Kompetenzentwicklung bei Gesundheitspädagogen - Björn Pospiech - E-Book

Kompetenzentwicklung bei Gesundheitspädagogen E-Book

Björn Pospiech

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Beschreibung

In der vorliegenden Arbeit werden zwei Gruppen Pädagogen (Suchtmittelpräventionsprogramm Rebound und Kampfkunst traditionelles Taekwon-Do) aus dem Bereich der gesundheitspädagogischen Prävention hinsichtlich ihrer Kompetenzentwicklung evaluiert. Da bislang keine Studien zur Förderung und Professionalisierung von Lehrern im interdisziplinären Gebiet zwischen Medizin, Psychologie und Pädagogik verfügbar sind, soll eine Grundlage für die Aus-/Weiterbildung und Kompetenzentwicklung dieser Zielgruppe erarbeitet werden. In Form einer qualitativen Studie wurden 20 Pädagogen untersucht. Als Ergebnis der Untersuchung entstand ein Modell zur „Identitäts- und Praxisentwicklung in der Praxis von Gesundheitspädagogen“, welches ein praktikabler Leitfaden für die Schulung von Pädagogen in gesundheitsfördernden Arbeitsgebieten ist, da es die zentralen Herausforderungen und Aufgaben beim Lehren und Lernen in dem komplexen Themengebiet der Gesundheitspädagogik systematisiert.

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„Ein Meister ist nicht derjenige, der etwas lehrt, sondern jemand, der seinen Schüler dazu anregt, sein Bestes zu geben, um ein Wissen zu entdecken, das er bereits in seiner Seele trägt.“

(Paulo Coelho)

Dieses Buch basiert auf der gleichnamigen Dissertation zur Erlangung des Doctor scientiarum humanarum (Dr. sc. hum.)

an der

Medizinischen Fakultät Heidelberg der Ruprecht-Karls-Universität.

Der Text wurde geringfügig abgeändert/gekürzt.

DANKSAGUNG

An erster Stelle möchte ich Professor Dr. Rolf Verres für die Betreuung der vorliegenden Dissertationsschrift danken. Er begleitete meine Arbeit über Gesundheitspädagogen als Doktorvater und unterstützte diese fortwährend mit seiner medizinisch-psychologischen Fachkompetenz und seiner aufgeschlossenen und offenen Herangehensweise. Durch konstruktive Kritik und gewinnbringende Hinweise gelang es ihm in zahlreichen Gesprächen, mir einen gangbaren Weg zur Bearbeitung des Themas zu weisen. Ebenso gilt meine besondere Dankbarkeit Professor Dr. Wolfgang Knörzer, der mir nicht nur in pädagogischen Forschungsfragen, sondern auch hinsichtlich gesundheitspädagogischer Belange stets mit Rat und Tat zur Seite stand.

Gedankt sei auch Dr. Henrik Jungaberle, der mir stets eine große Unterstützung war und ohne den diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Ich danke auch Christina Wippermann, die mich beim methodischen Vorgehen stets beraten hat und mir diesbezüglich eine große Hilfe war.

Die empirische Studie, hätte nicht realisiert werden können, ohne die Bereitschaft meiner Interviewpartner sich auf einen intensiven Dialog einzulassen. Jedem Einzelnen danke ich für das entgegengebrachte Vertrauen und hoffe, seinen Ansichten mit meinen Deutungen und Einschätzungen gerecht geworden zu sein.

Als äußerst wertvoll erwies sich die Unterstützung meiner Verwandten, für mehrstündige Korrekturlesearbeiten danke ich herzlichst Sebastian Klaus, Sara Köser, Janine Pospiech, Tanja Stange, Udo Pospiech und im Besonderen Anna Brechtel. Mit zahllosen Freundschaftsdiensten über die gesamte Zeit der Promotion erleichterten sie mir Leben und Arbeit.

Einen ganz besonderen Dank möchte ich meiner Familie aussprechen für all das, was sie über die Jahrzehnte hinweg für mich getan haben. Meine Eltern gaben mir stets den Rückhalt zur Verwirklichung meiner Träume und Ziele. Meine Frau hielt mir insbesondere in schwierigen Phasen den Rücken frei und motivierte mich zahlreiche Male, nicht aufzugeben.

INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

1.1 Untersuchungsgegenstand

1.2 Arbeitshypothesen

1.3 Fachliche und interdisziplinäre Relevanz

1.4 Aufbau der Arbeit

2 Theorieteil

2.1 Vergleichende Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes

2.1.1 Bereich 1: Das Suchtpräventionsprogramm Rebound

2.1.2 Bereich 2: Die Kampfkunst traditionelles Taekwon-Do

2.1.3 Fazit: Unterschiede und Ähnlichkeiten der zwei gesundheitspädagogischen Bereiche

2.2 Grundlagen der Gesundheitspädagogik

2.2.1 Der Begriff der Gesundheit

2.2.2 Gesundheitspädagogische Theorien und Forschung

2.2.3 Verortung des Untersuchungsgegenstands in der Gesundheitspädagogik

2.3 Pädagogik und pädagogische Kompetenzen

2.3.1 Kompetenzen von Pädagogen

2.3.2 Kompetenzen für Rebound-Lehrkräfte

2.3.3 Kompetenzen von Taekwon-Do-Lehrern

2.3.4 Die Rolle des Lehrers in Bezug auf gute Schülerleistungen

2.3.5 Psychologische Theorien für den Umgang mit Schülern

2.3.6 Fazit: Gibt es spezifische Kompetenzen bei Gesundheitspädagogen?

3 Methode

3.1 Überblick des methodischen Vorgehens

3.2 Fragestellung

3.3 Stichprobe

3.4 Methodologische Grundlagen

3.4.1

Grounded Theory als

übergeordneter Forschungsstil

3.4.2 Datenerhebung

3.4.3 Qualitative Auswertung nach Miles & Hubermann

3.4.4 Gütekriterien: Validität und Reliabilität

4 Ergebnisse

4.1 Darstellung der Ergebnisse

4.1.1 Demografische Angaben der interviewten Lehrer

4.1.2 Übersicht der Interviewprobanden

4.1.3 Kategoriengruppen und ihre Prototypen (Conceptually Clustered Matrix)

4.1.4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten der untersuchten Lehrergruppen (Role Ordered Matrix)

4.2 Überblick und Zusammenfassung anhand der Content Analytic Summary Table

4.2.1 Analyse anhand der Code-Ränge

4.2.2 Analyse anhand der

Content Analytics Table

4.3 Konstruktion eines Kompetenzmodells für Lehrer in gesundheitspädagogischen Arbeitsgebieten

5 Diskussion

5.1 Verortung des Modells

5.1.1 Vergleich mit Indikatoren für gute Schülerleistungen

5.1.2 Psychologische Konzepte des IKPG-Modells

5.1.3 Die gesundheitswissenschaftliche Sicht auf das IKPG-Modell

5.2 Unterschiede und Gemeinsamkeiten der untersuchten Präventionsfelder im IKPG-Modell

5.3 Implikationen für Pädagogen in gesundheitsfördernden Arbeitsgebieten

5.3.1 Eigene Kompetenzen und Haltungen bewusst und nachhaltig reflektieren

5.3.2 Verantwortungsbewusstsein und dessen Verinnerlichung

5.3.3 Mentorensystem für Pädagogen

5.3.4 Professionelle Ausbildung für Kampfkunstlehrer

5.4 Ausblick auf weitere Forschungsgebiete

5.5 Abschließende Schlussfolgerungen

Anhang A Literaturverzeichnis

Anhang B Abbildungsverzeichnis

Anhang C Tabellenverzeichnis

Anhang D Traditionelles Taekwon-Do und Gesundheit

Anhang E Interviewleitfaden

Anhang F Transkriptionsregeln

Anhang G Anzahl der vergebenen Kodierungen (L5)

