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Und wieder ist was passiert: Im Regensburger Bezirksklinikum wird ein Patient in seinem Bett bestialisch ermordet. Vom Mörder fehlt jede Spur. Auch ein Motiv ist zunächst nicht erkennbar. Was hat Prof. Dr. Neumann, Leiter der Psychiatrie im Bezirksklinikum, mit dem Verbrechen zu tun? Für Hauptkommissar Köstlbacher, der seit einiger Zeit ambulant Patient beim Prof. Dr. Neumann ist, wird der Fall in mehrfacher Hinsicht zum Albtraum. Ein weiterer Mord geschieht. Detaillierte Zeugenaussagen lassen hoffen. Doch dann kommt alles ganz anders.
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Seitenzahl: 348
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Mit einer energischen, fast aggressiven Handbewegung schleudert der Edmund Köstlbacher den Stapel Papier in seiner Hand verärgert vor sich auf den Schreibtisch hin. Er kann sie nicht mehr lesen, all die Infos über diese seltsame Gruppierung von Spinnern, die seine Sekretärin, die Edith Klein, auf seine Veranlassung hin im Internet gegooglet hat und die ihm nun alle ausgedruckt vorliegen.
›Organisation‹ nennen sie sich. Aber wenn du jetzt glaubst, dass es sich dabei um solche Freaks handelt, die auf ihrer Internetseite Tipps veröffentlicht haben, wie du dein Chaos optimal in den Griff bekommen kannst, dann liegst du gewaltig daneben. Verrückte! Lauter Verrückte! Vielleicht gefährliche Verrückte! Aber, deshalb nicht zwangsläufig Leute, die was auf dem Schreibtisch vom Köstlbacher zu suchen haben.
Weil, eines darfst du nicht vergessen, der Köstlbacher Kriminaler und kein Psychiater. Drum auch nur an Straftätern interessiert und weniger an Personen, die ›einen an der Klatsche haben‹, wie der Kollege Norbert Liebknecht sich gerne dazu so treffend geäußert hat.
Natürlich hat der Köstlbacher von der Klein nicht nur im Internet recherchieren lassen. Weil, Internet zwar super Informationsquelle weltweit gesehen. Aber Internet relativ mager, wenn Reduktion der Nachforschungen auf Regensburg und Umgebung. Da merkst du eben doch wieder schnell, dass Regensburg ein Kaff! Weltkulturerbe und Papststadt hin oder her. Ist zwar nicht ganz so, dass in Regensburg jeder jeden kennt, aber viel fehlt dazu nicht. Über drei Ecken, da bist du zumindest nahe dran. Was bei den 135.000 Einwohnern auch nicht sonderlich verwundert.
Zum Leidwesen aller männlichen Polizeibeamten im Präsidium in der Bajuwarenstraße und bestimmt auch einiger Beamtinnen, hat es seit einiger Zeit die Runde gemacht, dass die Edith Klein demnächst zu heiraten beabsichtigt. Ich meine, dass die sich irgendwann einen angeln und aus dem ›Verkehr‹ ziehen würde, damit war schon lange zu rechnen. Wenn du die Klein bisher auch nur einmal zumindest von weitem gesehen hast, dann weißt du auch, was ich damit andeuten möchte. Die Klein gehört ohne Zweifel zu den besten Sekretärinnen im Präsidium. Ohne die Klein wäre der Köstlbacher ganz schön aufgeschmissen. Aber mit der Klein hat er es auch nicht immer leicht. Weil, da musst du schon ein ganz besonderes Exemplar Mann sein, wenn du mit so einer wie der Klein auf engstem Raum zusammenarbeiten kannst, ohne von ihren Reizen nicht permanent abgelenkt zu werden. Und, so eine Ablenkung, bis die über den Sehnerv ins Gehirn kommt, da setzt sie unterwegs schon eine hormongesteuerte Kettenreaktion in Gang, die sich schnell verselbstständigt und sich auf deine Arbeit ganz schön kontraproduktiv auswirken kann.
