Klischees, Vorurteile und Diskriminierungen - Tim Bärsch - E-Book

Klischees, Vorurteile und Diskriminierungen E-Book

Tim Bärsch

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Beschreibung

Vorurteile, Rassismus und Gewalt werden von Menschen gemacht und können auch nur durch sie wieder beseitigt werden. Dabei zeigt sich, dass sehr unterschiedliche Menschen und sehr unterschiedliche Lebenslagen jeweils besondere Zugangswege benötigen, um in der notwendigen Auseinandersetzung überhaupt gehört zu werden oder sogar erfolgreich sein zu können. Beständigkeit und Gelassenheit in der Auseinandersetzung mit rassistischen Vorurteilen und Diskriminierungen, gemischt mit einer gesunde Portion Humor und angereichert durch einen Hauch von Sarkasmus können, wie dieses spannende und reichhaltige Buch von Tim Bärsch zeigt, der Hetze und dem Hass Erhebliches entgegensetzen. Ralf-Erik Posselt Lehrtrainer der Gewalt Akademie Villigst

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BaER® Deeskalation

Bewältigung aggressiver Emotionen und Reaktionen

Deeskalation und Gewaltprävention

Geschäftsführung: Tim Bärsch

Internet: http://www.baer-sch.de

Email: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

VOR-WORTE

VOR-DENKEN

NACH-DENKEN

Literatur

Bücher vom Autor

Autor

Zusammenfassung!?

Vor-Worte

„Ihr Heuchler, ihr Lügner, ihr Rattenfänger

Ihr Wertpapierverkäufer

Man hat euch Geist und Gefühl gegeben

Und doch seid ihr nur Mitläufer.“

Sarah Lesch (Lied „Testament“)

Vorurteile und Diskriminierungen fallen nicht vom Himmel, ebenso wie sie nicht einfach wieder verschwinden, fast so, als wäre nichts gewesen.

Vorurteile, Rassismus und Gewalt werden von Menschen gemacht und können auch nur durch sie wieder beseitigt werden. Dabei zeigt sich, dass sehr unterschiedliche Menschen und sehr unterschiedliche Lebenslagen jeweils besondere Zugangswege benötigen, um in der notwendigen Auseinandersetzung überhaupt gehört zu werden oder sogar erfolgreich sein zu können.

Dazu gehört es, gelegentlich und immer wieder die gesellschaftlichen Verhältnisse zueinander „ins rechte Lot“ zu setzen. Rassist/innen und Diskriminierer/innen müssen wissen, dass Vorurteile und Demütigungen nicht nur Andere beschädigen, sondern schon weit vorher als Selbstverletzung wirksam geworden sind und wie ein Gift die eigene Lebensfreude zerstören.

Beständigkeit und Gelassenheit in der Auseinandersetzung mit rassistischen Vorurteilen und Diskriminierungen, gemischt mit einer gesunde Portion Humor und angereichert durch einen Hauch von Sarkasmus können, wie dieses spannende und reichhaltige Buch von Tim Bärsch zeigt, der Hetze und dem Hass Erhebliches entgegensetzen.

Ralf-Erik Posselt

Lehrtrainer der Gewalt Akademie Villigst

www.gewaltakademie.de

Vor-denken

„Wundere dich nicht über die Rechtschreibfehler. Alle Fehler sind volle Absicht! Zusammen ergeben sie eine geheime Botschaft, mit der ich versuche, die Weltherrschaft an mich zu reißen.“

Ich sehe viel „Schwarz-Weiß-Denken“ und es gefällt mir nicht. Die Phrase „Ich bin ja kein Nazi, aber...“ oder Äußerungen der AfD und von Pegida sind schon oft sehr nervtötend. Trotzdem sehe ich die Mitglieder nicht immer als Nazis. Die andere Seite ist oft auch nicht viel besser: „Alle Menschen sind gleich und ich bin ja tolerant. Außer: Die anderen sind intolerant, dann sind sie es nicht wert, zu leben.“ Doch wer hat nun (mehr) recht und wer liegt (völlig) falsch?

Es kommt, wie so oft, auf den Blickwinkel an. Für einige bedeutet dieses Wort links z.B. „Hoffnung“. Drehe das Buch mal auf den Kopf und lies das Wort noch einmal. Plötzlich bedeutet es für viele das Gegenteil. Ziel des Buches ist es, zu zeigen, dass es viele Blickwinkel gibt. Die Hoffnung ist, dass dadurch vielleicht weniger „Adolfe“ entstehen.