Anhang H Beschreibung der Codekategorien

Anhang I Vergleich der Präventionsfelder (Häufigkeit der Kodierungen)

Anhang J Rangsystem der gefundenen Codes

Anhang K Relevante Effekte der Hattie Studie

1 EINLEITUNG

Die Bedeutung von effektiver Prävention im Gesundheitswesen rückt immer stärker in den Fokus. Dies verdeutlicht sich im Gesundheitsbericht „Gesundheit in Deutschland“ (Lange, C. & Ziese, 2006), der von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde und einen umfassenden Überblick über den Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung darstellt. Demzufolge hat sich der Gesundheitszustand der Deutschen im Betrachtungszeitraum 1990 - 2004 verbessert und die Sterblichkeit ging zurück. Weiterhin sagt der Bericht aus, dass das Krankheitsspektrum sich insgesamt verschiebt. So lassen Erkrankungen am Herz-Kreislaufsystem nach, wohingegen psychische Erkrankungen und Leiden des Muskel-Skelettsystems zunehmen. Als größte Herausforderung sieht der Bericht die steigende Alterung der Gesellschaft, wodurch weitere Probleme durch altersbedingte Krankheiten (z.B. Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) aufkommen. Im gleichen Jahr veröffentlichte die Weltbank1 einen Bericht (Lopez, 2006) über die globalen Folgen von Krankheiten und deren Risikofaktoren. Dieser Bericht zeigt auf, dass ein ungesunder Lebenswandel – unter anderem verursacht durch den Missbrauch psychoaktiver Substanzen und den Mangel an körperlicher Betätigung – und deren Folgen zu den häufigsten Ursachen für Krankheiten zählt (siehe Abbildung 1 für eine Auflistung der zehn größten Risikofaktoren prozentual zur Gesamtzahl an DALYs2).

Als eine Möglichkeit, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wird die quantitative und qualitative Steigerung von gesundheitsfördernden Angeboten genannt. (Lange, C. & Ziese, 2006) So sind „neben einem höheren Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung [..] strukturelle Verbesserungen im Gesundheitswesen erforderlich. Die zahlreichen Präventionsangebote müssen alle sozialen Schichten erreichen und von den Anbietern besser koordiniert und vernetzt werden.“ (Lange, C. & Ziese, 2006)

Abbildung 1: Risikofaktoren für Krankheiten (Top 10)

Quelle: abgeleitet aus Lopez (2006)

Hier schließt sich wiederum die Frage nach den pädagogischen Kompetenzen der durchführenden Präventionsfachleute und Gesundheitsförderer an. Wie haben sie diese Kompetenzen erlangt und wie kann der Erwerb weiter professionalisiert und gefördert werden? Obwohl es mittlerweile entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten und Studiengänge3 gibt, unterrichtet eine hohe Anzahl an Quereinsteigern in präventiven oder gesundheitsfördernden Angeboten. Das Suchtpräventionsprogramm Rebound4, welches an der Universitätsklinik Heidelberg entwickelt wurde, hat beispielsweise Pädagogen aus dem schulischen Umfeld rekrutiert und diese dann weitergebildet. Als Leiter einer Schule für traditionelles Taekwon-Do und erfahrener Lehrer in dieser Kampfkunst hat der Verfasser dieser Arbeit persönlich die positive Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten als Gesundheitspädagoge erlebt. In Gesprächen mit anderen Schulleitern ist ihm weiterhin aufgefallen, dass alle ähnliche, aber individuell geprägte Prozesse des Kompetenzerwerbs durchlaufen haben.

Diese qualitative Studie soll die individuellen Wege des gesundheitspädagogischen Kompetenzerwerbs bei Kampfkunstlehrern (als Fördern von Bewegung) und bei Lehrern eines Suchtpräventionsprogramms erheben und die Befunde in einer fallkontrastierenden Analyse vergleichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den "professionell" studierten Pädagogen und den weitestgehend autodidaktisch vorgehenden Kampfkunstlehrern zu identifizieren. Der Vergleich einer institutionellen und universitären mit einer personenzentriert-individuellen und autodidaktischen Ausbildung ist geeignet, um Verbesserungen für die Ausbildung selbst und die Kompetenzentwicklung der Lehrenden in beiden Bereichen zu eruieren. Beide Lehrmethoden haben eine weitreichende Tradition. Doch während die pädagogische Ausbildung an Universitäten (oder vergleichbaren Einrichtungen) bereits auf eine lange Forschungshistorie zurückblicken kann, liegen bislang noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse der pädagogischen Herangehensweise von Kampfkunstlehrern vor.

1.1 Untersuchungsgegenstand

Ziel ist es, Empfehlungen für multi-professionelle Gesundheitspädagogen (z.B. Lehrer, Psychologen, Sozialarbeiter, Mediziner) oder die Ausbildung dieser zu erarbeiten, wodurch deren gesundheitspädagogischer Kompetenzerwerb und -förderung professionalisiert werden kann. Dies soll einerseits als Selbstreflexionshilfe dienen und andererseits Ausbildern als Anleitung zur Konstruktion von Weiterbildung und Studiengängen dienen.

Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme werden oftmals aus Institutionen mit medizinischem und psychologischem Hintergrund heraus entwickelt und von verschiedenen Berufsgruppen im Schnittfeld von Gesundheits- und Bildungssystem implementiert. Die vorliegende Arbeit soll zur Professionalisierung des Handlungsfeldes Prävention am Beispiel von Missbrauch psychoaktiver Substanzen und Bewegungsarmut beitragen. Ausgehend von zwei kontrastierenden präventiven Praxisfeldern soll ein Raster mit Kompetenzen erstellt werden, die für das pädagogische Arbeiten im Umfeld von Prävention und Gesundheitsförderung notwendig sind. Die Selektion der Präventionsfelder basiert einerseits auf den bereits erwähnten Berichten der Weltbank und der Bundesregierung (vgl. Lange, C. & Ziese, 2006) und einer aktuellen Studie der WHO5 über soziale Determinanten für Gesundheit bei jungen Menschen (vgl. WHO-Europe & Currie, 2012). Demnach gehören der Missbrauch psychoaktiver Substanzen (Rauchen, Alkoholgenuss und Genuss illegaler Drogen) und Bewegungsarmut und deren Folgen (z.B. Bluthochdruck, Übergewicht und Fettleibigkeit, hoher Cholesterinspiegel bei Bewegungsarmut) zu den größten Risiken für die Gesundheit.

Präventionsfeld 1: Missbrauch psychoaktiver Substanzen. Rebound ist ein EU-gefördertes Suchtpräventionsprogramm, welches am Institut für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Heidelberg entwickelt wurde. Rebound möchte die Resilienz und Risikokompetenz steigern, damit junge Menschen lernen, sich vor den Gefahren, die von Alkohol und anderen Drogen ausgehen, besser zu schützen. Das Programm wird von Lehrern als Multiplikatoren unterrichtet.

Präventionsfeld 2: Bewegungsarmut. Traditionelles Taekwon-Do (TKD) ist eine koreanische Kampfkunst, die in den 1960er Jahren ihren Weg nach Deutschland fand. Ein körperliches und mentales Training soll die Gesundheit fördern und den Menschen in seiner Persönlichkeit zu einem eigenständigen und werteorientierten Lebensstil entwickeln. Die gesundheitstheoretische Ausbildung der Lehrer erfolgt autodidaktisch über ein ‚Learning by Doing‘-System in der Kampfkunstschule und einer interessensgeleiteten Erarbeitung anhand von Literatur.

