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Eine Verbrechensserie, die das Sondereinsatzteam an seine Grenzen bringt … Der brutale Mord an einem Polizisten erschüttert Düsseldorf. Der Hauptverdächte ist schnell gefasst, doch trotz eindeutiger Zeugenaussagen leugnet er die Tat. Und weder gibt es ein Motiv noch eine nachvollziehbare Verbindung zwischen Täter und Opfer. Als Kommissar Joshua Trempe von ähnlich schockierenden Fällen erfährt, in denen die die Festgenommenen sich an nichts erinnern, muss das LKA-Team um den Kommissar unter Hochdruck ermitteln. Denn jeder könnte der nächste Täter sein – und niemand scheint mehr sicher … Der spannungsgeladene Abschlussband der Reihe um Kommissar Trempe und sein LKA-Team, in der jeder Kriminalroman unabhängig gelesen werden kann.
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Seitenzahl: 350
Über dieses Buch:
Der brutale Mord an einem Polizisten erschüttert Düsseldorf. Der Hauptverdächte ist schnell gefasst, doch trotz eindeutiger Zeugenaussagen leugnet er die Tat. Und weder gibt es ein Motiv noch eine nachvollziehbare Verbindung zwischen Täter und Opfer. Als Kommissar Joshua Trempe von ähnlich schockierenden Fällen erfährt, in denen die die Festgenommenen sich an nichts erinnern, muss das LKA-Team um den Kommissar unter Hochdruck ermitteln. Denn jeder könnte der nächste Täter sein – und niemand scheint mehr sicher …
Über den Autor:
Erwin Kohl wurde 1961 in Alpen am Niederrhein geboren und wohnt noch heute mit seiner Frau in der herrlichen Tiefebene am Niederrhein. Neben der Produktion diverser Hörfunkbeiträge schreibt Kohl als freier Journalist für die NRZ / WAZ und die Rheinische Post. Grundlage seiner bislang 15 Kriminalromane und zahlreichen Kurzgeschichten sind zumeist reale Begebenheiten sowie die Soziologie der Niederrheiner und ihre vielschichtigen Charaktere.
Die Website des Autors: www.erwinkohl.de/
Bei dotbooks erscheint Erwin Kohls »Kommissar Trempe«-Reihe mit den Bänden:»Kommissar Trempe – Zugzwang«
»Kommissar Trempe – Grabtanz«
»Kommissar Trempe – Flatline«
»Kommissar Trempe – Willenlos«
Auch bei dotbooks veröffentlichte Erwin Kohl seine humorvolle Krimireihe um »Grimm & Sohn« mit den Bänden:»Grimm & Sohn – Das kopflose Skelett«
»Grimm & Sohn – Der Tote im Heidesee«
»Grimm & Sohn – Das Hornveilchen-Indiz«
»Grimm & Sohn – Der tote Schornsteinfeger«
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eBook-Neuausgabe August 2024
Dieses Buch erschien bereits 2008 bei Gmeiner unter dem Titel »Willenlos«.
Copyright © der Originalausgabe 2008 Gmeiner-Verlag GmbH, Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com (telesniuk) und Adobe Stock (wildman, Phongphan Supphakank)
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-98952-165-0
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Erwin Kohl
Kommissar Trempe – Willenlos
Kriminalroman
dotbooks.
Ist die Gerechtigkeit nur Schaum?
Gerede, das verebbt?
Vertrauen hat nicht lange Raum, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ist das Leben undankbar?
Gefühle gibt es nicht?
Kein Funken Hoffnung ist mehr da, das Leben, es erlischt.
Bettina Kohl
Sonnenstrahlen schoben sich über die Giebel der Dächer. Von der Rückseite eines der Doppelhäuser, die sich wie Kopien glichen, klang das Geräusch eines Rasenmähers nach vorn. Wenige Minuten später starteten ein zweiter und ein dritter. Ihr Klangteppich legte sich unsanft über unkrautfreie Vorgärten und das blass rötliche Pflaster der kleinen Stichstraße. Auf der Stange eines bunten Kunststoffvogelhäuschens aus dem Supermarkt saß ein Rotkehlchen. Seine zarte Stimme war chancenlos. Wild gestikulierend, mit weit aufgerissenem Schnabel wirkte der kleine Vogel wie ein Pantomime.
In dem Haus am Wendekreis des Heinrich-Holtschneider-Weges im Duisburger Stadtteil Kalkum saß die Familie Hornbach in entspannter Atmosphäre am Frühstückstisch. An gewöhnlichen Wochentagen glich die Küche der Hornbachs am frühen Morgen einem Bahnhofscafé mit fehlender Drehtür. Man ging kurz hinein, machte sich schnell ein Brot für den anstrengenden Arbeits- oder Schultag, trank schnell noch eine Tasse im Stehen und zog in den Tag. Umso mehr genossen sie die gemeinsamen Mahlzeiten an den Wochenenden. Am heutigen Samstag waren die beiden Kinder Frederik und Jennifer als Erste wach und hatten das Frühstück vorbereitet. Frisch gepressten Orangensaft, Rühreier mit Speck für Papi und Vollkornbrot vom Biobäcker.
Wie jeden Samstag wollten die Hornbachs mit ihren Kindern das Wochenende planen. Sie konnten sich nicht daran gewöhnen, dass die Teenager mehr und mehr ihre eigenen Wege gingen. Der Versuch, am Abend mit den Kindern nicht nur ins Kino zu gehen, sondern auch noch einen Trickfilm anzusehen, scheiterte kläglich. Jenny und Freddy hatten den Tag bereits verplant.
Manuela Hornbachs Blick wanderte ins Leere. Mit ihrem Mann fortgehen, die Kinder allein lassen, wollte sie nicht. Auf einen Abend vor dem Fernseher hatte sie ebenfalls keine Lust. Sie könnten Freunde einladen, dachte sie, als ihr eine bessere Idee kam.
»Was hältst du davon, wenn ich noch beim Reisebüro vorbeischaue und Prospekte mitbringe? Wir könnten heute Abend bei einem leckeren Rotwein die Herbstferien verplanen.«
»Wir haben den Sommerurlaub doch schon gebucht.«
»Ja, aber wo du doch jetzt befördert worden bist. Wer weiß, wie lange die Kinder noch mit uns Alten in den Urlaub fahren möchten.«
Udo Hornbach gab sofort nach. Er wusste, dass es wenig Zweck hatte zu diskutieren. Seine Frau unterrichtete an der Grundschule im Ort. Sie würde am liebsten in allen Schulferien verreisen.
Manuela faltete den Einkaufszettel und steckte ihn ein. Wie beinahe jeden Samstag musste sie in die Stadt fahren, um alles zu bekommen. Auf dem Weg dorthin wollte sie Jenny am Reiterhof absetzen und Freddy zum Bolzplatz bringen. Es stand ein wichtiges Lokalderby gegen das Team vom ›Krausen Baum‹, einer Straße auf der rheinnahen Seite der B 8, auf dem Plan. Freddy hatte seit drei Wochen nichts anderes als die Revanche für das peinliche 2:9 vom April im Kopf.
