zuge der Vorbereitung des „Fly In’s“ auf weiten Umwegen in die Hände von Hanns-Jakob Pützer und konnte für die vorliegende Ausarbeitung ebenfalls verwendet werden. Die erstmals im Rahmen des Buchbandes „Fournier-Flugzeuge“ veröffentlichte Liste der Sportavia-Flugzeuge wurde von dem früheren Sportavia-Mitarbeiter Gerd Pannhausen mit einer Liste der bei der Alfons Pützer KG gebauten Flugzeuge ergänzt. Umfangreiche Ergänzungen aus dem deutschen Luftfahrtregister stellte Heinz-Dieter Schneider zu den Pützer- und Sportavia-Flugzeugen zur Verfügung. Unser Dank gilt auch allen, die uns mit kleineren Korrekturen und Ergänzungen unterstützt haben.

Das verwendete Bildmaterial stammt, soweit nicht anders gekennzeichnet, weitgehend aus dem Pützer-Archiv von Hanns-Jakob Pützer. Zahlreiche Fotos aus der Sportavia-Zeit stammen aus der Sammlung des damaligen technischen Leiters bei Sportavia, Manfred Küppers, sowie von Ron Smith, der in den 70er Jahren für kurze Zeit als Praktikant auf der Dahlemer Binz und später für den Sportavia-Vertrieb nach England und USA tätig war.

Unser Dank gilt auch dem Club Fournier International (CFI), der für seine Mitglieder umfangreiche Informationen zu den Sportavia-Flugzeugen bereithält und zahlreiche historischen Veröffentlichungen und Bilder zur Verfügung stellt.

Dank der vielfältigen Unterstützung von verschiedensten Seiten ist es aus Sicht der Autoren gelungen, eine weitgehend authentische Aufarbeitung der Leistungen Alfons Pützers für den bundesdeutschen Luftfahrzeugbau zu schaffen. Allen genannten und nicht genannten Beteiligten gilt dafür unser herzlichen Dank!

Krefeld/Bonn im November 2018,

Paul Zöller und Hanns-Jakob Pützer

[email protected]

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ALFONS PÜTZER

Alfons Pützer

Alfons Pützer wurde am 3. August 1918 in Bonn als achtes und letztes Kind des Drechslermeisters Friedrich Pützer und dessen Ehefrau Therese Distelrath geboren. Bereits 1904 hatte Friedrich Pützer in Bonn einen eigenen Drechslerei-Betrieb gegründet. In den zwanziger Jahren vergrößerte Friedrich Pützer die Drechslerei durch einen Maschinenpark, mit dem der Weg in eine industrielle Fertigung geebnet wurde.

Die Jugendzeit im familiär-handwerklich geprägten Elternhaus mit bis zu 20 Personen am Mittagstisch hat Alfons Pützer geprägt: Hier entstanden die Grundlagen für seine Kontaktfreude, Team- und Kooperationsfähigkeit. Seine Führungsstärke, Offenheit für benachbarte Disziplinen und die Kooperation mit wissenschaftlichen Institutionen, Behörden, Ingenieuren und auch mit konkurrierenden Marktteilnehmern markierten den Weg seiner Unternehmen im Flugzeugbau!

Seine Leidenschaft für das Fliegen entdeckte Alfons Pützer bei einem Rundflug mit einer Junkers F13. Alfons Pützer datiert seinen Rundflug mit einem Wasserflugzeug auf das Jahr 1928. Vermutlich erfolgte Pützers Erstflug aber bereits im Oktober 1927, als die Westflug GmbH zur Vorbereitung eines geplanten „Rheinflugdienst“ von Rotterdam nach Basel zwei Flugzeuge vom Typ Junkers F13 (D-373 und D-433) für Rundflüge auf dem Rhein stationierte. Vom Anleger des Bootshauses des Akademischen Ruderklubs Rhenus konnte die Bonner Bevölkerung für 10 Mark an Rundflügen über ihre Heimatstadt und die umliegende Region teilnehmen. Nach seiner eigenen Schilderung verbrachte Alfons Pützer diese Tage fast durchgängig am Anleger des Flugzeugs, um Starts und Landungen sowie die Abfertigung auf dem Wasser zu beobachten. Es gelang dem 10-jährigen Alfons Pützer sogar „unter rabiater Nutzung aller strategischer Möglichkeiten und Kniffe“ das Geld für seinen ersten Rundflug aufzutreiben. Für den jungen Alfons Pützer war der Besuch der Junkers F13 in Bonn daher eine wirklich einmalige Gelegenheit, um sich von der Faszination des Fliegens einfangen zu lassen. Dieses „Jugenderlebnis“ sollte für sein weiteres Leben prägend bleiben. 1

Junkers F13 der Westflug GmbH auf dem Rhein im Herbst 1927

Gebrüder Pützer

Vater Friedrich Pützer mit Belegschaft

Die Landung des Luftschiffs LZ-127 „Graf Zeppelin“ am 22. April 1930 in Hangelar, die Landung des Riesenflugboots Dornier Do X am 29. September 1932 auf dem Rhein bei Bonn, sowie die Landung des seinerzeit größten Landflugzeugs vom Typ Junkers G38 am 5. Oktober 1932 in Hangelar dürften weitere Impulse für den Weg als Flugzeugkonstrukteur und Luftfahrtunternehmer gegeben haben.

Kindheitserinnerungen von Alfons Pützer:

Im Jahre 1922, in das die Kindheitserinnerungen von Alfons Pützer zurückreichen, fand eine erhebliche Ausweitung des elterlichen Betriebes statt. Familie, Meister, Gesellen und Lehrlinge bildeten eine Gemeinschaft, in der hart gearbeitet wurde.

