Korsaren und Spione - Mirco Graetz - E-Book

Korsaren und Spione E-Book

Mirco Graetz

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Beschreibung

Midshipman Henry du Valle stammt von der Insel Guernsey. Als er zum Geschwader bei den Kanalinseln versetzt wird, befindet er sich in seinem Heimatrevier und kann seine Ortskenntnisse im Kampf gegen die Korsaren von Saint Malo und die französische Marine sehr gut gebrauchen. Immer wieder wird sein Mut auch bei Geheimdienstoperationen an der französischen Küste gefordert und auch hier weiß er, sich zu bewähren. Ein Seeabenteuer aus der Zeit der französischen Revolutionskriege.

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Midshipman Henry du Valle stammt von der Insel Guernsey. Als er zum Geschwader bei den Kanalinseln versetzt wird, befindet er sich in seinem Heimatrevier und kann seine Ortskenntnisse im Kampf gegen die Korsaren von Saint Malo und die französische Marine sehr gut gebrauchen. Immer wieder wird sein Mut auch bei Geheimdienstoperationen an der französischen Küste gefordert und auch hier weiß er, sich zu bewähren. Ein Seeabenteuer aus der Zeit der französischen Revolutionskriege.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Nachwort

1

Seiner Majestät Kutter1 Marten zerrte ungeduldig an seiner Festmachertonne gegenüber Sally Port. Mindestens ebenso ungeduldig drehte sein Kommandant Leutnant Moore seine Runden auf dem Achterdeck. In etwas mehr als einer Stunde würde die Tide kippen und dann müsste Marten gegen die Flut aus dem Solent kreuzen. Noch immer tat sich nichts an den Stufen unterhalb des Tores, wo Leutnant Moores Gig schon eine halbe Stunde auf die Depeschen der Admiralität für das Kanalinselgeschwader wartete. Gerade wollte Leutnant Moore wutentbrannt unter Deck gehen, um endlich sein bereits mehrfach verschobenes Essen einzunehmen, als Quartermaster Brown meldete: »Sir, dort drüben tut sich etwas.«

Tatsächlich traten zwei Marineoffiziere durch das Tor, gefolgt von einem Gepäckträger mit einer kleinen Handkarre, auf der sich eine Seekiste befand. Im ranghöheren der beiden Offiziere erkannte Leutnant Moore den ehrenwerten Mr. Trollope, Flaggleutnant beim Hafenadmiral von Portsmouth, Sir Peter Parker, und seines Zeichens Erbe eines alten Adelstitels und ausgedehnter Ländereien in Hampshire. Vor allem war er aber ein hochnäsiger Laffe, wie Leutnant Moore befand.

Moore und Trollope hatten gemeinsam auf der Bellerophon gedient, während sie am Glorreichen 1. Juni2als Flaggschiff von Konteradmiral Pasleys fliegenden Geschwader diente. Damals war bei Moore eine tiefe Abneigung gegen Trollope entstanden, der alles verkörperte, was Moore bei einem Offizier verabscheute: Brutalität, Inkompetenz und Standesdünkel. Aber sie hatten gemeinsam im unteren Batteriedeck gekämpft, während ihr Admiral auf dem Achterdeck sein Bein verlor. Der Kampf gegen die Franzosen und die Angst zu versagen, hatte trotzdem eine gewisse Verbindung zwischen beiden geschaffen. Trollope betrachtete Moore als seinen Kriegskameraden. Viele Freunde hatte er ja auf der Bellerophon nicht gefunden und bald nach der Schlacht hatte ihm sein Vater den Druckposten in Portsmouth verschafft. Für die Trollopes war es viel zu riskant, den Titelerben in einem echten Krieg auf See zu wissen und an Bord weinte man ihm keine Träne nach. Moore erinnerte sich noch gut daran, dass Trollope nur in Gesellschaft eines erfahrenen Steuermannsmaats Wache gehen konnte, dafür aber mehr Bestrafungen forderte als alle anderen Offiziere an Bord zusammen.

