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Auf den Malediven hat sich Rebecca ein neues Leben als Hoteldirektorin aufgebaut, doch dann quartiert sich ihr Ex-Verlobter David im Hotel ein und bringt ihr neues Leben in Gefahr: Schon einmal hat er Rebeccas Vertrauen missbraucht, sie so gezwungen, alles aufzugeben. Aber dieses Mal ist Weglaufen keine Option. Rebecca entschließt sich, für ihr Leben ohne David zu kämpfen. Wird sie dieses Duell gewinnen?
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Seitenzahl: 266
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Für meine Schwester
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
Mit verschränkten Armen stand sie am Fenster, schaute hinaus auf das offene Meer, dessen Oberfläche in der untergehenden Sonne glitzerte. Wellen mit weißen Schaumkronen rollten gegen das Atoll, wo sie sich mit leisem Rauschen brachen. Rebecca atmete tief ein und genoss den beruhigenden Anblick aus ihrem Bürofenster. Als Hoteldirektorin auf diesem maledivischen Atoll führte sie das renommierte Fünf-Sterne-Hotel mit über 300 Mitarbeitern, lebte mitten im Paradies. Sonne, Strand, Meer, Idylle pur. So war es gewesen - bis vor einer Viertelstunde. Seither schien sich ihr Leben der letzten zwei Jahre in Luft aufzulösen, ja war kurz davor, sich in eine Seifenblase zu verwandeln, die jeden Augenblick platzen konnte. Warum? Warum jetzt? Warum hier? Womit hatte sie das verdient? Ihr Blick wanderte zum Horizont, der azurblau und wolkenlos an die unendliche Weite des Meeres grenzte.
Nichtsahnend war sie die Gästeliste der morgigen Neuankömmlinge durchgegangen, hatte routiniert die Buchungen für die drei frisch vermählten Paare, der jungen Familie und des Rentnerehepaares überprüft, bis sie seinen Namen gelesen hatte. David Gallecker. Sofort hatte ihr Herz zu rasen begonnen, der Raum um sie herum gefährlich geschwankt. Jede Kraft war aus ihren Gliedern gewichen, sodass sie froh gewesen war, bereits in ihrem Schreibtischstuhl zu sitzen. Ungläubig hatte sie erneut nach der Gästeliste gegriffen, gierig die weiteren Angaben gelesen. Schriftsteller, Reservierung Villa 18, Aufenthaltsdauer vier Wochen mit der Option zur Verlängerung, besondere Wünsche: Privatsphäre. Ein Fausthieb mitten ins Gesicht hätte nicht schmerzhafter sein können. Die Gästeliste war ihren Fingern entglitten, geräuschlos auf den geölten Holzboden gesegelt, wo sie immer noch als stummer Zeuge mitten im Raum lag.
David kam in ihr Hotel für unendlich erscheinende vier Wochen. Was hatte sie falsch gemacht, was hatte sie übersehen? Sie hatte sich so bemüht, alle Spuren hinter sich zu verwischen, ihre Leben für immer zu trennen. Mit aller Anstrengung hatte sie die Tür zu ihrer Vergangenheit geschlossen, verriegelt und den Schlüssel dazu in den Tiefen des Meeres versenkt, nur damit sie jetzt mit einem Ruck wieder geöffnet wurde? Rebecca schüttelte vehement den Kopf. Niemals! Zu sehr hatte er sie verletzt, ihre Gefühle mit Füßen getreten. Endlich hatte sie, fast am anderen Ende der Welt, einen Platz gefunden, wo sie die letzten verbliebenen Trümmer ihres Lebens neu zusammenfügen, ihrer Existenz wieder einen Sinn geben konnte. Und nun kam er. War es Zufall oder Kalkül? Warum vier Wochen? Rebecca zuckte resigniert mit den Schultern. Es war müßig zu spekulieren. Sie war zu sehr Realist, um vor den Tatsachen wegzulaufen. Es half alles nichts. Sie musste die Situation so nehmen wie sie war. Kampfeslustig straffte Rebecca die Schultern. Es war egal, was David im Schilde führte. Er war Vergangenheit. Auch er musste dies akzeptieren. Sie würde einfach ihre Begegnungen auf das Mindeste beschränken. Hoffentlich vergingen die vier Wochen schneller als sie jetzt dachte.
»Miss Quentlin, die neuen Gäste sind gleich da. Das Boot hat Malé bereits verlassen.« Nita, Rebeccas Assistentin, steckte den Kopf durch die Bürotür.
Rebecca nickte zustimmend. »Gut. Ich komme schon.« Dabei stand sie auf, strich sich ihren beigefarbenen, kurzen Rock glatt, zupfte ihr weißes Top zurecht und griff nach der taillierten Kostümjacke, die sie trotz der tropischen Temperaturen tragen würde. Sie warf einen letzten prüfenden Blick in den bodenlangen Flurspiegel. Das Kostüm saß makellos, ihre farblich abgestimmten, hohen Pumps passten perfekt. Ihre langen, roten Locken hatte sie in einem locker aufgesteckten Knoten gebändigt, ihre grünen Augen leuchteten kampfeslustig. Aufmunternd nickte sie ihrem Spiegelbild zu, sah eine erfolgreiche Hoteldirektorin, die jetzt zum gefühlten tausendsten Mal neue Gäste in dieser erlesenen Hotelanlage zum Verleben glücklicher Tage begrüßte. Das war nicht nur ihre Pflicht, sondern auch ihr Verständnis von ihrem Beruf. Ein letztes Mal atmete sie tief ein, bevor sie sich mit ausholenden Schritten zu dem kleinen Steg begab, an dem das Motorboot jeden Moment eintreffen würde.