Udo Hornbach nutzte die Zeit bis zur Rückkehr seiner Familie. Er schnitt den Rasen und legte anschließend Werkzeug, Pinsel und Farbe bereit. Mit seinem Sohn wollte er am Nachmittag eine Torwand für den Garten bauen. Bevor er zum Schreiner fuhr, machte er sich zunächst einen Plan. Aus dem Internet besorgte er sich die übliche Größe einer Torwand. Anschließend ging er in sein Kellerbüro und fertigte Zeichnung und Materialliste an. Es machte ihm riesigen Spaß, er freute sich auf die Bastelei mit seinem Sohn.
Udo Hornbach beschlich eine tiefe Zufriedenheit. Er hatte die beste Familie, die man sich wünschen konnte. Eine tolle Frau und zwei aufgeschlossene, fröhliche Kinder. Auch wirtschaftlich ging es ihnen prächtig. Die Hypothek für das Haus war fast abbezahlt, die Zukunft, gerade jetzt nach der Beförderung zum Amtsrat, wirkte vielversprechend. Bernd Sachse, sein alter Jugendfreund, fiel ihm ein. Bernd war das genaue Gegenteil von ihm. Kein bisschen bodenständig, dauernd musste er etwas Neues anfangen. Privat und beruflich. Vor einem Monat hatte er mit seiner neuen Flamme Linda ein Tattoostudio in Duisburg eröffnet. Darauf würde Udo im Traum nicht kommen. Als er Bernd während der Eröffnungsfeier mit vollem Ernst erzählte, dass er dem Finanzamt Duisburg freiwillig 21 Euro zu viel erstatteter Steuern zurücküberwiesen hatte, meinte sein Freund, er sei ein hoffnungsloser Spießer. Udo Hornbach zuckte die Schultern. Bei ihm musste eben alles korrekt zugehen. Er brauchte diese Ordnung für seinen Seelenfrieden und das innere Gleichgewicht. Ihm schien es bereits verwegen, in einer Jeanshose aus dem Haus zu gehen.
Während Hornbach die Materialliste in der Jeanstasche verstaute, klingelte es an der Tür. Der Postbote, dachte er.
Schnell zog er den Zettel aus der Tasche und schrieb noch ›Bilderrahmen DIN A4‹ unten drunter. Es klingelte noch einmal.
»Ja doch, ich komme ja schon«, brüllte er durchs Treppenhaus.
Das ging ja schnell. Schmunzelnd fiel ihm der Donnerstagvormittag ein. Bertram Stachelmann, ihr Behördenleiter, hatte in seinem Büro eine kleine Feier arrangiert. Er hatte ihm, wie er es ausdrückte, die Urkunde nicht zwischen Tür und Angel überreichen wollen. Als Stachelmanns Hand nach einer überzogenen Rede in die grüne Mappe glitt, war eine leichte Blässe über sein Gesicht gezogen. Er hatte ausgerechnet die Urkunde vergessen. Vor Peinlichkeit stotternd versprach er Hornbach, ihm die Urkunde umgehend mit der Post zu schicken.
Es klingelte erneut, diesmal dreimal hintereinander. Hornbach schüttelte den Kopf. Herr Krüger, der grauhaarige, ältere Postbote war eigentlich die Gelassenheit in Person. Sollte er krank sein? In dem Augenblick, als er lautes Klopfen vernahm, riss Hornbach mit einem beherzten Griff die Haustür auf. Vor ihm standen zwei Männer mittleren Alters und drahtiger Figur und blickten ihn streng an. Im Hintergrund sah er den Nachbarn neben dem Auto stehen. Mit dem Schwamm in der Hand winkte er herüber.
»Guten Morgen, was gibt es denn so Dringendes?«
»Ich bin Kriminalhauptkommissar Seifert, dies ist mein Kollege, Kriminaloberkommissar Jahn«, sie hielten Udo Hornbach mehr beiläufig ihre Dienstausweise hin, »sind Sie Herr Udo Hornbach?«
Udo Hornbach zögerte einen kurzen Moment. Bei dem Gedanken, dass Manuela mit den Kindern im Auto unterwegs war, wurden ihm die Knie weich.
»Ja ... ja, das bin ich. Ist etwas mit meiner Frau oder den Kindern passiert?«
Hornbach spürte kalten Schweiß auf der Stirn. Die gewohnte Fähigkeit, analytisch zu denken, ließ ihn im Stich. Bei einem Verkehrsunfall würde wohl kaum die Kripo erscheinen.
»Herr Hornbach, Sie sind vorläufig festgenommen. Sie stehen in dringendem Tatverdacht, den Polizisten Klaus Dahlmann ermordet zu haben. Bitte machen Sie keine Schwierigkeiten und begleiten Sie uns.«
Udo Hornbach wankte. Mit dem ausgestreckten rechten Arm hielt er sich am Türrahmen fest, während Seifert ihn über seine Rechte aufklärte. Danach zog der Polizist Hornbach am Arm nach draußen. Udo Hornbach wähnte sich in einem Albtraum. War das irgendeine ›Versteckte Kamera oder Verstehen Sie Spaß‹-Geschichte? Falls ja, fehlte ihm der nötige Humor dafür.
»Das muss ein Irrtum sein. Sie müssen sich in der Adresse geirrt haben.«
Hornbach merkte, wie hilflos er sich anhörte.
»Das glaube ich kaum«, raunzte Jahn ihm zu.
Die Hauptkommissare des Düsseldorfer Landeskriminalamtes, Karin Seitz und Joshua Trempe, schrieben Abschlussberichte. Zwei Jahre hatte der Familienvater die Bahn AG erpresst, immer wieder Anschläge vorbereitet. Als der Lokführer eines vollbesetzten ICEs kurz hinter Wesel in letzter Sekunde durch eine Vollbremsung die Katastrophe hatte verhindern können, übergab man dem LKA den Fall. Nach drei Monaten konnten sie den Täter während einer fingierten Geldübergabe stellen. Der ehemalige Mitarbeiter eines Landmaschinenherstellers aus dem niederrheinischen Alpen hatte sich nach seinem Rausschmiss hoffnungslos überschuldet.
Ihr Kollege Daniel van Bloom hatte einen Tag Urlaub eingereicht, er wollte seiner Freundin helfen, den Umzug vorzubereiten. Gegen 10 Uhr betrat Staatsanwalt Bornmeier das Büro der Polizisten. Joshua begrüßte ihn verwundert. Es kam selten vor, dass ihr Boss sie persönlich aufsuchte. Im Schnelldurchlauf ging Joshua noch einmal die Ermittlungen im Bahnerpresserfall durch. Hatten sie einen Fehler gemacht?
Bornmeier räusperte sich, er wirkte ernst und angespannt.