Inzwischen war die Gig vom Ufer abgestoßen und erreichte den Kutter nach wenigen Ruderschlägen. Der Buggast hakte in den Rüsten ein und Leutnant Trollope hievte seinen rundlichen Körper ächzend an Bord. Nachdem er zum Achterdeck gegrüßt hatte, trat er strahlend auf Leutnant Moore zu.

»Schön dich zu sehen, Edward, oder Captain Moore, wie es jetzt ja richtigerweise heißen muss. Du hast ein schönes Kommando bekommen. Gott, wie ich dich beneide.«

Leutnant Moore rang sich ein Lächeln ab. »Willkommen an Bord, Richard. Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen.«

In diesem Moment schwang sich ein junger Mann in der Uniform eines Midshipmans an Bord und Moore schaute Trollope fragend an. »Wen bringst Du mir denn da?«

»Ach, das ist eine kleine Gefälligkeit für den Admiral. Er und sein Vater waren Bordkameraden und er bittet darum, ihn nach Guernsey mitzunehmen.«

»Midshipman Henry du Valle, zu Ihren Diensten, Sir«, stellte sich der junge Mann selbst vor, während er seinen Zylinder lüftete.

»Willkommen an Bord, Mr. du Valle, wir werden schon ein Plätzchen für sie finden.«

»Verbindlichsten Dank, Sir, es wäre mir sehr angenehm, nicht als Passagier betrachtet zu werden. Ich reihe mich sehr gern in die Abläufe hier an Bord ein, schließlich möchte ich niemandem zur Last fallen.«

»Nun, wir werden sehen. Und was bringst Du mir sonst noch, Richard?« wandte sich Leutnant Moore wieder an den Flaggleutnant.

Dieser deutete auf eine Dokumententasche, die er schräg über die Schulter trug und antwortete: »Für den offiziellen Teil gehen wir lieber unter Deck.«

Leutnant Moores Kammer, mehr war es auch für den Kommandanten der Marten nicht, war ein kleiner Verschlag. Auf der Backbordseite hing eine Schwingkoje, die am Tage auch als Sitzbank diente. Daneben stand ein länglicher Tisch mit zwei Stühlen auf der Steuerbordseite und einer kleinen Sitzbank am Heck. Mit viel gutem Willen konnten hier fünf Personen sitzen. Ein kleines Oberlicht, das sich nicht öffnen ließ, beleuchtete den Raum. Leutnant Trollope nahm Platz und öffnete die Tasche, aus der er mehrere geteerte Päckchen zog.

»Für den Befehlshaber des Kanal Insel Geschwaders, für den Militärgouverneur auf Guernsey, für den Militärgouverneur auf Jersey und hier sind die neuen Codebücher für die Schiffe des Geschwaders.«

Leutnant Moore quittierte den Empfang und schloss die Päckchen in einer Bleikassette ein, mit der man die Dokumente im Notfall über Bord werfen würde. Dann bot er Trollope noch einen Bordeaux an. Eigentlich saß er ja wie auf glühenden Kohlen, doch Höflichkeit und Marinetradition geboten dies. Leutnant Trollope akzeptierte dankend und schlürfte genießerisch den guten Tropfen, den Leutnant Moore einem Schmuggler abgenommen hatte. Dabei erging er sich in sentimentalen Erinnerungen an eine Zeit an Bord, die Leutnant Moore irgendwie anders erlebt hatte. Obwohl sie beide junge Leutnants waren, erweckte Trollope den Anschein eines altgedienten Veteranen. Tatsächlich würde er voraussichtlich nie wieder auf einem Kriegsschiff fahren und in absehbarer Zeit die Uniform der Royal Navy gegen die Robe eines Peers von England tauschen.

Endlich kam Trollope zum Ende und erhob sich von seinem Stuhl. Die niedrige Decke zwang ihn zu einer stark gebückten Haltung. »Da müssen wir unbedingt bald mal wiederholen, Edward«, sagte er.

