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Konrad Kamphenkel ist wissenschaftlicher Assistent an dem Botanischen Institut einer deutschen Universität und sehr engagiert für seine Forschungsvorhaben und seine Lehre. Er genießt Ansehen auf nationaler und internatioler Ebene. Sein Erfolg ruft Neid und Argwohn unter den Professoren seines Instituts hervor unf führt u.a. zu gehässiger Nachrede und Unfrieden in der Belegschaft. Dieser tägliche Ärger verleidet Konrad die Arbeit am Institut und er steigert sich in einen Hass auf den Institutsleiter hinein, woran dieser nicht ganz unschuldig ist. Konrad leidet außerdem an psychotischen Anfällen, die ihn in Stress-Situationen unberechenbar machen. Schließlich begeht er einen Mord(versuch) am Istitutsleiter und flieht ins Ausland.
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Seitenzahl: 110
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Prolog
1. Wiederkehr
2. Der herrenlose Gehstock oder wer darf wo parken
3. Audienz beim Präsidenten
4. Die Wirkung der Hormone oder wissenschaftliche Kooperation
5. Ein Triumvirat übernimmt die Führung
6. Eine Weihnachtsfeier mit zweifelhaften Folgen
7. Ein wissenschaftliches Meeting mit Geschmäckle
8. Interne Saboteure
9. Die Freiheit der Wissenschaft
10.Habilitation
11. Das mißlungene Finale
Nachwort
Liste weiterer Bücher von Holger Nielsen
Bevor ich mit der Karriere von Konrad Kamphenkel beginne, will ich mir die Freiheit nehmen, Leser und Leserinnen zu Duzen; das erspart mir die lästige Genderei und hält das Schriftbild übersichtlich; dies „Bißchen Vertrautheit“ erlaube ich mir angesichts des längeren Miteinanders mit Euch im Laufe dieser Abhandlung. Besagter Konrad Kamphenkel hatte die seltene Eigenart, aktuelle Ereignisse mit eigenen Erfahrungen und Erlebnissen in seiner Vorstellung zu vermengen und nachts im Traum recht lebhaft nachzuempfinden, wobei er dazu neigte, an sich unpassend erscheinende Geschehnisse miteinander zu „verschmelzen“ und real existierende Personen wie auch solche, die ausschließlich in seiner Vorstellungswelt existierten, „hineinzumengen“. Der Einfachheit halber will ich Konrads Eigenart an einem Beispiel demonstrieren. Ihr werdet euch vielleicht noch an den Untergang der estnischen Fähre Estonia erinnern. Zur Erinnerung zitiere ich das, was Wikipedia dazu vermeldet:
Die Estonia legte am 27. September 1994 mit Verspätung gegen 19.17 Uhr (planmäßige Abfahrt 19.00 Uhr) im Reisehafen der estnischen Hauptstadt Tallinn unter dem Kommando der beiden Kapitäne Arvo Andresson und Avo Piht ab und nahm Kurs auf Stockholm. Die Ankunft in Stockholm war für den nächsten Morgen um 9:00 Uhr geplant. Die Abfolge der Geschehnisse in jener Nacht konnte aufgrund der Aussagen von Überlebenden des Untergangs und des Funkverkehrs nach dem Mayday-Notruf der Estonia einigermaßen rekonstruiert werden.
In schwerer See drang zu heute nicht mehr nachvollziehbarer Zeit nach Mitternacht Wasser in die Estonia ein. Wie dieser Wassereinbruch zustande kam, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Es gibt hierzu verschiedene Theorien, vom Eindringen des Wassers durch die Bugklappe bis hin zur Vermutung eines ersten Lecks unterhalb der Wasserlinie im Rumpf des Schiffes.
Untersuchungen sollten später ergeben, dass die Scharniere der Bugklappe bei der rauen See starken Belastungen ausgesetzt waren und während der Fahrt brachen. Der wenig erfahrene Kapitän verringerte trotz der Probleme mit der Bugklappe nicht die Fahrt. Bei dem hohen Wellengang brach das Bugvisier um etwa 1:15 Uhr weg und große Wassermengen konnten ungehindert in das Schiff eindringen.