1.2 Arbeitshypothesen

Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Lehrende in gesundheitspädagogischen Praxisfeldern eher eine semiprofessionelle Ausbildung6 genießen, da im Regelfall kein strukturiertes und behördlich anerkanntes Ausbildungscurriculum7 vorhanden ist, erheben sich zahlreiche Fragen: Woher erhalten Lehrende ihre Ausbildung? Wie fundiert ist die Ausbildung hinsichtlich pädagogischer Methoden oder theoretischem Hintergrundwissen? Wie kann verhindert werden, dass Lehrende aufgrund mangelnder Kompetenzen Schaden anrichten? Welche Rolle spielt eine pädagogische Grundausbildung, welche Rolle spielt die autodidaktische, von Interessen getriebene Ausbildung? Wie unterscheiden sich die Lehrenden der beiden untersuchten Präventionsfelder? Welche Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen den beiden Lehrergruppen aufzeigen?

Die folgenden drei Fragestellungen sollen durch diese Arbeit führen. Diese Leitfragen spiegeln den prozeduralen Ablauf vom Erlernen, dem Istzustand hin zum Idealzustand durch entsprechende Förderung wieder.

(1) „Welche Kompetenzen erweisen sich in der Analyse der Lehrkräfte beider Tätigkeitsfelder als wichtig für deren Präventionspraxis?“

Für diese inhaltliche Perspektive wird der Forschungsstand mit den Aussagen von Lehrenden aus beiden Feldern verglichen. Dabei soll insbesondere auf den gelehrten Inhalt und die Persönlichkeitsstruktur der Lehrenden eingegangen werden.

(2) „Wie erlernen die Lehrkräfte diese Kompetenzen?“

Es sollen Lernprozesse modelliert werden, welche die Qualität, Nachhaltigkeit und Effektivität von Präventionsprogrammen erhöhen (z.B. Selbstreflexion). Vor dem Hintergrund psychologischer und bildungswissenschaftlicher Modelle zum Kompetenzerwerb und der Auswertung von Praxisreflexionen der befragten Lehrer soll zunächst der von den Lehrenden beschrittene Ausbildungsweg dargestellt werden, um im Folgenden ein Stufenmodell zu entwickeln, das als Grundlage für eine mögliche Professionalisierung und Optimierung dienen kann.

(3) „Wie kann die Kompetenzentwicklung von Lehrkräften in gesundheitspädagogischen Arbeitsfeldern gefördert werden?“

Aufbauend auf der Kompetenzlisten (vgl. Frage (1)) und dem Prozessmodell (vgl. Frage (2)) sollen Vorschläge erarbeitet werden, die Empfehlungen für die Ausbildung von Lehrkräften in gesundheitspädagogischen Arbeitsgebieten aufzeigen.

1.3 Fachliche und interdisziplinäre Relevanz

Der Forschungsgegenstand dieser Arbeit, die Gesundheitspädagogik, ist im interdisziplinären Bereich zwischen den drei Fachbereichen Medizin, Psychologie und Pädagogik zu verorten. Ziel der gesundheitspädagogischen Forschung ist die Konzeption, Implementierung und Erforschung von gesundheitsfördernden und gesundheitserzieherischen Maßnahmen (Wulfhorst, 2009). Umfangreiche Forschungen belegen nachdrücklich, dass die Rolle des Lehrenden zentral für das Gelingen des Unterrichts ist (Hattie, 2008). Mit dieser Arbeit soll ein Beitrag zur Professionalisierung der Kompetenzen gesundheitserzieherischer Maßnahmen geleistet werden. Dabei werden zum ersten Mal auch Pädagogen ohne professionelle universitäre Ausbildung befragt und analysiert. Diese Pädagogen aus dem Kampfkunst-Bereich bringen einen Erfahrungsschatz mit, welcher auf asiatischen Lehrmethoden und Philosophien beruht und für die Denkweise der deutschen Schulpädagogik eher ungewohnt sind. Die Ergebnisse dieser Arbeit stehen sowohl professionell als auch semiprofessionell ausgebildeten Pädagogen aus allen drei Disziplinen zur Verfügung und könnten beispielsweise Konzepte für Aus- und Weiterbildung bereichern.

In dieser Arbeit geht es nicht darum, einen umfassenden Vergleich kultureller und pädagogischer Unterschiede zwischen den pädagogischen Gruppen anzustellen. Vielmehr sollen unterschiedliche Prozesse der Kompetenzentwicklung aufgezeigt und dabei hinterfragt werden, was, warum und mit welchen Methoden gelehrt wird.

1.4 Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. In Kapitel 1, dem Einleitungsteil stehen die Arbeitshypothesen, welche Kompetenzen für gesundheitspädagogische Arbeitsfelder wichtig sind, wie diese erlangt wurden und wie diese Kompetenzen gefördert werden können, im Vordergrund. Die Relevanz der gestellten Forschungsfragen wird in Bezug zum medizinischen, psychologischen und pädagogischen Forschungsstand gesetzt und begründet.

In Kapitel 2 (Theorieteil) erfolgt eine detaillierte Beschäftigung mit der Thematik des Untersuchungsgegenstandes. Die beiden für diese Studie herangezogenen Präventionsfelder (Kampfkunst ‚traditionelles Taekwon-Do‘ und Suchtpräventionsprogramm ‚Rebound‘) werden im ersten Abschnitt einer kritischen Analyse auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede unterzogen. Der zweite Abschnitt liefert einen Überblick über die theoretischen Grundlagen der Gesundheitspädagogik und ordnet die untersuchten Präventionsfelder, insbesondere das traditionelle Taekwon-Do, den Gesundheitsmodellen zu. Das Präventionsprogramm Rebound wird hier lediglich kurz beschrieben, da es basierend auf dem Modell der Resilienz erstellt wurde. Der dritte Abschnitt befasst sich mit dem kompetenten Handeln professionell agierender Pädagogen in gesundheitspädagogischen Handlungsfeldern. In diesem Zusammenhang werden auch die beiden untersuchten Präventionsfelder hinsichtlich pädagogischer Voraussetzungen betrachtet.

In Kapitel 3 erfolgt eine methodische Aufbereitung des gewählten Forschungsparadigmas, der Grounded Theory nach Glaser and Strauss (1967). Erläutert werden die Datenerhebung mittels Experteninterviews (Abschnitt 2), die Datenanalyse, basierend auf der Qualitativen Inhaltsanalyse von Miles and Huberman (2007) (Abschnitt 3), und die Gütekriterien (Abschnitt 4).

Die einzelnen Erkenntnisschritte des empirischen Vorgehens werden in Kapitel 4 detailliert an der exemplarischen Fragestellung „Was lehren Gesundheitspädagogen?“ dargestellt und erklärt. In Abschnitt 1 werden die Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse dargestellt, mittels unterschiedlicher Methoden analysiert und in Abschnitt 2 zusammenfassend dargestellt. Die Ergebnisse der Darstellung münden in ein Modell für Gesundheitspädagogen, welches in Abschnitt 3 konstruiert und diskutiert wird.

Im abschließenden Resümee werden in Kapitel 5 eine Bewertung über die gegenseitigen Lernfelder vorgenommen und Empfehlungen für die Verbesserung der Ausbildung und die Professionalisierung von Gesundheitspädagogen gegeben. Abschließend wird diskutiert, inwieweit die Ergebnisse dieser Arbeit auf andere Pädagogen generalisierbar sind und ein Ausblick auf weitere Forschungsgebiete gegeben.

Abbildung 2: Aufbau der Arbeit

1 Die Weltbank, auch „Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“, ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und hat die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Entwicklungs- und Transformationsländern zur Aufgabe. Der Bericht (Global Burden of Disease and Risk Factors) soll Prioritäten für die Kontrolle von Krankheiten identifizieren, um daraus kosteneffektive Interventionen für Entwicklungsländer zu entwickeln.

2 DALYs: disability-adjusted life years – drückt die Anzahl der verlorenen Lebensjahre durch Krankheit oder den frühzeitigen Tod aus.

3 Die Pädagogische Hochschule Heidelberg bietet beispielsweise einen Bachelor-Studiengang in Gesundheitsförderung an.

4 Siehe Kapitel 2.1.1 Bereich 1: Das Suchtpräventionsprogramm Rebound, Seite →

5 WHO: World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)

6 Semiprofessionell im Sinne einer Ausbildung, die sich über einen kurzen Zeitraum erstreckt oder nicht an einer akkreditierten Ausbildungseinrichtung durchgeführt wird.