»Das kann eine ganze Weile dauern«, entgegnete Leutnant Moore. »Wie Du weißt laufen wir normalerweise immer nur Plymouth an.«

Er geleitete seinen Gast an Deck, wo sie sich verabschiedeten. Dann wartete er ungeduldig auf die Rückkehr der Gig, die Trollope wieder an Land brachte. Sobald es soweit war, musste alles ganz schnell gehen. Noch während die Gig an Bord geholt wurde, ließ Leutnant Moore losmachen und den Klüver setzen. Marten machte seinem Namen alle Ehre. Sobald sich das Segel füllte machte er einen Sprung nach vorn, wie ein Marder auf der Jagd und nahm rasch Fahrt auf.

»Mr. Johnson, bitte lassen Sie das Großsegel setzen«, befahl Leutnant Moore.

»Aye, Captain«, bestätigte der Bootsmann.

Es kostete die gemeinsame Anstrengung der Besatzung, bis sich das gewaltige Segel entfaltete. Portsmouth lag bereits weit achteraus und Marten näherte sich der Isle of Wight. Henry du Valle stand neben Leutnant Moore und genoss offensichtlich das Tempo des Kutters.

»Ist das Ihre erste Fahrt auf einem Kutter Mr. du Valle?« fragte Leutnant Moore.

»Auf einem Kutter der Marine schon, Sir, aber zu Hause war ich öfter auf dem Kutter der Familie unterwegs. In Friedenszeiten brachten wir damit verderbliche Waren von Frankreich nach England.«

»Als Schmuggler? fragte Leutnant Moore verblüfft.

Du Valle lachte: »Nein, das war alles ganz legal, Sir, aber trotzdem immer noch ein sehr gutes Geschäft.«

Leutnant Moore warf einen prüfenden Blick in die Takelage und befahl dann: »Lassen Sie das Topsegel setzen, Mr. Johnson, wir wollen vor Einbruch der Dunkelheit im Kanal sein.«

Der Bootsmann gab die nötigen Befehle und sofort setzte wieder eine hektische Aktivität ein. Doch ein Fall war blockiert und die Rah, an der das Segel angeschlagen war, ließ sich nicht hissen. »Mr. Johnson, klarieren Sie das«, befahl Leutnant Moore und an du Valle gewandt: »Wollen Sie dem Bootsmann behilflich sein, Mr. du Valle?«

»Aye Sir.«

Henry du Valle enterte auf. Das geschah in einer Geschwindigkeit, die jedem Topgasten Ehre gemacht hätte. Keine fünf Minuten später gab der Bootsmann von oben ein Kommando und das Segel konnte gesetzt werden.

Nach dem Abentern meldete Mr. Johnson: »Ein Block hatte sich verklemmt, Sir. Wir werden ihn bei nächster Gelegenheit austauschen müssen.« »Und sonst?« fragte Leutnant Moore mit einem Blick auf du Valle, der sich in einiger Entfernung seinen Uniformrock wieder anzog. »Der kennt sich aus, Captain.«

»Mr. du Valle!«

»Sir?«

»Wollen Sie mir heute zum Dinner Gesellschaft leisten?«

1 einmastiges Kriegsschiff

2 Seeschlacht zwischen der französischen Marine und der Royal Navy unter Admiral Earl Howe. Die Briten erzielten einen klaren Sieg, doch der von der französischen Flotte gedeckte Konvoi erreichte Frankreich

2

Kaum hatte seiner Majestät Kutter Marten den Schutz der Isle of Wight verlassen, nahm der Seegang deutlich zu und der Wind bekam eine eher südwestliche Komponente was Leutnant Moores Plan, Kap Le Hague direkt anzusteuern, zunichtemachte. Statt einer bequemen Überfahrt zu den Kanalinseln war jetzt selbst mit einem Kutter, der sehr hart an den Wind gehen konnte, kreuzen angesagt. Leutnant Moore focht das nicht weiter an, denn so lernte er sein Segelrevier für die kommenden Monate oder gar Jahre gründlich kennen.

