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Ein Ermittlerteam am Limit Kurz hintereinander werden in Krefeld und Düsseldorf zwei Drogentote gefunden. Das Obduktionsergebnis ist beunruhigend ähnlich: eine hohe Zahl künstlich manipulierter Hepatitis-Erreger. Bald werden weitere rätselhafte Todesfälle in der Region mit gefährlich mutierten Viren in Verbindung gebracht und Joshua Trempe ist überzeugt, dass jemand gezielt mit dem Leben von Menschen spielt. Doch Trempe muss an zwei Fronten kämpfen: Denn sein Freund und Teamkollege Jack Holsten leidet unter einer unheilbaren Krankheit – und seine einzige Hoffnung könnte ein Impfstoff sein, den Trempe in der Hand der skrupellosen Täter vermutet … Der dritte Band der Reihe um Trempe und sein LKA-Team, in der jeder Kriminalroman unabhängig gelesen werden kann. Für alle Fans von Daniel Holbe.
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Seitenzahl: 349
Über dieses Buch:
Kurz hintereinander werden in Krefeld und Düsseldorf zwei Drogentote gefunden. Das Obduktionsergebnis ist beunruhigend ähnlich: eine hohe Zahl künstlich manipulierter Hepatitis-Erreger. Bald werden weitere rätselhafte Todesfälle in der Region mit gefährlich mutierten Viren in Verbindung gebracht und Joshua Trempe ist überzeugt, dass jemand gezielt mit dem Leben von Menschen spielt. Doch Trempe muss an zwei Fronten kämpfen: Denn sein Freund und Teamkollege Jack Holsten leidet unter einer unheilbaren Krankheit – und seine einzige Hoffnung könnte ein Impfstoff sein, den Trempe in der Hand der skrupellosen Täter vermutet …
Über den Autor:
Erwin Kohl wurde 1961 in Alpen am Niederrhein geboren und wohnt noch heute mit seiner Frau in der herrlichen Tiefebene am Niederrhein. Neben der Produktion diverser Hörfunkbeiträge schreibt Kohl als freier Journalist für die NRZ / WAZ und die Rheinische Post. Grundlage seiner bislang 15 Kriminalromane und zahlreichen Kurzgeschichten sind zumeist reale Begebenheiten sowie die Soziologie der Niederrheiner und ihre vielschichtigen Charaktere.
Die Website des Autors: www.erwinkohl.de/
Bei dotbooks erscheint Erwin Kohls »Kommissar Trempe«-Reihe:»Kommissar Trempe – Zugzwang«
»Kommissar Trempe – Grabtanz«
»Kommissar Trempe – Flatline«
»Kommissar Trempe – Willenlos«
Auch bei dotbooks veröffentlichte Erwin Kohl seine humorvolle Krimireihe um »Grimm & Sohn« mit den Bänden:»Grimm & Sohn – Das kopflose Skelett«
»Grimm & Sohn – Der Tote im Heidesee«
»Grimm & Sohn – Das Hornveilchen-Indiz«
»Grimm & Sohn – Der tote Schornsteinfeger«
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eBook-Neuausgabe Juli 2024
Dieses Buch erschien bereits 2007 unter dem Titel »Flatline« im Gmeiner-Verlag.
Copyright © der Originalausgabe 2007 Gmeiner-Verlag GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com (frantic00) und Adobe Stock (sutichak)
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98952-156-8
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Erwin Kohl
Kommissar Trempe – Flatline
Kriminalroman
dotbooks.
Der Tag, an dem die Zeit ein Leben überholt,
ist der Tag,
an dem sie droht, stehen zu bleiben.
Wenn der Schmerz überwunden
und die Kraft zurückgekehrt ist,
wird auch die Zeit
angekommen sein.
Bettina Kohl
Buenos Aires. Thomas Stachinsky saß in einer kleinen Parilla in Puerto Madero, dem alten Hafen von Buenos Aires. Das Bife de Chorizo lag glänzend vor ihm auf dem Teller. Alpunto – zartrosa und saftig, so mochte er die Steaks der Angus-Rinder aus der nahen Pampa am liebsten. Vor fast zwanzig Jahren hatte er Deutschland den Rücken gekehrt. Damals hatte er sich noch Sorgen um seinen empfindlichen Magen gemacht. Er erinnerte sich noch heute an sein erstes Asado in La Boca, dem »italienischen« Viertel der Stadt. Staunend hatte er vor der riesigen Feuerstelle gestanden. Rundherum auseinandergeklappte und ausgenommene Rinder, die wie Windfänge um das Feuer schwebten. Sein Magen rebellierte. Erst nach drei Gläsern eines tiefroten und fruchtigen Malbec-Weines hatte der Hunger gesiegt. Seither wusste er das zarte Fleisch der Pampasrinder zu schätzen.
Stachinsky kaute lustlos an einem kleinen Stück Fleisch. Zwanzig lange Jahre wartete er nun bereits. Auf seinen einzigen Sohn – den er nur von Bildern kannte. Seinetwegen lebte er in Buenos Aires, seinetwegen wollte er nun zurück, ihn endlich in die Arme schließen nach der langen Zeit.
Ihm fehlte nichts, er führte ein Leben, um das man ihn in Deutschland beneiden würde. Stachinsky wohnte in einer kleinen Villa in Palermo. Im Stadtteil Barrio Norte. Hier lebten diejenigen, die es geschafft hatten, sich durch Korruption und windige Geschäfte in die Oberschicht der Stadt zu hieven, einträchtig neben Politikern und Bankern. Der Preis für die Freiheit war hoch, es schmerzte ihn damals.
Nachdenklich legte er einige Geldscheine auf den Tisch und verließ das Lokal. Die Dämmerung setzte allmählich ein, die breite Uferpromenade füllte sich. In Gedanken vertieft schlenderte Stachinsky Richtung Cordoba, Ecke Madero. Von hier aus wollte er mit dem Buquebus, einer Schnellfähre, nach Montevideo übersetzen. Es war die einzige Möglichkeit, noch heute einen Flieger nach Deutschland zu bekommen.
Lichter gingen an und hüllten die alten restaurierten Lastkräne im Hafen in seltsam anmutenden Glanz. Stachinsky dachte zurück. Markus war zwei Monate alt gewesen, als sie Helena in der Gosse gefunden hatten.
Sie hatten das Haus zwei Jahre zuvor verkauft, zusätzlich hohe Kredite aufgenommen für Helenas Therapie in der Schweiz. Ihre Rückkehr war gefeiert worden wie ein zweiter Geburtstag. Dann die Schwangerschaft, seine Beförderung. Klein und unscheinbar, aber immer deutlicher war das Licht am Ende des Tunnels zu sehen gewesen, bis zu diesem Tag. Als der Anruf der Bahnpolizei kam, hatte niemand damit gerechnet. Die Spritze lag noch neben ihr. Das Licht war erloschen.