Er sah ihr kupferrotes Haar, das in der Sonne in strahlendem Rot leuchtete, schon von weitem. Lässig lehnte David an der Reling des Motorbootes. Seinen hellen Panamahut hatte er zum Schutz vor der gleißenden Mittagssonne tief ins Gesicht gezogen. Sein weißes Leinenhemd hing lose über den beigen Shorts. Er nahm seine Sonnenbrille ab, genoss es, sich ihr dort auf dem Bootssteg zu nähern. Zwei lange Jahre war es her, dass er Becs gesehen hatte. Ob sie wusste, dass er in diesem Boot war? Ein wissendes Lächeln umspielte seinen Mund. Natürlich wusste sie es. Becs’ Akribie war geradezu legendär. Ihr entging nicht das geringste Detail. Nichts überließ sie dem Zufall - solange sie den Ablauf der Dinge bestimmen konnte, dachte er grimmig. Doch nun war er hier, um das zu ändern.
Hart stieß das Boot gegen die Wellen, stemmte sich gegen die Strömung, um seinem Ziel inmitten des Meeres näher zu kommen. Neugierig beobachtete David, wie Rebecca dort auf dem Bootssteg wartete. Zum Schutz vor der Sonne legte sie die Hand über ihre Augen, blickte ihnen mit einem warmen Lächeln entgegen. Um ihn herum griffen seine Mitreisenden bereits eifrig nach ihren Taschen, um sich auf das Anlegen des Bootes vorzubereiten. Er hatte keine Eile, ganz im Gegenteil. Er wollte als Letzter das Boot verlassen, den Moment, ihr gegenüber zu treten, in vollen Zügen genießen. Zwei lange, quälende Jahre hatte er darauf gewartet. In seinem Magen kribbelte es vor Vorfreude, doch seine ebenen Gesichtszüge verrieten keine Regung.
Mit einem sanften Rumps stieß das Motorboot gegen den Steg. Sofort zogen zwei beflissentliche Helfer das Seil fest um die Verankerungen, bevor sie eine kleine Holzplanke für einen leichten Ausstieg befestigten. Auf dem Steg streckte ein Hotelangestellter den Gästen helfend eine Hand entgegen.
Das verliebte Pärchen im Partnerlook stieg zuerst aus, küsste sich lachend, als sie beide auf dem Bootssteg standen. Rebecca trat in wiegendem Schritt auf sie zu. Herzlich schüttelte sie beiden die Hand, dann griff sie nach einem hinter ihr befindlichen Tablett mit Kokosnüssen, in denen bunte Strohhalme steckten. Lächelnd reichte sie jedem eine davon, bevor sie das Paar einlud, sich unweit des Bootsstegs in eine der gemütlichen Lounges zu setzen, um dort ihren Begrüßungsdrink zu genießen. Fasziniert beobachtete David, wie sie dieses Ritual bei allen Ankömmlingen wiederholte. Dabei verlieh sie jedem Einzelnen das Gefühl, ein ganz besonderer Gast an diesem Ort zu sein.
Ruhig griff David nach der ledernen Reisetasche neben sich, hängte sie sich über die Schulter. Dann schloss er sich dem älteren Ehepaar vor ihm an und betrat als Letzter den Steg.
Da war er. Sie hatte seine große, athletische Figur sofort erkannt. Die Art, wie er lässig gegen die Reling lehnte, war ihr schmerzlich vertraut. Sein Hut, dessen Krempe er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, verdeckte sein kurzes, blondes Haar. Wie aus Stein gemeißelt blickte er in ihre Richtung. Nun kam es darauf an, den richtigen Ton zu treffen, nach dem das Lied ihres Wiedersehens gespielt werden sollte. Professionell, unverbindlich war Rebeccas Wahl. Ihr Herz raste, ihre Knie hatten die Konsistenz von Wackelpudding, doch ihre Professionalität verbot es ihr, jegliches Anzeichen von Schwäche zu zeigen. Daher trat sie lächelnd auf ihn zu, doch die Wärme erreichte ihre Augen nicht. Mechanisch streckte sie David die Hand entgegen. »Willkommen im Grande Vie. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in unserem kleinen Paradies.«
David trat einen Schritt näher auf Rebecca zu und ergriff ihre Hand. Warm schlossen sich seine Finger um die ihren, hielten sie fest. »Vielen Dank für den herzlichen Empfang. Ich freue mich sehr, endlich hier zu sein.« Er schenkte ihr sein gefährlich charmantes Lächeln, wobei seine Augen sie scharf beobachteten.
»Wie schön«, erwiderte Rebecca, entzog ihm entschieden ihre Hand. Dann drehte sie sich schnell um und griff nach der letzten Kokosnuss. »Ein kleiner maledivischer Willkommensgruß, den Sie gerne in einer unser Lounges genießen können. Meine Kollegin wird Sie dort zum Einchecken aufsuchen.« Sie spürte, wie ihre Mitarbeiterin hinter ihr sich abwand und mit dem leeren Tablett den Steg in Richtung Hotelanlage verließ.