Ansonsten noch ein paar Infos:

Ich

duze

dich hier als Leser, weil ich es so persönlicher und netter finde. Auch benutze ich die

männliche

Form zur besseren Lesbarkeit (siehe auch

Kapitel 1.5

).

Ich schreibe nicht immer die

Quellen

an jede Info. Ich möchte, dass du manches selbst nachforscht und dir deine eigenen Gedanken dazu machst.

Ich gebe

Vorurteile

wieder, welche in verschiedenen Köpfen (auch manchmal meinem) herumspuken. Diese sind dann

dick

,

kursiv

und mit

„“

gekennzeichnet.

Ich schreibe über die Ideen des Islams (positiv) und über den Missbrauch des Christentums (negativ) als gesellschaft.

Gegengewicht

. Es ginge auch umgekehrt.

Vielen Dank

an: Halima Zaghdoud, Nina Batholomé, Alexandra Buch, Marian Rohde, Jennifer Redmann, Kerstin Nachtigall, Stephan Berchner, Petra Weinstein, R.-E. Posselt, Frank Langer, Kathrin

Müller

Schmidt, Michel Buschmann, Martin Stichler, Jasmin Knorr, Osama El-Zein, Tom Lindemann, Sonja von Zons, Philipp Piecha, Jérôme Gravenstein, Marina Deising, André Karkalis und Frank Müller

1 Allgemeines

„Stell dir vor, dass alle Menschen ihr Leben in Frieden leben. Du wirst sagen ich bin ein Träumer, aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließt und die Welt wird Eins sein.“ John Lennon

Der Mensch hat Vor-Urteile. Dies war schon immer so. In der Steppe war das Vorurteil, dass alle Schlangen giftig und gefährlich sind, sehr sinnvoll. Dieses Programm läuft auch erst einmal ab, wenn wir eine Blindschleiche sehen. Wir schrecken automatisch zurück. Die meisten Menschen wissen, dass Blindschleichen nicht gefährlich sind. Sie sind eigentlich auch gar keine Schlangen. Es sind nur Eidechsen ohne Beine. Deshalb kann der Mensch die Blindschleiche aufnehmen und streicheln. Er kann also seine Vorurteile überwinden. Als Gehirnbenutzer (Besitz alleine ist nicht ausreichend) ist es also möglich, Vorurteile zu überprüfen und zu überwinden.

Weltweite Studien konnten belegen, dass hohe Autoritätshörigkeit und ein geringes Selbstwertgefühl oft mit großer Vorurteilsneigung und einer Tendenz zur Diskriminierung von Minderheiten einhergehen. Dies zu überwinden erfordert ständiges Reflektieren. Es passiert mir leider immer noch, dass wenn mich z.B. ein „arabisch aussehender“ junger Mann auf der Rolltreppe überholt, ich instinktiv an meine Hosentasche mit meiner Geldbörse greife. Doch ich versuche weiter an mir zu arbeiten, u.a. indem ich provokativ mit Vorurteilen spiele. Dies wirst du wahrscheinlich mehrmals im Buch merken, z.B. an einigen Bemerkungen und an meinen Zeichnungen.

Manche Vorurteile haben einen gewissen Wahrheitsgehalt und andere sind sehr weit von einer objektiven Wahrheit (wenn es die gibt) entfernt. Es gibt immer so viele Sichtweisen, wie es Menschen gibt, die das Thema betrachten. Jeder wertet aufgrund seiner Erlebnisse und seiner Vorerfahrungen. Oft kommt es vor, dass wir die Sichtweise des anderen nicht nachvollziehen können. Ich habe mittlerweile aufgegeben, alles verstehen zu wollen. Trotzdem möchte ich meine Vorurteile, so gut es geht, im Blick und dadurch mehr Handlungsmöglichkeiten haben.

1.1 Was ist was?

„Das Vorurteil ist recht für den Menschen gemacht, es tut der Bequemlichkeit und der Eigenliebe Vorschub, zweien Eigenschaften, die man nicht ohne die Menschheit ablegt.” Immanuel Kant

