Köstlbachers Rückkehr - Paul Fenzl - E-Book

Köstlbachers Rückkehr E-Book

Paul Fenzl

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Beschreibung

Zwei Jahre hat der Edmund Köstlbacher nicht mehr ermittelt. Aber jetzt brauchen sie ihn wieder, die Regensburger, und das dringend. Denn das organisierte Verbrechen hat die Stadt fest im Griff. Als auch noch ohne ersichtlichen Grund einer der Autoren dieses Buches verschleppt wird, verschärft sich die Lage. Doch der Köstlbacher findet unerwartete Unterstützung durch die schöne Staatsanwältin Dr. Simone Becker.

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Inhalt

Kapitel 1

Vorwort

Danksagung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19 Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

Epilog

Übersicht zu den bisherigen Regensburg Krimis

Eigenheiten des vom Autor gewählten Stils

Vollständige e-Book Ausgabe 2019

Originalausgabe: »Köstlbachers Rückkehr«

© 2019 SPIELBERG VERLAG, Neumarkt

Umschlaggestaltung: Spielberg Verlag

Umschlagfoto: © Steffen Jahn

Alle Rechte vorbehalten.

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

(e-Book) ISBN: 978-3-95452-098-5

www.spielberg-verlag.de

Stefan M. Faltenbacher

Für die Lumperler

Paul Fenzl

Für meine liebe Frau Virginia

Vorwort

Der vorliegende Krimi weist ein Novum auf, das ich an dieser Stelle kurz erläutern möchte:

Aufgrund detaillierter Angaben in vorangegangenen Krimis zu Waffen und deren Kaliber wurde vom Landratsamt Regensburg Stefan Faltenbacher, ein Sachbearbeiter der Waffenbehörde, auf mich aufmerksam und nahm Kontakt zu mir auf. Wir kamen von da an mehrfach ins Gespräch. Bald hielt keiner meiner Protagonisten mehr eine Schusswaffe in seinen Händen, deren Besonderheiten ich mir nicht vorab von Stefan Faltenbacher im Detail erklären ließ. Aus zunächst sachlich-informativen Gesprächen entwickelte sich bald eine Freundschaft zwischen mir, dem Autor, und Stefan Faltenbacher, dem Fachmann in Sachen Waffen aller Art.

Über mehrere Jahre reifte bei mir der Wusch, einmal in direkter Zusammenarbeit mit Stefan Faltenbacher einen Krimi zu schreiben. Er, als Zulieferer von Ideen, die ihm nie auszugehen schienen, und ich, als Schreiberling, der diese Ideen im altbewährten, sehr eigenen Köstlbacher-Stil in Form bringen sollte und wollte.

Es war nicht viel Überzeugungskraft nötig. Stefan Faltenbacher willigte ein, und wir machten uns gemeinsam an die Arbeit.

Herausgekommen ist eine spannende Geschichte, die in gewohnter Weise die bisherige Regensburg-Krimi-Reihe mit dem etwas schrulligen Edmund Köstlbacher als Chef eines Ermittlerteams der Mordkommission Regensburg fortführt. Dabei ist deutlich der Einfluss Stefan Faltenbachers zu erkennen, der sich immer wieder vehement einschaltete, wenn sich meine Fantasie zu weit von einem real möglichen Geschehen weg zu entwickeln drohte.

Wir wünschen unseren Lesern gute Unterhaltung beim Eintauchen in dieses Gemeinschaftsprojekt.

Paul Fenzl u. Stefan Faltenbacher

Danksagung

Wie immer gibt es eine ganze Reihe von Leuten, ohne die dieses Buch so nicht hätte entstehen können. Freunde, die Anregungen beisteuerten, Fachleute, die um Rat gefragt werden durften, Fotografen, die Bildmaterial zur Verfügung stellten, Privatleute und Behörden, die Genehmigungen erteilten, und vor allem real lebende Personen, die Vorbilder für Protagonisten abzugeben bereit waren. Ihnen allen sei von Herzen gedankt!

Wenn zwei Autoren gemeinsam an einem Buch arbeiten, hat jeder seinen ganz speziellen Personenkreis, den er an dieser Stelle nennen möchte.