7 Liste der anerkannten Ausbildungsberufe unter: http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/ListeGesamtEndfassung13-08-02_02.pdf

2 THEORIETEIL

Der folgende Theorieteil gibt eine Übersicht über die untersuchten Präventionsfelder (Rebound und traditionelles Taekwon-Do), die Grundlagen der Gesundheitspädagogik und über die Pädagogik und pädagogische Kompetenzen.

2.1 Vergleichende Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes

In diesem Abschnitt werden die Grundlagen und die Herkunft der beiden untersuchten pädagogischen Konzepte (Rebound und traditionelles Taekwon-Do) vorgestellt und erläutert. Erarbeitet werden Herkunft, Entstehung, Ziele, Methoden und wichtige Bestandteile. Den Abschluss dieses Abschnitts bildet ein Vergleich der beiden Untersuchungsgegenstände.

2.1.1 Bereich 1: Das Suchtpräventionsprogramm Rebound

Rebound steht für „Resilience bound“ und drückt damit den Charakter des pädagogischen Konzeptes aus. Über den aktiven Aufbau von Resilienz soll Jugendlichen ein risikobewusster Umgang mit Alkohol und anderen Drogen beigebracht werden. Die folgenden Ausführungen beruhen im Wesentlichen auf Jungaberle and Ullrich-Kleinmanns (2009) und Jungaberle et al. (2011).

2.1.1.1 Entstehung von Rebound

Im Institut für medizinische Psychologie am Zentrum für Psychosoziale Medizin der Uniklinik Heidelberg wird bereits seit 2002 zum Themenfeld Drogengebrauch und -prävention geforscht. Ausgehend von einer Langzeitstudie über die Drogengebrauchsmuster von Jugendlichen (Ullrich-Kleinmanns, 2009) wurde resümiert, dass wesentliche Bestandteile von Suchtpräventionsprogrammen folgendes beinhalten sollten: (1) eine größtmögliche Strukturierung der Inhalte und des Vorgehens, eine (2) individualisierte, (3) partizipative und (4) reflexive Risikowahrnehmung und (5) ein Identitätstraining.

Aus dieser Studie wurde unter der Leitung von Dr. Henrik Jungaberle ein Konzept entwickelt, welches generelle Resilienzstärkung sowie ein Risikowahrnehmungstraining abdecken soll.

2.1.1.2 Ziele von Rebound

Die Ergebnisse, die durch Rebound erreicht werden sollen, sind vielschichtig und teilen sich in drogenbezogene Ziele, Ziele der Resilienzstärkung und weitere Ziele auf (siehe Abbildung 3: Ziele im Rebound-Programm).

Die primärpräventiven Ziele sind die Abstinenz sowie die Verzögerung des Erstkonsums. Da jedoch davon auszugehen ist, dass ein Teil der Jugendlichen aus verschiedenen Gründen (Neugierde, Problembewältigung, soziale Dynamiken usw.) nicht vom Konsum abgehalten werden kann oder bereits konsumiert, soll sekundärpräventiv ein moderater und risikobewusster Umgang mit Drogen oder die komplette Einstellung des Konsums bewirkt werden.

Die Stärkung der Resilienz soll durch vier Unterziele erreicht werden. Es sollen hierfür positive Gruppennormen erstellt, ein positives Klassenklima erzeugt, wichtige Beziehungen identifiziert und Lebenskompetenzen gestärkt werden.

Weiterhin sollen Eltern und Lehrkräfte mittels reliabeler und relevanter Drogeninformationen bessere Entscheidungen über individuelle Interventionen treffen und Lehrkräfte sollen von der gesteigerten Mitarbeit und dem besseren Klassenklima profitieren. (Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009)

Abbildung 3: Ziele im Rebound-Programm

2.1.1.3 Bestandteile des Rebound-Programms

Das Rebound-Programm setzt sich im Wesentlichen aus vier Säulen zusammen: der Schulentwicklung, dem Schulkurs, dem online Lernsystem (eLearning) und einem Mentoring Programm (siehe Abbildung 4: Die Rebound Bestandteile). Rebound als Gesamtprogramm baut dabei auf dem Dreiecksmodell der Wirkungen und Risiken von Substanzgebrauch (Droge, Person und soziokultureller Kontext) auf (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009). Dabei werden unterschiedliche psychologische und gesundheitswissenschaftliche Theorien berücksichtigt: (1) Annahmen über Gesundheit, Resilienz und Salutogenese (Antonovsky, 1987; Brown, 2001; Werner, 1993), (2) Life Skills-Ansätze und psychologische Grundbedürfnisse (Botvin & Griffin, 2002; Grawe, 2007), (3) Theorien zur Risikowahrnehmung und Entscheidungsfindung (Loewenstein, Weber, Hsee & Welch, 2001; Renner & Schwarzer, 2003; Weinstein, 1980). (4) Konzepte der Szenario Analyse (Austin, 1961; Brecht, 1996; Goffman, 1974; Wulf, 2001), (5) die Theorie des Problemverhaltens (Jessor, 1991), (6) Identitätsentwicklung und Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1965; Straus & Höfer, 1997) und (7) die Soziale Lerntheorie (Bandura, Albert, 1986). Zusätzlich werden Best Practices aus der Suchtprävention und ähnlichen Programmen berücksichtigt8. (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009)

Abbildung 4: Die Rebound Bestandteile

Quelle: Rebound Projektpräsentation

Der Rebound-Schulkurs

Der Rebound-Schulkurs ist das Herzstück des Programms. Er setzt sich aus insgesamt 16 Unterrichtsdoppelstunden (á 90 min) zusammen, welche nach einem vorgegebenen Schema durchgeführt werden. Der Unterricht wird interaktiv, kommunikativ und gemeinschaftlich durchgeführt. Neben dem Wissenstransfer kommen dabei Techniken aus der Theaterpädagogik, der Film- und Medienpädagogik sowie Erfahrungslernen und Selbsteinschätzungsinstrumente zum Einsatz. Der Ablauf der Unterrichtsstunden ist einheitlich strukturiert: Zu Beginn werden die Ziele der Unterrichtsstunde genannt und es findet eine kurze Reflexion der letzten Stunde statt. Daraufhin folgen verschiedene Übungen aus der Theaterpädagogik, welche die Stimmung lösen, die Konzentration auf das Thema fokussieren und das Gruppengefühl stärken sollen. Für die Vermittlung der Rebound-Inhalte werden unter anderem drogenbezogene und psychologische Informationen präsentiert (Wissenstransfer), aber auch verschiedene andere didaktische Methoden, wie beispielsweise die Arbeit mit Filmen (siehe Kapitel 2.1.1.4 „Spezielle Methoden und Vorgehensweisen im Rebound-Programm“, Seite →), Wissens-Quiz, Gruppendiskussionen, Erfahrungsaustausch und praktischen Übungen wie Erste Hilfe Maßnahmen kommen zum Einsatz. Innerhalb des strukturierten Ablaufs bleibt den Lehrkräften ausreichend Gestaltungsspielraum, um auf individuelle Bedürfnisse der einzelnen Beteiligten einzugehen (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009; Jungaberle et al., 2011).

Das Rebound-Online-Lernsystem

Die Rebound Webseite (in der das Online-Lernsystem integriert ist) hat mehrere Funktionen. Einerseits soll sie wissenschaftlich fundierte Informationen über Drogen, deren Geschichte, Wirkung und Gefahren, Hintergrundinformationen über das Projekt Rebound für Lehrkräfte, Eltern und andere Interessierte und eine Plattform für das Thema Drogen bieten. Andererseits dient sie zur Vor- und Nachbearbeitung der Stunden im Schulkurs. Hierfür werden in einem gesonderten Bereich Dokumente, Filme, ein Diskussionsforum und weiterführende Informationen geboten. Es gibt weiterhin die Möglichkeit interaktive Umfragen, Film-Quizz und Selbsteinschätzungsfragebögen zu bearbeiten.