»Es ist schön, dich wiederzusehen, Becs.« Davids Stimme nahm den so schmerzlich vertrauten Ton an.
Blitzartig verschwand Rebeccas letzter Rest von Herzlichkeit. »Wie gesagt, dort drüben sind die Lounges. Ich muss los, die Pflicht ruft.« Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und eilte mit festem Schritt den Bootssteg entlang.
David blickte ihr fasziniert nach. Er liebte ihren weichen, gleichzeitig bestimmten Gang, der jedem sagte, dass sie keine Zeit zu verlieren hatte. Langsam griff er nach dem Strohhalm, trank einen großen Schluck der kühlenden Kokosmilch, bevor er gemächlich hinüber zu einer der leeren Lounges schlenderte, wo er in die weichen Kissen der Couch sank. Zufrieden setzte er seine Sonnenbrille auf und genoss den weiten Blick über das unendlich erscheinende Meer.
»Mister Gallecker?«
Er wandte seinen Kopf. Eine junge Frau, deren Haare zu einem strengen Knoten am Hinterkopf festgesteckt waren, lächelte ihn freundlich an, während sie auf die Unterlagen in ihrer Hand wies.
»Ja, richtig.«
»Herzlich Willkommen im Grande Vie. Mein Name ist Caroline. Ich möchte mit Ihnen gerne die Formalitäten durchgehen.«
David nickte freundlich. »Gerne.«
Caroline setzte sich in den Sessel neben ihn und blätterte durch ihre Unterlagen. »Wir haben für Sie die Villa 18 gebucht. Das ist die letzte Villa am Ende unserer Anlage. Sie ist wunderschön und sehr ruhig. Wir hoffen, dass wir damit Ihrem Wunsch nach Ruhe entsprechen.« Sie schwieg bedeutungsvoll, bevor sie fortfuhr: »Ich nehme an, Sie zahlen alle weiteren Ausgaben während Ihres Aufenthaltes mit derselben Kreditkarte wie bei der Buchung?« Fragend blickte sie David an. Als er zustimmend nickte, lächelte sie erleichtert. »Sehr gut, dann benötige ich keine weiteren Details, da wir ja bereits eine Kopie Ihres Passes besitzen.« Sie legte die Hände feierlich auf ihren Block. »Sobald Sie in Ihre Villa möchten, wird mein Kollege Sie mit dem Buggy dorthin fahren. Er heißt Josh und ist während Ihres gesamten Aufenthaltes für Sie zuständig.«
David schenkte ihr sein warmes, unverbindliches Lächeln. »Sehr gut. Ich bin gleich so weit.«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit.« Die junge Frau nickte zustimmend, wobei ihre Gesichtsfarbe sich gefährlich verfärbte. Schnell erhob sie sich und verließ mit eiligem Schritt Davids Lounge.
Er hatte lange genug hier gesessen und den typischen Touristen gemimt, nun wollte David endlich in seine Villa. Entschieden stellte er die Kokosnuss auf den Couchtisch, griff nach seiner Reisetasche und trat gelassen auf Josh zu, der wartend am Buggy lehnte.
»Hallo, ich bin David Gallecker. Ihre Kollegin sagte mir, dass Sie mich zu meiner Villa bringen.«
Sofort stellte der junge Mann sich gerade hin und lächelte David herzlich an. »Ich bin Josh, Ihr persönlicher Butler. Bitte steigen Sie ein, dann bringe ich Sie zu Ihrer Villa. Ein sehr schönes Haus am Ende unserer Anlage.«
David verkniff sich ein Lächeln, nickte stattdessen und schwang sich auf die Rückbank, während Josh eiligst Davids Reisetasche neben sich auf dem Sitz verstaute.
»Ihre Koffer sind bereits angekommen, Sir«, wandte Josh sich erklärend an David, bevor er hinter das Steuer rutschte. Fast zeitgleich setzte der Buggy sich in Bewegung. »Möchten Sie, dass ich Sie direkt zu Ihrer Villa fahre, oder haben Sie Lust auf eine kleine Rundfahrt?«
»Bitte direkt zu meiner Villa. Es war doch eine lange Reise. Das Angebot der Rundfahrt nehme ich gerne später an.« »Natürlich«, nickte Josh eifrig.
Sie fuhren einen schmalen Weg entlang, gesäumt von dichten Banyanbäumen, hohen Kokosnusspalmen und indischen Maulbeerbäumen, vorbei an vier ausladenden, miteinander verbundenen Villen. Im Gegensatz zur gleißenden Sonne auf dem Steg, umgab sie hier eine kühlere, schattige Atmosphäre, die bei der hohen Luftfeuchtigkeit einen Moment des tiefen Atemholens erlaubte. Josh wies mit dem Arm auf die Gebäude.
»Dies ist unser Haupthaus mit der Lounge und den zwei Hauptrestaurants. Darüber hinaus gibt es noch drei weitere Restaurants auf dem Gelände.«
Die cremefarbenen Gebäude mit den tiefgezogenen, dunklen Holzdächern zogen an David vorbei. Erstaunt stellte er fest, dass sie direkt an die dschungelartige Vegetation anschlossen, durch die fein säuberlich schmale Wege verliefen.