Paul Fenzl dankt:

Conny Beckers, die sich bereit erklärte, die Staatsanwältin Dr. Simone Becker zu verkörpern. Ich hatte Conny Beckers stets vor meinem geistigen Auge, wenn ich Squenzen schrieb, denen sie allein durch ihre Anwesenheit ein Prickeln verlieh, wie es nur eine schöne Frau hervorrufen kann. Mich dabei in den Kommissar Köstlbacher zu versetzen, der sich der Ausstrahlung seiner Staatsanwältin zu keiner Zeit entziehen konnte, machte beim Schreiben großen Spaß. Herzlichen Dank auch für die Bilder von Conny Beckers, alias Dr. Simone Becker, die ich veröffentlichen durfte!

Im Alltagsleben ist Conny Beckers verheiratet, hat zwei Kinder und betreibt das Enthaarungsstudio »zuckersüss«. Conny Beckers freut sich über jeden Besucher ihrer Website. Wer einen Termin bei ihr bucht, kann diese herzliche Frau auch persönlich kennenlernen und wird dabei gleichzeitig unerwünschte Körperbehaarung los.

Gerd Schilke, der Conny Beckers, alias Dr. Simone Becker, am Schreibtisch und beim Sektempfang fotografierte und die Fotos für den Buchdruck bearbeitete.Marita Burger, die sich für die Person der Edith Klein begeistern ließ und dieser auch im oftmals beschriebenen Aussehen sehr nahekommt. Im Buch mimt sie auf einem Foto die stets neugierig lauschende Sekretärin im Vorzimmer vom Kommissar Köstlbacher. Für die gesamte Verfilmung der Köstlbacher-Reihe, die mit etwas Glück noch 2019 starten soll, wird Marita Burger in die Rolle der Edith Klein schlüpfen.Nico Stergio, der einen Großteil der Fotos im Buch beigesteuert hat. Unermüdlich streifte er mit mir durch Regensburg, um die Orte einzufangen, die Lesern optisch die Handlung leichter verorten lassen sollen.George Efthimiou, der das schöne Foto vom Haidplatz beisteuerte.der Stadt Regensburg, mit deren großzügiger Genehmigung ein Ausschnitt aus dem Stadtplan am Ende dieses Krimis unter der Voraussetzung abgedruckt werden durfte, die Leser auf die Möglichkeit einer Stadtführung hinzuweisen, die im Touristenbüro gebucht werden kann.

Stefan Faltenbacher dankt:

Ursula und Jürgen Mittelmeyer, meinen besten Freunden, sowie der weltbesten Arbeitskollegin Gertraud Viehmann, weil die drei trotz meiner schrulligen Eigenheiten – und das sind nicht wenige – immer an mich geglaubt und mich bestärkt haben. Ohne sie hätte ich das Schreiben nie angefangen.Stefan Friedl, meinem langjährigen Freund und Inhaber meiner Stammkneipe, der 349 Rockbar in Luhe, für die tolle Werbung. Sollten Sie mal in der Nähe sein, kehren Sie in seine Kneipe ein und lassen sich dort verwöhnen! Sie werden es nicht bereuen!Gerhard Lottner vom Zoll. Durch die vielen Stunden mit ihm in der Waffenkammer und am Schießstand konnte ich mein Fachwissen über Waffen immens erweitern und es im vorliegenden Krimi verwerten. Dank der langjährigen Zusammenarbeit sind aus Kollegen gute Freunde geworden.Sandro Rebl, für die Fotos und deren Bearbeitung. Obwohl der Künstler, Fotograf, Mechaniker und Dauerpraktikant im Torstüberl immer im Einsatz ist, nahm er sich stets Zeit für mich.

1. Kapitel

Köstlbachers Rückkehr

Wer den Köstlbacher kennt, der wird es sich schon gedacht haben. Abteilungsleiter der Kripo.