In dieser Umgebung war es fast selbstverständlich, dass sich der "Spielplatz" von Alfons Pützer in der väterlichen Werkstatt befand. Hier wurden auch die ersten Versuche im selbständigen Gestalten gemacht.

Das Aufwachsen in der Gemeinschaft prägte sicherlich seine Kontaktfreudigkeit und seinen Willen, technische Probleme in einer Gruppe Gleichgesinnter zu lösen.

Schul-, Studien- und Kriegsjahre

Nach der ersten Flugerfahrung begann Alfons Pützer mit dem Bau von Flugmodellen, die er nach gekauften Bauplänen baute. Die Werkstatt seines Vaters und der dort hoch entwickelte Umgang mit dem Werkstoff Holz boten beste Bedingungen für den beginnenden Flugzeugbau. Immer häufiger nahm Alfons Pützer Abwandlungen der Bauplanvorgaben vor, um deren Wirkung am Modell zu testen. Schließlich entstanden eigene Baupläne, nach denen Pützer seine ersten eigenen Flugzeugentwürfe realisierte.

Höhere Knabenschule Ernst-Kalkuhl in Oberkassel um 1900

Ab 1930 besuchte Alfons Pützer das Ernst-Kalkuhl-Gymnasium in Oberkassel bei Bonn. Hier schloss er eine intensive Freundschaft mit Hermann Meyer zu Bentrup und den Brüdern Reimar und Walter Horten, die sich ebenfalls dem Flugmodellbau verschrieben hatten. Gemeinsam mit den Horten-Brüdern entwarf Alfons Pützer Flugmodelle, mit denen in jeder Hinsicht Neuland betreten wurde:

Auf Basis ihrer Modellversuche begannen die Horten-Brüder 1932 mit dem Entwurf eines schwanzlosen Segelflugzeugs, das sie im Haus ihrer Eltern in Bonn bis 1934 als Horten Ho I fertigstellten. Unterstützt vom jüngeren Alfons Pützer trafen die Horten-Brüder mit der Ho I grundlegende Gestaltungsaussagen, die für ihre künftigen Nurflügler bestimmend blieben.

1933 trat Alfons Pützer in einen theoretischen und praktischen Luftfahrtlehrgang an der gewerblichen Berufsschule in Bonn ein. Dieser wurde vom Gewerbeoberlehrer F.W. Schmitz initiiert, der durch seine Studien und Veröffentlichung zu den „kleinen Reynolds-Zahlen“ bekannt geworden ist. Der Segelflugbaumeister und Fluglehrer Bruno Weber übernahm den praktischen Teil der Ausbildung, in deren Verlauf die teilnehmenden Jugendlichen ein Segelflugzeug nach dem Bauplan „Zögling“ in Holz- und Stahlrohrbauweise bauten. Die fliegerische Ausbildung begann 1934 mit einem selbst gebauten „Zögling“ des Luftfahrtlehrgangs. Am 3. März 1936 legte Alfons Pützer die Gleitfliegerprüfung „B“ in Bonn-Hangelar beim Deutschen Luftsportverband ab. Es folgten die Segelflugprüfungen „A“, „3“ und „C“. Den Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer Klasse I und II sowie die Berechtigung zum Schlepp hinter Motorflugzeugen erhielt Alfons Pützer 1938.

Erster Gleitflieger-Ausweis „B“ von Alfons Pützer aus dem Jahr 1936

Während seiner fliegerischen Ausbildung vernachlässigte Alfons Pützer den Flugmodellbau allerdings nicht. In der elterlichen Werkstatt richtete er eine eigene Modellbauwerkstatt ein. Mit der zunehmenden fliegerischen Erfahrung wich der einfache Modellbau dem experimentellen Bau von Flugmodellen, mit denen Pützer die Wirkung konstruktiver Elemente des Flugzeugbaus untersuchte.

Prägend blieb für Pützer in dieser Zeit weiterhin die Zusammenarbeit mit den Brüdern Horten, mit denen er als deren „dritter Mann“ experimentelle Nur- und Deltaflügelkonzepte entwickelte. Hierbei entstanden die für die Horten-Nurflügler typischen „S-Schlag-Profile“ und die „Glocken-Auftriebs-Verteilung“, durch welche dem schwanzlosen Fluggerät höhere Stabilität verliehen wurde. Das besondere Interesse von Pützer galt hierbei dem Konzept des Deltaflügels, welches zukunftsweisend für den Flugzeugbau werden sollte.

Alfons Pützer über seine Modellbauzeit:

Die gesamte Freizeit, die neben der Schule blieb, verbrachte Alfons Pützer in einer eigenen kleinen Modellbauwerkstatt. Dabei konzentrierte sich die Arbeit besonders auf Deltaflügel mit hoher Flächenbelastung, die stark durch weitreichende Zukunftsideen von Reimer Horten geprägt war.

Improvisierte "Windkanalversuche" fanden später vor oder über dem Kühler eines Kraftwagens statt, wo das Testobjekt an eine selbstgebaute Zweikomponentenwaage montiert wurde. Fahrer war Reimar Horten. Messbeobachter war Alfons Pützer, der zwischen Kotflügel und Kühler auf der Stoßstange saß. Als Messstrecke diente die im Bau befindliche Autobahn zwischen Köln und Bonn. Die Messergebnisse waren die Grundlage

einer Reihe eigenwilliger druckmittelpunktsfester S-Schlag-Profile (Horten-Profile), die später in Horten Nurflügelflugzeugen verwendet wurdenfür die erstaunliche Längsstabilität vieler späterer Horten Flugzeuge, die bezüglich Profilgebung, Pfeilung und Schränkung an Modellen bis zu 1,60 m Spannweite mit der gleichen Methode vermessen wurden.