»Das Fortbewegungsmittel auf unserer Insel sind entweder diese Buggys oder aber ein Fahrrad, das bereits an ihrer Villa auf sie wartet.« Josh drosselte die Geschwindigkeit, bevor er an einer kleinen Wegkreuzung anhielt. Er streckte seinen Arm aus, wies nach rechts. »In dem Haus dort hinten befindet sich unser Fitnessraum.« Er nickte stolz. »Mit den allerneuesten Geräten.« Daraufhin streckte er erklärend seinen Arm nach links. »Und am Ende dieses Weges ist unser Spa. Wir haben eine Vielzahl an Massagen im Angebot, das sie in Ihrer Villa finden.« Dann trat er erneut aufs Gaspedal und sie setzten ihre Fahrt über die bewaldete Insel fort. Plötzlich lichteten sich die hohen Bäume, gaben den Blick auf das türkisblaue Meer frei, auf dessen Oberfläche die Sonnenstrahlen wie unzählige Diamanten glitzerten. So konnte auch das Paradies aussehen, dachte David. Becs hatte sich wirklich einen wunderschönen Ort als Unterschlupf ausgesucht. Aber überraschte ihn das? Nein, nicht die Spur. Becs hatte immer schon einen ausgesprochen eleganten Geschmack besessen. Während David schweigend die Szenerie genoss, bog Josh rasant nach links auf einen in das Meer gebauten Holzsteg, an dessen Ende mehrere Villen gebaut waren. »Schön, nicht wahr?« fragte er stolz.
David konnte ihm nur zustimmen. »Wirklich traumhaft.« Als Antwort lachte Josh übermütig auf. »Wenn Sie das hier schön finden, wie toll werden Sie erst Villa 18 finden?«
Mit diesen Worten drehte er sich um, drückte die Kupplung und fuhr in halsbrecherischem Tempo rückwärts zum bewaldeten Weg zurück. Dort lenkte er den Wagen auf einen schmalen, bewachsenen Pfad, an dessen Ende sich eine kleine Lichtung befand, nur um kurz darauf auf einen weiteren Steg zu fahren, an dessen Ende ein einzelnes Haus aus dem Wasser ragte. Es war größer als die vorherigen Villen, wies neben einer breiten Tür lediglich ein kleines Fenster zur Inselseite auf. Josh bremste scharf. Geistesgegenwärtig griff David nach der Lehne, um sich festzuhalten, bevor er in Joshs strahlendes Gesicht blickte.
»Und, das ist noch viel besser, nicht wahr?«
David blickte den jungen Mann einen Moment irritiert an, dann lachte er über die ehrliche Freude des Hotelangestellten. »Ja, das ist besser.«
»Sag ich ja«, erwiderte Josh selbstzufrieden.
Neugierig stieg David aus. Die gesamte dem Meer zugewandte Hausseite bestand aus einer einzigen Glasfront. Davor erstreckte sich eine weitläufige Veranda mit einem breiten Gartentisch, zwei Sonnenliegen, einer Hängematte und einer riesigen Schlafcouch. Seitlich führte eine Treppe hinunter zu einer unteren Ebene, von der man direkt ins Wasser gelangte. Davids Blick wanderte zurück ins Hausinnere, das in modernen Naturtönen gehalten war. Dadurch wirkten die Räume hell und luftig. Josh erklärte ihm bereits eifrig alle Vorzüge der Villa, doch David hörte ihm nur mit halbem Ohr zu.
Er war endlich da. Nach langem Suchen und Warten war er endlich hier. Natürlich würde er hier arbeiten, um seinen neuen Bestseller zu schreiben, aber vor allem war er hier, um sich das zurückzuholen, was man ihm einfach so weggenommen hatte. Er war hier, um sich das zu holen, was ihm gehörte, ihm allein.
Erleichtert schloss Rebecca die Bürotür hinter sich, lehnte sich erschöpft dagegen. Es war geschafft. Sie hatte ihre erste Begegnung mit David gemeistert, genauso professionell, wie sie es vorgehabt hatte. Er hatte sich nicht verändert. Er war noch genauso gefährlich attraktiv wie früher mit diesen eisgrauen Augen, die von kleinen Lachfältchen umringt waren, der geraden, aristokratischen Nase und den markanten Gesichtszügen. Seine Ausstrahlung brachte sie immer noch um den Verstand. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle gehabt und ihn behandelt wie jeden anderen Gast. Glücklicherweise hatten ihre Mitarbeiter seinen Wunsch nach Privatsphäre umgesetzt und ihm die entfernteste Villa auf dem Gelände zugeteilt. Ja, sie hatte Davids Aufenthalt soweit unter Kontrolle. Dieser bloße Gedanke gab ihr ein wenig der alten Selbstsicherheit zurück. Entschlossen trat sie an ihren Schreibtisch. Doch noch bevor sie sich setzte, klopfte es an der Tür.
»Ja, bitte.«
Nita kam herein, in der Hand einen dicken Stapel Papier. »Können wir die Pläne für morgen durchgehen? Jean-François will Sie unbedingt sprechen.«
»Natürlich, kommen Sie herein, Nita.« Rebecca wies ihrer Assistentin freundlich, Platz zu nehmen.
