1,99 €
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK Die Geschichte vom Schicksal des König Ödipus, der erfahren muss, dass er seinen Vater ermordet hat und der Gatte seiner Mutter geworden ist, ist ein Schlüsseltext der abendländischen Kultur. Die unzähligen Bearbeitungen dieses Stoffes füllen ganze Bibliotheken und doch ist keine wirkungsmächtiger als der klassische Text des großen griechischen Dramatikers Sophokles. – »Ja, dein warnend Geschick belehrt,/ Allerunglücklichster Ödipus.«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 79
Sophokles
König Ödipus
Drama
Aus dem Altgriechischen von K.W.F. Solger
Fischer e-books
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK
Ödipus
Iokaste
Kreon
Teiresias
Ein Priester
Ein Bote
Ein Hirt des Laïos
Ein Diener
Chor thebanischer Greise
Vor dem königlichen Palast zu Theben. Um den Altar sitzt das Volk nebst den Priestern mit Ölzweigen in den Händen. Ödipus tritt aus dem Palast
ÖDIPUS
O Kinder, ihr des alten Kadmos neu Geschlecht,
Zu welcher Zuflucht kamet ihr dahergeschreckt,
Geziert mit Ölgezweigen Hilfeflehender?
Die Stadt erfüllt auch überall Rauchopferduft
Und auch mit Paianstönen rings Wehklagelaut.
Was nicht von Boten auszuforschen würdigend,
Ich, teure Kinder, selber mich hierherbegab,
In allem Volke rühmlich Ödipus genannt.
Du aber, Alter, rede, weil du würdig bist,
Ihr Wort zu führen; wessenhalb erschienet ihr?
Was fürchtend, was begehrend? weil ich sicher euch
In allem beistehn will und wär unfühlend auch,
Ohn innges Mitleid solches Flehn mit anzuschaun.
PRIESTER
O meiner Landschaft Oberherrscher, Ödipus,
Du siehst, ein jeglich Alter sitzt, herzugedrängt,
Um deinen Altar: jene, die sehr weit annoch
Nicht fliegen mögen, diese schwer von Alter schon.
Die Priester, ich, Zeus’ Diener; hier der Jünglinge
Auswahl; und Scharen andrer Zweigumschlungener
Umsitzen Pallas’ Doppelhäuser dort und hier
Den ganzen Marktplatz, dort Ismenos’ Seherherd.
Es schwankt die Stadt ja, siehst du selbst, schon allzusehr
Im Wogenaufruhr; vorzutauchen strebet sie
Aus Tiefen blutger Wogen schon umsonst das Haupt,
Hinschwindend stets mit jedem Keim der Erdenfrucht,
Hinschwindend auf den Triften, mit der Weiber auch
Fruchtlosem Kreißen; und dazu jagt stürmend noch
Die Stadt verhaßter Seuche feuerheißer Gott,
Der Kadmos’ Wohnung leeret und verschwenderisch
Mit Klag und Wehschrein Hades’ schwarzes Haus erfüllt.
Drum, zwar den Göttern nimmer gleich dich achtend, stehn
Ich selbst und hier die Kinder deinem Herde nah,
Jedoch der Männer Ersten bei des Lebens Gang
Dich schätzend oder gottgesandten Fügungen,
Der, her zu Kadmos’ Stadt gelangt, uns löste bald
Der grimmen Sängrin lange dargereichten Zins;
Und das, von niemand unser je belehrt dazu
Noch vorbereitet; nein, mit Götterhilf allein,
So sagt und glaubt man, hast du uns emporgelenkt.
Auch nun vor allen, Ödipus’ gewaltig Haupt,
Umflehen dich nur diese Zufluchtsuchenden,
Uns Hilfe schnell zu finden, sei sie angezeigt
Durch Götterausspruch oder durch der Menschen Rat.
Denn stets Erfahrungsreichen lebt am meisten ja
In günstgem Schicksal, seh ich, auf ihr Ratbeschluß.
Auf, aller Menschen Bester, heb empor die Stadt,
Auf, sorge treulich; denn es preist zwar dieses Land
Dich schon Erretter für den vorgen Heldenmut.
Doch deiner Herrschaft denken einst wir nimmermehr,
Erst aufgerichtet, aber dann zurückgestürzt.
Nein, unzerrüttbar stelle nun die Stadt empor.
Mit guter Schicksalsvögel Zeichen gabst du erst
Uns Heil und Rettung; zeige nun dich wieder so.
Denn willst du herrschen, wie du tust, ob diesem Land,
Ist’s schöner wahrlich menschenreich als ausgeleert.
Denn nichts gewißlich wäre Schiff noch feste Burg,
Geleert von Mannschaft, innen öd und unbewohnt.