Alfons Pützer vor seinem ersten selbst gebauten Flugzeug

Der Bau des ersten Horten-Motorseglers Ho II, D-Habicht mit einem 60 PS Hirth-Motor wurde 1935 unter maßgeblicher Beteiligung von Alfons Pützer realisiert.

Pützer war inzwischen Mitglied der Segelfluggruppe Bonn geworden. Neben der fliegerischen Betätigung baute Alfons Pützer für den Verein zwei Segelflugzeuge. In Hangelar entstand ein RRG „Zögling“ Schulgleiter nach Plänen von Stamer, Lippisch und Jacobs aus dem Jahr 1929. Danach entstand eine Grunau Baby 2 nach den Plänen von Edmund Schneider von der Segelflugschule Grunau, der die Zulassung D-11-84 erhielt.

Grunau Baby 2 in Hangelar um 1938

Im Sommer 1938 legte Alfons Pützer am Kalkuhl-Gymnasium in Oberkassel sein Abitur ab. Danach rückte er zunächst zum Reichsarbeitsdienst und im Herbst 1938 zur Wehrmacht ein. Statt zu einer fliegenden Einheit wurde Pützer jedoch zu seinem übergroßen Bedauern zur Flugabwehr einberufen.

Alfons Pützer über seine Einberufung zur Wehrmacht:

(aus einem Radio-Interview mit Hermann Steiner aus dem Jahr 1969)

Das Streben des flugsportbesessenen, angehenden Ingenieurstudenten und erfahrenen Piloten zur Luftwaffe scheiterte am Einspruch eines peniblen Musterungsarztes. Pützer gelangte stattdessen zur nächstverwandten Waffengattung, der Fliegerabwehr. Noch heute (Anm: 1969) ist ihm dieses Missgeschick unfassbar: „Stellen Sie sich vor … ausgerechnet ich … und Flugzeuge abschießen!“

Den verhassten Posten bei der Fliegerabwehr in Hitlers Wehrmacht nach kurzer Zeit wieder mit der Fliegerkombination zu tauschen … Alfons Pützer bringt das fast unmöglich scheinende Kunststück fertig. Im Winter 1941 wurde Pützer zur Aufnahme eines Ingenieurstudiums an der TH Aachen freigestellt und kehrte als Mitglied der Flugtechnischen Fachgruppe FFG ins Cockpit zurück.

Die von Alfons Pützer mit Ablauf der Wehrdienstzeit für Anfang 1940 geplante Aufnahme eines Ingenieurstudiums für Luftfahrzeugbau an der RWTH Aachen wurde vom Ausbruch des zweiten Weltkriegs durchkreuzt: Aus dem Wehrdienst wurde Kriegsdienst! Im Sommer 1941 kam er mit seiner Einheit an der Ostfront zum Einsatz. Es gelang ihm jedoch, sich vom Winterhalbjahr 1941/42 bis zum Frühjahr 1944 von seinen militärischen Aufgaben freistellen zu lassen, um sich als „kriegswichtiger Student“ jeweils im Wintersemester dem Studium des Luftfahrzeugbaus an der RWTH Aachen zu widmen.

Bereits mit Studienbeginn im Wintersemester 41/42 trat Alfons Pützer als Mitglied in die Flugtechnische Fachgruppe (FFG) an der TH Aachen ein, der 1934 gegründeten, studentischen Nachfolgeorganisation der akademischen Fliegergruppe AKAFLIEG bzw. der Flugtechnischen Vereinigungen. Die Arbeit der FFGs war durch den Kriegsausbruch und den Abzug der Studenten zur Wehrmacht praktisch zum Erliegen gekommen.

Im Winterhalbjahr 1941/42 gelang es der Gruppe von Studienurlaubern um Kopel, Wienand, Pohl, Jansen, Kremer und Pützer mit Unterstützung des früheren Mitglieds der Flugwissenschaftlichen Vereinigung Aachen FVA Felix Kracht, die FFG Aachen auf dem Flugplatz Merzbrück wiederzubeleben. Kracht hatte sein Studium an der TH Aachen 1937 abgeschlossen und war inzwischen Leiter der Außenstelle der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug DFS in Ainring. Kracht erteilte der FFG Aachen einen DFS-Forschungsauftrag. Zur Erfüllung des Forschungsauftrags erhielt die FFG Aachen von der Luftwaffe eine Klemm 35 und eine Focke-Wulf Stieglitz. Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt DVL stellte der FFG Aachen eine Reihe von Segelflugzeugen zur Verfügung. Außerdem stand der FFG Aachen die noch in Merzbrück vorhandene FVA-10 „Rheinland“ zur Verfügung, die Felix Kracht in Aachen 1937 für seinen Alpenrekordflug gebaut hatte.

In den Sommermonaten 1942 und 1943 musste Pützer wieder zu seiner Einheit an der gefürchteten Ostfront. Schließlich gelang es seinem Jugendfreund Reimar Horten im Herbst 1943, Alfons Pützer in sein Luftwaffenkommando IX in Göttingen abkommandieren zu lassen. Hierbei handelte es sich um eine Entwicklungsgruppe der Luftwaffe, die man um die Brüder Horten zur Entwicklung von Nurflügelflugzeugen gebildet hatte. Bevor Pützer seinen Dienst bei der dortigen Dienststelle antrat, kehrte er im Herbst 1943 zur Aufnahme des dritten Fachsemesters an die TH Aachen zurück. Um die Forschungsarbeiten für die DFS abschließen zu können, erteilte Reimar Horten die Genehmigung zur Fortsetzung des Studienurlaubs in Aachen im Sommerhalbjahr 1944.