Markus war damals mit einem schweren Herzfehler zur Welt gekommen. Die Chance, durch eine Operation in England sein Leben zu retten, wurde von seiner Krankenkasse als zu gering eingestuft. Für Thomas Stachinsky schien es nur diesen einen Weg zu geben.
Markus musste viermal am Herzen operiert werden. Er wuchs bei seinen Großeltern auf, die vor drei Jahren kurz hintereinander gestorben waren. Sein Sohn wohnte seitdem in einer WG. Stachinsky finanzierte ihm auch das Studium mit seinen regelmäßigen Schecks. Er war so stolz. Sein Sohn würde es schaffen, rauskommen aus dem Elend, in das er hineingeboren wurde. Er freute sich so sehr, dass er die Tage zählte, bis er ihn wiedersehen konnte. Vor drei Stunden wollte er seinen Besuch telefonisch ankündigen.
Sie nannte sich Rebecca, mehr nicht, und ihre Worte ließen sein Herz rasen. Als er den Namen seines Sohnes aussprach, begann ihre Stimme zu zittern. Vor zwei Tagen wollte er nachmittags noch einmal zur Universität gehen. Seitdem hatte ihn niemand mehr gesehen. Stachinsky konnte es nicht glauben. Letzte Woche hatte er seinem Sohn dieses Telefonat schriftlich angekündigt. Er musste zunächst zu Eduardo Perez, seinem Anwalt. Inklusive einer Sicherheitsfrist von drei Tagen hätte Stachinsky kommende Woche ausreisen können. Er musste es sofort riskieren, auf die Gefahr hin, zwanzig lange Jahre vergebens in Buenos Aires verbracht zu haben.
Noch einmal sah er seine Unterlagen durch. Das Ticket für den Direktflug nach Brüssel, vorsichtshalber, der argentinische Reisepass auf den Namen Alfredo Guthmann, alles war vorbereitet.
Einsam stand Stachinsky an der Kaimauer und blickte mit gesenktem Kopf in das schmutzige Wasser des Hafenbeckens. Die Nacht löschte seinen blassen Schatten. Seine Gedanken wurden immer dunkler, Stachinsky begann zu frieren. Das Geräusch der anlegenden Fähre am anderen Ende des Kais unterbrach den Albtraum. Er ballte die Fäuste, als wolle er der Verzweiflung, die sich zunehmend ausbreitete, drohen. Es konnte so viele gute Gründe für Markus' Verschwinden geben, redete er sich ein. Von Hoffnung getragen bestieg er die Fähre nach Montevideo.
Karl-Heinz Schmitz fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Der Krefelder Kommissar ließ sich nur äußerst ungern aus seinem Dezernat Wirtschaft locken. Aber einerseits konnte er seinem Behördenleiter kaum einen Wunsch abschlagen, andererseits war das Versprechen, anschließend Überstunden abzufeiern, verlockend. Drei Wochen Drogenfahndung für den beurlaubten Kollegen Winter, zweieinhalb waren bereits um. Zu Hause auf der Garagenauffahrt lagen seit gestern etliche Tonnen Sand und Grus. Daneben standen vier Paletten Pflastersteine. Die letzten drei Tage, so Kalles Vermutung, würde nichts mehr anbrennen. Kommende Woche würde er den unplanmäßigen Urlaub nutzen und endlich die alte Holzterrasse ersetzen.
Der Blick durch den Nieselregen in den Hinterhof der Dionysiusstraße förderte erste Zweifel zutage. Zwischen Schneematsch, der so schmutzig war wie die Pfützen, die er füllte, lag ein junger Mann in Jeanshose und kariertem Flanellhemd. Der auf gekrempelte rechte Ärmel und die Spritze neben seinem Bein sprachen für sich. Was die uniformierten Kollegen veranlasst hatte, die Kripo hierher zu bestellen, war zum einen der für einen Drogentoten ungewöhnliche Fundort und zum anderen die Tatsache, dass dieser keinerlei Papiere oder Bargeld bei sich trug. Kalle wollte gerade damit beginnen, diese Hindernisse gedanklich beiseitezuschieben, um den jungen Mann mit wenig Aufwand in die Statistik der Drogentoten zu verlagern, als er den zweifelnden Blick seines Kollegen wahrnahm. Friedhelm Bungert lief leicht mit dem Kopf schüttelnd um den Toten herum. Die wenigen grauen Haare hatte er hinten zu einem dünnen Zopf gebunden. Er kratzte dabei nachdenklich seinen kleinen Kinnbart.
»Den kenn ich nicht«, murmelte Bungert. Er beugte sich herunter und drehte mehrmals den entblößten Arm des Opfers.
»Kannst ja auch nicht jeden kennen«, gab Kalle lapidar zurück. Bungert blickte seinen Kollegen über die Schulter an und hob seine Augenbrauen.
»Ich bin über dreißig Jahre bei der Droge. Glaub mir, ich kenne sie alle.«
Kalle atmete tief durch. Über ihnen befand sich mittlerweile eine ganze Familie auf dem schmalen Balkon und war damit beschäftigt, es zufällig aussehen zu lassen.
»Der ganze Arm voller Einstiche, ein Neukunde ist das nicht gerade«, fuhr Bungert leise fort.
»Vielleicht ist er nicht von hier?«, Kalle zuckte hilflos mit den Schultern. Bungerts Kopfschütteln widerlegte seine Vermutung.
»Ein Junkie entfernt sich nicht sehr weit von seinem Dealer. Nee ...«, Bungert zögerte und richtete sich wieder auf, »irgendwas ist hier faul.«
Kalle verdrehte die Augen. Bungert quittierte diese Geste mit einer abfälligen Handbewegung.
»Wer hat ihn eigentlich gefunden?«
»Ein Vertreter. Steht da hinten bei den Kollegen.«
Kalle musterte den Mann verwundert. Er trug einen dunklen Nadelstreifenanzug unter schwarzem Lodenmantel. Die schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt, glänzten. Kalles Augen richteten sich auf die Sonnenbrille. Die Kollegen der Einsatzbereitschaft stellten ihn vor.
»Das ist Herr Krieger, er hat uns verständigt.«
Kalles Blick haftete immer noch auf der Sonnenbrille des Zeugen.
»Ich habe empfindliche Augen.«
Kalle nickte. Krieger zog eine Visitenkarte aus dem Jackett und reichte sie Kalle.
»B&M Insurance, bei uns sind Sie sicher. Übrigens«, er trat dicht vor Kalle, senkte seine Stimme, »unser jüngstes Angebot dürfte was für Sie sein. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Beamte, da reicht«, er wurde noch leiser, fast verschwörerisch, »ein kleiner Bandscheibenvorfall und schon kassieren Sie neben Ihrer Pension noch eine stattliche Zusatzrente.«
Kalle kam der Gedanke an die zunehmenden Rückenschmerzen, an die Krankengymnastik, vom Arzt verordnet und durch immer neue Ausreden verschoben. Der Berg mit den Pflastersteinen, die nach hinten geschleppt werden mussten, erschien vor seinem geistigen Auge. Er schob die Visitenkarte in die Gesäßtasche seiner Jeans.