Erst vor wenigen Wochen hatte er Marten in Chatham übernommen, wo das ehemalige Schmugglerfahrzeug für die Royal Navy umgerüstet worden war. Aufgrund seiner Herkunft hatte es schärfere Linien als die vielen direkt für die Navy gebauten Kutter, war aber auch leichter bewaffnet, als sonst üblich. Gerade einmal acht Dreipfünder bildeten die Artillerie der Marten, unterstützt durch ein halbes Dutzend Drehbassen, die bei Bedarf auf der Reling montiert werden konnten. Für einen Offizier, der großen Wert auf eine schlagkräftige Artillerie legte, war das äußerst bekümmernd. Den Nachteil an Kampfkraft machten jedoch die hervorragenden Segeleigenschaften Martens wett. Nach Leutnant Moores Überzeugung gab es in der gesamten Flotte kein anderes Fahrzeug, das Marten an Geschwindigkeit und Wendigkeit überlegen gewesen wäre und auf der anderen Seite des Kanals ohnehin nicht.

Die hohe Geschwindigkeit der Marten bestimmte auch ihre Aufgaben in den ersten Wochen im Dienst der Royal Navy. Der Kutter beförderte Depeschen zwischen der Nore3 und dem Nordseegeschwader, das die Küste der Batavischen Republik, wie die Niederlande seit kurzem hießen, blockierte. Dann kam die Verlegung nach Portsmouth und nun war der Kutter dem kleinen Geschwader, das bei den Kanalinseln operierte, zugeordnet.

Zum Dinner in der Kammer des Kommandanten, von seinem Steward Hanson großspurig Kajüte genannt, versammelte sich neben Leutnant Moore und seinem Gast das gesamte Offizierskorps der Marten, während der Bootsmann in der Zwischenzeit die Wache übernahm. Die Bezeichnung Offizierskorps war jedoch ebenso großspurig wie die Bezeichnung der Kommandantenkammer als Kajüte, denn genau genommen war Leutnant Moore der einzige bestallte Offizier an Bord. Der Master, Mr. Hicks und der Zahlmeister, Mr. Patton waren lediglich Deckoffiziere mit Warrants vom Navy beziehungsweise Viktualien Board und der Master´s Mate4 Mr. Gratham wurde nur aus Höflichkeit als Wachoffizier betrachtet.

Leutnant Moore, der von Zuhause aus mit einem gewissen Vermögen ausgestattet war, erwies sich als ausgezeichneter Gastgeber. Er ließ den alten Navy Grundsatz, dass man nur sprach, wenn man vom Captain dazu aufgefordert wurde, an seinem Tisch nicht gelten. Wenn er sich Gäste einlud, war er für die Dauer des Dinners nicht mehr der Kommandant, sondern Gentleman unter Gentlemen. Das war sicherlich ungewöhnlich, doch als Kommandant und somit Souverän an Bord seines Schiffes konnte er sich diese Marotte leisten. Seine Offiziere hatten sich in den zurückliegenden Wochen bereits daran gewöhnt und so entspann sich von Anfang an eine angeregte Unterhaltung, an der auch Henry du Valle nach kurzem Zögern teilnahm.

So kurz nach dem Auslaufen war das Essen natürlich ausgezeichnet, zumal Hanson, der in Ermangelung eines Kommandantenkochs das Essen zubereitete, einige Erfahrungen aus dem elterlichen Gasthof mitbrachte. Nachdem die Platten mit Steinbutt, Schweinebraten und einer Leberpastete abgeräumt waren und auch das Syllabub5 zum Dessert genossen war, begann die Flasche mit dem Sherry zu kreisen.

»Nun, Mr. du Valle, welche günstigen Winde haben Sie denn an Bord unseres Marten geweht.«

»Ich bin auf der Heimreise, Sir, was Sie angesichts meines Namens möglicherweise bereits vermuteten. Mein erstes und vorerst auch letztes Bordkommando war die gute alte Prince Rupert.«

»Was denn, der alte Kasten ist noch immer nicht von den Holzwürmern aufgefressen worden?« rutschte es Leutnant Moore heraus. »Ich bitte um Vergebung, Mr. du Valle, ganz sicher ist es noch immer ein sehr respektables Schiff, auch wenn man denken möchte, dass es bereits in König Williams Invasionsflotte gedient haben könnte.«