Eigens für diese Zwecke wurde ein Online-System entwickelt, welches den besonderen Bedürfnissen des Rebound-Programms und den Schülern gerecht werden soll und die Möglichkeiten der modernen Internettechnik (Web 2.0) nutzt (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009; Jungaberle et al., 2011).

Das Rebound-Mentoring-Programm

Bei Rebound steht die Resilienzentwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Zentrum. Als ein Element werden hierzu Jugendliche und junge Erwachsene als Kursassistenten in den Unterricht integriert. Dies ist mit der Erwartung verbunden, dass sie einerseits die Lehrenden bei der Durchführung der Unterrichtseinheiten unterstützen und andererseits leichter eine Beziehung und vertrauensvolle Atmosphäre zu den Schülern aufbauen können. Zusätzlich kommen junge Erwachsene in einer speziell dafür ausgerichteten Unterrichtseinheit als Besucher und berichten und diskutieren offen von ihren Lebenserfahrungen (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009; Jungaberle et al., 2011).

2.1.1.4 Spezielle Methoden und Vorgehensweisen im Rebound-Programm

Das Rebound-Programm basiert auf Methoden, die aus der Grundlagenforschung (RISA-Studie) und der Resilienz-Theorie (siehe Kapitel 2.2.1) abgeleitet wurden. Drei zentrale Konzepte werden im Folgenden näher erläutert.

Die Resilienzfaktoren

Eines der Hauptziele im Rebound Programm ist die Förderung der „Resilienz (Stärke), d.h. [die Schüler sollen sich] auf eigene Stärken besinnen und diese mobilisieren.“ (Jungaberle et al., 2011), wobei Resilienz als psychische Widerstandskraft definiert wird. Eine Person ist dann resilient, wenn sie (1) sich positiv entwickelt, trotz andauerndem Risiko (Fähigkeiten erhalten oder ausbauen), (2) sich rasch von traumatischen Ereignissen erholt und (3) durch Herausforderungen und Stress lernt (Jungaberle et al., 2011). Um die Resilienz eines Schülers zu fördern und ihn in seiner Entwicklungsaufgabe zu unterstützen, wurden drei Faktoren identifiziert: (1) Regie-Faktor, (2) Mentoren-Faktor und (3) Team-Faktor (siehe Abbildung 5). Die drei Faktoren und deren Bedeutung werden den Schülern im Unterricht vermittelt und anhand praktischer Beispiele verdeutlicht. (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009; Jungaberle et al., 2011)

Abbildung 5: Die Resilienzfaktoren im Rebound-Programm

Das Risikokompetenzmodell RIKO

Um die Ziele des Rebound-Programmes zu unterstützen, wurde neben den Resilienzfaktoren das Risikokompetenzmodell „RIKO“ entwickelt. Risikokompetenz wird bei Rebound als drogenspezifische Resilienz gesehen.

RIKO steht für Reflektiertheit (als kognitive Fähigkeit), Informiertheit (als kognitive Fähigkeit), Kontrolliertheit (als kognitive, emotionale und soziale Fähigkeit) und die Orientierung (die kognitive, emotionale und eigenmotivierte Fähigkeit). Während dem Rebound-Unterricht wird den Teilnehmern über verschiedene Methoden (z.B. Filmarbeit, Rollenspiele, Theaterpädagogik) ein strukturierter Entscheidungsprozess vermittelt. Innerhalb dieses Prozesses kommt RIKO zum Einsatz, indem die Schüler lernen sollen, objektivierbare Informationen zu sammeln, diese auf ihre eigene Situation zu beziehen, eine kontrollierte Entscheidung zu treffen und die daraus resultierenden Folgen im Vorfeld auf ihre eigene Zukunft projizieren zu können (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009; Jungaberle et al., 2011)

Die Filmbearbeitungsmethode VIA

Eine zentrale Methode bei Rebound ist der Einsatz von Videos im Unterricht. Für VIA (video-assistedidentity, risk perception and assertiveness training) wurden reale Szenarien ausgewählt und verfilmt, basierend auf vorangegangener Grundlagenforschung (vgl. Ullrich-Kleinmanns, 2009; Wippermann, 2010), die das Konsumverhalten junger Menschen untersuchte. Diese Kurzfilme werden im Unterricht vorgeführt und nach verschiedenen Kriterien gemeinsam mit den Schülern interpretiert. Dabei sollen die Jugendlichen (1) ein Bewusstsein für negatives und positives Modelllernen9 entwickeln, (2) ein Bewusstsein für implizite Identitätsarbeit mit Drogen (inklusive Symbolik, Motive und Funktionen) aufbauen, (3) ihre Reflexivität bezüglich Drogeninformationen (z.B. Qualität, Richtigkeit, Herkunft) erhöhen, (4) zwischen positiven und negativen Effekten psychoaktiver Substanzen unterscheiden lernen, (5) eine verbesserte Risikowahrnehmung aufbauen, (6) Wissen über resilienz- und selbstvertrauenssteigernde Faktoren sowohl für Gruppen als auch für sich selbst erlernen und (7) individuelle Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Stress trainieren. (vgl. Jungaberle & Ullrich-Kleinmanns, 2009; Jungaberle et al., 2011; Wippermann, 2010)

2.1.2 Bereich 2: Die Kampfkunst traditionelles Taekwon-Do

Erste wissenschaftliche Studien über Kampfkünste, zu denen traditionelles Taekwon-Do zählt, liegen seit den 1970er Jahren vor, wurden jedoch mit geringem Aufwand betrieben. Dies erschwert die wissenschaftliche Erarbeitung des Themenfeldes erheblich, da entsprechende Literatur kaum verfügbar ist. Aus diesem Grund wurden für diesen Teil der Arbeit nicht nur die verfügbaren wissenschaftlichen Arbeiten, sondern auch graue Literatur bekannter Kampfkunstlehrer, geschichtliche Dokumente, Broschüren, Informationsmaterial aus diversen Sportschulen, persönliche Mitteilungen aus Gesprächen mit Kampfkunstmeistern und eigene Erfahrungen des Autors als Lehrer für traditionelles Taekwon-Do verwendet.

Die asiatischen Kampfkünste zählen zu den ältesten kulturellen Errungenschaften der ostasiatischen Länder. Ihre Wurzeln liegen mehrere tausend Jahre zurück, in dieser Zeit wurden sie weiterentwickelt. Dabei geht es oftmals nicht nur um eine rein körperliche Verteidigung, sondern auch um das Wissen über die Heilung des Körpers (den Aufbau und die Funktion des Körpers; den Einsatz heilender Mittel) oder um einen gesunden Lebenswandel (z.B. durch richtige Ernährung), die Einhaltung eines Ehrenkodex (wie ihn z.B. die Samurai, aber auch westliche Ritter hatten) und eine spirituelle Weltsicht (die sich in den ostasiatischen Kampfkünsten oftmals auf dem Buddhismus gründet). Oftmals wird vergessen, dass das eigentliche Ziel von Kampfkünsten die Vermeidung des Kampfes war. Deutlich wird dies im japanischen Wort Budo, welches geläufig als Oberbegriff für alle asiatischen Kampfkünste genutzt wird. Es setzt sich aus zwei Schriftzeichen zusammen [1] „Bu“ (bestehend aus zwei Zeichenelementen: „aufhalten“ bzw. anhalten“ und „Lanze“ und könnte mit „Halte beide Lanzen auf“ übersetzt werden) und [2] „Do“ (der Weg) und bedeutet frei übersetzt „Der Weg der friedlichen Kampfkunst“ (vgl. Kuhn, 2008; Lind, 1992).