Daraufhin bekam die Fähre starke Schlagseite und sank innerhalb kurzer Zeit. Die Besatzung wurde durch eine interne Warndurchsage informiert, der Notruf ging offenbar lediglich in estnischer Sprache über die Lautsprecher, so dass der größte Teil der (meist schwedischen) Passagiere diesen nicht verstehen konnte. Nur wenige Minuten nach dem ersten Notruf „Mayday“ um 1:22 Uhr, der von anderen in der Nähe befindlichen schwedischen und finnischen Schiffen aufgefangen und beantwortet wurde, riss der Funkkontakt um 1:29 Uhr ab. Bereits kurze Zeit später verschwand die Estonia von den Radarschirmen der umliegenden Schiffe und der Militäranlagen an Land und auf Inseln.
Da sich der Unglücksort in einem relativ stark befahrenen Seegebiet befindet, war bereits etwa eine Stunde nach Abbruch des Funkkontakts die Mariella, eine Fähre der Viking Line, am Unglücksort. Starker Wellengang bis zu 10 m Höhe behinderte die Rettungsmaßnahmen. Lediglich 137 Menschen überlebten das Unglück. Die meisten Passagiere konnten das sinkende Schiff nicht verlassen, da ihnen keine Zeit mehr zur Flucht ins Freie blieb. Ein Teil der Passagiere, dem dennoch die Flucht von Bord der Estonia gelang, starb im etwa 13 C kalten Wasser der Ostsee oder auf den Rettungsinseln an Unterkühlung. Mindestens 852 Menschen kamen bei der bisher größten Schiffskatastrophe in Friedenszeiten auf der Ostsee ums Leben. Nur 94 von ihnen wurden geborgen.
Die ertrunkenen Fahrgäste kamen aus Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, dem Vereinigtem Königreich, Kanada, Lettland, Litauen, Marokko, den Niederlanden, Nigeria, Norwegen, Russland, Schweden, der Ukraine und Weißrussland.
Junge Menschen und insbesondere junge Männer überlebten das Unglück zu einem größeren Anteil als die übrigen Passagiere. Während 485 der 989 Personen an Bord Frauen waren (49 %), sind unter den 137 Überlebenden nur 26 Frauen (19 %). Während sich von den 60 jungen Männern im Alter von 20 bis 24 an Bord 26 (43 %) retten konnten, gelang dies nur 4 von insgesamt 40 (10 %) Frauen gleichen Alters. Von den 15 Kindern (Alter unter 15 Jahre) überlebte nur ein Junge. Besonders hoch waren die Verluste unter den 301 Personen im Alter von mindestens 55 Jahren. Von ihnen konnten sich nur 7 retten, darunter 5 im Alter unter 65 und keiner über 75 Jahre.
Zahlreiche der Überlebenden leiden noch lange nach dem Unglück unter den psychischen Folgen. Eine 2011 publizierte Studie, die Überlebende 14 Jahre nach dem Unglück befragte, ergab, dass 27 % der Überlebenden über signifikante Symptome psychischer Probleme berichteten.
Mit dieser Katastrophe kombinierte Konrad unwillkürlich seine Impressionen, die ihn vor längerer Zeit vor dem Gemälde „Die Rosse des Neptun“ von Walter Crane überwältigt hatten. Bei Wikipedia findet man dazu Folgendes:
Walter Crane wurde zu der Komposition durch den Anblick der Brandung während einer Amerikareise angeregt, von der er 1892 zurückkehrte. Ähnlich Böcklin personifiziert sich ihm der landschaftliche Eindruck in den mythologischen Gestalten des Meeresgottes Neptun und seiner ungebändigten Rosse. Als Vorbild diente vielleicht auch ein schmal hochformatiges Bild "Sea Horses" von Cranes Freund George Frederick Watts, das 1893 in der gleichen Ausstellung der Londoner New Gallery hing wie "Die Rosse des Neptun". Crane hat mehrere Farbentwürfe zu seinem Werk in Tempera und Öl geschaffen, deren ersten er schon im Winter 1892/93 in der "Water Colour Society" ausgestellt hatte.