Schnell schloss Nita die Tür, setzte sie sich Rebecca gegenüber. Eifrig klopfte sie mit ihrem Kugelschreiber auf die oberste Seite des Papierstapels auf ihrem Schoß. »Der Segelturn für morgen ist geplant und die Flyer sind in allen Villen verteilt. Für diejenigen, die nicht daran teilnehmen können, werden wir das Buffet am Strand aufbauen, allerdings nicht vor dem Hauptrestaurant, sondern am Pavillon.«
»Sind die neuen Befestigungen für die Tischdecken eingetroffen? Und was ist mit den Fackeln, die in den Sand gesteckt werden? Die letzten waren beim Wind am Pavillon ja völlig unbrauchbar.«
Nita nickte eifrig. »Wir haben beides gestern erhalten. Auch sind alle notwendigen Tische schon in der Nähe des Pavillons gelagert, sodass sie morgen schnell aufgebaut werden können. Allerdings gab es ein Problem mit der Gemüse- und Fischlieferung, sodass Jean-François sein Menü umstellen muss.« Nita schwieg bedeutungsschwer.
Rebecca zog eine Augenbraue hoch. »Dann soll er das tun. Das ist ja kein Problem für ihn.«
»Nicht für ihn, aber für James. Er weigert sich, seine Weinauswahl zu ändern, da er keine angemessenen Weine für das abgeänderte Menü vorrätig hat.« Sie blickte Rebecca vielsagend an. »Es ist heute Morgen bei der Team-Besprechung deswegen zu einem unschönen Streit gekommen.«
»Gut, dann schicken Sie die Streithähne sofort zu mir oder haben Sie noch etwas Wichtiges mit mir zu besprechen?«
»Nein, der Rest kann warten.«
»Gut«. Rebecca nickte. Sofort erhob sich Nita und verließ Rebeccas Büro, doch nur, um sofort darauf die Tür erneut zu öffnen und zwei kampfeslustig dreinblickende Männer hinein zu schicken. Jean-François trug seine weiße Kochjacke mit der obligatorisch schwarzen Hose des Chefkochs. Sein blau eingestickter Name prangte stolz auf seiner Brust. Er wedelte mit einzelnen Blättern, die er in der Hand hielt. Seine blauen Augen funkelten Rebecca aufgebracht aus dem schmalen Gesicht mit den kurzen braunen Locken an. Dicht dahinter folgte James, groß, schlank und mit kurzem, blondem Haar, von dem jedes einzelne vorschriftsmäßig an seinem Platz lag. Sein cremefarbiger Anzug saß perfekt. Überlegen lächelte er Rebecca an, worauf sie unmerklich den Kopf schüttelte. Ihr Chefkoch und ihr F&B Manager, wie der Verantwortliche für die Getränke und für alles, was mit den Speisen außerhalb der Küche und somit außerhalb von Jean-François’ Gebiet zu tun hatte, genannt wurde, waren wie Tag und Nacht. Der leidenschaftliche, französische Koch und der kühle, kopfgesteuerte, australische F&B Manager lagen sich mit wöchentlicher Regelmäßigkeit in den Haaren. Mal wegen der Kosten, mal wegen des Budgets, mal wegen zu organisierenden Events und heute eben wegen des umgestellten Menüs. Und jedes Mal musste sie einschreiten, sie zu sich zitieren wie kleine Schuljungen und nach einem für alle Seiten akzeptablen Kompromiss suchen.
Als beide Männer Platz nahmen, beugte sie sich leicht vor. »Ich höre«, forderte sie ihre Mitarbeiter auf.
»Der Flug wurde annulliert. Nun sind mein schönes Gemüse und all die leckeren Meerestiere anstatt in meiner Küche in einer Lagerhalle am Pariser Flughafen Charles de Gaulle.« Pure Empörung sprach aus Jean-François’ Worten. Rebecca schwankte zwischen Belustigung über diese Wortwahl und Respekt für die Ernsthaftigkeit, mit der er seinem Beruf nachging. Sie entschied sich für Letzteres und forderte Jean-François mit einem Nicken auf, fortzufahren.
»Nun bin ich gezwungen, mein wunderbares Menü umzustellen. Wenig Gemüse, keinen Fisch und viel Fleisch, das haben wir noch genügend da. Die Fischlieferung kommt erst übermorgen.« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, nickte er zur Bekräftigung seiner Worte, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute James abwartend an.
»Alles schön und gut. Es gab aber bei der letzten Weinlieferung einen Fehler, sodass wir nun Unmengen an Weißwein und kaum Rotwein haben. Weißwein zu Rindfleisch ist ein absolutes No-Go für ein Hotel unseres Ranges. Daher gedenke ich nicht, diesen Ruf wegen einer fehlenden Fischlieferung zu riskieren.«
»Wieviel Rotwein haben wir noch?«
»Zwanzig Flaschen. Bei hundertfünfzig Gästen viel zu wenig.«
Rebecca nickte nachdenklich.
»Wie sehen unsere verbleibenden Fischvorräte aus, vor allem die Garnelen und Kleinfische zum Grillen?« Sie blickte Jean-François fragend an.