»Ich komme wegen der Ermittlungen im Fall Dahlmann«, begann er mit ungewohnt leiser Stimme. Karin und Joshua tauschten einen kurzen Blick. Leitende Behörde in diesem Mordfall war das KK 11. Joshua kannte dessen Leiter Elmar Seifert als zuverlässigen, erfahrenen Kollegen.
»Ich denke, Sie haben den Täter?«, antwortete Karin.
Bornmeier nickte wortlos. Der ernste Ausdruck seiner Augen widersprach dieser Geste. Die Atmosphäre im Büro war beklemmend, glich einem bevorstehenden Unwetter. Niemand wollte diesen Dialog. Es war ihnen nur mühsam gelungen, die Vorkommnisse zu verdrängen. Vorgestern in der Festung, dem Polizeipräsidium am Fürstenbergplatz, kam Joshua sich vor wie bei einem Spaziergang über den Nordfriedhof. Der Schock steckte allen Kollegen auch jetzt noch, eine Woche nach der schrecklichen Tat, in den Gliedern. Sie hatten ständig mit den abartigsten Verbrechen zu kämpfen, aber dieses Mal war alles anders. Die Anonymität von Opfer und Täter, die nötige Schutzschicht, sie fehlte.
Es hatte einen aus ihrer Mitte erwischt. Sie mochten Oberkommissar Klaus Dahlmann, schätzten den Kollegen und Menschen. Als Sänger und Gitarrist seiner Rockband ›Cops‹ war er der Star jeder Betriebsparty im alten Keller der Festung gewesen. Der Fall war so brutal eindeutig, dass Rechtsmediziner Eugen Strietzel den Leichnam bereits am nächsten Tag freigegeben hatte. Joshua sah die Beerdigung vor sich. Einige hundert Kollegen aus Düsseldorf und der näheren Umgebung hatten Klaus Dahlmann bei strömendem Regen das letzte Geleit gegeben. Bei dem Anblick der jungen Witwe und den beiden Mädchen am Grab musste Joshua weinen. Er musste an Janine und seine Kinder Britt und David denken und daran, dass es ihn zweimal fast erwischt hätte. Was hatte Janine damals durchmachen müssen?
»Die Beweislage scheint klar«, ergriff Bornmeier das Wort, »im Auto des Verdächtigen haben die Kollegen die Tatwaffe mit seinen Fingerabdrücken gefunden. Alibi Fehlanzeige.«
Die Einschränkung ›scheint‹ förderte Joshuas Aufmerksamkeit. Er kannte die Ermittlungsakten nicht. Was er über die Tat wusste, wurde ihm in der Hauptsache von Elmar Seifert vor der Beerdigung berichtet. Das allein reichte ihm, die Wut, die aus jedem von Seiferts Worten klang, zu verstehen. Klaus Dahlmann war an diesem Spätnachmittag in der Nähe seiner Wohnung in Meerbusch joggen. Anhand von Fingerprints und Fußspuren hatten die Kollegen den Tathergang einigermaßen genau rekonstruieren können. Während Dahlmann mit den Händen auf dem Dach seines Fahrzeuges Dehnübungen gemacht hatte, musste der Täter sich aus einem angrenzenden Gebüsch angeschlichen haben. Er war hinter den Polizisten getreten und noch bevor dieser reagieren konnte, hatte der Täter die Hand auf die Stirn des Opfers gelegt, den Kopf nach hinten gezogen und mit einem großen Fleischermesser die Halsschlagader des Kollegen durchtrennt. Bereits am nächsten Tag hatten sie ihn festnehmen können. Eine Zeugin hatte einen Mann beobachtet, der mit einem blutigen Messer in der Hand in ein Fahrzeug gestiegen war und sich das Kennzeichen notiert.
»Wo liegt das Problem?«, beendete Karin die erneut eintretende Stille. Dem Staatsanwalt war anzusehen, wie unangenehm es ihm war. Er räusperte sich erneut. Joshua hatte Bornmeier noch nie derart verunsichert erlebt. Gewöhnlich strahlte der Staatsanwalt ein hohes Maß an Souveränität und Selbstsicherheit aus.
»Gut möglich, dass es kein Problem gibt. Aber ich möchte vor der Hauptverhandlung Sicherheit haben. Der Verdächtige weigert sich beharrlich, ein Geständnis abzulegen. Er ist der festen Überzeugung, Opfer eines Justizirrtums zu sein.«
»Wäre nicht der Erste«, nutzte Joshua eine Gedankenpause des Staatsanwaltes. Bornmeier nickte bedächtig.
»Ja, schon. Aber Seifert und seine Leute können mir kein Motiv liefern. Außerdem scheint es keinerlei Verbindungen zwischen Täter und Opfer zu geben. Hornbach bestreitet energisch, Klaus Dahlmann gekannt zu haben.«
Ein Albtraum, dachte Joshua. Warum musste Dahlmann sterben? Diese Frage quälte alle. Der Täter allein reichte nicht, jeder wollte wissen, was einen Menschen zu einer derart schrecklichen Tat trieb, verstehen, was nicht zu verstehen war.
Joshua fiel die Zeit der Ausbildung ein. Er dachte an Drömer, einen seiner Lehrer. Mit dem mächtigen Oberlippenbart erinnerte er Joshua an einen Seelöwen. Drömer eröffnete den Unterricht oft mit den Worten: »Zwei Dinge braucht ein Mord – Motiv und Gelegenheit, sonst ist er nicht echt.« Indizien, lehrte Drömer, können manchmal trügerisch sein.
»Wenn das Opfer kein Kollege wäre«, fuhr Bornmeier fort, »in diesem Fall sind die ermittelnden Kollegen, wie soll ich mich ausdrücken«, Bornmeier spielte nervös mit den Fingern, »nun ja, besonders motiviert.«
Der Staatsanwalt unterstellte den Ermittlern Befangenheit, fuhr es Joshua durch den Kopf. Die sich anschleichende Empörung wurde von Verständnis überlagert. Kein Polizist konnte nach der Ermordung eines Kollegen die üblicherweise vorhandene und notwendige Neutralität für sich beanspruchen. Im Grunde genommen waren alle in der Festung befangen. Aber was war mit ihnen? Welcher Polizist konnte nach der Ermordung eines Kollegen von sich behaupten, unbefangen zu sein? Plötzlich wurde ihm der Grund für Bornmeiers Erscheinen deutlich. Karin sprach seinen Gedanken aus.
»Herr Bornmeier, wollen Sie damit andeuten, dass wir die Kollegen kontrollieren, ihre Arbeit anzweifeln sollen?«
»Kontrollieren, anzweifeln ... so würde ich es nicht nennen. Ich drücke es mal so aus: Ich würde mir gern ein zweites Gutachten einholen. Ich möchte, dass Sie die Ermittlungsakten durchsehen und mit dem Verdächtigen reden. Ich weiß, was ich von Ihnen verlange. Aber es muss sein.«
Joshua rieb sich die Schläfen. In Krefeld waren sie stinksauer gewesen, wenn das LKA kam und ihnen reinreden wollte. Sie fühlten sich gegängelt, kontrolliert. Nun wurde von ihnen dasselbe verlangt. Nicht nur das – es ging um die Ermordung eines Kollegen. Einem mutmaßlichen Täter, den sie möglicherweise entlasten würden. Alle in der Festung, von der Putzfrau bis zum Präsidenten, waren froh, den Täter gefasst zu haben. Es kam ihm vor, als hätte der Staatsanwalt die Hand an seinem Magen und zog sie langsam zusammen.