Alfons Pützer über seine FFG-Zeit:

Der Forschungsauftrag des DFS-Ainring sah die Messung der Beschleunigungen in Richtung Hochachse bei vielen verschiedenen Fahrtstufen vor, die durch abruptes Abfangen jeweils mit oder ohne ausgefahrene Störklappen verursacht wurden. Zur Ermittlung der auftretenden Beschleunigung bei jeweils vorgegebenem Höhenruderausschlag wurde für jeden Zustand ein Schnittwert aus fünf Messungen erflogen. Das Messsystem war im Flugzeug installiert und bestand aus einem Askania-Vierfachschreiber für Höhe, Fahrt, Höhenruderausschlag und Beschleunigung.

Das relativ schwere Gerät und die erforderliche starke Batterie, sowie die Geberanordnungen brachten für jeden vermessenen Flugzeugtyp einige Einbauprobleme.

Da bei einer Messung mit ausgefahrenen Klappen und höheren Geschwindigkeiten bei konstanter Fahrt sehr viel Höhe verloren geht, war, um bei einem Flug drei Messungen vornehmen zu können, eine Schlepphöhe von 3000 mtr. erforderlich; zudem waren einwandfreie Messergebnisse nur bei böenfreiem Wetter gewährleistet.

Aus diesen beiden Gründen war die Durchführung des Programms sehr wetterabhängig und somit außerordentlich zeitraubend.

Als Schlepppilot war zu diesem Zeitpunkt Dipl.Ing. Hans Pohl, damals Assistent im Institut Dr. Goebels in Cornelimünster, tätig. Führer des jeweiligen Segelflugzeuges war Alfons Pützer. Die Messflüge konnten im Sommer 1944 erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Die Ergebnisse wurden ausgewertet und der DVL weitergeleitet.

Durch den amerikanischen Einmarsch in Aachen musste das 4. Fachsemester an der RWTH Aachen im Winterhalbjahr 1944/45 vorzeitig abgebrochen. Für das Vordiplom fehlte Alfons Pützer nur noch eine Prüfung.

Kurz vor Einrücken der Amerikaner ordnete die Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt DVL die Überführung der in Aachen stationierten Flugzeuge und der dort gelagerten technischen Unterlagen nach Prien am Chiemsee an. Im September 1944 gelang es Alfons Pützer und Hans Pohl noch im letzten Moment, einen Schleppzug mit einer Schleppmaschine und zwei Segelflugzeugen nach Prien zu überführen, beide kehrten nicht mehr nach Aachen zurück. Alfons Pützer meldete sich im Oktober 1944 bei seiner militärischen Einheit, dem Luftwaffenkommando IX in Göttingen.

Pützer wurde hier die Verantwortung für den Teilentwurf von Fahrwerk und Steuerung am geplanten „New-York-Bomber“ Horten Ho VIII übertragen, der allerdings bis Kriegsende nicht mehr fertiggestellt wurde. Kurz vor Ende des Krieges versuchte Alfons Pützer noch, Teile der Konstruktionsunterlagen der Nurflügler-Maschinen aus Göttingen für die Horten-Brüder nach Bonn zu bringen. Schon kurz hinter Göttingen geriet Pützer jedoch als Luftwaffen-Angehöriger in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Amerikaner und Engländer hatten die Nurflügler-Entwicklung der Horten-Brüder bereits im Kriegsverlauf aufmerksam verfolgt und behielten deshalb die Angehörigen des Luftwaffenkommandos IX längere Zeit in Gewahrsam. Aufgrund seiner kurzen Einsatzzeit in Göttingen war jedoch Alfons Pützer für die Siegermächte unbedeutend, weshalb er nach kurzer Gefangenschaft schon 1945 aus der Kriegsgefangenschaft wieder entlassen wurde.

Frühe Nachkriegsjahre

Alfons Pützer kehrte nach Bonn zurück und baute hier die zerstörte Drechslerei seines inzwischen über 70 Jahre alten Vaters wieder auf. Sein als Nachfolger bestimmter ältester Bruder Josef Pützer kehrte erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Alfons Pützer zog sich deshalb aus der Leitung des Drechslerei-Betriebs zurück und übergab das Geschäft an seinen Bruder, um sich der Gründung einer eigenen Existenz zu widmen.

Mit der Kontrollrats-Proklamation Nr. 2, Ziff. 30 vom 20. September 1945 hatten die alliierten Siegermächte die Herstellung, den Besitz und den Betrieb von Luftfahrzeugen aller Art durch Deutsche grundsätzlich verboten. Um eine luftfahrttechnische Tätigkeit aufnehmen zu können, hätte Alfons Pützer Deutschland verlassen müssen. Sein Jugendfreund Reimar Horten war Ende der 40er Jahre nach Argentinien ausgewandert und war dort in Cordoba im Flugzeugbau tätig, viele deutsche Luftfahrttechniker arbeiteten in Spanien und in Ägypten.

Alfons Pützer entschied sich bewusst gegen das Ausland, um in Deutschland eine eigene Familie zu gründen. Im Alter von 31 Jahren heiratete Alfons Pützer 1949 seine ebenfalls aus Bonn stammende Ehefrau Elisabeth Eller. Als erstes Kind wurde ihr gemeinsamer Sohn Paul Pützer im Januar 1951 in Bonn geboren. Knapp zwei Jahre später kamen die Zwillinge Marlies und Hanns-Jakob Pützer im Dezember 1952 zur Welt.