Er zuckte mit den Schultern, legte die Stirn nachdenklich in Falten. »Kleinfische habe ich noch für circa 30 Personen, Crevetten, Garnelen und Riesengarnelen habe ich für circa 20 Personen.«
»Besteht noch die Möglichkeit, weitere Meerestiere zu organisieren? Vielleicht über andere Fischer?«
Jean-François dachte angestrengt nach, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ja, es gibt eine Möglichkeit.« Er strahlte Rebecca an.
Sie kannte diesen Blick. Sofort schüttelte sie verneinend den Kopf. »Oh nein, vergessen Sie es. Ich werde es nicht schon wieder tun.«
»Das ist aber unsere einzige Chance. Bitte.« Jean-François verlieh seiner Stimme ein nachdrückliches Flehen.
James, der ebenso verstand, schloss sich spontan der Idee seines Kollegen an. »Ich tue dies wirklich nicht gern, Rebecca, aber ich muss Jean-François Recht geben. Es ist die einzige Möglichkeit.«
Verstimmt lehnte Rebecca sich in ihrem Sessel zurück, blickte missbilligend von einem zum anderen. »Es ist das allerletzte Mal, meine Herren, damit wir uns klar verstehen. Und damit diese neuartige Gewohnheit endlich ein Ende findet, will ich, dass Sie Ihre gesamte Lieferkette sowie alle Einkaufsabläufe analysieren und mir Ende dieser Woche erklären, wie wir solche Situationen zukünftig verhindern. Es ist ja schließlich keine Neuigkeit, dass wir auf einer abgelegenen Insel leben. Zudem sind wir nicht das einzige Fünf-Sterne-Hotel hier. Und da ich bisher keine Anrufe dieser Art von meinen Kollegen erhalten habe, werden wir wohl einige Schwächen in unseren Abläufen haben.« Zufrieden schaute sie in die entsetzten Gesichter ihrer Mitarbeiter. »Also, am Freitag will ich Ihre Vorschläge hören. Nita schickt Ihnen gleich die Einladungen dazu in ihre Kalender.« Sie atmete hörbar aus. »Ich werde jetzt unsere geschätzten Kollegen im Residence Palace anrufen und versuchen, weitere Fischvorräte zu bekommen. Reicht es für 50 Personen?«
Beide Männer nickten eifrig.
»Gut. Dann drücken Sie mir jetzt die Daumen und nicht vergessen: Freitag.«
Mit zerknirschten Gesichtern erhoben sich ihr Chefkoch und F&B Manager und verließen eiligst ihr Büro. Widerwillig suchte Rebecca die Telefonnummer des Hoteldirektors des benachbarten Hotels heraus, tippte die Zahlen in ihr Telefon. »Kirk Barley, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Hallo Kirk, hier spricht Rebecca. Störe ich?«
»Rebecca, was für eine schöne Überraschung. Du störst nie. Wie kann ich dir helfen?«
»Wir haben einen Lieferausfall und ich bin auf der Suche nach einigen Meerestieren, um 50 hungrige Mägen morgen Abend zu füllen. Meinst du, ihr könntet uns noch einmal aushelfen? Wir bezahlen sie natürlich.«
»Das kann ich dir so spontan nicht sagen, aber ich werde sofort meinen Chefkoch fragen. Ich gebe dir danach Bescheid.«
»Danke Kirk, das ist wirklich sehr nett von dir.«
»So bin ich«, er lachte ins Telefon. »Da du so eine hohe Meinung von mir hast, magst du nicht an deinem nächsten freien Tag auf ein Glas Wein herüber kommen?«
Rebecca ließ den Kugelschreiber um ihre Finger tänzeln. Wann gab Kirk endlich auf?
»Komm schon, ein Glas Wein und einen Plausch mit einem Freund, fernab der Zivilisation. Klingt das nicht verlockend, vor allem, da der große Stress für uns beide gerade vorbei ist?«
Schön wäre es. Ihr großer Stress hatte heute in Form von David Gallecker das Atoll betreten und würde sie die kommenden vier Wochen vollauf beschäftigen. Aber vielleicht war es genau deswegen gut, ihren freien Tag mit Kirk zu verbringen, außerhalb Davids Reichweite. »Überredet.«
»Fein. Dann rufe ich jetzt mal meinen Chefkoch an, bis gleich.«
»Vielen Dank, Kirk.« Erleichtert legte Rebecca auf und blickte auf ihre Armbanduhr. In einer Stunde begann bereits das Abendessen. Ihre Gedanken wanderten zu David. Neugierig öffnete sie das Computerprogramm und klickte die Reservierungsliste für Villa 18 an, wo eindeutig »Zimmerservice« zu lesen war. Sehr gut, David machte es ihr leichter als gedacht. Für heute konnte sie ihn getrost vergessen.
Das Summen ihres Handys riss sie aus den Gedanken. »Rebecca Quentlin. Hallo.«
»Hallo Rebecca, hier ist Kirk. Ihr bekommt morgen verschiedenes Meeresgetier geliefert, das für 50 Personen reichen sollte.«
»Oh Kirk, du bist ein Schatz. Vielen Dank.«
»Vergiss das nicht. Ich sehe dich also Mittwochabend in einer Woche gegen fünf?«
Sie nickte ergeben. »Abgemacht. Mittwoch, siebzehn Uhr, bei dir.«
»Lass mich wissen, wenn du wieder Lebensmittellieferungen brauchst. Jederzeit zu Diensten.« Er lachte fröhlich ins Telefon und legte auf.
