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Der Polizeichef der Stadt Regensburg wird hinterrücks ermordet. Ähnliche Fälle lassen Zusammenhänge vermuten und immer wieder ergeben sich neue Spuren. Was anfangs deutlich scheint, wird zusehends schwammiger, während Drogen, Prostitution und Erpressung die Ermittlungen noch zusätzlich erschweren. Doch der Kommissar Köstlbacher beißt sich mit seinem üblichen unerbittlichen und liebenswürdigen Grant allmählich durch die vielen Schichten, die den Tathergang des Verbrechens verschleiern. Und schließlich wieder der atemberaubende Countdown! Erneut erkennt man die Handschrift Paul Fenzls deutlich: Regensburg mit seinen Sehenswürdigkeiten, seinen liebenswerten Bewohnern, beginnend bei einem Philologen, der zur Übersetzung lateinischer Sprüche herbeigezogen wird, über Albert Krausnecker, den Herrn der Stammtische, bis hin zum neuen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, dem am Neupfarrplatz ein Fahrrad gestohlen wird.
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Seitenzahl: 349
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»Was schätzt du, wie lange hat der hier schon gelegen«, fragte der Köstlbacher den Leiter von der Spurensicherung Kommissar Jakob Jung.
»Schwer zu sagen! Der strenge Frost hat die Leiche konserviert. Wären da nicht die Fraßspuren hier an den Fingerspitzen und dort an seinen Lippen, nach erster Einschätzung von einer Ratte, ich hätte auf 12 Stunden getippt, vielleicht geringfügig mehr. Aber wegen dieser Fraßspuren glaube ich eher, die Leiche liegt schon etwas länger hier. Die Viecher machen sich in aller Regel über so eine unerwartete Futterquelle nicht sofort nach dem Auffinden her. Warte die Gerichtsmedizin ab! Der Dr. Frank wird dir den Todeszeitpunkt auf mehrere Stunden genau nennen können«, antwortete der Kommissar Jakob Jung.
Dass er dem Köstlbacher von der Mordkommission Regensburg keine genauere Auskunft geben konnte, das war ihm ganz offensichtlich unangenehm, weil er natürlich wusste, wie wichtig genau diese Tatsache für den Kollegen sein musste.
»Mord?«, fragte der Köstlbacher.
»Mord?«, wiederholte der Kommissar Jung. »Äußere Verletzungen sind keine zu sehen. Aber das muss nichts heißen. Wirst mit der Antwort darauf wohl ebenfalls auf den Dr. Frank warten müssen!«
»Keine befriedigende Auskunft!«, grummelte der Köstlbacher. »Ganz und gar keine befriedigende Auskunft!«, wiederholte er zu sich selber nochmal.
Weil eines musst du wissen, der Köstlbacher stand hier nicht vor einer unbekannten Leiche, die in einem langwierigen Puzzle-Spiel erst einmal identifiziert werden musste. Dieser Tote hier war kein Unbekannter. Jeder Polizist aus Regensburg hatte schon seine Witze über ihn gerissen, sich über ihn geärgert, war von ihm getadelt oder belobigt worden!
Der da steif gefroren lag, war der ›Dr.‹ Herbert Greiner höchst persönlich! Und wenn dir das nichts sagt, dann vermutlich nur deswegen, weil du bei den Verbrechen, die unter dem Aktenvermerk ›Der Biergartenmörder‹ vom Köstlbacher aufgeklärt worden sind, nicht aufgepasst hast. Dabei meine ich jetzt nicht, dass du unbedingt wissen musst, dass dem ›Dr.‹ Greiner sein Doktortitel nur so eine Art Spitzname war, dem ihm seine Leute verpasst haben, weil er immer als Klugscheißer aufgetreten ist, obwohl er eigentlich von nichts eine Ahnung hatte.