»Wissen die Kollegen im KK 11 davon?«, wollte Karin wissen.
»Selbstverständlich.«
Karin wusste, dass es genügen würde, ihren Blick auf Bornmeier gerichtet zu lassen.
»Die Freude war verhalten«, schob der Staatsanwalt hinterher.
»Versetzen Sie sich bitte in meine Lage. Sein Verteidiger wird fragen, wer die Ermittlungen führte. Können Sie sich vorstellen, was es für den Richter bedeutet, wenn ich ihm antworten muss: Die Ermittlungen wurden von den engsten Mitarbeitern des Opfers geleitet?«
»Das fällt Ihnen aber früh ein«, Joshua biss sich auf die Lippen. Ihm war klar, was es für das KK 11 bedeutete, den Mord an ihrem Kollegen aufzuklären. Er wollte sich entschuldigen, als Bornmeier ihn überraschte.
»Ich hätte Ihnen die Leitung des Falles von Anfang an übertragen müssen. Mein Fehler, tut mir leid.«
Joshuas Blick glitt die alten Backsteinmauern des Polizeipräsidiums hoch. Es kam ihm vor, als würden sie aus jedem einzelnen Fenster beobachtet. Die Nachricht hatte sich schnell verbreitet. Auf dem Weg über die kahlen Flure des Gebäudes grüßte man sie verhalten oder sah weg. Ein älterer Kollege murmelte im Vorübergehen: »Da kommt die Stasi.« Joshua fuhr herum, wollte zurückgehen. Karin zog ihn am Arm weiter.
Elmar Seifert zwang sich zu einem gepressten »Morgen«, deutete stumm auf zwei Stühle. Mit beiden Händen nahm er ein paar Akten vom Schreibtisch und ließ den Stapel zwischen Karin und Joshua auf den Tisch fallen.
»Bitte. Der Fall Hornbach.«
»Um eines klarzustellen, Herr Seifert«, Karins Stimme war eindringlich, »wir sind weder zu unserem Vergnügen hier noch wollten wir diesen Fall.«
Seifert verzog keine Miene, nickte nur leicht.
»Elmar, ganz ehrlich, was hältst du von Hornbach?«
Joshua konnte sich nicht vorstellen, dass sein Kollege selbst in dieser Situation Objektivität vermissen ließ. Seifert lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wenn ich mich nur auf die Verhöre stützen müsste, kämen mir Zweifel. Der Kerl würde sich schon die Hosen vollmachen, wenn wir ihn beim Falschparken erwischen.«
»Was habt ihr?«
»Genug. Das Messer mit dem Blut von Dahlmann hat die KT in seinem Wagen gefunden. Eine Zeugin hat Hornbach beobachtet, als er mit dem Messer in der Hand in seinen Wagen stieg. Am Tatort wimmelte es nur so von seinen Fußspuren. Fünf Minuten später tankte er seelenruhig in Meerbusch. Wir haben heute Morgen das Video der Tanke reinbekommen. Eindeutig Hornbach. Der Haftrichter hat nicht mal mit der Wimper gezuckt, bevor er U-Haft anordnete.«
»Was sagt Hornbach dazu?«
»Er behauptet, noch nie in seinem Leben in Meerbusch gewesen zu sein. Das Bild der Überwachungskamera kennt er noch nicht. Mal sehen, ob er einbricht, wenn er es sieht.«
Joshua spürte Erleichterung. Bornmeier wollte Sicherheit. Nach Seiferts Aussage dürften sie diese schnell liefern können. Wenn nicht dieser kleine Rest Zweifel wäre. Joshua konnte nicht über seinen Schatten springen, den Fall abwinken. Er musste sicher sein.
»Was glauben Sie, warum Hornbach Dahlmann getötet hat?«, fragte Karin. Seifert verzog das Gesicht, die Frage war ihm unangenehm.
»Das Motiv ist die große Unbekannte. Wir hatten uns erhofft, in seinem Haus irgendwelche Hinweise auf eine Verbindung zu finden. Negativ. Keine Telefonnummer, keine E-Mails, nichts. Umgekehrt ebenso.«
»Ihr habt Dahlmanns Haus durchsucht?«, entfuhr es Joshua.
»Selbstverständlich, auch wenn ihr uns für befangen haltet.«
»Entschuldige, so war das nicht gemeint.«
»Schon gut. Es scheint wirklich so, als hätte es nie einen Kontakt zwischen Täter und Opfer gegeben. Jedenfalls keinen, der in irgendeiner Art dokumentiert ist.«
Karin und Joshua sahen sich verwundert in die Augen.
»Ich weiß, was ihr denkt«, antwortete Seifert ungefragt, »ein Motiv ist zwar nicht Vorschrift, aber ...«
»Es erleichtert die Sache«, Karin versuchte, die Situation zu entspannen. Seifert nickte.
»Können wir zu ihm?«
»Ja. Das Bild könnt ihr gleich mitnehmen. Ist ja jetzt praktisch euer Fall.«
Die Frau in dem dunkelgrauen Hosenanzug wirkte mitgenommen. Dunkle Schatten zeichneten sich unter ihren Augen ab. Vor zwei Tagen hatten die Medien die Identität ihres Mannes erfahren. Seitdem wurde das Haus am Heinrich-Holtschneider-Weg belagert. Gestern erschien ein Bild ihres Mannes auf der Titelseite eines Boulevardblattes, darüber die Schlagzeile:
›Ist dieser Mann der feige Polizistenmörder?‹
Dr. Dremel, ihr Anwalt, prüfte derzeit die Chancen einer Klage. Thorsten Heiner, ihr Nachbar gegenüber, hatte ihr nahegelegt, das Haus zu verkaufen, um weiteren Schaden von der Nachbarschaft abzuwenden, während Beamte der Polizei damit beschäftigt waren, Kisten aus dem Haus der Hornbachs zu schleppen.
»Das kann doch nur ein Albtraum sein«, flüsterte Udo Hornbach. In Gefängniskluft saß der frischgekürte Personalchef des Schulamtes zusammengekauert auf dem Plastikstuhl im Besucherraum. Das Gesicht war aschfahl, die Haare hingen in wirren Strähnen über seine Stirn. Manuela Hornbach schluckte. Die Wut der ersten Tage hatte sich längst in Resignation gewandelt. Mittlerweile nahm sie Schlaftabletten, sie hatte sich nächtelang den Kopf zerbrochen.
»Ich bin diesem Dahlmann schon mal begegnet.«
Manuela sah ihren Mann erschrocken an.