Ein Lächeln huschte über Rebeccas Gesicht. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee, Kirks Einladung endlich anzunehmen. Schnell fuhr sie ihren Computer hinunter, damit sie sich noch frisch machen konnte, bevor sie ihre abendliche Gesprächsrunde mit den Hotelgästen begann.
Gut gelaunt schaute Rebecca die neuen Hotelbuchungen durch. Sie hatte sich umsonst aufgeregt. David machte es ihr wirklich leicht, seine Anwesenheit zu ignorieren. Seit drei Tagen igelte er sich in seiner Villa ein, nahm dort alle Mahlzeiten zu sich. Vielleicht suchte er das Fitnessstudio auf, aber ihre Wege kreuzten sich nie. Fast hätte sie vergessen können, dass er keinen Kilometer entfernt von ihr wohnte.
Genießerisch biss David in sein warmes Croissant. Während er entspannt an seinem gedeckten Frühstückstisch auf der Veranda saß, huschte Josh flink von einer Hausecke zur anderen, um die täglichen Routinearbeiten zu verrichten. Wie jeden Morgen arbeitete er sich langsam zu David vor, um sich mit ihm nach Beendigung des Frühstücks noch ein wenig zu unterhalten. David war das nur Recht.
Aus den Augenwinkeln sah er den jungen Mann näher kommen, dann abwartend an der Hauswand lehnen. Betont zufällig drehte David sich um.
»Kommen Sie, Josh. Lassen Sie uns eine kleine Pause einlegen.« Mit einer einladenden Geste wies David in Richtung des gegenüberstehenden Stuhls, der Josh nur zu gern folgte. Zögernd setzte er sich auf die Stuhlkante, fixierte David neugierig.
»Ein wunderbares Frühstück, wie jeden Morgen. Vielen Dank, Josh.«
»Gerne, Sir. Es freut mich, dass es Ihnen bei uns gefällt.«
David lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. »Es ist unmöglich, diese Sicht und diesen Komfort nicht zu mögen. Wie lange arbeiten Sie denn schon hier?«
»Vier Jahre, Sir.«
David nickte anerkennend. »Vier Jahre ist eine lange Zeit. Da kennen sie das Hotel ja bestens, genauso wie alle Ihre Kollegen.«
Stolz reckte Josh sein Kinn in die Höhe. »Das will ich meinen, Sir. Ich arbeite hier seit der Hoteleröffnung.«
»Dann haben Sie das Hotel zusammen mit der Direktorin aufgebaut, Kompliment.« Davids Gesicht zeigte keine Regung, doch nun wurde die Unterhaltung erst interessant. Gespannt wartete er auf Joshs Antwort.
»Nein, Sir. Miss Quentlin ist erst seit zwei Jahren hier. Davor war Mister Gilster hier Direktor. Ein schwieriger Mann. Immer musste man arbeiten, nichts konnte man richtig machen. Immer nur Ärger und Strafen. Aber seit Miss Quentlin hier Hoteldirektorin ist, ist alles viel besser.« Ein erleichtertes Strahlen zeigte sich auf seinem Gesicht.
»So?« fragte David lediglich.
»Oh ja, Sir. Sie ist sehr nett. Ich war sogar schon zweimal Mitarbeiter des Monats. Dafür habe ich als Belohnung ein Geschenk bekommen. Sie lächelt immer und man kann jederzeit zu ihr gehen.« Leicht nach vorn gebeugt fügte er in verschwörerischem Ton hinzu: »Wenn man einen Termin bei Nita, ihrer Assistentin, bekommt.« Er machte eine wegwerfende Bewegung, grinste breit. »Ja und wenn nicht, dann kann man sie einfach so ansprechen. Ich weiß ja, wo ich sie finde.«
»Das ist schön zu hören«, antwortete David mehrdeutig, bevor er gut gelaunt nach seiner Tasse Kaffee griff.
»Sir, darf ich Sie etwas fragen?«
»Aber natürlich.«
»Stimmt es, dass Sie ein bekannter Schriftsteller sind?«
David lächelte Josh nachsichtig an. »Ob bekannt, das kann ich nicht sagen. Aber Schriftsteller stimmt.«
»Oh, darf ich ein Autogramm von Ihnen bekommen?« Josh knetete nervös seine Hände.
»Dürfen Sie. Ich werde Ihnen eines heraussuchen.«
»Toll.«
»Ich würde übrigens gerne auf Ihr Angebot der Inselrundfahrt zurückkommen. Wäre das am frühen Nachmittag möglich?«
»Natürlich, Sir. Wann soll ich Sie abholen?«
»So gegen zwei?«
»Gut, Sir. Um vierzehn Uhr hole ich Sie ab.« Zögernd stand Josh auf. »Ich muss nun wieder los.«
Auch David war aufgestanden. »Natürlich. Den Tisch können Sie schon abräumen. Ich muss jetzt auch wieder an die Arbeit. Bis um zwei.« Damit nickte er dem jungen Hotelangestellten freundlich zu und verschwand im Haus.
