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Nach zwei Schlaganfällen und dem mühsamen, eigenem Bestreben, wieder einigermaßen mobil zu werden, wird dem Autor seine Mietwohnung in Berlin gekündigt. In seiner Notlage trifft ihn dieser herzlose Rausschmiß tief. Aber er rafft sich auf und beginnt, im Rollstuhl sitzend, seine Sachen zu packen. Allerdings ist sein Vorhaben nicht nur eine körperliche Anstrengung für ihn, sondern auch eine emotionale Belastung, da er aus Platzgründen nicht Alles in seine Eigentumswohnung in Sassnitz auf Rügen mitnehmen kann. Damit nicht genug muß er sich mit dem Unverständnis seiner Mitmenschen erfolgreich auseinandersetzen. Schließlich gelingt ihm der Umzug mit Unterstützung seiner Gabriele. Endlich "heim gekommen"braucht er einige Zeit, um sich an die neue Umgebung in seinem lädierten Zustand zu gewöhnen. Er besiegt seine Selbstzweifel und hat wieder Hoffnung,
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Seitenzahl: 80
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Die Abhandlung ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit Handlungen, Personen oder Orten ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Phönix plustert sich
Phönix startet
Phönix bezieht seinen Horst
Phönix plant sein Leben
„Zufall oder Fügung“ (AB)
5.1 „Zufall oder Fügung“ (A)
5.2 „Zufall oder Fügung“ (B)
5.3 „Zufall oder Fügung“ (AB)
Phönix weiß wieder, was er will
Phönix ist mit sich zufrieden
Bisherige Publikationen von Holger Nielsen
2 Sanft in der Form, hart in der Sache
Wie sagt man derzeit so schön: ich stehe vor neuen Herausforderungen: mitten in meiner „Regenerationsphase“ von meinem zweiten Schlaganfall3 hat sich die nächste Hürde vor mir aufgebaut. Nachdem uns Kaktusblüte für immer verlassen und ihre Tochter das Erbe angetreten hat, war es eine ihrer ersten Handlungen, mir unumwunden zu sagen, daß ich so schnell wie möglich auszuziehen habe, da sie das geerbte Haus (das ihr Vater für seine Familie und den beiderseitigen Eltern entworfen und gebaut hatte) offensichtlich bar jeder emotionalen Bindung schleunigst zu Geld machen wollte und das, nachdem ich mich jahrelang um ihre Mutter gekümmert habe und dafür zwischen Sassnitz und Berlin alle vier Wochen hin und her gependelt bin. Derweil hat sich ihre Tochter keinen Deut um sie gekümmert, sondern die Ehe mit dem von ihr „eingefangenen“ Andreas zelebriert. Und jetzt, wo ich endgültig von Berlin wegziehe, heult mir das „falsche Biest“ was vor. Aber das war zu erwarten gewesen! Wie gut, dass ich mit meiner Eigentumswohnung in Sassnitz vorgesorgt habe; da kann ich mich wie ein Einsiedlerkrebs zurückziehen und mich hoffentlich in Sicherheit bringen.
Dazu bemerkt Wikipedia: Den Einsiedlerkrebsen ist gemeinsam, dass sie ihren Hinterleib in leeren Schneckenhäusern, ähnlichen von anderen Lebewesen gebildeten Behausungen wie beispielsweise Korallen oder kalkigen Wurmröhren, oder auch Plastikmüll, verbergen. Dieses Verhalten ist für sie lebensnotwendig, da ihr Hinterleib weich und ungeschützt ist und den Fressfeinden als Angriffspunkt dienen könnte. Im Laufe des Wachstums werden immer größere Gehäuse zum Tausch benötigt.