»Man hat mir ein Bild von ihm gezeigt, er kommt mir bekannt vor. Seitdem denke ich darüber nach, woher. Es muss mir einfallen, vielleicht ist das meine einzige Chance.«
»Hast du es den Polizisten gesagt?«
»Nein!«, schrie er. Der Vollzugsbeamte mahnte ihn zur Ruhe.
»Das wäre doch nur Wasser auf ihre Mühlen. Bitte sag keinem was davon.«
»Aber möglicherweise ist das wirklich deine Rettung.«
Udo Hornbach senkte den Kopf. Selbst wenn er das Opfer mal irgendwo gesehen hatte, welche Bedeutung hätte das schon?
Nach dem ersten Schock vorige Woche war er noch optimistisch gewesen. Hornbach empfand es sogar aufregend. Er stellte sich vor, beim nächsten Kegelabend der Personalabteilung stolz zu berichten, als Verdächtiger in einem Mordfall verhaftet worden zu sein. Mit erkennungsdienstlicher Behandlung, Verhören und allem Drum und Dran. Wer konnte das schon von sich behaupten? Niemand würde ihn mehr für einen langweiligen Spießer halten.
Zu Beginn des ersten Verhörs strotzte er nur so vor Selbstvertrauen. Dieses Gefühl war wie Schnee in der Sonne geschmolzen, als der Kommissar ihm das blutverschmierte Messer unter die Nase hielt und behauptete, es aus seinem Wagen zu haben. Die Situation hatte ihn plötzlich an einen alten Krimi erinnert. Der Film bezog seine Spannung daraus, dass korrupte Polizisten Beweise manipuliert hatten, um einen schnellen Erfolg vorweisen zu können. Aber dies war kein Film, es war das reale Leben und an dem Messer befinden sich angeblich seine Fingerabdrücke. Hornbach beschäftigte noch die Frage, wie sie das angestellt hatten, als der Kommissar ihm die nächsten Hiobsbotschaften lieferte. Sie behaupteten, Fußabdrücke von ihm gefunden zu haben. An einem Ort, an dem er noch nie im Leben gewesen war. Dann die Zeugin, Hornbach verzweifelte. Das fassungslose Stammeln machte die Polizisten siegessicher. Hornbach hatte die ganze Nacht wach auf der Pritsche gelegen, auf der Suche nach einer Erklärung. Die Polizisten bluffen, wollen die Medien mit einem schnellen Fahndungserfolg beruhigen. Im Hintergrund suchen sie fieberhaft nach dem wahren Täter, war die einzige logische Erklärung, die sein Verstand ihm präsentierte.
Am nächsten Tag hatten sie ihn sechs Stunden lang verhört. Immer wieder und wieder hatte er dasselbe erklärt, ohne dass sie ihm glaubten. Irgendwann kurz vor Schluss war er mit den Kräften am Ende gewesen, heulte hemmungslos. In diesem Augenblick waren die Stimmen sanfter geworden. Beruhigend hatten sie auf ihn eingeredet, ihm nahegelegt, ein Geständnis abzulegen. Fast hätte er nachgegeben, nur um aus diesem Raum zu kommen. Einfach unterschreiben, dann würde der Wecker klingeln, der Albtraum wäre beendet. In letzter Sekunde hatte er sich besonnen, war hochgesprungen, um ihnen seine Unschuld ins Gesicht zu schreien.
Die kahle Gefängniszelle zwang ihn, die Tage mit Nachdenken zu verbringen. Die Trennung von seiner Familie in einer Zeit, in der er sie dringend benötigte, schmerzte. Die Vorstellung, den größten Teil des restlichen Lebens in einem solchen Raum verbringen zu müssen, eingepfercht wie Vieh, gemeinsam mit dem Ausschuss der Gesellschaft, trieb ihn in den Wahnsinn. Voller Sehnsucht wanderte sein Blick über den Tisch. Udo Hornbach bemerkte den zitternden Körper seiner Frau. Er fühlte sich so elendig schuldig. Unschuldig schuldig. Sein Mund wurde trocken, die Zunge klebte am Gaumen.
»Die Kinder sind bei meiner Mutter, ich habe sie heute nicht zur Schule geschickt.«
»Warum?«
»Sie waren gestern völlig aufgelöst von der Schule gekommen. Ihre Klassenkameraden meiden sie, rufen ihnen zu: Euer Vater ist ein feiger Mörder.«
Manuela Hornbachs letzte Worte gingen unter in einem Schwall Tränen. Ihr Mann fasste einen Entschluss, der ihm unendlich wehtat.
»Du musst das Haus verkaufen und mit den Kindern weit wegziehen, in ein anderes Bundesland.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Und was wird mit dir?«
»Ich komme nach. Bald.«
»Soll ich ihn nachher zurückbringen oder kommt er direkt frei?«
Der uniformierte Kollege sah sie mit hasserfülltem Blick an. Joshua atmete tief durch, die rechte Faust zog sich zusammen. Glaubten sie wirklich, er könne sie nicht verstehen, wäre keiner von ihnen? Seifert betrat das dem Verhörraum angrenzende Zimmer. Zu ihrer Verwunderung wurde er von Bornmeier begleitet. Durch die einseitig einzusehende Scheibe warfen sie einen Blick auf Hornbach. Er kam ohne Anwalt.
Hornbach setzte sich an den kleinen Tisch und faltete die Hände wie zum Gebet. Joshua kam der Raum wie eine Zeitmaschine vor. Viele Häftlinge sahen nach wenigen Tagen Jahre älter aus. Karin und Joshua nahmen Hornbach gegenüber Platz. Joshua schaltete die Videokamera ein und machte Angaben für das Protokoll. Nachdem er Udo Hornbach begrüßt hatte, sah er ihn zunächst eine Minute stumm an. Hornbach war unrasiert, seine Wangen waren leicht eingefallen. Die Haut wirkte leblos und fahl. Er hatte kapituliert. Vorsichtig, als sei er völlig verängstigt, öffnete Hornbach die Lippen.
»Haben Ihre Kollegen aufgegeben?«, der Ansatz eines Lächelns zog sich über das gräuliche Gesicht.
»Nein«, antwortete Karin, »wir sind vom Landeskriminalamt, möchten uns ein Bild von Ihnen machen.«
Eine Sekunde zögerte Hornbach.
»Bedeutet das, Sie überprüfen den Fall noch einmal?«
»Gibt es denn etwas zum Überprüfen?«
Von einer Sekunde zur nächsten schien Vitalität seinen Körper zu durchfluten. Die Gesichtsfarbe wurde lebendiger, er richtete sich kerzengerade auf und atmete erleichtert durch. Danach sprudelten die Worte aus seinem Mund, als sei er nach Wochen von einem Knebel befreit worden.
»Es tut mir wirklich wahnsinnig leid um Ihren Kollegen. Aber ich habe absolut nichts damit zu tun.«
Hornbach rückte halb über den Tisch und sprach leise weiter.