Am Beispiel des traditionellen Taekwon-Do sollen diese Besonderheiten der Kampfkünste im Folgenden verdeutlicht werden.

2.1.2.1 Historie/Geschichte des Taekwon-Do

Ahn, Hong and Park (2009) formulieren vier Hypothesen, wie Taekwon-Do entstanden sein könnte: [1] Die Choi-zentrierte Hypothese wurde von General Choi, Hong-Hi, der vielen als Begründer des Taekwon-Do gilt, forciert. Demnach ist er selbst der Erfinder von Taekwon-Do. [2] Die Kwanzentrierte Hypothese besagt, dass die vier großen koreanischen Kampfkunstschulen (koreanisch Kwan) gemeinsam die neue Kampfkunst Taekwon-Do entwickelt haben. [3] Eine weitere Karate-zentrierte Hypothese geht davon aus, dass Taekwon-Do eine abgewandelte Form von Karate ist. [4] Ahn et al. (2009) zufolge ist jedoch das wahrscheinlichste Szenario, dass sich alle ostasiatischen Kampfkünste über die Jahrhunderte gegenseitig stark beeinflusst und dabei kontinuierlich weiterentwickelt haben (z.B. als Einfluss des Kung-Fu auf die koreanischen Kampfkünste während der chinesischen Herrschaft in Korea oder als Einfluss des Karate während der japanischen Herrschaft).

Die Ursprünge des Taekwon-Do liegen, wie die jeder waffenlosen Kampfkunst, in der Notwendigkeit sich gegen Aggressoren verteidigen oder besser angreifen zu können. „Der Kampf war eine praktische Notwendigkeit, um im Lebenskampf zu bestehen. Kampfübungen waren ‚Überlebenstraining‘. Wettbewerbe dienten in erster Linie der Wehrertüchtigung, auch wenn damit gelegentlich andere Motive oder persönlicher Prestigegewinn verbunden waren“ (Weinmann, 1991). Dabei gab es Kampfpraktiken, die über die Zeit in Vergessenheit gerieten und andere wiederum, die weiterbetrieben und gepflegt wurden. Aufgrund der Tatsache, dass „die anatomischen Voraussetzungen überall gleich waren […], kam man bei der ‚Erfindung‘ solcher Techniken in den unterschiedlichsten Kulturkreisen und Epochen häufig zu ähnlichen Ergebnissen“ (Weinmann, 1991). Weiterhin ist aufgrund der geschichtlichen Verknüpfungen ostasiatischer Länder, insbesondere China gegenüber Japan und Korea, die immer wieder in kriegerischen Auseinandersetzungen und den darauffolgenden Besatzungen ihr Kulturgut austauschten, festzustellen, dass sich die Kampfkünste gegenseitig stark beeinflusst haben (vgl. Kwon, 1977).

Taekwon-Do in Korea

In Korea gibt es bereits seit mehreren tausend Jahren Kampfsport oder kampfsportähnliche Bewegungen. Im Jahr 108 v.Chr. wurde Korea von China besiegt, die ihre höher entwickelten Kampfkünste mit in das Land brachten. Diese Kampfkünste verbreiteten sich rasch und wurden auch außerhalb des chinesischen Hoheitsgebietes erlernt und gepflegt (vgl. Lind & Arnold, 1996).

Nach dem bekanntesten Ursprungsmythos liegt die Herkunft des heutigen traditionellen Taekwon-Do im Wesentlichen im Königreich Silla, welches von 57 v. Chr. bis 935 n. Chr. existierte (vgl. Lind & Arnold, 1996). Demnach war Silla zu dieser Zeit das kleinste von drei Königreichen auf dem Gebiet des heutigen Koreas. Um sich gegen die übermächtigen Nachbarkönigreiche Koguryo und Baek-Je verteidigen zu können, sollen die Adeligen und Angehörigen der Kriegerkaste des Königreiches im 4. bis 8. Jahrhundert n.Chr. eine Elitearmee eingesetzt haben, welche für den Kampf ausgebildet wurde. Diese ‚Hwa Rang‘ (auch Hwarang) genannten Krieger wurden neben dem Kampftraining auch in der Ausbildung geistiger und körperlicher Disziplinen gefördert und bildeten die Basis der koreanischen Kampfkünste. Über die folgenden Jahrhunderte hinweg wurden diese Kampfkunstsysteme Koreas weiterentwickelt, vermischten sich untereinander und erfüllten ihren Zweck – in Konfliktsituationen zur Verteidigung und in Friedenszeiten zur körperlichen und geistigen Ertüchtigung. Diese Darstellung der Ursprünge des Taekwon-Do und den Hwarang-Kämpfern ist in den Kreisen des traditionellen Taekwon-Do weit verbreitet (vgl. Könnecke, 2012), unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist sie jedoch umstritten und nicht zweifelsfrei belegbar. (vgl. Gu, 1994)

Das moderne Taekwon-Do, wie es heute weltweit praktiziert wird, ist im Zeitraum um 1945 bis 1955 in Korea entstanden.

In der post-kolonialistischen Phase nach dem zweiten Weltkrieg bemühten sich die zwei politisch verfeindeten Landesteile um eine Neudefinition der koreanischen Identität. In diesem Zusammenhang gründete Südkorea ein neues Heer und ließ die Soldaten in traditionellen koreanischen Kampfkünsten ausbilden. Eine Führungsrolle in dieser Ausbildung übernahm Hong-Hi Choi, der heute noch als der Vater des Taekwon-Do gilt. Unter seiner Führung schlossen sich die großen Kampfkunstschulen Südkoreas zusammen und erarbeiteten eine neue Kampfkunst. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist Taekwon-Do nicht ausschließlich vom japanischen Karate abgeleitet, sondern es kombiniert vielmehr unterschiedliche koreanische Kampfkunststile wie „Te Kyon“, „Hwaran-Do“ und „Taekyon“, die – wie bereits in diesem Kapitel beschrieben – alle gegenseitig und von anderen asiatischen Kampfkünsten (z.B. aus Japan oder China) beeinflusst wurden. Der Name Taekwon-Do, was übersetzt „der Weg der Hände und Füße“ heißt, wurde 1955 von der koreanischen Regierung festgelegt. Abbildung 6 zeigt die Übersetzung anhand der koreanischen Schriftzeichen.

Abbildung 6: Koreanische Schriftzeichen für Taekwon-Do

In beiden koreanischen Staaten wurde und wird Taekwon-Do als Volkssport ausgeführt und ist Pflichtfach in Schulen, im Militär und bei der Polizei. Im Jahr 1973 wurde in Südkorea die „Welt-Taekwondo-Föderation“ (WTF) gegründet. Infolgedessen wurden jährliche Weltmeisterschaften ausgerichtet und seit 1988 ist Taekwon-Do Disziplin der Olympischen Spiele. (vgl. Choi, 1977; Gu, 1994; Kwon, 1977; Lind & Arnold, 1996)

Taekwon-Do in Europa und Deutschland

In dieser Schrift soll auf einen anderen Stil des Taekwon-Do Bezug genommen werden, welcher nicht den Wettkampf zum Ziel hat. Großmeister Jae-Hwa Kwon, der als Vater des europäischen Taekwon-Do gilt, ist heute (2013) mit 76 Jahren einer der ältesten noch praktizierenden Taekwon-Do Meister. Er unterrichtet eine spezielle Form des ebenfalls als traditionell bezeichneten Taekwon-Do. Im Folgenden werden die Besonderheiten und Ziele dieser Stilrichtung näher erläutert.

Jae-Hwa Kwon wurde 1965 von der koreanischen Regierung mit anderen koreanischen Großmeistern auf eine „Good Will Tour“ gesandt, um Taekwon-Do in der Welt bekannt zu machen. Im Jahr darauf verschrieb sich Kwon der Verbreitung der Kampfkunst in Europa und Nordafrika. Er ließ sich 1966 in Deutschland nieder und begann seine Aufbauarbeit.