»Wann haben Sie den Toten gefunden?«
»Gar nicht.«
Krieger klang leicht empört.
»Na schön, erzähle ich es noch einmal. Wir hatten abends eine Besprechung im Altstadt Eck. Auf dem Weg ins Hotel bin ich hier vorbeigekommen. Ich musste plötzlich ganz dringend pinkeln, da bin ich in diese Hofeinfahrt. Und da saß dieser Typ da hinten auf der Bank. Er kochte sich auf dem Löffel mit dem Feuerzeug ein Süppchen. Ich habe ihn freundlich gegrüßt, da fährt der mich sofort an. Verpiss dich, du Wichser, hat er gerufen. Ich bin sofort abgehauen.«
»Und haben die Polizei verständigt.«
»Soll ich mir das bieten lassen? Bei meinem Handy war der Akku leer, ich habe Ihre Kollegen vom Hotel aus verständigt.«
»Gut. Wir brauchen Ihre Aussage noch fürs Protokoll.
Wenn Sie im Laufe des Tages kommen könnten ...«
»Nicht nötig. Habe ich eben im Wagen Ihrer Kollegen gemacht. Ich reise heute ab. Ein Seminar. Falls Sie sich das mit der Versicherung noch mal überlegen, meine Nummer haben Sie ja.«
Während Bungert die Spurensicherung und einen Arzt herbeitelefonierte, sah Kalle sich um. Unter einem teilweise verrotteten Wellblechdach befand sich eine alte, gusseiserne Bank. Der Löffel und das Einwegfeuerzeug deuteten darauf hin, dass hier der letzte Schuss vorbereitet worden war. Er blickte in den wolkenverhangenen Krefelder Himmel. Der schmutzige Putz der hohen Wände, die diesem Hinterhof jede Fröhlichkeit raubten, war an vielen Stellen abgeblättert. Vereinzelt behaupteten Efeupflanzen ihr Dasein im brüchigen Beton des Hofes. Nach wenigen Metern verkümmerten sie zu dürren Zweigen an den Wänden. Kalle suchte den Boden nach Schleifspuren ab. Mittlerweile kamen auch ihm Zweifel. Er kannte die Gegend. Hier wohnten biedere Menschen. Arbeiterfamilien im Dreizimmerglück. Schule, Arbeit, Rente. Highlights gab es hier nicht viele. Jede noch so kleine Abwechslung würde man hier freundlich empfangen. Ein Fixer auf diesem Hinterhof wäre so auffällig wie ein Iglu in der Wüste. Aus dem Augenwinkel nahm er einen leuchtenden Farbtupfer wahr. Als er sich herumdrehte, lief Eugen Strietzel mit einem knappen Gruß an ihm vorüber. Die hellroten Haare des Gerichtsmediziners schienen die einzige Auflockerung dieses tristen Februarmorgens darzustellen. Mit einem kurzen Blickkontakt drängte er Bungert beiseite und inspizierte den Toten.
»Welcher Idiot hat die Einfahrt zugeparkt?«
Mit zwei Koffern in den Händen und einer Tasche unter dem Arm betrat Max Drescher den Innenhof, gefolgt von ebenfalls bepackten Kollegen der Spurensicherung. Missmutig baute er seine fast zwei Meter große, stämmige Figur vor Kalle auf und ließ die Koffer fallen. Kalle hatte nicht mit einem längeren Aufenthalt gerechnet und auf die Parkplatzsuche verzichtet. Er hatte Drescher selten mit guter Laune erwischt, aber heute übertraf der Spurensucher sich selbst.
»Goldener Schuss, sehe ich von hier aus!«
Kalle wirkte hilflos. Beinahe hatte er das Gefühl, er müsse Drescher anflehen, seine Arbeit aufzunehmen. Strietzel kam auf die beiden zu. Kalle beschlich eine unangenehme Ahnung.
»Tod durch Herzversagen, hervorgerufen durch ein Toxin. Ich vermute mal Heroin. Absolute Sicherheit wird zwar erst die Obduktion ergeben, aber ...«
Der Gerichtsmediziner winkte lässig ab und verabschiedete sich. Kalle wollte zu einer Frage ansetzen, als Eugen Strietzel bereits in der Durchfahrt verschwand. Der Doktor machte sich gerne persönlich ein Bild vom Tatort. Diesen Ort schien er nicht für einen solchen zu halten.
»Dann kann ich ja wieder verschwinden«, knurrte Drescher kopfschüttelnd. Als Bungert ihm seine Zweifel erklärte, nahm Drescher widerwillig die Arbeit auf. Der Fundort eines Drogentoten wurde immer erkennungsdienstlich behandelt, ebenso war die Obduktion in einem solchen Fall Formsache. Für gewöhnlich ließ Drescher aber bei solchen Gelegenheiten seine Assistenten zurück und widmete sich anderen Aufgaben. Bungert hatte es geschafft, den Ehrgeiz des kauzigen Kriminaltechnikers zu wecken. So benötigte er nur wenige Minuten, um eine erste Auffälligkeit zu entdecken.
Die Stimmung in der Wohnküche war gedrückt. Gunther Trempe goss seinem Sohn noch einen Kaffee ein, während er selbst Kamillentee trank. In einen dicken Frotteemantel gehüllt und mit einem Schal, den er mehrfach um den Hals gewickelt hatte, blickte er Joshua traurig an. Der Arzt hatte eine Grippe diagnostiziert und ihm absolute Bettruhe verordnet. Diese Untätigkeit war dem pensionierten Kriminalrat allerdings zuwider. Joshua kannte ihn sehr gut. Er ahnte, dass die Grippe nicht der Grund für seine Traurigkeit war.
»Wo ist Mutter eigentlich?«
Gunther Trempe lachte kurz und spöttisch. Joshua schien zielsicher den wunden Punkt getroffen zu haben.
»In der Scheune. Sie streicht die Wände. Der Heizungsmonteur war gestern hier, nächste Woche kommen die Fliesenleger.«
Joshua legte die Stirn in Falten. Er konnte sich den plötzlichen Aktionismus seiner Mutter nicht erklären.
»Der Speicher bietet ihr zu wenig Raum und Tageslicht. Ein Künstler braucht die Sonne, sagt sie. Nun will sie in der alten Scheune ein Atelier einrichten, sich selbst verwirklichen.«
Sein Vater sprach in einem Tonfall, als sei es etwas Unanständiges. Kurz vor der Hochzeit hatte seine Mutter ihr Kunststudium aufgegeben. Sein Vater war der Ansicht gewesen, Kunst sei nicht dazu geeignet, eine Familie zu ernähren. Da sie Kinder wollten, die nicht alleine aufwachsen sollten, durfte es nur einen Ernährer geben. Dies hatte, nach alter Väter Sitte, der Mann zu sein.
»Mensch, da hat Janine ihr vielleicht einen Floh ins Ohr gesetzt.«
Joshua stutzte. Wollte er Janine dafür verantwortlich machen?