Mit sich zufrieden trat David vor den Badezimmerspiegel, griff nach der Dose mit dem Rasierschaum und sprühte eine verschwenderische Portion in seine Handfläche. Fröhlich summend seifte er sich sein Gesicht ein. Drei Tage reichten völlig aus, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er zurück war. Vorsichtig setzte er das Rasiermesser an und spürte, wie das Kribbeln der Vorfreude erneut erwachte.
Josh bremste scharf, um seinen entgegenkommenden Kollegen vorbei zu lassen, und David entschied, sich ab nun vorsichtshalber die gesamte Fahrt über festzuhalten. Joshs Fahrstil war schlicht unberechenbar, auch wenn er sich jetzt in gemäßigter Geschwindigkeit den Haupthäusern näherte. Mit seinen Augen suchte David das Gelände nach einem kupferroten Schopf Haare ab, aber ohne Erfolg. Entschuldigend wandte Josh sich an David. »Es tut mir leid, Sir. Aber ich muss hier langsam fahren. Miss Quentlin mag nicht, wenn wir so schnell unterwegs sind.« Er lachte spitzbübisch. »Weiter draußen auf der Insel sieht sie es jedoch meistens nicht.«
»Dann fahren Sie lieber langsam. Arbeitet Miss Quentlin denn hier in den Hauptgebäuden?«
»Ja, Sir. Sie hat ihr Büro im obersten Stockwerk der letzten Villa, aber auf der anderen Seite des Gebäudes. Ich kann es Ihnen gleich zeigen.« Verschwörerisch drehte Josh sich um und David betete, dass kein anderer Buggy ihnen entgegen kommen möge.
»Sie ist nicht immer dort oben, ganz oft ist sie irgendwo in der Anlage unterwegs. Aber jetzt hat sie die Mitarbeiterbesprechung und ist bestimmt in ihrem Büro.« Grinsend zog Josh den Wagen scharf nach rechts, damit sie nicht über eine große Baumwurzel fuhren. »Das Haupthaus kennen Sie ja schon. Jetzt fahren wir erst einmal an das nördliche Ende unseres Atolls. Dort gibt es winzige Schildkröten und einen wunderschönen Strand, der aber nicht hinaus aufs Meer zeigt«, fügte er erklärend hinzu. »Auch befindet sich dort unser Inselrestaurant Pavillon. Sehr beliebt und sehr romantisch.«
»Gut zu wissen«, lachte David. Er genoss den warmen Fahrtwind auf seiner Haut, der die hohe Luftfeuchtigkeit erträglicher machte. Er freute sich schon darauf, wieder in seiner Villa zu sein und die Shorts gegen eine Badehose einzutauschen. Als Josh den Buggy verlangsamte, erkannte David ein kleines Restaurant, dessen Dach mit getrocknetem Schilf bedeckt war und aus einem riesigen offenen Raum bestand. Die Pfeiler des Gebäudes wurden von langen, zusammengebundenen, weißen Vorhängen verdeckt. Im Inneren erspähte David einige Tische, die bereits für das Abendessen eingedeckt waren.
»Die besondere Spezialität im Pavillon sind Fischgerichte. Sehr zu empfehlen.« Schon wendete Josh sein Gefährt, bog in einen schmalen, sich schlängelnden Weg ein, der sie zu einer erhöhten Lichtung führte. »Von dort oben hat man einen wunderschönen Blick über das Meer. Ein sehr beliebter Ort für Hochzeiten.« Ohne auf Davids Reaktion zu warten, bog Josh eiligst zurück in den bewaldeten Teil der Insel, wo sie den sogenannten Dschungelpfad, die Salsabar und das dritte Hotelrestaurant Jasminblüte an sich vorbeiziehen ließen, um erneut in Richtung der Hauptvillen abzubiegen. Doch dieses Mal näherte Josh sich von der anderen Seite. Versteckt hinter dem letzten hohen Baum des bewaldeten Wegstücks hielt er abrupt an, wies stolz mit dem Finger zum obersten Fenster. »Dort ist Miss Quentlins Büro.« Plötzlich duckte er sich. »Sie steht am Fenster, sehen Sie, Sir? Besser ich fahre zurück.«
»Fahren Sie doch noch einmal hinüber zu der kleinen Lichtung, von der man so eine schöne Sicht hat«, schlug David stattdessen vor. Wenn er Glück hatte, dann sah Becs ihn dort von ihrem Bürofenster aus. Ein guter Anfang, um sich wieder in Erinnerung zu bringen.
»Gerne, Sir«, antwortete Josh eilig und fuhr mit vorgeschriebener Geschwindigkeit an dem Haupthaus vorbei. Kurz darauf hielt er an der Lichtung.
Sehr gut, nur aus Becs’ Büro konnte man ihn hier sehen. Und das war das Einzige, was David interessierte. »Ich schaue mir kurz die Sicht an, Josh. Bitte warten Sie hier.«
»Natürlich, Sir.«
Mit geschmeidigen Bewegungen stieg David aus dem Buggy, setzte seinen Hut auf und trat entspannt auf die kleine Lichtung, wo er für einen Augenblick den atemberaubenden Ausblick auf das offene Meer genoss, dessen Wellen sich krachend gegen die Steine des Atolls brachen. Betont arglos drehte er sich um, suchte hinter den Gläsern seiner Sonnenbrille nach Becs’ Büro. Dort stand sie.