Als Polizeichef, da machst du dir natürlich 1000 Feinde, frage nicht. Der ›Dr.‹ Greiner hatte den Posten zwar höchstens ein halbes Jahr inne, aber das hat offensichtlich gereicht. Wobei sich der ›Dr.‹ Greiner nicht unbedingt was zuschulden kommen lassen hat. Ich meine, was ich über den ›Dr.‹ Greiner weiß, das weiß ich zwar nicht aus eigener Beobachtung. Aber nach dem, was mir der Köstlbacher über ihn erzählt hat, da bekam ich schnell den Eindruck, dass mit dem ›Dr.‹ einer zum Chef gemacht worden ist, den man irgendwo weggelobt hatte, wo er quasi überqualifiziert war. Zumindest, wenn man Klugscheißerei als Qualifikationskriterium ansieht!
»Promoveatur ut amoveatur!«, hat mein Freund, der Kouba Fritz, einmal dazu auf Latein zitiert, als wir mit dem Köstlbacher zusammen auf ein Bier in der Kreuzschänke gesessen sind.
»Er ist befördert worden, damit man ihn los wird!«, hat der Fritz das uns Schmalspurlateinern frei übersetzt und damit genau das verständlich in Worte gefasst, was wir uns schon lange gedacht haben. Genau würde die Übersetzung übrigens heißen: ›Er soll befördert werden, um ihn loszuwerden.‹ Aber das nur für die Besitzer des ›Großen Latinums‹, weil die mit unkorrekten Übersetzungen nicht leben können!
Und jetzt war er tot! Steif gefroren wie es jede andere Leiche auch wäre, die bei diesem strengen Frost auch nur wenige Stunden im Freien gelegen hat. Er, der Polizeichef der Stadt Regensburg! Ein Ding, das sage ich dir! Grund genug, dem Köstlbacher sein altes Magenleiden aufflammen zu lassen, als wäre es nie vergangen gewesen.
»Die Presse wird uns keine ruhige Minute lassen. Gibt es denn gar nichts, womit ich denen inzwischen wenigstens einen Happen servieren kann, um sie zu beruhigen?«, fragte der Köstlbacher und drückte dabei mit einer Hand gegen seinen Bauch, als würde er seine Beschwerden dadurch lindern können.
»Hast du eine Ahnung, was der ›Dr.‹ Greiner hier gewollt haben könnte?«, fragte der Kommissar Jung, ohne auf dem Köstlbacher seine verzweifelte Anfrage einzugehen.
»Hier? Am Grieser Spitz? Um die Jahreszeit? Keinen blassen Schimmer!«, antwortete der Köstlbacher, lamentierte dabei mit den Händen und hob unwissend seine Schultern.
»Siehst du, genau so denke ich auch. Und darum ist auch meine Vermutung höchstwahrscheinlich nicht abwegig, dass er nicht aus eigenen Stücken zum Grieser Spitz gegangen ist«, meinte der Kollege Jung.
Der Köstlbacher zog überrascht seine Augenbrauen hoch und fragte:
»Deuten irgendwelche Spuren darauf hin, dass der ›Dr.‹ Greiner nicht selbst zum Grieser Spitz gegangen ist?«
»Sieh dich hier mal um! Hier liegt kaum Schnee. Und das bisschen, das ist uralt und von Spaziergängern, die ihre Hunde hier ausführen, platt gewalzt. Von dem alten Ehepaar, das den ›Dr.‹ Greiner gefunden hat, ist der Mann los gerannt, um uns zu informieren. Hat natürlich kein Handy dabei gehabt. Und seine Frau? Bis ihr Mann zurück gekommen ist und wenig später auch wir, war hier der reinste Auflauf. Alle wollten sehen, was die Frau hinter diesem Gebüsch entdeckt hat. Genauer gesagt ihr Hund. Wo sollen da noch verwertbare Spuren sein?«
»Himmel, Arsch und Zwirn!«, schimpfte der Köstlbacher.