Familie Alfons und Elisabeth Pützer mit Tochter Marlies, Sohn Paul und Hanns-Jakob um 1954

Da eine luftfahrttechnische Betätigung in Deutschland nicht möglich war, setzte Alfons Pützer bei seiner Existenzgründung auf seine Erfahrungen aus dem väterlichen, holzverarbeitenden Betrieb. Pützer spezialisierte sich 1949 auf den Holzformenbau für industrielle Anwendungen. Hieraus entwickelte sich ein industrieller Fertigungsbetrieb für Holzbaugruppen. Am 14. Dezember 1950 wurde die Alfons Pützer KG im Handelsregister des Amtsgerichts Bonn eingetragen: das erste eigene Unternehmen von Alfons Pützer!

Erstes von Alfons Pützer (Mitte) in der KG gefertigtes Nachkriegsflugzeug Grunau Baby II

Als am 19. Juni 1951 der Segelflug und der Bau von Segelflugzeugen in Westdeutschland wieder freigegeben wurde, entstand in der Werkhalle der Alfons Pützer KG als erstes Flugzeug der Nachbau eines Segelflugzeugs vom Typ Grunau Baby II. Das Flugzeug wurde allerdings nur für den Eigenbedarf von Alfons Pützer gebaut und blieb ein Einzelstück bei der Alfons Pützer KG. Das private Segelflugzeug von Alfons Pützer wurde als D-5381 zugelassen. Seinen Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer erneuerte Alfons Pützer 1952.

Leitgedanken zum Flugzeugbau und Aufbaujahre

Den ersten kommerziellen Flugzeugbauauftrag erhielt die Alfons Pützer KG 1953 für den Bau des Prototyps der Horten Ho 33. Auftraggeber war der Jugendfreund Walter Horten. Dieser Auftrag war allerdings mehr von der freundschaftlichen Beziehung zwischen Walter Horten und Alfons Pützer geprägt, als durch eine strategische Überlegung zum Einstieg in den Flugzeugbau. Erst als sich 1954 die Aufhebung des Flugverbots für deutsche Motorflugzeuge abzeichnete, entwickelte Alfons Pützer sein eigenes Konzept einer Flugzeugproduktion

Die künftigen „Pützer“-Flugzeuge sollten das „Fliegen für Jedermann“ ermöglichen und damit einen möglichst großen Markt erschließen. Die Flugzeuge sollten deshalb für ihre Piloten einfach und leicht beherrschbar sein und konstruktionsseitig für einen kostengünstigen Serienbau geeignet sein. Nur so konnte eine größere Schicht von Sportflugzeugführern und Ausbildungsvereinen als Käufer erreicht und eine kostendeckende Produktion gewährleistet werden.

Darüber hinaus sollte das künftige Pützer-Flugzeug nicht nur lokal als Sportflugzeug dienen, sondern auch den Reiseflug über längere Distanzen ermöglichen. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg hatte Wolf Hirth in Deutschland ein motorisiertes Segelflugzeug entwickelt, das zunächst die Bedürfnisse der Segelflieger mit einem kleinen Behelfsmotor zur Überbrückung von thermischen Lücken abdecken und später zur Eigenstartfähigkeit ohne Winden oder Schleppflugzeuge verhelfen sollte. Unter Segelfliegern blieben diese einfachen Motorsegler auf Grund ihres höheren Gewichts und der schlechteren Segelflugeigenschaften umstritten. Als Reiseflieger über längere Distanzen eigneten sich diese Flugzeuge mit Hilfsmotor aber ebenfalls nicht. Bereits während des zweiten Weltkriegs hatte Wolf Hirth deshalb ein Segelflugzeug mit einer stärkeren Motorisierung vorgesehen, das Reisepiloten das sogenannte „Luftwandern“ ermöglichen sollte.

Für seine Idee des „Fliegen für Jedermann“ griff Alfons Pützer diesen Hirth’schen Gedanken auf und beabsichtigte, einen einfachen, aber bewährten Segelflugzeugentwurf mit einem für den Reiseflug über längere Distanzen geeigneten Motor auszurüsten.

Dieses Konzept eines leistungsstarken Motorseglers griff Alfons Pützer mit den von ihm entwickelten und gebauten Flugzeugen während der folgenden zwanzig Jahre immer wieder mit neuen Impulsen und Innovationen auf.

Bei der Alfons Pützer KG etablierte Alfons Pützer den Flugzeugbau als strategisches Geschäftsfeld erst im Jahre 1955, als sich die Aufhebung des Motorflugverbots durch die Alliierten abzeichnete. Als erstes Pützer-Flugzeug, das der Idee des „Fliegen für Jedermann“ von Alfons Pützer entsprach, entstand im Frühjahr 1955 bei der Alfons Pützer KG die Pützer „Motorraab“. Dieser basierte auf dem von Fritz Raab bereits 1949 entwickelten zweisitzigen Segelflugzeug „Doppelraab“, das aufgrund seiner äußerst gutmütigen Flugeigenschaften zu einem der erfolgreichsten Segelflugzeuge der Nachkriegszeit wurde. Alfons Pützer erkannte das Potential dieses Seglers und überzeugte Fritz Raab, diesen zu einem einfachen Motorflugzeug, der „Motorraab“ weiterzuentwickeln.