ÖDIPUS
O arme Kinder, wohlbekannt, nicht unbekannt
Ist euer Flehn mir alles. Wohl erkenn ich, daß
Ihr alle kranket, aber doch, ihr Kranken, ist
Der Euren niemand, welcher gleich mir selber krankt.
Denn euer Unheil trifft ja doch den einzelnen
Allein an sich nur, keinen sonst; und mein Gemüt,
Zugleich beseufzt es diese Stadt und mich und dich.
Drum nicht vom Schlafe weckt ihr mich Entschlummerten;
Vielmehr vernehmet, daß ich viel euch weinte schon
Und viele Pfade schon im Geist umher betrat;
Und ein Errettungsmittel, das ich ausgespäht,
Versucht ich endlich. Denn Menoikeus’ edler Sohn,
Mein eigner Schwager, Kreon, ward zum pythischen
Thron Phoibos’ abgesendet, daß er forsche, wie
Wort oder Handlung diese Stadt befreien kann;
Auch sorg ich schon um diesen, zähl ich, seit er ging,
Der Zeiten Ablauf. Denn er weilt um vieles schon
Über die Vermutung länger, als sein Weg verlangt.
Doch wenn er ankommt, schnöde wär ich dann gesinnt,
Nicht gleich erfüllend, was der Gott andeuten mag.
PRIESTER
Zum Glücke sprachst du wahrlich; denn schon winken ja,
Daß Kreon herwärts schreite, dort mir jene zu.
Kreon tritt auf
ÖDIPUS
O Fürst Apollon, mög er doch mit solchem Heil
Beglückend annahn, wie erfreut sein Auge glänzt!
PRIESTER
Froh, nach dem Anschein, kommt er. Nicht umwände sonst
Sein Haupt bekränzend voller Lorbeerzweige Frucht.
ÖDIPUS
Bald wissen wir’s. Denn schon zu hören naht er uns.
O Herrscher, Blutsfreund, sprich, Menoikeus’ edler Sohn,
Welch heilgen Ausspruch Gottes bringst du kommend uns?
KREON
Heilvollen. Denn auch Mühbeladnes, mein ich, wenn
Zum Heil es nur sich endet, sei vollkommen gut.
ÖDIPUS
Wie aber lautet’s? Denn ich nahm nicht dreisten Mut
Noch banges Ahnen aus dem jetzt gesagten Wort.
KREON
Wofern im Beisein dieser du’s vernehmen willst,
So sprech ich; oder geh auch dort mit dir hinein.
ÖDIPUS
Vor allen ruf es. Denn ich fühl um diese mehr
Der Leiden als um meines eignen Hauptes Heil.
KREON
So sag ich alles, was der Gott mir kundgetan.
Es hieß der König Phoibos unzweideutig uns,
Der Stadt Befleckung, hier im Land ernährt, hinaus-
zujagen, nicht zu pflegen Unaussühnliches.
ÖDIPUS
Durch welche Säubrung? Welcher Art sei dieses Weh?
KREON
Es landverjagend oder auch mit Morde Mord
Abstrafend; Blutschuld sei es, was dies Land bestürmt.
ÖDIPUS
Den Todesunfall welchen Mannes deutet dies?
KREON
Es war, o König, dieser Stadt Anführer uns
Einst, ehe du dies Land erhobest, Laios.
ÖDIPUS
Dies hört ich oftmals; denn ich sah nicht jenen mehr.
KREON
Ob dessen Tode leget zweifellos der Gott
Uns auf, die Mörder durch das Schwert zu züchtigen.
ÖDIPUS
Wo aber sind sie? Wer vermag hervorzuspähn
Der alten Untat schwerlich unterschiedne Spur?
KREON
Im Lande, sprach er. Doch Gesuchtes läßt allein
Sich finden; stets entfliehet Unbeachtetes.
ÖDIPUS
In seiner Wohnung oder auf dem Lande fiel
Oder in der Fremd in Mörderhände Laios?
KREON
Den Gott zu fragen, zog er, wie er sprach, und ist
Seit dieser Abfahrt nimmermehr zurückgekehrt.
ÖDIPUS
Kein Abgesandter, kein Genosse seiner Fahrt
Ersah’s, von dem man forschend dies erkundigte?
KREON
Sie fielen außer einem, der, aus Furcht entflohn,
Vom ganzen Vorgang eins zu sagen wußt allein.
ÖDIPUS
Und was? Zu vielem spüret eins vielleicht den Weg,
Wird unsrer Hoffnung kleiner Halt nur dargereicht.
KREON
Zutreffend Raubgesindel, sprach er, mordet’ ihn,
Nicht eine Kraft nur, sondern vieler Hände Macht.
ÖDIPUS
Wie hat der Mörder, war er nicht mit Goldeslohn
Hier angestiftet, solches Frevels Höh erreicht?