Für Konrad war es normal, besonders vor dem Einschlafen – und in den Schlaf hinein – die Tageseindrücke auf seine ganz besondere Weise zu verarbeiten. So geschah es auch des Nachts in den letzten Tagen im September des Jahres 1994: Immer wieder aus Neue durchlebte Konrad den Tumult beim Untergang eines Fährschiffes auf hoher See. Aus unerklärlichen Gründen befand er sich stets auf dem Vorschiff hinter der Lücke, die durch die weggerissene Bug-klappe entstanden war. Da die Fähre schon starke Neigung zur Backbordseite hatte, klammerte sich Konrad an die Aufbauten, um nicht in die brodelnde See zu stürzen. Seltsamerweise hatte er nie Todesangst. Und das lag keinesfalls daran, daß ihm bewußt war, nur zu träumen, sondern – und das war Konrads ganz besondere Macke – er konnte darauf vertrauen, daß ihm in kritischen Traumsituationen immer jemand zu Hilfe kam. Anfangs, das heißt vor etlichen Monaten, war diese Hilfe in Konrads Träumen tatsächlich nur nebulös, also nicht als Person erkennbar. Aus diesen wabernden Nebelschwaden schälte sich von Traum zu Traum immer deutlicher eine schlanke, weiß gekleidete Frauengestalt heraus, die für Konrad Helene hieß. Warum kann ich Euch nicht sagen, da müßtet Ihr Konrad schon selbst fragen!
Diesmal schien es tatsächlich schlecht um Konrad im Traum zu stehen; die sich vor dem Bug der Fähre aufbäumenden Brecher wandelten sich über dem Schiff in mächtige Rosse mit wehenden Mähnen, Schaum vor den Mäulern,weit geöffneten Nüstern und rot unterlaufenen Augen, deren Hufe wie wild über die Planken des Schiffes donnerten, wenn die Brecher über der langsam sinkenden Fähre hereinbrachen. Konrad rutschten die Füße weg und mit den Armen wild um sich schlagend gelang es ihm, einen Rettungsring zu fassen zu kriegen. Er trieb in ihm hängend von dem unter ihm versinkenden Schiff ins offene, wild tobende Meer, fortwährend überrannt von Neptuns durchgehenden Rössern. Konrad wurde in einem wild tosendem Strudel herumgewirbelt, als ihn plötzlich eine Hand am Kragen packte und ihn an die Wasseroberfläche zog. Ehe er sich es versah, wurde er in ein Rettungsboot gezogen und meinte, schlapp zusammengesunken in dem Durcheinander von tosenden Wellen, die weiße Silhouette seiner Helene erahnen zu können. Dann versank Konrad in abgrundtiefen, schwarzen Tiefschlaf.
Ich hoffe, Euch mit diesem Beispiel Konrads besondere Fähigkeit der – nennen wir es – persönlichen Problemlösung deutlich gemacht zu haben; aber man könnte ebenso von schizophrenen Anwandlungen sprechen.
Das rhythmische Piepen von Geräten zu seiner Linken und das Gefühl von diversen Schläuchen und Kabeln, die in seinen Körper führten oder mit Klebekontakten an ihm hafteten, empfingen Konrad in der Realität. Er starrte - bewegungslos, weil fixiert auf dem Rücken liegend - an eine weiße Zimmerdecke; er fühlte, wie sein Kopf in einer mit Mull umhüllten Vorrichtung so arretiert war, dass er ihn weder nach rechts oder links wenden konnte; nur dieses ahnungslose Stück weißer Zimmerdecke wurde ihm zuteil.
Nur allmählich wurde Konrad bewusst, dass er in einem – und nicht seinem – Bett lag, umhüllt und bedeckt von weißem Betttuch, das nicht sein eigenes sein konnte. In seinem allmählichen Erwachen aus einem tiefschwarzen gesichtslosen Traum war augenblicklich nichts so wichtig, wie diese weiße Fläche über ihm. Ihm war es genug, sie zu begreifen; mehr wollte er nicht.
Das Gewirr von Kabeln und Schläuchen auf seiner Brust verwunderten Konrad, ohne daß er sich in seinem immer noch benebelten Zustand klar darüber werden wollte, wo er sich eigentlich befand und was mit ihm geschehen war.