»Die wollen mich hier fertigmachen, ich habe keine Ahnung, warum. Sie haben sogar Beweise«, er zögerte, »ähem ... nicht richtig überprüft. Bitte, ich möchte Ihren Kollegen keine Boshaftigkeit unterstellen, aber das kann alles nicht stimmen. Ich besaß nie ein solches Messer, ich war auch in meinem ganzen Leben noch niemals in Meerbusch. Und den Toten kannte ich auch nicht. Vielleicht bin ich ihm mal irgendwo begegnet, das kann natürlich sein, aber ich kannte ihn nicht. Bitte, Sie müssen mir helfen.«
»Das würden wir ja gerne, Herr Hornbach. Aber dazu müssten Sie uns die Wahrheit sagen«, Joshua zog das Foto der Überwachungskamera aus der Akte und legte es vor ihm auf den Tisch.
»Sind Sie das?«
Hornbach zog irritiert die Stirn in Falten. Er führte das Schwarz-Weiß-Foto dicht an seine Augen und nickte.
»Ja, das bin ich. Wo ist das aufgenommen worden?«
»In einem Ort, in dem Sie angeblich noch nie in Ihrem Leben waren«, mischte Karin sich ein, »in Meerbusch. Und zwar in einer Tankstelle, fünf Minuten nach der Tat!«
Hornbach sackte in sich zusammen. Er schüttelte den Kopf. Joshua beobachtete ihn genau.
»Nein, nein, nein. Das kann nicht sein! Unmöglich! Sie sind schlimmer als Ihre Kollegen.«
»Herr Hornbach, Sie haben gerade bestätigt, dass Sie der Mann auf dem Foto sind. Dass dieses Bild aus der Tankstelle stammt, ist unbestritten, ebenso die Uhrzeit. Sie wird von der Kamera automatisch erfasst. Unsere Kollegen haben das Gerät überprüft, es weist keinen Defekt auf. Der Kassierer kann sich zudem an Sie erinnern. Es hat doch keinen Zweck mehr zu lügen.«
Hornbach schüttelte immer noch den Kopf.
»Das ist alles nicht wahr. Sagen Sie, dass das nicht wahr ist. Ich muss einen Doppelgänger haben, das ist die einzige Erklärung.«
»Und diesem Doppelgänger haben Sie Ihr Fahrzeug geliehen, um zum Tatort zu gelangen und die Tatwaffe darin zu entsorgen. Selbstverständlich trägt Ihr Doppelgänger auch gelegentlich Ihre Schuhe, speziell zur Ausübung von Morden. Wollen Sie uns das allen Ernstes erklären?«
Hornbach begrub den Kopf in die offenen Handflächen. Er begann heftig zu zittern. Stotternd beteuerte er seine Unschuld.
»Ich war es nicht.«
Karin und Joshua gaben ihm Zeit. Sie dachten intensiv über dessen Verhalten nach. Es gab Täter, die so vehement ihre Unschuld beteuerten, dass sie auch dann nicht mehr davon abwichen, wenn ihnen das Gegenteil nachgewiesen wurde. Sie legten eine Schutzschicht um sich. Ihre persönliche Art, die Tat zu verdrängen. Joshua verkniff sich die Frage, ob er Feinde habe. Sie würde nur neue Hoffnungen wecken.
Allmählich beruhigte Hornbach sich wieder. Er hob das Gesicht, ein Funken Hoffnung stand in seinen Augen.
»Sagen Sie, es gibt doch diese DNA-Tests. Die sollen doch eindeutig sein. Warum wurde noch keiner mit mir gemacht? Dann wäre meine Unschuld doch bewiesen.«
Schweigen. Selbstverständlich hatten sie ihm im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung eine Speichelprobe entnommen. Hornbach hatte den Sinn der Handlung offenbar nicht verstanden. Er schien tatsächlich von seiner Unschuld überzeugt.
»Am Tatort konnte keine DNS sichergestellt werden, Herr Hornbach.«
»Haben Sie überhaupt danach gesucht?«, er klammerte sich nun wie ein Ertrinkender an diese Idee, »der Täter kann doch ein Haar verloren haben, oder eine Schuppe. Ich habe gelesen, dass das ausreicht.«
»Wir werden das überprüfen. Haben Sie uns noch irgendwas zu sagen?«
»Nein.«
Seifert saß halb auf einem Schreibtisch, sah teilnahmslos auf den Fußboden. Bornmeier stand daneben.
»Was halten Sie davon?«, fragte der Staatsanwalt die LKA-Ermittler.
»Schwer zu sagen«, antwortete Karin, »die Tat scheint in keinem Verhältnis zur Persönlichkeit und dem sozialen Umfeld Hornbachs zu stehen. Wir müssen mehr über ihn erfahren. Allerdings sind die Beweise nicht von der Hand zu weisen.«
»Mit dem fehlenden Geständnis kann ich leben«, so Bornmeier, »was mir fehlt, ist das Motiv. Man schlitzt doch nicht zum Spaß jemandem die Kehle auf.«
Seifert schmiss wütend einen Kugelschreiber auf den Schreibtisch.
»Fehlendes Motiv. Woher sollen wir das nehmen? Der Kerl schweigt sich aus. Wir haben das komplette Umfeld durchleuchtet, Wohnungen und Büros von Hornbach und Dahlmann durchsucht. Nichts. Aber vielleicht können die Kollegen vom LKA das herausbekommen. Mir reicht es jedenfalls!«
»Herr Seifert«, der Staatsanwalt erhob ebenfalls die Stimme, »ich verlange nichts Unmögliches von Ihnen, sondern lediglich, dass Sie Ihren Job machen. Und dazu zähle ich auch die Arbeit im Team!«
»Im Team? Ich hör wohl schlecht! Die Kollegen sind drei Stunden mit dem Fall beschäftigt und faseln von Persönlichkeit und sozialem Umfeld. Was kommt als Nächstes? Der arme Kerl musste unseren Kollegen praktisch umbringen, oder was?«
Karin stemmte die Hände in die Hüfte. Seifert hatte sie persönlich angegriffen.
»Ich fasele nicht, sondern äußere meine persönliche Meinung. Das wird doch wohl noch möglich sein.«
»Elmar«, Joshua sprach mit ruhiger, sachlicher Stimme, »du musst zugeben, dass die Sache ungewöhnlich ist. Ein Typ wie Hornbach würde normalerweise, wenn er der Täter wäre, nach fünf Minuten einbrechen. Das brauche ich dir doch wohl nicht erklären.«
Seifert atmete tief aus.
»Unterschätze Hornbach nicht. Der Typ ist nicht blöd. Er hat studiert, ist kurz vor der Tat zum Amtsrat befördert worden. Man hat ihn zum Leiter der Personalabteilung befördert. Zuvor war er für die Einstellung von Lehrern verantwortlich, da erhält man Einblicke in die Psyche von Menschen.«
»Wir behaupten nicht, dass er unschuldig ist. Wir sagen nur, dass er sich merkwürdig verhält. Dafür muss es einen Grund geben und sei es nur Angst vor dem Knast. Warum zum Beispiel ist er so scharf darauf, dass wir nach biologischen Spuren suchen? Er müsste doch wissen, dass ihm das endgültig das Genick brechen würde?«
Seifert verdrehte die Augen.