Ich möchte hier keine langweiligen Definitionen runterbeten. Dieses Buch ist schließlich keine Doktorarbeit. Jeder kann ein (Vor-)Urteil über eine Person oder eine Personengruppe fällen, ohne nähere Fakten zu kennen. Vorurteile sind meist negativ, können aber auch erst einmal positiv sein. Das Vorurteil: „Schwarze haben Rhythmus im Blut.“ ist erst einmal positiv. Eine ehemalige Kollegin besteht bis heute darauf, dass dies eine Beobachtung von ihr wäre und kein Vorurteil. Ich kann nur sagen, dass ich schon Menschen mit dunkler Haut gesehen habe, deren Tanzbewegungen genauso kacke und unrhythmisch aussahen wie meine. Und auch wenn dieses Denken positiv gemeint ist, bedeutet es im Grunde: „Die sind anders als wir.“ Und das ist genau das, was ich als nicht positiv empfinde. Jeder Mensch ist anders. Die Verknüpfung von Hautfarben, Religionen und Herkunftsländern mit Eigenschaften, Vorlieben und Fähigkeiten ist einfach Unsinn. Nicht alle Äthiopier können schnell rennen – Nicht alle Deutschen sind pünktliche Nazis – Nicht alle Muslime wollen sich in die Luft sprengen – Nicht alle Juden sind geldgierig … usw. usw. usw.

Doch kommen wir jetzt zu einigen Begriffen, die mit Vorurteilen zu tun haben:

Klischee: (franz. Abklatsch) alte Bilder, die unbedacht übernommen werden – kann auf Einzelpersonen oder auf Gruppen zutreffen – Stereotyp geht in die gleiche Richtung (griech. fester Entwurf) vorgefasste Meinung „Stempel“ - beeinflussen die Informationsverarbeitung – Es ist eine Vereinfachung komplexer Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Personengruppen.

(Soziale) Diskriminierung: Negatives Verhalten gegenüber Menschen, weil sie zu einer Gruppe gehören (Klischee + negatives Gefühl + negatives Verhalten).

So Begriffe wie Xenophobie, Ethnophaulismus, Etikettierung, Kategorisierung usw. lasse ich mal weg, da die Erläuterungen für dieses Buch unwichtig sind.

1.2 Warum das alles?

„Die Hauptquellen der Vorurteile sind: Nachahmung, Gewohnheit und Neigung.“ Immanuel Kant

Vorurteile beruhen fast nie auf Fakten, sondern meist auf Gefühlen. Dabei können die Vorurteile gerade zufällig zutreffen (z.B. dieser Deutsche ist in diesem Moment pünktlich), im Durchschnitt zutreffen (z.B. Männer sind größer als Frauen), nicht zutreffen (z.B. Spinat enthält viel mehr Eisen) oder genau das Gegenteil stimmt (z.B. härtere Strafen führen zu weniger Straftaten).

Also sind Vorurteile nicht berechenbar. Die meisten Vorurteile entstehen durch die Erziehung und das Vorleben der Erwachsenen bereits im Kindesalter. Aber warum übernehmen Menschen solche Bilder?

Vorurteile bilden einen strukturierten Ordnungsrahmen. Es dient zur Vereinfachung unserer komplexen Welt. Die

Vereinfachung

„Schäferhunde können gut beschützen und Dackel bellen laut“ wird dann auf Menschengruppen übertragen:

„Schwarze können schnell rennen und Mädchen sind schlecht in Mathematik.“

Und schon ist es möglich, komplexe Dinge zu „verstehen“ und zu „erklären“. „Der menschliche Geist muss in Kategorien denken. … Einmal gebildet, sind sie die Grundlage für normale Vorurteile. … Das geordnete Leben beruht darauf.“ (Die Natur des Vorurteils von Gordon Allport; 1954)

Die

Sündenbockstrategie

funktionierte schon immer, egal ob bei Hexen, Juden, Schwarzen, Polizisten, Politikern oder Flüchtlingen. Eigene Entbehrungen, ein schlechtes Gewissen, Übertragungen der eigenen Unzulänglichkeiten, Furcht, ein Minderwertigkeitsgefühl oder der Herdentrieb unterstützen die Sündenbocksuche oder lassen sie sogar entstehen. Die Todsünde Neid ist oft ein großer Faktor in diesem Spiel:

„Die ziehen frei umher und ich bin gebunden! Die verleihen Geld und sind reich, aber meine Religion verbietet mir das! Die haben nicht meine Kultur und bekommen das gleiche, wenn nicht sogar mehr Geld als ich!“

Dadurch hat man gleichzeitig einen Schuldigen und kann seinen Status erhöhen. Äußere Feinde sind immer leichter auszumachen als in der eigenen Gruppe oder als der „innere Feind“ in sich selbst. „Der Balken im eigenen Auge ist das beste Vergrößerungsglas für den Splitter im Auge des anderen.“ (Theodor W. Adorno)