Der „Motorraab“ wurde noch vor Erlangung der Lufthoheit für Motorflugzeuge in der Alfons Pützer KG - bis auf die Bespannung – flugfähig fertiggestellt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag dem 05. Mai 1955, dem Tag der Aufhebung der Motorflugverbots in Deutschland, wurde die Bespannung aufgebracht und Sonntagmorgen um 07:30 absolvierte Alfons Pützer mit der noch unlackierten „Moraa“ den ersten, zumindest offiziellen Flug eines bundesdeutschen Motorflugzeugs nach dem zweiten Weltkrieg. Mit dem Bau dreier weiterer Exemplare entstand eine mit jedem Stück verbesserte Kleinserie dieses Motorflugzeugs. Die Überschrift des ersten Verkaufsprospekts für die „Moraa“ warb für „Eine völlig neuartige und beglückende Form des Luftwanderns“ und griff damit die von Wolf Hirth geprägte Formel des Fliegens auf. Nichts beschreibt besser und anschaulicher die Philosophie und Mission von Alfons Pützer für das Fliegen, die 8 Jahre später mit den von René Fournier entwickelten Flugzeugen der RF Serie die Märkte der Welt eroberte und noch heute die Aktivisten der CFI-Vereinigungen in aller Welt antreibt und beseelt. Wenn René Fournier seinen Motorsegler als „Flugzeug für Poeten“ beschreibt, wird die Seelenverwandtschaft der beiden Pioniere des europäischen Leichtflugzeugbaus deutlich.

Bereits bei der Entwicklung der „Motorraab“ zeichnete sich eine für Alfons Pützer typische Arbeitsteilung zwischen Konstruktion und Produzent ab, bei der sich Alfons Pützer auf die Definition der Anforderungen an das zu entwickelnde Flugzeug beschränkte. Ausgangspunkt waren dabei häufig bewährte, existierende Flugzeugkonstruktionen, die Alfons Pützer durch ihren Konstrukteur für seine Belange weiterentwickeln ließ. Für die abgeschlossenen Entwürfe erwarb Alfons Pützer dann die Rechte zum Lizenzbau bei der Alfons Pützer KG oder in einem seiner späteren Flugzeugwerke. Diese Form der Arbeitsteilung pflegte Alfons Pützer in den 50er Jahren mit dem Segelflugzeugkonstrukteur Fritz Raab und in den 60er Jahren mit dem französischen Flugzeugbaukonstrukteur René Fournier.

Zum erfolgreichsten Flugzeug der Alfons Pützer KG entwickelte sich ab 1958 die von Alfons Pützer aus der „Motorraab“ abgeleitete und mit annähernd 50 Exemplaren gebaute Pützer „Elster“. Der Erfolg der „Elster“ führte mit den Modellen Pützer-Elster A, B und C erstmals zum Aufbau einer Flugzeug-Produktionslinie und einer industriellen Serienfertigung bei der Alfons Pützer KG.

Neben dem Aufbau der Serienfertigung bei der Alfons Pützer KG beschäftigte sich Alfons Pützer in den 50er Jahren mit Grundsatzfragen des Flugzeugbaus:

Die Idee des Motorseglers

Bereits im Rahmen der Entwicklung des Fernwellenversuchsträgers Pützer „Dohle“ beschäftigte Alfons Pützer sich mit praktischen Studien zur Verwendung von Hilfsmotoren bei Segelflugzeugen. Trotz zunehmender Eigenstartfähigkeit und verbesserter Eigenschaften für den Reiseflug blieben Motorsegler sowohl bei den Segel- als auch den Sportfliegern in den 50er Jahren umstritten. Ein gravierender Nachteil der Motorsegler bestand in den 50er Jahren darin, dass diese Flugzeuge trotz ihrer Ähnlichkeit zu Segelflugzeugen ausschließlich als Motorflugzeuge zugelassen werden konnten. Piloten mit einer reinen Segelfluglizenz durften diese Flugzeuge nicht fliegen. Der Vorteil der Eigenstartfähigkeit dieser Flugzeuge stand für viele Segelflieger in keinem Verhältnis zu den Nachteilen der notwendigen Motorflugausbildung. Andererseits waren Motorsegler durch die hohen Kosten für die Zulassung als Motorflugzeugs für die Reiseflieger preislich kaum attraktiv im Vergleich zu konventionellen Motorflugzeugen. Um einerseits die Entwicklungskosten für einen Motorsegler zu begrenzen, andererseits aber auch mit deutlich geringerem Aufwand eine Lizenz zur Führung eines Motorseglers gegenüber konventionellen Motorfluglizenzen zu erreichen, diskutierte Alfons Pützer gemeinsam mit anderen Motorsegler-Herstellern, u.a. Egon Scheibe, die Einführung einer neuen Flugzeugklasse für Motorsegler. Hieraus entstand in Deutschland 1959 die sogenannte K-Klasse von maximal zweisitzigen, eigenstartfähigen Motorseglern mit einem Startgewicht von zunächst maximal 700 kg, einer Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h und einer Gleitzahl von mindestens 20 bei abgeschaltetem Motor, die in Deutschland mit einer Segelfluglizenz geflogen werden durften. Durch diese Vereinfachung gewann der Motorsegler für alle Zielgruppen deutlich an Attraktivität. Für Alfons Pützers Idee vom „Fliegen für Jedermann“ stellte die Einführung der K-Klasse einen entscheidenden Durchbruch dar. Mit der Pützer MS-60 schuf Alfons Pützer Ende der 50er Jahre einen der ersten Motorsegler in Deutschland, der den Anforderungen der neuen K-Klasse entsprach und als Vielzweckflugzeug sowohl die Bedürfnisse der Segelflieger als auch der Reiseflieger erfüllte. Neben Egon Scheibe gehörte Alfons Pützer damit zu den geistigen Urvätern der Motorsegler-Entwicklung.