»Weil es keine gibt. Hornbach blufft. Er weiß genau, dass wir ihm solche Beweise längst unter die Nase gelegt hätten. Ich sage euch, der Kerl ist gerissen und ihr seid dabei, auf ihn hereinzufallen.«
»Mag sein«, Joshua verschwieg den gegenteiligen Eindruck, den er vom Verdächtigen hatte.
Karin und Joshua saßen bereits im Auto. Joshua hielt den Zündschlüssel abwartend in der Hand.
»Ich würde gerne Hornbachs Familie befragen«, Karin wirkte nachdenklich.
»Hast du Zweifel an seiner Schuld?«
»Wir sollen den Fall wasserdicht machen und«, sie zögerte kurz, »um ehrlich zu sein, ganz geheuer ist mir die ganze Angelegenheit nicht.«
»Okay. Ich gehe zur KT. Sollten sich tatsächlich biologische Spuren am Körper des Opfers befinden, die von Hornbach stammen, ist der Fall wasserdicht.«
Es fiel ihm schwer, für den ermordeten Kollegen das Wort Opfer zu wählen. Sicher war er das, aber es war ein routinemäßiger Begriff aus dem Alltag, der der besonderen Situation nicht gerecht wurde. Dahlmann wurde zu einem von vielen, würde im Anschluss abgelöst durch den nächsten Fall. Joshua hatte Dahlmann nur flüchtig gekannt, dennoch schmerzte es ihn, in dem Kollegen nicht mehr als einen Gegenstand der Ermittlungen zu sehen. Wie viel schwerer musste es für Seifert sein, der tagtäglich mit Dahlmann den Dienst verrichtet hatte? Karin unterbrach die Gedanken.
»Das ist auch merkwürdig. Hornbach kann eigentlich nur verlieren. Sollte die DNA identisch sein, ist er dran. Falls nicht, gibt es immer noch die anderen Beweise.«
»Nicht unbedingt. Es könnten auch Fremdspuren auftauchen.«
»Und dann? Joshua! Wir müssten eine Speichelprobe seines gesamten Umfeldes einholen, um befreundete Spuren auszuschließen. Das würde bedeuten, du müsstest alle Mitarbeiter der Festung zum Speicheltest bitten, um den mutmaßlichen Mörder ihres Kollegen zu entlasten. Viel Spaß dabei.«
Joshua gab ihr den Autoschlüssel und stieg aus.
Trügerische Idylle umgab die kleine Siedlung in Kalkum. Ein Junge fuhr mit einem Gokart die Sackgasse entlang. Er vernahm das Geräusch des Autos und machte einen wilden Schlenker zum Gehweg. Das rötliche Pflaster war an vielen Stellen mit bunter Kreide bemalt. Vor dem Haus der Hornbachs standen drei Frauen am Rand der Straße und unterhielten sich angeregt mit einem jungen Mann, der eine Kameratasche umhängen hatte. Karin parkte den Wagen direkt hinter ihnen, sie drehten sich neugierig um. Als sie den Wagen abschloss, klingelte ihr Handy. Es war ihr Sohn Robin. Er war gerade von der Schule nach Hause gekommen und hatte festgestellt, dass er am Morgen vergessen hatte, den Hausschlüssel mitzunehmen. Robin teilte ihr mit, bei einem Freund in der Nachbarschaft zu warten. Karin ärgerte sich, nach der Trennung von ihrem Mann so wenig Zeit für Robin zu haben. Robin war zwar 16 Jahre alt, seine Schwester Carmen bereits 19, trotzdem überkam sie bei jeder Überstunde ein schlechtes Gewissen.
Die Damen blockierten den kleinen Weg zur Haustür. Karin bat sie höflich zur Seite.
»Sie sind sicher die Dame vom Jugendamt. Das wurde auch mal Zeit«, bemerkte eine übergewichtige Frau mit strengem Blick bissig.
»Warum?«
»Na, das ist doch kein Zustand für die beiden Kleinen. Allein mit der verzweifelten Mutter. Ein Vater, der ein Mörder ist. So was liegt doch in den Genen, da muss man doch was unternehmen, bevor die Kinder genauso werden.«
Karin blieb abrupt stehen. Es fiel ihr schwer, die aufkommende Wut zu unterdrücken. Ganz gleich, welche Schuld Hornbach auf sich geladen hatte, die Familie traf mit Sicherheit keine Schuld. Nicht zuletzt durch solche Mitmenschen bekamen sie aber eine Kollektivschuld. Um sie kümmerte sich niemand, für Angehörige von Tätern gab es keinen Opferschutz. Sie waren schutzlos dem Hass ihrer Mitmenschen ausgeliefert. Sie zog den Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn der Frau dicht vors Gesicht.
»Wir werden etwas unternehmen, verlassen Sie sich darauf. Ich werde mich darum bemühen, unschuldige Menschen vor Schandmäulern wie Ihnen zu schützen. Und jetzt lassen Sie mich gefälligst durch, bevor ich mich vergesse.«
Die Frau schluckte. Über ihre gepressten Lippen zog ein leichtes Zittern. Der junge Mann neben ihr hatte einen Notizblock in der Hand und schrieb mit. Auf dem Weg zur Haustür folgte er Karin, ohne dass sie ihn bemerkte.
Die Tür wurde einen Spalt weit geöffnet. Karin zeigte den Dienstausweis. Frau Hornbach öffnete die Tür ganz und bat die Polizistin hinein. Sie wollte die Tür hinter Karin sofort wieder schließen, spürte einen Widerstand. Der junge Mann drückte sie wieder auf und betrat die Diele.
»Entschuldigung. Wörmann, Stadtanzeiger. Könnten die Damen mir zwei bis drei Fragen beantworten?«
Ohne die Reaktion abzuwarten, schloss er die Haustür.
»Muss ja nicht jeder mitbekommen.«
Manuela Hornbach wirkte angeschlagen, sichtlich nervös. Mit dünner Stimme forderte sie den Reporter auf, das Haus zu verlassen. Karin konnte die Dreistigkeit kaum glauben. Sie drängte sich zwischen die Gastgeberin und den Redakteur.
»Seitz, Landeskriminalamt. Ihren Personalausweis bitte.«
»Schon gut, ich gehe ja schon«, er hob abwehrend die Hände.
»Sie gehen nirgendwohin, bevor Sie mir nicht Ihren Ausweis gezeigt haben«, schrie Karin.
Hektisch zog der junge Mann den Ausweis aus der Innentasche seiner Windjacke. Karin notierte sich Name und Anschrift.
»Bitte sehr. Sie erhalten in den nächsten Tagen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Und jetzt verschwinden Sie.«
»Das gibt keine gute Presse«, murmelte er im Gehen.