»Nicht ganz! Ich meine, ist schon verständlich, dass du fluchst. Aber etwas habe ich doch gefunden!«
Der Kommissar Jung packte den Köstlbacher am Arm und führte ihn um die Leiche herum.
»Was sagst du dazu?«, fragte der Chef der Spurensicherung.
Am Boden lag ein Handy. Nicht unbedingt das allerneueste Modell, aber auch keines aus der Steinzeit. Neben dem Handy steckte ein Fähnchen mit einer Nummer. So wie neben all den anderen Sachen im Umkreis der Leiche auch. Die übliche Vorgehensweise der Spusi, bevor jedes Detail fotografiert und dann in Plastiktüten eingesackt wurde.
Weil sich der Köstlbacher nicht gleich äußerte, vielmehr im Begriff war, das Handy an sich zu nehmen, stoppte ihn der Jung schnell und hielt ihn gleichzeitig mit einem festen Griff an seiner Jacke fest.
»Bist du wahnsinnig! Du müsstest doch wissen, dass wir erst unsere Arbeit machen müssen. Deine Fingerabdrücke nützen uns nichts!«
Der Köstlbacher hob abwehrend seine beiden Hände:
»Okay! Okay! Okay! Tut mir leid! Das ist aber nicht sein Handy?«
»Nein! Bestimmt nicht!«, antwortete der Kommissar Jung prompt.
»Woher willst du das so sicher wissen?«
»Ruf mal den ›Dr.‹ Greiner an!«, sagte der Kommissar Jung und reichte dem Köstlbacher sein Handy. »Brauchst nur auf Wahlwiederholung drücken!«
Der Köstlbacher hat erst nicht wirklich gewusst, warum er das tun sollte. Erst recht nicht, als sich dem ›Dr.‹ Greiner sein Handy mit der Melodie der ›Kleinen Nachtmusik‹ gemeldet hat. Der Ton war gedämpft. Und er kam auch nicht von dem Handy, das der Köstlbacher anstarrte, das mit dem Fähnchen, vielleicht einen Meter entfernt vom ›Dr.‹ Greiner. Er kam direkt vom toten Polizeichef selbst, genauer gesagt aus seiner Jackentasche. Vermutlich der Brusttasche innen.
»Du hast das gewusst?«, fragte der Köstlbacher.
»War so eine spontane Idee von mir. Und wie du siehst, nicht die schlechteste!«, antwortete der Kommissar Jung. »Mich hat der lila Rand um dieses Handy dort gestört. Konnte mir einfach nicht vorstellen, dass der konservative ›Dr.‹ Greiner so etwas mit sich rum trägt. Und da kam mir eben die Idee mit dem Anruf.«
»Respekt! Die lila Farbe hat mich allerdings auch gestört. Nur bewusst war mir das im Moment nicht«, sagte der Köstlbacher.
»Der ›Dr.‹ Greiner hätte so ein Teil nie benutzt! Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
»Woraus zu folgern ist, dass dieses Handy hier jemand verloren hat. Vorsichtig ausgedrückt der mögliche Täter!«, mutmaßte der Köstlbacher.
»Warum so voreilig, Edmund? Ich habe gesagt, ich habe hier was für dich. Was du jetzt gleich draus strickst, ist auch vorsichtig ausgedrückt nur eine vage Vermutung. Verloren hat’s jemand. Aber das muss nicht gleich der Mörder gewesen sein. Noch dazu, wenn’s nicht einmal sicher ist, ob wir überhaupt von einem Mord ausgehen können.«
Möchte man meinen, der Köstlbacher ist in seinen Überlegungen eigentlich nie voreilig. Aber was du noch nicht wissen kannst, der Polizeihauptkommissar der Kripo Regensburg hat wegen der Farbe Lila sofort eine Verbindung zu einer Frau gewittert, von der auch du bald erfahren sollst. Dass ich da nicht vorweg greifen will, das bitte ich zu entschuldigen.