»Sie hat doch nur gesagt, dass ihr Mutters Bilder gefallen.«
Am letzten Weihnachtstag hatte seine Mutter auf Drängen von Janine alte Bilder vom Speicher geholt, die sie gemalt hatte. Janine war außer sich vor Freude gewesen. Ein stilisierter Kugelstoßer hing seitdem bei ihnen im Wohnzimmer.
»Ja, und damit hat es angefangen. Seitdem bekomme ich sie nur noch bei den Mahlzeiten zu Gesicht. Im Sommer möchte sie eine Ausstellung in der Scheune machen.«
Joshua musste sich ein Grinsen verkneifen. Innerlich freute er sich für seine Mutter. Sie hatte sich nie beschwert, aber jeder wusste, wie sehr sie sich ein eigenes Atelier wünschte. Seinem Vater waren Umstellungen immer schon schwergefallen, aber letztlich meisterte er sie. Joshuas Blick fiel auf einen großen Stapel Akten auf dem Sideboard. Er wusste sofort, um was es sich handelte. Süffisant grinste er seinen Vater mit einem Fingerzeig auf den Aktenstapel an.
»Immer noch kein Hinweis?«
Gunther Trempe schürzte die Lippen. Seine Augen funkelten ihn an.
»Nein. Beruhige dich, nächste Woche schmeiße ich alles weg.«
»Ist es schon so weit?«
»Am Samstag sind die zwanzig Jahre um.«
Sein Vater sprach emotionslos. Joshua wusste aber, wie sehr es ihn mitnahm. Es war der letzte Fall in seiner Zeit als leitender Ermittler des Dezernates Kapitalverbrechen gewesen. Gunther Trempe und seine Kollegen hatten über Jahre die höchste Aufklärungsquote des Landes gehabt. Es sollte der einzige Fall werden, den sein Vater nicht aufklären konnte. Diese Tatsache und vor allem die Vorgehensweise des Täters nagten beständig an seiner Seele. Der Täter hatte vom Keller eines Nachbarhauses vermutlich in wochenlanger, mühseliger Arbeit einen Tunnel bis exakt unter den Tresorraum der Bank gegraben. Während der Nacht hatte er fast zwei Millionen D-Mark aus den Regalen geräumt. Der Tresorraum war absolut leer. Fast leer. Auf dem kleinen Edelstahltisch in der Mitte ließ der Täter einen Prospekt der Bank zurück.
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Obwohl der Täter sich nicht die geringste Mühe gemacht hatte, Spuren zu vermeiden, jagten sie ihn vergebens. Selbst ein mit Hilfe von zwei Zeugen angefertigtes Phantombild hatte nicht weitergeholfen. Wochenlang war die Polizei von den Medien verhöhnt worden. Als sein Vater pensioniert worden war, hatte er sich Kopien von allen den Fall betreffenden Akten mit nach Hause genommen. Immer wieder hatte er nach dem entscheidenden Fehler in der Ermittlungsarbeit gesucht. Es war wie eine Manie. In wenigen Tagen würde die Tat verjähren. Joshua fragte sich, ob sein Vater dann vergessen könnte.
»Wie geht es eigentlich Jack?«
Joshua hatte schon mit diesem Ablenkungsmanöver gerechnet. Seinem Vater kam es einer persönlichen Niederlage gleich, über die er nicht reden wollte. Er wusste, Joshua würde es nicht verstehen.
»Die Ärzte meinen, er hat sich in Thailand einen Virus eingefangen. Sie haben ihn in die Uniklinik verlegt.«
Die Sorge um seinen Freund und Kollegen Joachim
Holsten kam wieder hoch. Als er aus dem Urlaub kam, ging es ihm von Tag zu Tag schlechter. Hohes Fieber, Magenkrämpfe, beständiger Durchfall. Sein Hausarzt hatte ihn sofort ins Krankenhaus einliefern lassen. Seitdem verschlechterte sich sein Zustand dramatisch, ohne dass die Ärzte einen Grund dafür feststellen konnten.
Joshua sah auf die Küchenuhr an der Wand hinter seinem Vater. Für elf Uhr hatte sich eine Ärztin vom Institut für Rechtsmedizin angekündigt. Bei der Obduktion eines Drogentoten, den ein Spaziergänger in der Nähe des Düsseldorfer Schwanensees gefunden hatte, gab es einen seltsamen Befund. Die ermittelnde Dienststelle hat das Landeskriminalamt um Mithilfe gebeten. Karin Seitz und Daniel van Bloom waren zwar im Dienst, aber Joshua wollte unbedingt dabei sein. Offiziell, weil er Jack während dessen Krankheit vertrat, aber das war es nicht. Seit einem halben Jahr wälzte er angestaubte Akten, bearbeitete liegengebliebene Fälle. Es kribbelte in seinen Fingern, tief in seinem Innern hoffte er auf einen neuen Fall.
»Den hat jemand dort abgelegt!«
Max Drescher hegte nicht die geringsten Zweifel. Der Senior im Team der Spurenermittler hatte in seiner langen Karriere schon viele Mordopfer zu Gesicht bekommen.
»Der linke Arm lag unter seinem Rücken. So kann er nicht hingefallen sein. Selbst im Todeskampf funktionieren grundlegende Körperreflexe. Die Arme fahren aus, um den Sturz zu mildern, ob man will oder nicht.«
Drescher unterstützte seine Worte mit ausschweifenden Gesten. Kalle sah ihn nachdenklich an.
»Schleif- oder Fußspuren konnten wir nicht sicherstellen. Das Wetter war ausgesprochen ungünstig. Der Schnee, auf dem sich die Spuren vermutlich befanden, war ja bereits geschmolzen. Bleibt noch abzuwarten, was die Untersuchung des Bestecks bringt, vielleicht bekommen wir da wenigstens ein paar brauchbare Fingerabdrücke.«
Bungert kritzelte auf seine Schreibtischunterlage. Kalle dachte an den Morgen zurück. Alle Nachbarn waren befragt worden, niemand hatte in der Nacht etwas gesehen oder gehört. Kollegen hatten sich in der Szene umgehört und V-Männer befragt. Niemand kannte die Person auf dem Foto. Das Bild des Toten ging vor wenigen Minuten an sämtliche Polizeidienststellen des Landes. Seine Fingerabdrücke waren nicht in der Kartei. Das Ergebnis der DNA-Untersuchung stand noch aus. Es war ungewöhnlich, dass ein Junkie noch niemals erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die Spezialisten der Rechtsmedizin hatten bereits einen Zahnabgleich gemacht, der in der kommenden Woche in einem Fachblatt der Zahnärzte veröffentlicht werden würde, falls die Identität des Toten bis dahin noch unbekannt wäre. Kalle schaltete den Monitor ein, um die Vermisstendatei zu durchsuchen, als Eugen Strietzel anrief.