Druckpropeller und Fernwelle

Während sich Alfons Pützer nach der Ho 33 von dem mit den Horten-Brüdern erforschten Nurflügel-Konzept abwandte, sah er in dem für die Nurflügler typischen Antriebskonzept mit Druckpropeller und Fernwelle ein äußerst zukunftsfähiges System sowohl für Motorsegler als auch für Motorflugzeuge.

Dieses System wurde durch die Alfons Pützer KG in Zusammenarbeit mit Prof. Lürenbaum von der RWTH Aachen und jeweils finanziert durch Forschungsaufträge der Bundesregierung und der Vorgängerorganisationen der DLR erfolgreich umgesetzt und erprobt:

zunächst durch den im Auftrag von Walter Horten erneut aus dem „Doppelraab“ abgeleiteten Motorsegler „Dohle I und II“ mit Mittelmotor und hinter einem Doppelleitwerk angeordneten Druckpropeller - eine weitere Version mit aerodynamisch optimiertem V-Leitwerk blieb nur ein Projekt.

sodann mit dem als Trainer für künftige Jet-Piloten entwickelten Motorflugzeug „Bussard“, einem zweisitzigen Tiefdecker, der mit mehreren Flugmotor-Varianten in der Flugzeugnase, Fernwelle, V-Leitwerk und dahinter angeordnetem Druckpropeller ausgestattet wurde. In einer weiteren, hochinnovativen und gemeinsam mit Ludwig Bölkow und Erich Ufer entwickelten Variante wurde das V-Leitwerk durch ein Ringleitwerk ersetzt, das einen dem Düsenjet näherkommenden Schubeffekt erzeugen sollte. Dieses Ringleitwerk stellt die erste durch die Alfons Pützer KG vollständig in Kunststoff gefertigte Baugruppe im Flugzeugbau dar.

schließlich mit dem Motorsegler MS 60, einem Mitteldecker mit zwei Faltpropellern, die links und rechts des Rumpfes an der Flügelendkante angeordnet und mittels Keilriemen durch einen in der Flügelwurzel eingesetzten Motor angetrieben wurden.

Kunststoff im Flugzeugbau

Neben den grundlegenden Aktivitäten zur Verbesserung des Marktumfeldes des Motorsegler-Segments widmete sich Alfons Pützer in den 50er Jahren vor allem der Frage alternativer Werkstoffe. Seit 1958 beschäftigte sich Alfons Pützer mit dem Einsatzmöglichkeiten von Kunststoffen im Flugzeugbau und mit der Frage geeigneter Composite-Strukturen zur Gewichtsreduzierung von Baugruppen. Zur Bearbeitung von Grundsatzfragen wurde die Pützer Kunststofftechnik GmbH & Co KG (PKT) gegründet. Über die PKT wickelte Alfons Pützer Grundlagenprojekten mit Hilfe öffentlicher Fördermittel ab. Bei diesen Grundlagenprojekten arbeitete Alfons Pützer eng mit Ludwig Bölkow und dessen Mitarbeiter Erich Ufer zusammen. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts beteiligte sich Alfons Pützer im Anschluss an das „Bussard-Projekt“ über die PKT 1963 an der Leichtflugtechnik Union GmbH, die bis 1968 das weltweit erste vollständig in Kunststoff ausgeführte Motorflugzeug LFU-205 entwickelte.

Produzent von Serienflugzeugen

Anfang der 60er Jahre wendete sich Alfons Pützer erneut dem Aufbau einer Serienproduktion von Flugzeugen zu. Ein Jahr nach Präsentation des sehr beachteten und innovativen Motorseglers MS 60 vor der deutschen und internationalen Öffentlichkeit im Frühjahr 1962 auf der Luftfahrtschau Hannover und dem 2. Deutschen Motorseglertreffen in Leutkirch entdeckte Alfons Pützer auf dem Aerosalon Le Bourget bei Paris den dort ausgestellten Motorsegler RF-3. Entwickelt von dem Flugzeugkonstrukteur René Fournier wurde dieses Flugzeug mit dessen Partner Antoine d‘ Assche in dem kleinen Flugzeugwerk Alpavia S.A. in Gap-Tallard in den französischen Seealpen hergestellt.

Alfons Pützer erkannte sofort das Potential dieses genial einfachen und eleganten Motorseglers. Man kam schnell überein, dass die Alfons Pützer KG den Vertrieb im deutschsprachigen Raum übernehmen sollte. Nachdem in kürzester Zeit äußerst erfolgreiche Verkaufszahlen der RF-3 in Deutschland erzielt werden konnten, überzeugte Alfons Pützer seine neuen Partner von einer deutlich verbesserten und kunstflugtauglichen Version dieses Einsitzers. Hieraus entstand die RF- 4, die außer einer verstärkten Zelle ein stoßstangengetriebenes Rudersystem, ausbalancierte Querruder, aerodynamisch verbesserte Flügel-Rumpf-Übergänge in Kunststoffbauweise sowie eine unten abgerundete statt eckige Rumpfform erhielt.

Da bereits der Markterfolg der RF-3 die bisherige Produktionsstätte der Alpavia in Gap-Tallard überlastete, entschloss man sich zu einem gemeinsamen großen Schritt: Alfons Pützer gründete gemeinsam mit Antoine d’Assche 1964 die Sportavia-Pützer GmbH & Co KG, die – unterstützt durch von Alfons Pützer akquirierte Mittel des Landes Nordrhein-Westfalen – auf der Dahlemer Binz in der strukturschwachen Eifel einen völlig neuen Produktionsstandort aufbaute. Von dem französischen Konstrukteur René Fournier erwarb das Unternehmen die Lizenzbaurechte für dessen Motorsegler-Konstruktionen.