Während der Chefvisite am nächsten Vormittag erfuhr Konrad, dass er das U-Bahn-Opfer vom Krökendamm sei. Diese direkte Mitteilung war ihm wenig aufschlussreich, wurde ihm aber danach durch die Erläuterungen der ihn betreuenden, vollbusigen Schwester Camilla – wahrscheinlich eine Polin, weil sie zwar fast perfekt deutsch sprach, dies aber mit einem hart rollenden „R“ – nachvollziehbar. Demnach war er auf dem U-Bahnhof Krökendamm mit der U-Bahn – in welcher Weise auch immer – in Kontakt gekommen und hatte einen sog. „Personenunfall“ verursacht. Nur schemenhaft war ihm in Erinnerung, was dort passiert sein konnte: Er sah sich in den Armen einer – wie er zu sich erinnern meinte – überaus aparten Frau mittleren Alters liegen, die ihn zu beruhigen suchte, indem sie mit sanfter Stimme immer wieder davon sprach, dass der Krankenwagen gleich eintreffen müsse. Konrad stand das über ihn gebeugte Gesicht dieser besorgten Frau immer noch sehr deutlich vor Augen, obwohl er der Meinung war, sie nie zuvor gesehen zu haben: Sie war ihm fremd und doch auch vertraut zugleich: Wie er es in diesem Augenblick empfand, hatte sie überaus „gütige blaue Augen“, wenn sie auch etwas zu viel Schminke aufgetragen hatte und weniger Kajal dem Ausdruck ihres Gesichtes zuträglicher gewesen wäre. In seiner jetzigen misslichen Situation empfand Konrad für die fremde ihn umsorgende Frau in ihrem geblümten Sommerkleid geradezu überschäumende Sympathie, wäre nur nicht diese Schwindelgefühle und der brennende Schmerz in seinem Hals und Brustbereich gewesen.
Natürlich begann Konrad in den nächsten Tagen darüber nachzugrübeln, was ihn in das Behring-Krankenhaus in Amring verfrachtet hatte. Nur ganz allmählich und zunächst auch nur bruchstückhaft meinte er sich schließlich an die Ereignisse auf dem U-Bahnhof Krökendamm zu erinnern: Er hatte als Experte seiner Fachdisziplin „Molekulare Mechanismen in ein- und wenigzelligen Organismen“ im Tagungszentrum am Krökendamm an einer Fachtagung als Gutachter teilgenommen und wartete auf der U-Bahnstation Krökendamm darauf, wieder in Richtung Zentrum zurückzufahren. Die Einladung an dieser internationalen Expertenkommission teilzunehmen, hatte ihm schon im Vorfeld und auch vor der Leitung seines Institutes ungemein wohlgetan. Als er nun nach der Sitzung auf einer Bank des U-Bahnhofs Krökendamm saß, setzte ihm das bohrende Gefühl zu, als Teilnehmer eines wissenschaftlichen Kasperletheaters missbraucht worden zu sein. Im Nachhinein erschien es ihm, als wenn es vollkommen egal gewesen war, wie er aufgrund seiner Untersuchungen argumentiert hatte, um die zukünftigen Ziele der nationalen Forschungsprojekte bestätigen zu können. Jetzt auf der Bank der U-Bahnstation Krökendamm fühlte sich Konrad missbraucht und leer.
Er hatte seine Unterarme auf den Oberschenkeln abgestützt und starrte - deprimiert vom Verlauf des Tages – trübsinnig und gelangweilt über die graue Pflasterung des Bahnsteigs hinweg zum Gleisbett der U-Bahn. Am Rand zur Bahnsteigkante hatte sich Regenwasser von den heftigen Güssen des Vormittags in drei flachen, jedoch großflächigen Pfützen angesammelt. Wenn eine der gelegentlichen Windböen darüber hinwegfuhr, überzogen sich diese Wasserlachen mit einem Geflecht kleiner Wellen. Wie ein Meer im Kleinen, sinnierte Konrad, mit Wellengang und auflaufenden Wellen am Strand; „Strand“ fand Konrad keineswegs als unpassend in diesem Zusammenhang, hatte er doch sogleich einen flachen weiten Sandstrand vor seinem inneren Auge, auf den gemächlich langgedehnte Wellen unter gelegentlichem schäumenden Überstürzen aufliefen. Obwohl Konrad von diesem friedlichen Geschehen angetan war, spürte er doch auch eine unheimliche Kraft, die von seiner Vision ausging und ihn befangen machte. Er vermeinte ein leises Pochen in den Schläfen zu spüren, das sich kaum merklich zu verstärken schien und irgendwie zwanghaft mit seiner Vision zusammenhing. Er griff sich an die Schläfen und presste die Handflächen flach auf Schläfen und Ohrmuscheln. Doch das Pochen wurde immer lauter und veränderte sich zunehmend – ja in was denn? Konrad war sich augenblicklich klar, dass er galoppierende Pferde am Strand hörte; und nicht nur das, er vermeinte auch ganz deutlich ihr Schnauben und Keuchen zu hören. Als er das erste Pferd – einen stattlichen Apfelschimmel – von rechts in sein Gesichtsfeld stürmen sah, mit Schaum vorm Maul und rotgeränderten Augen, sprang er mit einem wimmernden, gequälten Aufschrei auf; hinter sich hörte er etwas scheppernd zu Boden fallen.
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