»Oh, kein Problem, Sir«, lachte Henry du Valle. »Die Prince Rupert kann ihr Alter tatsächlich nicht verleugnen. Eigentlich sollte sie ja schon längst abgebrochen werden, doch angesichts des Krieges dachten sich die hohen Herren in der Admiralität, dass sie als Wachschiff in Newcastle immer noch gut genug ist. Allerdings war ihr Zustand so schlecht, dass die ersten Herbststürme selbst im geschützten Hafen ihr Ende bedeuteten. Man hat sie durch ein kleineres Schiff ersetzt, so dass der Admiral zunächst seine Protegés bedachte und den Rest von uns beurlaubte. Sir Peter6 hatte in Portsmouth auch keine unmittelbare Verwendung für mich und hat mich erst einmal beurlaubt, was für mich keinen großen Unterschied zum aufreibenden Dienst auf der Prince Rupert macht.«

»Dann sollten wir auf die Prince Rupert trinken«, schlug Leutnant Moore vor. »Möge sie auf den neuen Meeren, die ihr Kiel nun durchpflügt, ebenso lang und sicher fahren.«

»Auf Prince Rupert«, stimmten alle ein.

Der nächste Morgen war warm und sonnig. Henry du Valle fühlte sich eher an einen Spätsommertag erinnert, als an Herbst. Trotzdem war die Luft klar und man hatte gute Sicht. Backbord voraus konnte man bereits die Halbinsel Cotentin erahnen. Er war sich sicher. Mit dem übernächsten Schlag würde man in die Straße von Alderney einlaufen können. Und dann war es nicht mehr weit bis Guernsey. Natürlich sehnte sich Henry du Valle nach der Heimatinsel, doch zugleich machte er sich Sorgen. Sein Vater neigte zu sehr dazu, alle Wege für ihn zu ebnen. Deshalb hatte er auch diesen Druckposten in Newcastle, wohin sein Vater rege Handelsbeziehungen unterhielt. Nur ein Sohn an Land konnte dem Geschäft nützen. Dabei war Henry du Valle nur der Zweitgeborene. Sein Bruder Louis war längst in das väterliche Geschäft eingetreten. Ob er damit glücklich war? Henry du Valle konnte sich das kaum vorstellen. Ebenso wie er selbst liebte Louis das Meer und ließ keine Gelegenheit aus, auf einem ihrer Schiffe mitzufahren.

Sehnsüchtig ließ Henry du Valle den Blick über das Deck des Marten gleiten. Leutnant Moore war ein Glückpilz, in so jungen Jahren bereits solch ein Kommando inne zu haben. Mr. Johnson kam mit seinem Bootsmannsmaat an Deck. Beide unterhielten sich und blickten dabei immer wieder hinauf zum Topsegel. Henry du Valle trat hinzu und grüßte: »Guten Morgen, Mr. Johnson, wollen Sie den Block auswechseln?«

»Guten Morgen Mr. du Valle. Sie haben vollkommen Recht. Nach dem nächsten Schlag werden wir das erledigen.«

»Wenn ich Ihnen behilflich sein kann, es wäre nicht das erste Mal für mich.«

»Eine helfende Hand ist immer willkommen.«

Bis es soweit war, wurde es Mittag. Zu dritt enterten sie auf, um den defekten Block auszuwechseln. Leutnant Moore und Mr. Hicks standen auf dem Achterdeck und beobachteten den Vorgang.

»Der junge Herr bewegt sich dort oben, als ob er nie etwas anderes getan hätte, bemerkte der Master.

»Ja, Mr. Hicks, wäre er kein Offizier des Königs, würde ich in glatt in den Dienst der Navy pressen.«

3 Reede und Sandbank im Bereich der Themsemündung

4 Steuermannsmaat

5 Traditionelles englisches Dessert aus Schlagsahne, Weißwein und Zitronensaft

6 Admiral Sir Peter Parker war damals Oberbefehlshaber der Royal Navy in Portsmouth. Bekannt wurde er als Förderer Lord Nelsons.