Bereits 1970 verdeutlichte Kwon den Kampfkunstaspekt des Taekwon-Do in Abgrenzung zum wettkampforientierten Stil.

”Deshalb stellt Taekwon-Do, wird es richtig ausgeübt, höchste Anforderungen an den einzelnen, erfasst ihn ganz und lässt ihn, hat er einmal die segensreichen Wirkungen dieses Do10 erfahren, nicht mehr aus seiner Faszination. Er spürt, auch wenn er den tieferen Sinn seiner Tätigkeit meist noch nicht begriffen hat, bald die beglückenden Wirkungen dieses ganz und gar durchdachten und ausgefeilten Systems der Entwicklung der Einzelpersönlichkeit auf dem Weg des Zen-Schülers. Durch die vollkommene Beschäftigung mit seinen Willenskräften, die durch die hohen Anforderungen verlangt wird, ist er ausgefüllt und ausgeglichen. Krankheit und psychologische Schäden, wie sie gerade in unserer Zeit immer häufiger in Form von Neurosen und auch Psychosen auftreten, werden immer mehr vermieden, ihre Ansatzpunkte im Menschen werden beseitigt. In der Folge steigen Daseinsfreude und Leistungsfähigkeit des Menschen auch in anderen Lebensbereichen, kurz, seine Persönlichkeit entfaltet sich in ungeahnter Weise. Er erkennt die in ihm schlummernden Fähigkeiten und seine bisherige falsche Verhaltensweise. So erfährt er eine totale Umwandlung, die ihn reifen läßt und zur wahren Vollkommenheit führt. Doch kann mit den hier geschilderten Worten nur ein Bruchteil des im Taekwon-Do Erlebten ausgedrückt werden; die tatsächliche Erfahrung bleibt, wie bei allem bisher Gesagten, dem vorbehalten, der selbst den Weg des Do beschreitet.“

(Kwon, 1977)

Dieses programmatische Zitat verdeutlicht bereits, dass Taekwon-Do nach Kwon außer Sport auch ein System der Selbstoptimierung darstellt, das auf buddhistischen Wurzeln gründet. Er benutzt hier den koreanischen Begriff Mudo (vergleichbar mit dem japanischem Budo), was so viel wie „der Weg der Kampfkünste“ heißt. Die kriegerische Auseinandersetzung wird aber immer nur als das letzte Mittel zur Konfliktlösung gesehen: „[…] und so fanden sie in der angewandten Philosophie des Zen das Mittel, ihr Ziel zu erreichen. Sie beendeten den Kampf gegen ihre Gegner und richteten ihn gegen das eigene Ich. Dadurch schafften sie den Ausgleich zwischen individuellem Lebensanspruch und natürlicher Lebensbedingung“ (Lind, 1992). Das vielfältige Training, wie es im traditionellen Taekwon-Do betrieben wird, soll sich einerseits auf den Körper in seiner Gesamtheit auswirken („Taekwon-Do aber spricht jede Körperpartie, jeden Muskel, jede Sehne, jedes Organ an“ (Kwon, 1977). Dies soll zu einer Verbesserung des Körpergefühls und zu einer Sensibilisierung des Körperempfindens führen. Andererseits soll das Training Einfluss auf Befindlichkeit („Im Training wird der Schüler ausgeglichen, dafür sorgt die vielseitig wirksame richtige Atmung und das Erlernen der Konzentrationsfähigkeit.“); (ebd.) und Persönlichkeit („Hemmungen fallen, Übersicht und Selbstvertrauen entstehen und vieles mehr.“; (ebd.) nehmen.

2.1.2.2 Taekwon-Do und Gesundheit

Kwon hat 2011 als Vorbereitung zu einer Koreareise der deutschen Schulleiter seines Verbandes die Bedeutung des Themas Gesundheit hervorgehoben:

”Das wichtigste Ziel im traditionellen Taekwon-Do ist Gesundheit. Wir vermeiden den Kontakt, weil er die Gesundheit des Trainingspartners gefährdet. Wir trainieren die Fitness und Flexibilität von Körper und Geist, um bis ins hohe Alter gesund zu bleiben.“

(Kwon, 2011)

Kwon betreibt selbst noch aktiv traditionelles Taekwon-Do. Er beweist bei Lehrgängen immer wieder seine Fitness und zeigt komplexe Übungen und Dehnbarkeit.

Traditionelles Taekwon-Do soll Gesundheit schaffen und erhalten, indem der Körper gestärkt wird. Alle sportlichen Hauptbelastungsformen werden trainiert (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Gewandtheit, Koordination) unter strikter Vermeidung einseitiger Belastungen. Es erfolgt ein Training mit dem kompletten Bewegungsausmaß sämtlicher Körperabschnitte in allen Richtungen des Raumes, wodurch insbesondere chronischen Schäden am Bewegungsapparat vorgebeugt werden soll. Unterstützend kommen die umfangreiche Budo Gymnastik und Haltungsschulung zum Tragen, die in jeder Trainingseinheit zum Pflichtprogramm gehören. Eine Studie von Aman11 aus dem Jahr 1997 hat ergeben:

”Bei Teilnehmern mit chronischen Beschwerden am Bewegungsapparat und/oder Haltungsschäden konnte in über 2/3 der Fälle durch traditionelles TKD ein guter oder gar sehr guter Einfluss erzielt werden. Bei 3% waren die Beschwerden sogar verschwunden. Bezüglich Allgemeinerkrankungen (Allergien, Herz-Kreislauf, Atemwege, Stoffwechsel, Magen-Darm) wurden von über 50% der Betroffenen gute oder sogar sehr gute Einflüsse durch regelmäßiges TKD Training angegeben! Erstaunlicherweise hatten über ein Drittel (38,7%) eine Reduktion des regelmäßigen Medikamentenverbrauchs durch traditionelles TKD erfahren. Der Einfluss auf psychische Faktoren wie z.B. „Schwäche“, „Unkonzentriertheit“, „Alltagsstreß“, „Unausgeglichenheit“, „Nervosität und undiszipliniertes Essen“ und „Genussmittelgebrauch“ wurde von über 2/3 der Teilnehmer als positiv oder sehr positiv bewertet.“

(Aman, R. J., 1998)

Zu den beschriebenen körperlichen Veränderungen kommt als dritter wesentlicher Faktor die enge Verflechtung von mentaler und körperlicher Schulung hinzu.

”Psychische Komponenten wie Konzentration, Selbstvertrauen, Mut, Ausdauer, Willenskraft und Disziplin werden gleichermaßen mittrainiert. Durch die moralisch-ethischen Grundregeln des Taekwon-Do werden charakterliche Eigenschaften gefördert wie Gemeinschaftsgefühl, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Respekt und Bescheidenheit. Bekanntermaßen beeinflussen sich körperliche und geistige Faktoren in einer ständigen Wechselwirkung gegenseitig positiv aber auch negativ.“

(Aman, R. J., 1998)

Traditionelles Taekwon-Do beinhaltet einen ganzheitlichen Ansatz, in dem Körper und Geist trainiert werden, um ein harmonisches Zusammenspiel zu erreichen.

2.1.2.3 Konzeptuelle Elemente im Taekwon-Do

Unterrichtsablauf

Zu Beginn des Unterrichts erfolgt ein kurzes und intensives gemeinsames Aufwärmen. Möglichst alle Körperteile werden mit aktivierenden Bewegungen wie „Hampelmännern“, unterschiedlichen Arm- und Beinübungen oder Dehnübungen wie Grätsche und Spagat bewegt und gedehnt. Sie alle dienen der Vorbereitung des Körpers und Geistes auf das Training.