Nach Vorgaben von Alfons Pützer entwickelte René Fournier von 1966 bis 1973 den zweisitzigen Motorsegler RF-5, das 2+2-Motorreiseflugzeug RF-6 und die für den amerikanischen Markt bestimmte Variante der RF-4 mit verkürztem Flügel und Doppelzündermotor, das Motorflugzeug RF-7.

Etienne d’Halluin, René Fournier, Peter Kümpel, Alfons Pützer in Nabern/Teck, 1966

Ab 1973 etablierte Alfons Pützer bei der Sportavia-Pützer ein Entwicklungsbüro, das Weiterentwicklungen der Basismodelle von René Fournier betrieb. Hier entstand die zweisitzige RF-5B „Sperber“ als Version mit längerem Flügel und deutlich verbesserten Segelflugeigenschaften, die auf den Motorseglerwettbewerben reichlich „Silber“ holte und auch im Export – nicht zuletzt in die USA - ein großer Verkaufserfolg wurde. In Zusammenarbeit mit Egon Scheibe entstand die SFS-31, eine für den Segelflug verbesserte Version der einsitzigen RF-4D mit einem Flügel der SF-27, sowie die Sportavia RS-180 „Sportsman“ als viersitzige Version der von René Fournier entwickelten zweisitzigen Trainerversion RF-6B.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Aktivitäten von Alfons Pützer als erfolgreicher Importeur solcher Flugzeuge in den deutschsprachigen Raum, die ihm aufgrund ihrer aerodynamischen Qualität oder technischen Innovation als lohnenswert erschienen. Hier sind die von American Aviation in Metall-Klebebauweise produzierten Motorflugzeuge AA-1 „Yankee“ und AA-5 „Traveller“ sowie „Tiger“ zu nennen, die später von Grumman fortgeführt wurden, ferner das elegante zweimotorige Geschäftsreiseflugzeug Partenavia P.68 aus Italien, aus dem Pützer die „Observer“-Version mit vollverglaster Bugkanzel für Beobachtungs- und Überwachungszwecke entwickelte.

Die Sportavia-Pützer hat sich in den zehn Jahren ihres Bestehens zu einem der wenigen erfolgreichen Herstellerbetrieben von Motorsegler-Flugzeugen sowie hochinnovativen Derivaten der RF-Serien in Deutschland sowie einem Exportunternehmen mit Bedeutung auf dem Weltmarkt des Leichtflugzeugbaus entwickelt. Mit der Betriebsaufnahme dieses Unternehmens im Jahre 1967 hatte Alfons Pützer seine frühe Vision eines Herstellerbetriebs von „Flugzeugen für Jedermann“ erfolgreich und nachhaltig umgesetzt.

Im Ruhestand

Durch eine Erkrankung seiner Ehefrau Elisabeth zog sich Alfons Pützer ab 1973 zunehmend aus seinen geschäftlichen und unternehmerischen Verpflichtungen zurück. Um ihrem Pflegebedarf gerecht zu werden, verkaufte Alfons Pützer 1977 zunächst seine Geschäftsanteile an der Sportavia-Pützer GmbH & Co KG. Im Dezember 1979 übernahm sein Neffe Rudolf Pützer die Alfons Pützer KG.

Die staatliche Anerkennung für sein Lebenswerk erhielt Alfons Pützer 1984. Am 20. November 1984 überreichte der Bonner Oberbürgermeister Hans Daniels im Namen des Bundespräsidenten Richard von Weizäcker Alfons Pützer das „Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“. Mit der Verleihung würdigte die Bundesrepublik Deutschland das hohe Engagement von Alfons Pützer in den Jahren des Aufbaus der zivilen und militärischen Luftfahrt in der Bundesrepublik Deutschland.

Einladung zur Übergabe des Verdienstkreuzes an Alfons Pützer 1984

Besonders schwer traf Alfons Pützer der Tod seiner Ehefrau Elisabeth. Sie verstarb im Mai 1992 unter großer Anteilnahme von Freunden und Vertretern der Luftfahrt, welche die mehr als zwanzigjährige liebevolle Fürsorge von Alfons Pützers für seine Ehefrau erlebt und bewundert hatten. Nach 43 Ehejahren blieb Alfons Pützer alleine im Kreis seiner Familie zurück.

Alfons Pützer zum Tode seiner Ehefrau Elisabeth:

(aus einem Brief an den Club der Luftfahrt von Deutschland, 1992)

Nach 43 Jahren gemeinsamen Lebens ist die Veränderung natürlich groß. Im Kreise meiner Familie, meiner heranwachsenden Enkel und noch immer vielen Freunden – besonders aus der Fliegerei – hoffe ich – wenn auch besinnlicher – für die Zeit, die mir hoffentlich noch verbleibt, damit leben zu können.

Auch in seinem „unternehmerischen Ruhestand“ blieb Alfons Pützer der Fliegerei treu. Schon bald widmete sich Alfons Pützer neuen Ideen des Flugzeugbaus, u.a. gemeinsam mit Erich Ufer einem weiteren Entwurf für ein Autoflugzeug. Durch den Erwerb der Piper Arrow III „D-ENAW“ als seinem Privatflugzeug konnte er noch zu Lebzeiten seiner Ehefrau die Fliegerei endlich ausschließlich als Hobby betreiben.

Privatier-Ehepaar Pützer vor ihrer privaten Piper Arrow III