Sie saßen in der Küche, Manuela Hornbach umklammerte mit beiden Händen eine Teetasse. Das Haus war derart still, dass die Geräusche der Küchenuhr beklemmend wirkten.
»Wie geht es Ihren Kindern?«
»Die sind bei meiner Mutter in Kleve. Ich vermisse sie so sehr.«
Zwei kleine Tränen rollten die Wangen herab. Sie war ungeschminkt, die Blässe der Haut stand in starkem Kontrast zu dem dunkelbraunen Wollkleid. Falten und Augenringe verrieten die Ängste und Sorgen, die sie vermutlich in jeder einzelnen Minute des Tages malträtierten. Karin fragte sich, wie lange die Frau noch durchhalten würde. Udo Hornbach war ein völlig unbescholtener Bürger. Zumindest bis zu diesem Tag. Seine Festnahme musste die Familie völlig aus dem Leben gerissen haben. Oder war es seine Tat?
»Frau Hornbach, kannten Sie Klaus Dahlmann?«
»Ich habe den Namen von meinem Mann im Gefängnis erfahren. Ich zerbreche mir seit Wochen den Kopf, wer das sein könnte.«
»Hat Ihr Mann jemals eine Andeutung gemacht, Dahlmann zu kennen?«
Sie schluckte die Antwort im letzten Moment herunter, zögerte, wurde eine Spur nervöser.
»Nein.«
Die Antwort klang scharf, sie war Karin zu eindeutig. Das kleine Zaudern davor sensibilisierte die Ermittlerin. Hornbach hatte seiner Frau gegenüber angegeben, Dahlmann zu kennen, war Karin sicher. Manuela Hornbach befand sich seit einer Woche in einem seelischen Belagerungszustand. Die einzige Vertrauensperson in ihrem Umfeld dürfte ihr Mann sein. Allen anderen brachte sie größtes Misstrauen entgegen. Karin musste das Vertrauen der Frau gewinnen, ganz vorsichtig ihre Seele öffnen. Sie beschloss, die Wahrheit zu sagen, erzählte Frau Hornbach von den leisen Bedenken des Staatsanwaltes als Grund ihrer Ermittlungen. Karin gab ihre persönliche Einschätzung aus dem Gespräch mit Udo Hornbach wieder, erwähnte allerdings auch die erdrückende Beweislast. Nach der Bemerkung, dass ihr Kollege derzeit überprüfe, ob und wie weit biologische Spuren herangezogen werden könnten, wurde Manuela Hornbach ähnlich euphorisch wie zuvor ihr Mann.
»Sie ahnen gar nicht, welche Freude Sie uns damit machen.«
Karin fühlte sich in die Enge getrieben. Weiterhin die Wahrheit zu sagen, würde der verzweifelten Frau den Mut nehmen, den sie gerade jetzt so dringend benötigte. Niemals hatte sie erlebt, dass ein Tatverdächtiger und seine Angehörigen derartig entschlossen an die Unschuld glaubten.
»Frau Hornbach, ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie mir vertrauen.«
Manuela Hornbachs Unsicherheit schien verflogen.
»Ja, ich vertraue Ihnen.«
»Ihr Mann kannte Klaus Dahlmann. Bitte sagen Sie mir, woher. Es könnte sehr wichtig sein.«
Schlagartig verschwand der Glanz aus den Augen der Gastgeberin. Der Blick wurde kühl, die Haut spannte sich über schmale Wangenknochen. Sie wirkte auf Karin wie ein Tier, das in eine Falle getappt war. Vorsichtig schüttete sie Tee nach. Es kostete sie große Mühe.
»Udo hat gesagt, ich soll nicht darüber reden, es würde ihn nur noch tiefer reinreiten.«
Die Möglichkeit bestand natürlich, überlegte Karin. Sie konnte von der Frau nicht verlangen, ihren Mann zu belasten. Karin kam sich vor, als säße sie zwischen zwei Stühlen, die langsam auseinandergezogen wurden. Sie stellte sich vor, welche Möglichkeiten Udo Hornbach noch blieben, da fiel ihr eine waghalsige Strategie ein, die sein Verteidiger durchaus in Erwägung ziehen könnte. Ihr war vollkommen bewusst, dass sie Frau Hornbach nicht darauf hinweisen durfte. Noch einmal sah sie in das Gesicht der Frau, das vermutlich irgendwann einmal fröhlich gewesen war.
»Möglicherweise aber auch nicht. Nehmen wir an, er kannte Klaus Dahlmann. Mehr noch, er hatte sich mit ihm verabredet. Er findet ihn tot neben seinem Auto, gerät unter Schock und nimmt die Tatwaffe mit. Vielleicht hatte er sie zur Polizei bringen wollen. Dazu kommt er aber nicht mehr. Können Sie mir folgen?«
»Ja. Aber so war es nicht. Udo kann sich nicht daran erinnern. Er ist sicher, ihm schon einmal begegnet zu sein, weiß aber nicht mehr wo und wann.«
Karin seufzte. Es war so etwas wie eine goldene Brücke, die der Ermittlerin mächtigen Arger einbringen konnte. Hornbachs Anwalt würde früher oder später auch auf diese Möglichkeit stoßen, wenn er es nicht bereits war. Das Ehepaar Hornbach war viel zu ehrlich. Sie hatten absolutes Vertrauen in die Justiz. Karin wusste aus ihrer langen Berufserfahrung, dass dies nicht immer angebracht war. Noch etwas wurde der Polizistin bewusst: Bornmeiers Ahnung war nicht unbegründet. Sie zog ein Foto der Tatwaffe hervor und zeigte es Frau Hornbach.
»Könnte dieses Messer aus Ihrem Haushalt stammen?«
Manuela Hornbach sah sich das Bild genau an. Das Messer hatte eine Gesamtlänge von 42 Zentimetern.
»Nein, ein solches Messer besitzen wir nicht.«
Joshua hatte sich von den Kollegen der Wache zum LKA bringen lassen. Karins Anruf erreichte ihn im Büro. Sie wollte zum Schulamt fahren, sich ein Bild von Hornbachs Arbeitsumfeld machen. Joshua wollte sich in die Ermittlungsakten einlesen. Er berichtete Karin vom Ergebnis der KT. Die ermittelnden Kollegen hatten mehrere Dutzend Spuren, hauptsächlich Haare, die von der Kleidung des Opfers stammten, dem rechtsmedizinischen Institut zur Untersuchung übergeben. Mit einem Resultat sei frühestens in zwei Tagen zu rechnen, meinten die Kriminaltechniker. Rechtsmediziner Eugen Strietzel wollte versuchen, früher ein Ergebnis abzugeben.
Joshua ging die Asservatenliste durch. Der Begriff ›Liste‹ war eigentlich unzutreffend, es handelte sich vielmehr um mehrere Schnellhefter. Bis auf die Tatwaffe befand sich auf den ersten Blick kein Beweisstück darunter. Das KK 11 hatte gründliche Arbeit geleistet. Alles, was nur im Entferntesten brauchbar sein könnte, hatten sie konfisziert.