»Todesursache war eine Atem- und Kreislaufdepression als Folge eines allergischen Schocks. Nichts Außergewöhnliches bei einer derartigen Intoxikation ...«
»Moment«, unterbrach Kalle den Gerichtsmediziner, »du willst damit sagen, er ist an einer Überdosis Heroin gestorben?«
»Heroin lässt sich nicht nachweisen, es wird im Körper in Morphine umgewandelt. Davon war er allerdings voll bis in die Haarspitzen. Letztendlich ist er an einer Überdosierung gestorben. Ob es Heroin oder etwas anderes war, kann ich nicht mehr feststellen.«
»Wir haben es also mit einem toten Junkie zu tun.«
»Auch das kann ich nicht bestätigen. Das Opfer kann genauso gut erst seit vier Tagen Drogen konsumiert haben, der Befund wäre derselbe. Ebenso verhält es sich im Übrigen nach einer Schmerztherapie mit Morphium. Dafür gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt.«
Bungert, der das Gespräch mitbekommen hatte, nickte zustimmend.
»Noch etwas: Wir haben das Opfer routinemäßig auf Hepatitis A und B untersucht und dabei eine überraschende Entdeckung gemacht. In seinem Blut haben wir das HBe-Antigen in großen Mengen entdeckt. Diese Tatsache und die enorm hohe Virämie deuten auf einen äußerst hohen Befall mit Hepatitis-B-Viren hin. Gewebeproben haben allerdings ergeben, dass keinerlei Schädigung der Leber vorliegt. Das ist eigentlich unmöglich. Ich habe bereits eine Probe zur Virologie der Uniklinik gebracht.«
Kalle konnte den Sinn nicht verstehen. Sie hatten es definitiv mit einem Drogentoten zu tun. Ob dieser nun vorher an Hepatitis erkrankt war oder nicht, war ihm völlig egal.
»Wie geht es Jack?« Karin, die von zwei Stapeln Akten umgeben, an ihrem Schreibtisch saß, klang besorgt.
Joshua zuckte hilflos mit den Schultern. Er hatte sich den Vormittag freigenommen, um Jack zu besuchen. Er atmete tief durch, bevor er zur Antwort ansetzte.
»Unverändert. Irgendein unbekannter Virus. Man hat ihn in die Uniklinik verlegt.«
Joshua ging um Daniel herum, der ein Foto in der Hand hielt. In den Augen seines Kollegen erkannte Joshua Zweifel.
»Sieht so ein Junkie aus?«
Joshua betrachtete das Bild genauer. Der junge Mann war dezent gekleidet. Seine Brille sah nicht gerade nach einem preiswerten Kaufhausmodell aus. Die dunklen Punkte auf seinem rechten Unterarm wirkten auffällig. Joshua erinnerte sich an die Zeit nach der Ausbildung. Für sechs Monate musste er zur Drogenfahndung. Es war die schlimmste Zeit in seinem Leben gewesen. Damals hatte er häufig Drogentote zu Gesicht bekommen. Sie waren ausgemergelt, heruntergekommen. Die Qualen der letzten Wochen, Monate und oft Jahre hatten sie wie eine Maske auf ihrem Gesicht getragen. In ihrem Erscheinungsbild unterschieden sie sich meist nur geringfügig von Obdachlosen. Er erinnerte sich an die Ausbildung. Einer seiner Lehrer reichte im Unterricht ein Werbeplakat der Firma Bayer aus dem Jahr 1900 herum. Darauf wurde für das Medikament »Heroin« geworben. Die Droge galt damals als probates Hustenmittel.
»Lasst euch nicht täuschen«, meldete Karin sich zu Wort. Die Kommissarin wirkte in ihrem dicken schwarzen Wollpullover und der Jeans fast ein bisschen burschikos, »der Befund der Gerichtsmedizin spricht eine deutliche Sprache. Klarer Fall von Überdosis. Sein Körper ist bis unter die Fingernägel voll Dope.«
Mit dem Zeigefinger der rechten Hand trommelte sie dabei auf einem Schnellhefter herum. Joshua sah die Kollegin mit gerunzelter Stirn an.
»Kam heute Morgen herein. Die Frau Doktor kommt aber gleich.«
Joshua ließ sich grübelnd hinter seinem Schreibtisch nieder. Was konnte die Kollegen von der Kripo veranlasst haben, das LKA mit einzubeziehen?
»Haben wir die Identität?«
»Ja«, Daniel blickte ihn an, »Markus Stachinsky, Student. Wohnhaft in der ›WG Café‹, Aderstraße.«
»Habe ich doch schon mal gehört...«
»Deutschlands größte WG. Ein pfiffiger Unternehmer hat die Gebäude von Auto Becker für kleines Geld gemietet und diese WG gegründet«, Daniel van Bloom durchforstete bei jedem neuen Fall zunächst das Internet. Zu Hause war der Börsenfreak rund um die Uhr im Netz. Er verfügte mittlerweile über ein millionenschweres Portfolio. Obwohl ein Makler während seiner Abwesenheit alles für ihn regelte, konnte er es sich nach eigenen Angaben nicht leisten, Kursschwankungen zu versäumen.
»In dieser WG leben übrigens nicht nur Studenten, sondern auch Ärzte, Rechtsanwälte und Hartz IV-Empfänger.«
Joshua wollte noch nachhaken, als es an der Tür klopfte.
»Judith Vanderheyden, schönen guten Morgen.«
Wie ein fröhlicher Vorbote des Frühlings stand die Ärztin vor ihnen. Sie trug einen Pullover mit der Farbenvielfalt eines Regenbogens, der ihren schlanken Körper betonte. Die hellblonden Haare zu einem Zopf gebunden, strahlte sie ihre Zuhörer aus einem Meer von Sommersprossen an. Karin blickte ihr bewundernd in die Augen. Es war der Ermittlerin schier unerklärlich, woher diese Frau nach der Obduktion eines Drogentoten ihre anscheinend unbekümmerte Heiterkeit nahm. Mit einer Armbewegung bot sie ihr den Besucherstuhl an. Die Medizinerin bedankte sich kurz. Ihr Gesichtsausdruck wurde von einem Augenblick zum nächsten ernst.
»Entschuldigen Sie meine Verspätung. Ich wollte mich vorher noch mit dem Kollegen Strietzel absprechen. Er kann leider nicht persönlich kommen, ein Gerichtstermin.«
»Macht doch nichts.«
Die Antwort von Daniel kam überhastet. Eine leichte Röte breitete sich auf seinen Wangen aus. Judith Vanderheyden deutete ein Grinsen an und fuhr fort.
»Also ... Todesursache war, wie sie meinem Bericht bereits entnehmen konnten, eine Atem- und Kreislaufdepression. Diese war Folge einer Vergiftung, die wiederum einen allergischen Schock auslöste. Um es vereinfacht auszudrücken: Der junge Mann ist mit großer Wahrscheinlichkeit an den Folgen einer Überdosierung gestorben. Art und Zusammensetzung der Droge können wir nicht mehr feststellen.«
Judith Vanderheyden machte eine kurze Pause und gab ihren Zuhörern Gelegenheit für Zwischenfragen.