Nach der Aufwärmphase werden verschiedene Technikkombinationen in Verbindung mit Dehn- und Kräftigungsübungen durchgeführt. Dabei werden die Schüler durch variierende Geschwindigkeiten, Schwierigkeitsgrade und Komplexitäten sowohl geistig als auch körperlich in Bewegung gehalten. Ungefähr nach der Hälfte der Zeit führen die Schüler ihre erlernten Bewegungsformen (Hyongs) vor und werden individuell korrigiert. Den Abschluss des Trainings bildet eine kurze Meditation, bei der sich die Schüler auf ihren Körper, Geist und das im Training Gelernte konzentrieren.

Die Hyong

Die Hyong ist eine kampfartige Bewegungsfolge. Dabei stellen sich die ausführenden Schüler einen oder mehrere Gegner vor, die sie mit verschiedenen Techniken abwehren. Mittels einer festgelegten Technikfolge wird so ein Kampf simuliert, welcher Elemente für die Abwehr und den Gegenangriff beinhaltet. So üben die Schüler die Reaktion auf einen Angriff, die Genauigkeit der ausgeführten Techniken und die Bewegungen mit Kraft, Geschwindigkeit und Nachdruck. Sie automatisieren Bewegungen, lernen die Bedeutung der Techniken und müssen Kontrolle über ihren Körper und Geist erlangen.

Jede der 20 Hyong-Formen im traditionellen Taekwon-Do wurde basierend auf einer philosophischen Bedeutung, die in der koreanischen Geschichte, dem Nationalismus Koreas und der Glaubenswelt begründet liegt, erstellt. Am Beispiel der 5. Form, Yul-Kok Hyong, lässt sich dies verdeutlichen: Die Form steht für das Pseudonym des Philosophen und Gelehrten Yi I (1536-1584), welcher auch „Konfuzius von Korea“ genannt wurde. Die 38 Bewegungen der Hyong deuten auf den Geburtsort von Yi I auf dem 38. Breitengrad hin. Aber auch das Laufschema hat eine Bedeutung, es basiert auf dem Schriftzeichen für das Wort „Gelehrter“.

Die geistige und kulturgeschichtliche Tradition Koreas bestimmt also das äußere Gesicht einer Hyong und ist ein Beispiel dafür, wie umfassend sich das Do (der geistige Weg) auf den gesamten Lebensbereich erstreckt. Die Form ist ein Teil der geistig-körperlichen Ausbildung des Schülers.

Formen des Kampfes

Die meisten Kampfkünste konzentrieren sich auf den physischen Kampf mit einem Gegner. Im traditionellen Taekwon-Do gibt es diesen physischen Kampf mit Körperkontakt nicht. Grob wird in Trainingskämpfe mit einem Übungspartner und in einen geistigen Kampf mit sich selbst unterschieden. Jeglicher Körperkontakt ist verboten; im Vordergrund steht die Genauigkeit und Vielfältigkeit der ausgeführten Techniken.

Bei den Trainingskämpfen geht das Spektrum vom Schattenkampf (der Form/Hyong), über den Ein-Schritt-Kampf (ein festgelegter Angriff mit einer Serie von Verteidigungsübungen), bis hin zu Freikämpfen mit einem Trainingspartner, bei denen technische und körperliche Höchstleistungen und Präzision verlangt werden. Aus diesem Grund müssen gewisse Reifegrade erreicht sein, bevor die verschiedenen Trainingskampfformen geübt werden dürfen.

Viel wichtiger als diese Trainingskämpfe ist jedoch der geistige bzw. psychische Kampf mit sich selbst. Hier geht es darum, seine eigenen Grenzen kennen zu erlernen und an den anvisierten Zielen zu arbeiten. Es geht weniger darum, ein Ziel mit allen Mitteln und Wegen zu erreichen, sondern vielmehr darum, einen persönlichen Weg einzuschlagen, bei dem sich die Schüler etappenweise ihrem Ziel nähern.

2.1.3 Fazit: Unterschiede und Ähnlichkeiten der zwei gesundheitspädagogischen Bereiche

In diesem Abschnitt sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Rebound und traditionellem Taekwon-Do bezüglich des gesundheitspädagogischen Themenkomplexes veranschaulicht und erläutert werden. Die zusammenfassenden Ausführungen beruhen auf den in den vorherigen Unterkapiteln angegebenen Quellen.

Alter der Schüler

Der Rebound-Kurs wurde speziell für junge Menschen, im Alter zwischen 14 und 25 Jahren, konzipiert. Er soll in dieser Phase des Erwachsenwerdens ein größeres Bewusstsein für das Risiko des Konsums psychoaktiver Substanzen schaffen und Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung fördern. Weiterhin berücksichtigt das Rebound-Programm die typischen Konflikte dieser Altersstufe, wie beispielsweise den Drang sich auszuprobieren (Risikoverhalten), das Ausloten von Grenzen oder das Abnabeln von den Eltern (Autonomie).

Das Training im traditionellen Taekwon-Do kann ab einem Alter von 5 Jahren begonnen werden und sieht vor, dass ein Beginn mit jeder Altersstufe möglich ist. Das Training wird den Altersgruppen entsprechend angepasst und versucht alle Trainierenden individuell zu fördern.

Teilnahme am Unterricht

Rebound-Kurse werden an öffentlichen Schulen oder Einrichtungen der Jugendhilfe über die Dauer eines halben Jahres als Fach unterrichtet. Für Schüler bedeutet dies, dass sie im Rahmen ihrer Schulpflicht am Kurs teilnehmen müssen. Durch diese Verankerung in den Schulkontext entstehen keine Kosten für die Teilnehmer und ein größerer Empfängerkreis kann erreicht werden.

Der Unterricht im traditionellen Taekwon-Do findet im Rahmen von privaten Schulen oder Vereinen statt. Die Teilnahme am Unterricht ist in der Regel freiwillig. Vereinzelt nehmen Kinder und Jugendliche auf Veranlassung der Eltern am Training teil. Viele Teilnehmer haben ein großes Interesse an dem Erlernen einer Kampfkunst und suchen gezielt nach Schulen, in denen sie sich wohl fühlen und sind bereit die zusätzlichen Kosten zu tragen.

Kontextbedingungen des Unterrichtsortes

Öffentliche Schulen stellen für die Durchführung von Rebound-Kursen ihre Räume zur Verfügung. Durch diese räumliche Nähe besteht die Gefahr, dass es den teilnehmenden Schülern nicht gelingt, eine Trennung zwischen Rebound-Kurs und „normaler“ Schule zu vollziehen (z.B. die Doppelrolle benotender Fachlehrer/Rebound-Lehrer). Dies könnte die Bildung eines vertrauensvollen Lehrer-Schüler-Verhältnisses erschweren und die Schüler davon abhalten sich zu öffnen.

Traditionelles Taekwon-Do wird in speziell ausgestatteten Kampfkunstschulen unterrichtet (meist angemietete Gewerberäume mit Mattenboden, Spiegelwand, sanitären Einrichtungen usw.). Durch diese Trennung vom Arbeitsort oder der öffentlichen Schule rückt der Aspekt des Ausführens eines Hobbys oder von Freizeitaktivitäten in den Vordergrund. Die Schüler entscheiden sich jeden Tag neu, ob sie ins Training gehen wollen, wodurch in der Regel eine höhere intrinsische Motivation gegeben ist. Dies birgt aber auch die Gefahr, dass durch eine zu geringe Beschäftigung mit dem Thema Lernziele nicht erreicht werden.

Art und Dauer der Ausbildung der Lehrer

Rebound-Kursleiter haben in der Regel ein Lehramtsstudium mit einer Studiendauer von mindestens vier Jahren, gefolgt von einer praktischen Ausbildung (Referendariat) von ein bis zwei Jahren absolviert, bevor sie selbstständig als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule arbeiten. Die Rebound-Weiterbildung dauert fünf Tage, in denen auf Basis der pädagogischen Vorbildung die theoretischen Hintergründe und Methoden des Programmes vermittelt werden.

Die Ausbildung im traditionellen Taekwon-Do erfolgt hauptsächlich durch Learning by Doing und