Warum ich Wert auf diesen gesicherten Rückzugsort lege; vor meinen zwei Schlaganfällen und der damit verbundenen nachfolgenden Hilflosigkeit hätte ich mich nie vorstellen können, wie ungeschickt und verletzend die lieben Mitmenschen sein können (oft ohne dass sie es wollen oder überhaupt merken). Ich höre jetzt schon deutlich ein vorwurfsvolles „Du bist aber empfindlich!“, aber ist es denn schon zu viel verlangt. ein mitfühlendes „Wie geht es dir?“ zu erwarten an Stelle von langen Debatten4 darüber, ob man genügend (!!) behindert ist, um in die Pflegestufe 3 eingegliedert zu werden. Ich will keineswegs undankbar sein und weiß die Hilfe in bürokratischen Dingen sehr zu schätzen, aber man soll bitte nicht so tun, wie wenn ich durch meine zwei Sclaganfälle und deren körperlichen Folgen mental auf das geistige Stadium eines depperten Fünfjährigen zurückgefallen wäre; dazu gehören zum Beispiel einsame Entscheidungen darüber, welche Mittagessen für mich bestellt werden, ohne mich zu fragen, was ich denn essen möchte; dabei scheint mir das alleinige Entscheidungskriterium der Preis zu sein, obwohl alles von meinem Geld bezahlt wird. Auf der gleichen Ebene sind unvermittelte Telefonanrufe einzuordnen, die durch Schreiben von Behörden oder Geldforderungen von z. B. der Krankenkasse ausgelöst werden, mir aber nicht vorliegen. Dann wird mir mit oberlehrerhaften Attitüde – ohne vorher nachzufragen – sprachlich unterstellt, diese von vornherein als mißlichen wenn nicht gar als unzutreffenden Angelegenheiten fälschlich veranlaßt zu haben; also wird mir von vornherein unterstellt, Unsinn und zusätzliche Arbeit verzapft zu haben, bevor ich auch nur die geringste Ahnung davon habe, um was es sich eigentlich handelt. Warum versucht man nicht, mit mir vernünftig und ruhig zu reden? Hern Wichtigs5 Verhalten überrascht mich nicht, er war schon immer so; vor meinen Schlaganfällen habe ich sein Verhalten mehr oder weniger „achselzuckend“ hingenommen, jetzt aber von ihm abhängig zu sein, ist bei seinen mir zum Teil zuwiderlaufenden Lebensansichten für mich eine große emotionale Belastung. Davon bekommt er in seiner Empathielosigkeit leider überhaupt nichts mit. Mir bleibt nur übrig, mir als Schutz genügend „seelische Hornhaut“ anzulegen und mich von seinem Unverständnis nicht in Rage bringen zu lassen.
Die Schilderung meiner Situation macht es sicher allen wohlmeinenden Lesern verständlich, warum ich den Einsiedlerkrebs mit seinem Rückzugsverhalten an einen geschützten Ort und seinem Abwehrverhalten vor dem Eingang vor diesem gewählt habe und für sehr passend halte. Folgerichtig habe ich bereits in meinen letzten Berufsjahren das passende Refugium in Sassnitz auf Rügen erworben und habe damit die Option, mich – wie ein Einsiedlerkrebs in sein leeres Schneckengehäuse – dorthin zurückzuziehen.
Das ist an sich ein verlockender Gedanke, für einen von Schlaganfällen betroffenen Rollstuhlfahrer allerdings nur schwer zu bewerkstelligen; doch mir ist ein starker Wille zu eigen, zumindest einen „Versuch mit Augenmaß“ zu unternehmen als gleich mutlos die Flinte ins Korn zu werfen. Diese Herangehensweise an Probleme habe ich in meinen Forschungsvorhaben und – so seltsam es auch klingen mag – im Urlaub auf Wandertouren im Hochgebirge erfolgreich angewendet; es ist nichts Neues, wenn ich oft trotz finanzieller Unterstützung durch die DFG6 nicht über die für meine Versuche notwendigen Großgeräte verfügte und somit eine andere Lösung für mein experimentelles Problem suchen mußte. Ein Ausweg war eine andere Arbeitsgruppe zu finden, die über die benötigten Geräte verfügte und auch willens war, diese mir zwischenzeitlich für meine eigenen Versuche zu überlassen; zum Teil mußte ich dafür kurzfristig ins Ausland fahren. War diese Vorgehensweise schon äußerst zeitaufwendig, so war meine zweite Methode geradezu obskur (und ein wenig unehrlich): Durch meine Einkäufe diverser Laborgeräte waren die entsprechenden Firmen natürlich auf mich aufmerksam geworden als potentiellen Käufer weiterer Geräte bei ihnen und reagierten äußerst positiv auf meine Anfrage, ob ich bestimmte hochpreisige Geräte kostenlos für meine Zwecke testen könne (wobei ich ihren tatsächlichen Kauf aus Geldmangel überhaupt nicht in Erwägung ziehen konnte.)