»Ich tippe mal auf Heroin«, reagierte Joshua sofort.
»Möglich. Chemische Prozesse wandeln Heroin aber direkt nach Einnahme in Morphin um. Eigentlich über einen Zwischenschritt, aber das würde jetzt zu weit führen. Jedenfalls lässt sich Heroin nicht im Körper nachweisen.«
Joshua konnte sich nicht vorstellen, warum der goldene Schuss eines Junkies sie vor größere Probleme stellen sollte. Es wäre ein Fall für die Mordkommission, falls überhaupt Anhaltspunkte für ein Gewaltdelikt vorlägen. Das unauffällige äußere Erscheinungsbild wertete der Ermittler nicht als Indiz. Es gab Ärzte, die über Jahrzehnte starke Drogen konsumierten, ohne auffällig zu werden. Die Gerichtsmedizinerin schien seine Gedanken erraten zu haben.
»Und nun zum Grund meines Besuches. Im Körper des Toten haben wir eine hohe Menge an Hepatitis-B-Erregern nachgewiesen. Bei Drogenabhängigen nichts Ungewöhnliches. Die Erreger werden meistens über gemeinsam genutzte Spritzen übertragen. Die enorme Konzentration der HBV-DNA im Blut spricht eindeutig für eine Leberinfektion. Das Organ scheint allerdings in keiner Weise angegriffen. Zumindest nach den vorläufigen Untersuchungen.«
Wieder machte die Ärztin eine kurze Pause. Karin, die bis dahin gedankenversunken kleine Männchen auf ihre Unterlage gemalt hatte, konnte das Ungewöhnliche daran nicht erkennen.
»Vielleicht hat er sich die Erreger kurz vor seinem Tod eingefangen, ich meine, vielleicht konnte die Krankheit gar nicht mehr ausbrechen.«
Judith Vanderheyden erstickte Karins Ansatz mit einem leichten Kopfschütteln bereits im Keim.
»Dazu hätte er die Viren löffelweise zu sich nehmen müssen, übertrieben ausgedrückt. Eine derart hohe Konzentration entsteht nur, wenn die Viren an Wirtszellen andocken und sich so vermehren können. Eine natürliche, orale Aufnahme in dieser Größenordnung ist unmöglich.
Selbst zehn an Hepatitis B erkrankte Patienten in einem Zimmer würden diese Menge nicht abgeben können. Aber selbst, wenn ihm diese Viren künstlich zugefügt worden wären, stünden wir vor dem Rätsel, warum die Leber nicht infiziert ist. Das körpereigene Immunsystem zerstört befallene Zellen. Wir hätten also in jedem Fall Rückstände dieser Zellen entdecken müssen.«
Joshua konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, ein medizinisches Rätsel zu lösen. Für ihn war einzig entscheidend, ob es sich um ein Gewaltverbrechen handelte oder nicht. Er konnte immer noch nicht verstehen, warum die Kollegen das LKA um Mithilfe gebeten hatten.
»Das ist schon merkwürdig genug«, fuhr die Gerichtsmedizinerin fort, »aber es kommt noch dicker. Ich habe mich heute Morgen mit dem Kollegen Strietzel unterhalten. Er hat gestern Abend einen Drogentoten aus Krefeld obduziert. Dieser weist exakt denselben Befund auf.«
Karin lag die Frage auf der Zunge, wie so etwas möglich sei. Die Antwort konnte sie sich denken.
Luxemburg. Die Mittagssonne hüllte den Place de la Constitution in gleißendes Licht. Ihr fehlte aber die Kraft, die Menschen aus ihren dicken Wintermänteln zu treiben. Ebenso wenig schaffte sie es, den Frost aus seinem Herzen zu jagen, die eisigen Gedanken zu schmelzen und Hoffnung freizulegen. Thomas Stachinsky saß auf einer Bank oberhalb der Petruskasematten. Sein leerer Blick endete an der Pont Adolphe, ohne die alte Brücke, die wie ein steinerner Arm das Petrustal überragte, wahrzunehmen.
Während des langen Fluges von Montevideo nach Brüssel hatten Zweifel an dem letzten Rest Zuversicht genagt, den er versuchte aufrechtzuerhalten. Nur kurz, für eine halbe Stunde, war es Stachinsky gelungen zu schlafen. Ein Traum hatte dafür gesorgt, die Sorgen zu vertreiben. Ein Traum, in dem sich in der Luft ihre Wege kreuzten. Markus hatte sich spontan dazu entschlossen, seinen Vater zu besuchen. Er hatte es niemandem erzählt, es sollte eine Überraschung werden.
Eine Stewardess brachte das Frühstück – die Zweifel kehrten zurück. Wie mächtige, dunkle Mauern umschlossen sie seine Gedanken. Als Stachinsky die alten Gemäuer des Brüsseler Flughafens verließ und in den Mietwagen gestiegen war, hatten die Freude auf das Wiedersehen mit seinem Sohn und eine Riesenportion Hoffnung die Zweifel und Ängste in den Hintergrund gedrängt. Er glaubte, hysterisch zu reagieren, zwang sich zu Optimismus. Kurzentschlossen fuhr er zuerst nach Luxemburg, um seiner Bank einen Besuch abzustatten. Stachinsky wollte seinem Sohn nicht mit leeren Händen gegenüberstehen.
Vor wenigen Minuten hatte Stachinsky in der Wohngemeinschaft seines Sohnes angerufen. Er stand auf, legte seinen Kopf in den Nacken und atmete schwermütig die kalte Winterluft ein. Vor ihm ragte der Obelisk in den Himmel, auf dessen Spitze die Gelle Fra thronte. Sie sollte an das Leid der Luxemburger während der Weltkriege erinnern. Ihr Antlitz gesenkt, schien sie ihm einen tröstenden Blick zuzuwerfen.
Ein junger Mann verband ihn mit Rebecca, als ob sie die Freundin seines Sohnes wäre. Ihre Stimme klang kraftlos, leise. Es waren Worte, die sie nicht aussprach, Sekunden des Schweigens, die seine Hoffnung zerstören sollten. Markus habe oft von ihm gesprochen, wolle ihn unbedingt wiedersehen, seinen Vater umarmen und ihm für alles danken, versuchte sie ihn aufzubauen. In einer kurzen Pause fragte er sie fast flehend nach seinem Sohn. Eine unendlich lange Stille drang an sein Ohr. Stille, die sich wie ein Donnerhall in seiner Seele ausbreitete. Mit den Worten, sie wolle nicht am Telefon darüber reden, beendete sie das Gespräch. Stachinsky wurde es kalt. Seine Hände begannen zu zittern, als er zum Parkplatz lief.