Menschen sind Rudeltiere. Wir möchten die

Gruppenzugehörigkeit

und haben Angst vor einem Ausschluss. Dabei gilt der Satz: „Gleich und gleich gesellt sich oft gern.“ Menschen mögen Vertrautes und da wir uns meist selbst vertrauen, mögen wir auch uns ähnliche Menschen. Die meisten Menschen finden andere Menschen schon gleich sympathischer, wenn sie erfahren, dass sie das gleiche Geburtsdatum haben. Meist versuchen Menschen auch ihre Gruppenzugehörigkeit zu zeigen. Kleidung, Schmuck, Frisuren, Tätowierungen usw. sind uns wichtig, um zu zeigen, wer wir sind und zu wem wir gehören. Besonders in den sogenannten Subkulturen ist dies offensichtlich, z.B. Punks, Rocker und Skins. Es gibt unzählige Versuche, die zeigen, wie schnell sich Menschen zu Gruppen sortieren. Im Stanford-Experiment identifizieren sich „normale“ Studenten innerhalb kurzer Zeit mit ihren Rollenzugehörigkeiten „Gefangene“ oder „Gefängniswärter“. Dazu ein wenig Macht und Uniformen und schon musste das Experiment vorzeitig abgebrochen werden (nach sechs Tagen anstatt 14 Tage). Henri Tajfel ließ in den 70er Jahren Schuljungen eine Punkteanzahl schätzen. Er teilte die Gruppe in „Überschätzer“ und „Unterschätzer“. Nach kurzer Zeit gab es ein „wir“ und ein „die anderen“ (

wie bei „LOST“ oder „Herr der Fliegen“

). Die eigene Gruppe wurde bevorzugt und die anderen diskriminiert. Die Hirnforschung zeigt (Jason Mitchell u.a.), dass das selbe Hirnareal (ventrale Region des medialen präfrontalen Kortex) aktiv wird, wenn wir über uns selbst nachdenken oder uns in jemanden hinein fühlen, der uns ähnlich ist. Fühlen wir uns in eine andere Person hinein so wird ein ganz anderes Hirnareal genutzt (dorsale Region).

Das „Tolle“ an Vorurteilen ist, dass man auch immer irgendwo eine Bestätigung findet. Wird ein Pole beim Diebstahl erwischt und wir haben dieses Vorurteil, so sehen wir uns sofort wieder bestätigt. Die anderen 100 Polen, denen wir begegnet sind und die nicht klauen, blenden wir einfach aus. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung geht ungefähr in die gleiche Richtung (Robert Merton 1948).

Doch diese Vorurteile haben nicht nur einen großen Einfluss auf das eigene Denken. Auch die anderen Menschen werden davon beeinflusst. Robert Rosenthal fand in den 60er Jahren heraus, dass Schüler dümmer werden, wenn Lehrer annehmen, dass sie dumm sind und Schüler schlauer werden, wenn Lehrer annehmen, dass sie schlau sind (Pygmalion-Effekt). Spätere Untersuchungen (z.B. L. Jussim / K. Harber 2005) konnten diese Effekte bestätigen, auch in anderen Arbeitskontexten z.B. Gerichtssälen (R. Rosenthal 2002). Diese Versuche machen noch einmal deutlich, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen in Kategorien gesteckt und dort nicht wieder rausgelassen werden.

1.3 Der IAT

„Die Geschichte lehrt dauernd, doch sie findet keine Schüler.“ Ingeborg Bachmann

Der Implizite Assoziationstest (IAT) ist ein Messverfahren in der Sozialpsychologie (nach Greenwald, McGhee und Schwartz).

Die Idee: Personen fällt es leichter, auf assoziierte Konzepte mit derselben Antworttaste anstatt mit einer entgegengesetzten Antworttaste zu reagieren.

Der erste IAT: Erscheint am Computer das Wort für eine Blume (z.B. Tulpe) oder ein positives Gefühl (z.B. fröhlich) drückt die Versuchsperson Taste A. Erscheint das Wort für ein Insekt (z.B. Wespe) oder ein negatives Gefühl (z.B. wütend) soll die Person Taste B drücken. Es wird jeweils die Zeit genommen. Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle Menschen diese Versuchsreihe schneller schaffen, als wenn Taste A mit „Blume“ und dem „negativen Gefühl“ belegt ist.

Taste A (Blume + positiv) Taste B (Insekt + negativ)

wird meist schneller gedrückt als

Taste A (Insekt + positiv) Taste B (Blume + negativ)