KREON
So war der Argwohn. Nach dem Morde Laios’
In unsren Übeln aber ward kein Rächer ihm.
ÖDIPUS
Welch Übel konnt euch hemmen, als so hingestürzt
Lag euer Herrschtum, solches auszukundigen?
KREON
Es trieb der Wundersang der Sphinx, fürs Nächste nur,
Um so Verborgnes unbesorgt, umherzuschaun.
ÖDIPUS
Doch dessen Ursprung decke nun ich selber auf.
Denn würdig hat uns Phoibos, würdig du zugleich
Für jenen Toten diese Sorg herzugeführt,
Daß ihr mit Recht mich schauen als Genossen sollt
Des Landes Leid aussühnen wie des Gottes Zorn.
Denn so, gewißlich nicht entfernten Freunden nur,
Nein, sicher schüttl ich solchen Greul mir selber ab.
Denn wer es war, der jenen Mann erschlug, gewiß
Tut der auch mir wohl übel mit so kühner Faust.
Drum, jenem Beistand gebend, nütz ich mir zugleich.
Doch ohne Zögrung, Kinder, auf von eurem Sitz
Steht nun, die Ölgezweige rings emporgestreckt!
Ein andrer samml uns Kadmos’ Volk unzögerlich,
Weil ich das Werk aufnehme. Glücklich weiset uns
Nun aus die Gottheit oder ganz hinabgestürzt!
Kreon ab
PRIESTER
Mit mir erhebt euch, Kinder! denn wir kamen ja
Deswegen, was uns jener nun verkündet hat.
Und dieser Kund Aussender, Phoibos, mag zugleich
Als Retter kommen und des Wehs Bewältiger.
Erste Strophe
CHOR
Lieblich ertönende Rede des Zeus, von der güldenen Pytho
Was trägst du her zur strahlenden
Thebe? Von Zagen erstarr ich im Innersten, schreckengeschüttelt,
Heilbringender, Delier, Paian!
Scheuend in Ahnungen, was du mir heutiges
Oder in kreisendem Jahr zu beendigen
Dräuend verkündigest!
Sag es der güldenen Tochter, der Hoffnung, unsterbliche Phama!
Erste Gegenstrophe
Dich erst ruf ich, des Zeus unvergängliche Tochter, Athene,
Und dich, die Landumwaltende,
Artemis, die auf dem Markt von gerundetem Throne daherstrahlt,
Und Phoibos, den Treffenden, io!
Drei todwehrende Retter, erscheinet mir!
Wenn ihr zuvor, da vergangene Flüche die
Stadt mir bestürmeten,
Glücklich die Flamme der Not mir verjagetet, eilet auch nun her!
Zweite Strophe
Götter, schaut mich in ungezählter Not
Schrecknissen! Erkranket
Liegt mir jegliche Schar; und kein
Speer der Erfindung
Wehrte den Nöten mir! Weder des edelen
Fruchtfeldes Geschlecht gedeiht,
Weder das Wehschrein der Qualgeburt
Zu besiegen vermögen die Weiber.
Und Schar auf Schar, wie
Das beschwingte Gevögel, erblickst du
Rascher denn gierigen Brand zu dem Strande sich
Des Dämmergottes stürzen.
Zweite Gegenstrophe
Deren stirbt mir ein ungezähltes Volk.
Jämmerlich bedecken
Weit das leichenbehäufte Feld
Sprößlinge klaglos.
Aber mit greisenden Müttern die Gattinnen
An heiliger Herde Strand
Jammern das Unheil, dorther und dort
Heilflehend mit stöhnendem Angstruf.
Und hell erstrahlet
In Geseufz und Geheule der Paian!
Dessen, o güldenes Kind des Olympiers,
Holdselge, send Erlösung!
Dritte Strophe
Des erglühten Ares Gewalt,
Der, unbewehrt von Schildeserz,
Mich brennt, mit schrecklichem Kampfgeschrei verfolgend –
In rückgewandtem Laufe, fern der Vaterstadt,
Hinab zum endlosen Bett
Stürm ihn der Amphitrite
Dort oder zu thrakischen, rauhen
Meerumwogten Buchten.
Denn was die Nacht uns übrigließ,
Nimmt der Tag uns immerdar.
Der glutvoller Blitze Kraft beherrscht, o Vater,
In des Donners Flammen, o Zeus, vertilg ihn!
Dritte Gegenstrophe
Und Fürst Lykeios, von dir
Die Pfeile goldbewundner Wehr,
Die unbewältigten, möcht ich schaun versendet,
Dahergespannte Retter! Und den Fackelstrahl
Artemis’, womit freudig sie
Lykische Berg hindurchstürmt!
Auch ruf ich den Goldengekrönten,
Welchen sein das Land nennt,
Weindunkler Bakchos, jauchzender,