Joshua drehte sich Spaghetti auf die Gabel, als er Elmar Seifert an der Theke entdeckte. Sie hatten sich in der Kantine der »Festung«, wie das Polizeipräsidium am Fürstenwall unter Kollegen hieß, verabredet. Daniel war unterwegs nach Krefeld, um von den dortigen Kollegen Rückschlüsse auf einen eventuellen Zusammenhang der beiden Todesfälle zu erhalten. Karin wollte mit dem Staatsanwalt die weitere Vorgehensweise absprechen.
Seifert brachte einen Thunfischsalat und zwei Pizzabrötchen mit. Er verrichtete seit zwanzig Jahren seinen Dienst beim KK 11, Todesermittlung. Sie hatten sich vor vier Jahren kennengelernt, als Joshua zu einer Mordkommission nach Düsseldorf beordert wurde. Joshua blickte sein Gegenüber an und fragte sich, ob das glänzende Schwarz seiner Haare echt wäre.
»Also?«, fragte Joshua und trank einen Schluck Mineralwasser. In Seiferts Mund verschwand ein Streifen grüner Paprika. Er strich mit einer Serviette über seine Lippen und kam zur Sache.
»Ich war gestern bei den Kollegen der Droge. Kein Mensch im KK 34 kennt unseren Kunden. Wir haben sein Bild bei unseren V-Leuten herumgereicht, negativ.«
Herausfordernd sah Seifert Joshua in die Augen. Die Pupille seines linken Auges schien auf seine Nasenspitze gerichtet. Die Folge eines Unfalles vor zehn Jahren. In seinem Oberlippenbart hingen Brotkrümel.
»Ihr glaubt also nicht, dass dieser Stachinsky ein Junkie war?«
Seifert vertilgte ein halbes Pizzabrötchen, während er Joshua kopfschüttelnd ansah.
»Markus Stachinsky, 22 Jahre alt, Medizinstudent im fünften Semester«, referierte Seifert, »wir haben uns in der WG umgehört, in der er wohnte. Kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Frauen. Stattdessen jeden Tag auf seinem Rennrad unterwegs. Ein Auto brauchte er nicht. Der Junge war schon auffällig unauffällig. Selbstredend auch keine Vorstrafen.«
Joshua zog ein Päckchen Tabak aus der zerkratzten Lederjacke. Nach einem strengen Blick seines Kollegen steckte er es wieder zurück.
»Was ist mit den Eltern?«
Seifert atmete tief durch.
»Vielleicht der einzige kleine Hinweis. Seine Mutter ist kurz nach der Geburt an einer Überdosis Heroin gestorben. Sein Vater lebt in Argentinien. Wir haben im Zimmer des Opfers einen Stapel Briefe von ihm aus Buenos Aires gefunden und ein Fotoalbum. Unsere Leute gehen die gerade durch. Ansonsten scheint es keine Verwandten zu geben. Auch sonstige Bezugspersonen außerhalb der WG schien er nicht gehabt zu haben.«
Sie schwiegen sich einige Sekunden nachdenklich an. Joshua spielte gedankenverloren mit seinem Zippo. Ihm fiel der Obduktionsbericht ein.
»Das Opfer war bis unter die Fingernägel voll Dope«, Joshua breitete erklärend die Arme aus.
»Ja, ich habe den Bericht auch gelesen. Aber das Zeug bekommst du nicht beim Bäcker. Joshua, ich will nicht behaupten, dass wir jeden Junkie und jeden Dealer in der Stadt kennen, aber einer wie Stachinsky wäre aufgefallen. Abgesehen davon: Wir haben Kontoauszüge gefunden, sein Erzeuger hat ihm 800 Euro im Monat überwiesen. Genug zum Leben, aber zu wenig für eine Drogenabhängigkeit.«
»In Ordnung. Dann habt ihr eben einen astreinen Mordfall. Aber was haben wir damit zu tun?«, antwortete Joshua fast ein bisschen trotzig.
Seifert schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und schnellte nach vorne. Mit stechenden Augen sah er Joshua an.
»Einen astreinen Mordfall? Scheiße! Einen Dreck haben wir! Tod durch Überdosis, an der Spritze nur seine Fingerabdrücke. Nicht den Hauch eines Hinweises auf Fremdverschulden. Ein toter Junkie, der keiner war, da verwette ich meinen Hintern drauf. Außerdem voller Viren ohne entsprechende Erkrankung und nicht die leiseste Ahnung, warum das so ist. Und der Hammer: Er scheint einen Zwilling zu haben. Zu dem Krefelder Opfer gibt es exakt den gleichen Obduktionsbericht. Ich habe die Kollegen dort angerufen. Das Opfer ist in der Drogenszene ein unbeschriebenes Blatt.«
Seifert pumpte Luft aus den Wangen und ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken.
»Joshua, ich gebe zu, wir wissen nicht weiter. Darum haben wir euch eingeschaltet.«
Während Seifert zwei Kaffee holte, dachte Joshua noch einmal über die letzten Sätze nach. Es gab keinen Grund, die Argumentation seines Kollegen anzuzweifeln. Ebenso wenig gab es einen Anhaltspunkt für ein Verbrechen. Was sie bisher hatten, waren lediglich Spekulationen und Ungereimtheiten. Seifert stellte stumm einen Becher Kaffee vor ihm ab und nahm wieder Platz.
»Was sagt denn euer Staatsanwalt?«
Seifert rümpfte die Nase. Statt zu antworten, füllte er zunächst Milch in seinen Kaffee. Danach hob der Kommissar langsam den Kopf, Joshua wurde ungeduldig.
»Er gibt uns noch bis zum Wochenende Zeit, was Brauchbares abzuliefern, danach wird die Akte geschlossen.«
Joshua biss sich auf die Lippen. Einen Tag und der Rest von heute, nicht gerade viel. Allerdings gab es noch einen Joker. Viola Lubjuhn, Staatsanwältin in Krefeld. Wenn ihr Fall wirklich ähnlich gelagert war, hätte sie die Möglichkeit, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Karins Gesichtsausdruck passte nicht zur Wintersonne, die kräftig genug war, Schneereste des Vormittages zu schmelzen. Als Joshua ihr Büro betrat, sah er seine Kollegin fragend an.
»Wenn das alles ist, Frau Seitz, sehe ich keine Veranlassung, Ressourcen für diesen Fall bereitzustellen«, imitierte sie die Stimme des Staatsanwaltes. Joshua verdrehte die Augen, während er sich hinter seinem Schreibtisch verschanzte. Als Grund für die mangelnde Motivation des Staatsanwaltes vermutete er den aktuellen Fall. Seit über einem Jahr wurden in unregelmäßigen Abständen Geldautomaten bei Banken und Sparkassen auf spektakuläre Weise geplündert. Die Täter, mittlerweile wusste man von mindestens zwei tatbeteiligten Personen, sprengten die Automaten kurzerhand in die Luft. Letzten Montag wurde bei einem solchen Überfall ein Kunde der Bank schwer verletzt. Der Druck der Medien auf die Staatsanwaltschaft erhöhte sich von Tag zu Tag.