Ich meine, der Köstlbacher inzwischen nicht mehr so anfällig, was das ›Kleinvirus‹ betrifft, wie am Anfang, als er sich von Straubing nach Regensburg hat versetzen lassen und ihm die Klein als Sekretärin zugeteilt worden ist. Weil, eines darfst du nicht vergessen, inzwischen hat sich der Köstlbacher an den Anblick der Klein gewöhnt, so wie er sich nach ein paar Jahren Ehe auch an seine Anna gewöhnt hatte. Und, auch wenn du es dir zumindest bei der Klein nicht vorstellen kannst, aber wenn du tagein tagaus in unmittelbarer Nähe mit der, dann gehört sie irgendwann plötzlich zum Inventar, das du zwar vermissen würdest, falls es plötzlich fehlen würde, das du aber auch nicht mehr besonders beachtest, nur, weil es da ist.
Heute allerdings hat irgendwas diese Tatsache außer Kraft gesetzt. Nicht, dass der Köstlbacher sofort drauf gekommen wäre, warum. Aber gespürt hat er es gleich beim Betreten seines Büros. Irgendwas stimmt nicht!
An der Aufmachung von der Klein kann’s nicht liegen, weil die immer top gestylt und im figurbetonten Fummel, als wäre sie mit dem Lagerfeld befreundet oder hätte zumindest Beziehungen zu den teuersten Modeboutiquen der Stadt. Auch ihr Ausschnitt ist heute nicht auffällig größer als sonst. Natürlich groß genug, dass es dir Mühe bereitet, ihr in die Augen zu sehen, weil deine Blickrichtung quasi magnetisch eine Etage tiefer. Aber, eben auch nicht so groß, dass der Köstlbacher glauben müsste, heute mehr zu sehen als sonst, wenn er nur lange genug hinstarrt.
Nein, das ist es nicht! Es liegt am Gesicht der Klein! Nicht, dass sie heute nicht geschminkt wäre, wie frisch aus der Maske für einen Auftritt beim Fernsehen. So sieht sie eigentlich immer aus. Und immer passend zu ihrem Outfit. Oder zu ihren wuscheligen, halblangen Haaren, die zwischen blond, rot und schwarz schon alle Farbschattierungen erhalten haben, die ein guter Friseur handwerklich so drauf hat.
Solange der Köstlbacher nun schon in Regensburg bei der Kripo arbeitet, über’m Daumen gepeilt dürften das inzwischen so an die 2 Jahre sein, noch nie hatte irgendwas störend gewirkt, was das Äußere der Klein betroffen hat. Und deshalb braucht der Köstlbacher auch erst einmal ein paar Sekunden, bis ihm bewusst wird, was heute anders ist.
Eigentlich hat der Köstlbacher nur kurz die Verbindungstür zwischen seinem Büro und dem Vorzimmer seiner Sekretärin geöffnet, weil er sie um etwas bitten wollte. Aber, jetzt hat er total vergessen, was das hätte sein sollen, weil ihn der Anblick der Klein total aus seinen Gedanken heraus reißt.
Leichenblass steht sie da vor ihrem Schreibtisch, das Telefon an ihr Ohr gepresst, ihren Mund leicht geöffnet, einen Schrecken im Gesicht, als ob ihr der Leibhaftige erschienen wäre. Mit einem schnellen Schritt, den du dem übergewichtigen Köstlbacher gar nicht zugetraut hättest, ist der bei seiner Sekretärin und kann gerade noch verhindern, dass sie vor seinen Augen zusammenbricht. Noch nie, seit der Köstlbacher mit der Edith Klein zusammen gearbeitet hat, ist er seiner Sekretärin so nahe gekommen. Zumindest nicht so, dass er ihren Körper hätte auffangen müssen. Und so verwundert es ihn nun fast, was für ein Federgewicht sie doch trotz ihrer weiblichen Formen nur hat. Als hätte der Edmund erst gestern einen Erstehilfekurs aufgefrischt, umfasst er die Klein fachgerecht von hinten. Umständlich, aber nicht ungeschickt lässt er sie auf ihren Bürostuhl niedersinken. Zum Glück fällt die Klein nicht ganz in Ohnmacht. Sonst wäre sie dem Edmund jetzt trotz all seiner Bemühungen vermutlich von Stuhl gerutscht. Mit einem Kopfnicken bedankt sie sich bei ihrem Chef, ist aber noch nicht in der Lage, ein Wort hervorzubringen.