Auf diese Weise konnte ich mehrmals meine Versuchsserien innerhalb weniger Tage mit kostenlos zur Verfügung gestellten Großgeräten durchführen.
In analoger Weise bin ich bei der Planung meiner Wanderrouten im Hochgebirge verfahren: Erschien mir der angegebene Bergweg zum Gipfel für mich zu steil und als Flachländler zu riskant, gab ich nicht gleich auf, sondern suchte nach alternativen Routen, die ich mir zutrauen konnte, auch wenn sie länger waren.
Verständlicherweise wird sich mancher fragen, warum erzählt mir der Holger dies Alles aus seinem früheren unbehinderten Leben? Ganz einfach, weil das Folgende, was mir aus dem Rollstuhl heraus gelungen ist, sonst wohl kaum erklärlich sein würde: Ich habe im Rollstuhl sitzend damit begonnen, nach und nach die Dinge, die ich nach Sassnitz mitnehmen wollte, in Umzugskartons zu verpacken. Dazu gehörten als Erstes meine Holzvorräte zum Schnitzen, die ich über die Jahre auf dem Balkon gehortet hatte. Ich wollte sie unbedingt mitnehmen, da ich mir nicht vorstellen konnte, in Sassnitz ohne großen Aufwand an Schnitzholz zu kommen. Die bis zu mehreren Meter langen Stammabschnitte zog ich mir mit einiger Mühe im Rollstuhl auf die Knie und zersägte sie in für Umzugskartons passende Stücke. Bis zu drei dieser Stammabschnitte packte ich dann in einen Umzugskarton und stapelte jeweils vier von ihnen übereinander draußen im Hausflur auf dem Treppenabsatz vor meiner Wohnungstür: und dies Alles bewerkstelligte ich vom Rollstuhl aus, ich brauchte natürlich etliche Tage dazu, was ein „intakter“ Mensch innerhalb weniger Stunden geschafft hätte. Trotzdem war ich sehr stolz auf mich; vor allen Dingen zwang ich meinen ehedem nahezu lahmen rechten Arm zu anstrengender Arbeit und trainierte ihn auf diese Weise erfolgreich.
Bei den übrigen Dingen, die ich einpacken mußte, kam zu den körperlichen Anstrengungen – bildlich gesprochen – das Aufgeben emotionaler Bindungen hinzu. So war zum Beispiel ein kariertes Flanellhemd, bei dem ein Unbeteiligter seine verblichene Farbe und die teilweise schon durchstoßene Kragenkante bemängelt hätte, für mich immer noch verbunden mit den Erinnerungen an eine herrliche Wanderung durch die Vogesen, Solche Erinnerungen konnten dann leicht zu der irrigen Entscheidung führen, das alte Flanellhemd noch für irgendwelchen späteren „Aufräumarbeiten“ aufzuheben, um die normale Kleidung zu schonen. Solche ach-so-emotionalen Überlegungen sind natürlich für ein rigoroses Aussortieren und Einpacken hinderlich. Im Nachhinnein muß ich jetzt noch staunen, wie viel Ballast man im Laufe seines Lebens anhäuft.
Ungeahnte Schwierigkeiten taten sich auf, als ich versuchte, die überzähligen Möbel und nicht mehr benötigten Fachbücher an Interessierte zu verschenken: das waren in meinen Augen Dinge von einigem Wert, aber meine Mitmenschen wollten sie offensichtlich nicht einmal geschenkt haben; selbst die Organisationen, die sich um die zahlreichen bedürftigen Flüchtlinge kümmerten und doch so vehement um Sachspenden bettelten, reagierten zu meiner Verwunderung überhaupt nicht. Auch für die wissenschaftlichen Fachbücher zeigte niemand Interesse; meine Angebote per e-mail an die entsprechenden Asta-Organisationen der Berliner Hochschulen unbeantwortet; das war für mich unverständlich bei der sonst in beiden Fällen so vehement propagierten Bedürftigkeit und zwang mich, Möbel und Bücher zu verramschen, um die Mietwohnung termingerecht leer zu bekommen.
Die Hinzuziehung solch einer „Entrümplungsfirma“ war für mich in meinem Rollstuhl ein sehr eindrucksvolles und auch schmerzhaftes Erlebnis: ich reagierte auf einen Flyer aus dem Briefkasten, wo eine solche Firma mit dem Namen „Katapult“ (nomen est omen