Joshua berichtete ihr von seinem Gespräch mit Elmar Seifert, ohne allerdings seine eigene Bewertung dazu abzugeben. Karin nickte zwischendurch.
»Man hat uns die Ermittlungsakte gebracht, während du in der Festung warst. Die Krefelder haben ebenfalls eine Kopie bekommen. Vielleicht hängen die Fälle ja tatsächlich zusammen.«
Joshua hob hilflos die Schultern, als Elmar Seifert anrief.
»Wir haben beim Einwohnermeldeamt nachgeforscht. Der Vater des Jungen heißt Thomas Stachinsky, geboren am 20. August 1959, Wohnort unbekannt. Die Briefe von ihm, die wir in dem Zimmer des Opfers gefunden haben, wurden alle in Buenos Aires abgestempelt, der letzte vor drei Wochen.«
»Dann sollten wir diesen Thomas Stachinsky so schnell wie möglich kontaktieren.«
»Das liebe ich so am LKA. Dort arbeiten wirklich die intelligentesten Köpfe der Polizei.« Seifert machte eine kurze Pause, »vor fünf Minuten kam die Antwort von den Kollegen aus Buenos Aires. Einen Thomas Stachinsky gibt es dort nicht.«
Kalle schluckte nervös. Er fühlte sich selten so mies wie in diesem Augenblick. Das große Wohnzimmer der Familie Schönfeld im Krefelder Ortsteil Linn wirkte kalt und gespenstisch ruhig. Einzig das gelegentliche Schluchzen der Gastgeberin durchbrach die Stille. Die Polizisten hatten sein Bild in der Vermisstenkartei entdeckt. Zwei Tage vor Patricks Tod war die Anzeige der Eltern von den Kollegen aufgenommen worden.
»Woran ist unser Sohn gestorben?«
Die Augen von Peter Schönfeld waren feucht, seine Lippen bebten. Das war die Frage, die Kalle gefürchtet hatte, seitdem sie vor wenigen Minuten los gefahren waren. Er brachte es nicht fertig, den verzweifelten Eltern das Obduktionsergebnis mitzuteilen. Bedrückt senkte er den Kopf und hoffte inständig, es möge bald vorbei sein.
»Bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch«, eilte Friedhelm Bungert ihm zu Hilfe, »hat Ihr Sohn Drogen konsumiert?«
Peter Schönfelds gequälter Gesichtsausdruck schlug in Entsetzen um. Frau Schönfeld verschluckte sich und hustete heftig. Kalle fasste seinen gesamten Mut zusammen und nutzte die kurze Pause.
»Wir haben leider Grund zu der Annahme, dass Ihr Sohn an einer Überdosis Rauschgift gestorben ist.«
Bungert warf ihm einen staunenden Blick zu und atmete tief durch.
»Nein!« Ihre Stimme hatte eine durchdringende Schärfe. Mit eisigen Augen sah sie die Ermittler an.
»Das ist unmöglich«, setzte sie bestimmt hinzu. Die Polizisten tauschten einen kurzen Blick.
»Leider deutet alles darauf hin«, antwortete Kalle mit leiser Stimme. Peter Schönfeld nahm die Hand seiner Frau und hielt sie fest. Fast unmerklich bewegte er den Kopf hin und her.
»Hören Sie«, sagte er kurz darauf gefasst, »es muss sich um einen Irrtum handeln. Unser Sohn trinkt, ich meine«, er schluckte, »trank keinen Alkohol, rauchte nicht und trieb Sport. Er ernährte sich als Medizinstudent gesundheitsbewusst.«
»Ich musste seinetwegen unsere Küche auf vollwertige Ernährung umstellen«, unterbrach ihn seine Frau unter Tränen.
»Hatte er denn irgendwelche Feinde?«
In diesem Augenblick kam es Kalle zum ersten Mal so vor, als steckten sie in einer Mordermittlung.
»Feinde? Patrick und Feinde? Nein, er war überall sehr beliebt, hatte viele Freunde.«
Kalle erinnerte sich an die Worte seines Kollegen am Tatort, an Max Dreschers Meinung und den Bericht von Eugen Strietzel. Sie standen vor einer Wand aus Widersprüchen. Lediglich der Obduktionsbericht deutete noch auf den Drogentod eines Junkies. Aber da gab es noch etwas. Ein weiteres loses Puzzleteilchen zu diesem Fall.
»Im Körper Ihres Sohnes befand sich eine große Menge an Hepatitis-B-Erregern. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Kalle versuchte, sich in die Lage der Eltern zu versetzen. In ihren Gesichtern stand eine Mischung aus Trauer, Ungläubigkeit und Entsetzen. Noch vor wenigen Minuten hatten sie ihnen hoffnungsfroh die Tür geöffnet. Der Optimismus, der dieses Haus mit jeder Minute des bangen Wartens ein kleines Stückchen verlassen hatte, schien durch den Besuch der Beamten in Form von grenzenloser Zuversicht zurückgekehrt. Nun war es seine Aufgabe, die Eltern des toten Patrick mit der unbarmherzigen Realität zu konfrontieren.
Frau Schönfeld zögerte. Verängstigt suchte sie den Blickkontakt zu ihrem Mann. Peter Schönfeld schloss die Augen und senkte traurig sein Haupt, bevor er schließlich antwortete.
»Wie viele Hiobsbotschaften haben Sie denn noch für uns. Patrick war kerngesund. Sagen Sie mal, wie kommen Sie überhaupt auf diese abstrusen Verdächtigungen?«
»Das hat die Obduktion ergeben ...«, Bungert konnte seinen Satz nicht mehr beenden. Peter Schönfeld sprang mit einem Ruck auf und schrie die Ermittler an.
»Sie haben unseren Sohn obduzieren lassen? Ohne unser Einverständnis? Und dann kommen Sie erst jetzt zu uns?«
»So beruhigen Sie sich doch, Herr Schönfeld«, Bungert deutete ihm mit einer beschwichtigenden Armbewegung an, sich wieder hinzusetzen, »man hat Ihren Sohn auf einem Hinterhof gefunden. Neben ihm lag eine Spritze, in seinem Arm befanden sich Einstichpunkte. In diesem Fall ist eine Obduktion Vorschrift. Wir konnten Sie nicht früher verständigen, weil Ihr Sohn keinerlei Ausweispapiere bei sich trug.«
Peter Schönfeld setzte sich stumm auf seinen Stuhl zurück. Frau Schönfeld legte ihre Hand auf die ihres Mannes. Es vergingen zwei Minuten des Schweigens, ehe Peter Schönfeld mit verhaltener Stimme das Wort ergriff.
»Es mag für Sie unglaublich klingen, aber ich versichere Ihnen, dass unser Sohn weder krank noch drogenabhängig war. Wir hatten ein ausgezeichnetes Verhältnis. Patrick war nicht nur mein Sohn, er war auch ...«, seine Stimme wurde brüchig, »mein Freund.«
»Vielleicht ist er irgendwo reingeraten. Hat er sich in der letzten Zeit verändert?«