3

Wegen der starken Gezeitenströmungen in der Straße von Alderney musste die Marten beigedreht warten, bis die Flut wieder anstieg. Kurz nach Sonnenaufgang war es dann soweit und der Kutter schoss durch eine weiß brodelnde Strömung südwärts. Für alle, die diese Meeresstraße zum ersten Mal passierten, war das ein äußerst eindrucksvolles Schauspiel. Dank der gleichzeitigen Unterstützung durch die Segel, passierte die Marten die Straße in weniger als einer halben Stunde. Dann beruhigte sich das Meer relativ schnell und der Marten steuerte nun Guernsey an, wozu nur eine geringfügige Kurskorrektur erforderlich war.

Leutnant Moore ging unter Deck, um sich ein ausgiebiges Frühstück zu gönnen. Schon auf dem Niedergang kam ihm der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in die Nase. Wenn der Wind durchstand, müssten sie Guernsey in zirka zwei Stunden erreichen.

»An Deck! Land in Sicht!«

Der Ruf des Ausgucks ließ Leutnant Moore innehalten. Er schaute hinauf zur Saling. »Welche Richtung?« fragte er.

»Ungefähr ein bis zwei Strich Steuerbord voraus, Sir«, kam die Antwort von oben. »Es scheinen drei Inseln zu sein.«

Der Master, der bei der Ruderpinne stehend mitgehört hatte, begab sich zum Niedergang, wo Leutnant Moore noch immer stand.

»Es müssten von rechts nach links Guernsey, Herm und Sarc sein, Sir«, meldete Hicks dem Kommandanten.

»Danke, Mr. Hicks, bitte korrigieren Sie unseren Kurs um einen Strich nach Steuerbord. Soweit ich die Karte im Kopf habe, vermeiden wir so die Klippen und kleinen Inseln zwischen Herm und Guernsey.«

Damit wandte er sich wieder unter Deck, wo sein Kaffee und das Frühstück warteten. Hinter sich hörte er noch die Bestätigung des Masters.

Früher als erwartet, Leutnant Moore wollte soeben seine zweite Tasse Kaffee trinken, kam ein weiterer Ruf von Ausguck. Da sich das kleine Oberlicht seiner Kammer nicht öffnen ließ, konnte er jedoch nicht verstehen, was gemeldet wurde. Kurz darauf klopfte es an seiner Tür. »Herein.«

Der Master kam persönlich. »Der Ausguck meldet zwei unbekannte Segel, Sir.«

»Kann es sich schon um das Geschwader handeln, Mr. Hicks?« »Schwer zu sagen, Sir, wenn sie vor Guernsey auf Reede liegen, dürften wir sie erst sehen, wenn wir die Insel erreicht haben.« »Dann wollen wir auf Nummer Sicher gehen, Mr. Hicks. Lassen Sie klar Schiff zum Gefecht machen.«

Der Befehl kam nicht unerwartet, war es doch im Seekrieg eine Frage des Überlebens, das Erwartete nicht als gegeben hinzunehmen. So dauerte es nur wenige Minuten, bis Mr. Hicks den Kutter gefechtsbereit melden konnte. Mr. Hicks nahm seine Gefechtsstation neben der Ruderpinne ein, Mr. Gratham befehligte die Kanonen und Mr. Patton wartete unter Deck in der Fähnrichsmesse auf Verwundete. Die Marten hatte keinen Arzt, ja nicht einmal einen Sanitätsmaat an Bord. Mr. Pattons Vater war ein Landarzt in der Nähe von Winchester und somit brachte er von Haus aus noch die besten medizinischen Kenntnisse mit. Zur Beruhigung der Besatzung hatte er sich bereiterklärt, im Notfall als Sanitäter zu fungieren, bis die vakante Stelle besetzt war. Allerdings hatte er noch niemals eine Amputation vornehmen müssen und dafür fehlte ihm, bis auf ein wenig angelesenes Wissen auch jegliche Erfahrung.

Henry du Valle war zwar nur Gast an Bord, doch als Alarm gegeben wurde, war er mit allen anderen Besatzungsmitgliedern an Deck geeilt. Hier hielt er sich neben dem Master auf, um sofort zur Stelle zu sein, falls der Kommandant einen Befehl für ihn haben sollte. Tatsächlich sollte das sofort der Fall sein.