Regensburg ist nicht wirklich ein Job, für den der Köstlbacher gemacht ist. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sein Sessel erheblich bequemer war, als der unten im Büro vor seinem spartanischen Schreibtisch. Freilich, ganz zu Beginn, da freute sich der Köstlbacher sogar auf seinen Arbeitsplatz, weil bei seiner Körperfülle so ein Stuhl mit allem Pi-Pa-Po ja schon irgendwie ein Gefühl vermittelt, in einem 4* Hotel Urlaub zu machen. Wenn da – und das passierte erstaunlich oft – einmal eine halbe Stunde oder meinetwegen auch länger das Telefon nicht klingelte und keine Sekretärin was von einem wollte, dann war die Gefahr schon groß, vor lauter Bequemlichkeit ganz unabsichtlich in einen kleinen Büroschlaf zu fallen. Sollte dem Abteilungsleiter Köstlbacher – auch das kam gelegentlich vor – seine neue Sekretärin, die übrigens keinem Vergleich mit der Edith Klein standhielt, dann doch einmal so ein spontanes Nickerchen mitbekommen haben, dann musst du nicht etwa denken, dass die verwundert gewesen wäre. Dem Köstlbacher seine Vorgängerin, die Frau Dr. Renate Sieber, war zwar nie im Dienst auf ihrem Sessel eingenickt, weil sie viel zu energiegeladen war, aber sämtliche Vorgänger, ausnahmslos Männer, waren allesamt des Öfteren von Müdigkeit geplagt gewesen, was die Sekretärin nur allzu gerne übersehen hat. Immerhin sind Chefs, die weniger zappelig agieren, auch weniger anstrengend.

Also eigentlich ein idealer Posten. Dachte der Edmund Köstlbacher zumindest am Anfang. Bis seine Anna dann angefangen hat, ihm Vorwürfe zu machen, weil er quasi täglich gewichtsmäßig zulegte. Die Anna hatte von allem Anfang an gewusst, dass ihr Mann keiner von der schlanken und durchtrainierten Sorte ist. Insofern war ein korpulenter Mann nichts, worüber sie eigentlich hätte nachdenken müssen. Aber korpulent und korpulent, da können Welten dazwischenliegen. Beim Köstlbacher waren‘s anfangs nur bayerische Regierungsbezirke. Aber inzwischen wurden‘s langsam tatsächlich Länder, Kontinente und zuletzt sogar Welten. Zumindest, wenn man das auf Konfektionsgrößen übertragen würde.

Wie ihn dann eines Tages der frisch zum Hauptkommissar beförderte Norbert Liebknecht unten in der Kantine beim Mittagessen auch noch respektlos gefragt hat, ob er, sein ehemaliger Hauptkommissar und langjähriger Teamchef, sich im Club der Sesselfurzer schon gut eingelebt habe, da platzte dem Köstlbacher symbolisch der Kragen. Symbolisch deshalb, weil real ist ihm der Kragen schon zweimal geplatzt, als das obere Knöpfchen dem wachsenden Druck nicht mehr standhalten konnte.

Nicht dass gleich was passiert wäre. Ganz im Gegenteil. Es war richtig befreiend, ohne das beengende letzte Knöpfchen. Trotzdem, der Köstlbacher hat sich von da an mehr und mehr auf seinen Sessel, oder besser tief in seinen Sessel, zurückgezogen und seinen Kummer sogar noch mehr in sich hineingefressen. Wobei du dir das Hineinfressen gerne wörtlich genommen vorstellen darfst. Jedenfalls waren es meistens Wünsche bezüglich Kaffeebrot, die er an seine Sekretärin gerichtet hat. Und unter Kaffeebrot verstand der Köstlbacher freilich nicht wirklich echtes Brot zum Kaffee. Das mindeste war ein süßes Hörnchen. Zumindest so als Intro. Wenn du genauer wissen willst, was dann noch im Laufe des Tages so alles folgte, dann müsstest du schon selbst seine Sekretärin fragen. Bin mir aber nicht sicher, ob die solche Dienstgeheimnisse ausplaudern würde. Sekretärinnen sind nicht immer Plaudertaschen. Und dem Köstlbacher seine neue war schon dreimal keine. Auch darin unterschied sie sich gewaltig von der Edith Klein, die alles wusste und ihr Wissen auch gerne bereitwillig weitergab.

Aber dann haben sich auf einmal die Ereignisse überstürzt.

Zuerst verunglückte der Roland Zeller, dem Köstlbacher sein über lange Jahre bester Undercover-Agent, tödlich. Ob’s ein Unfall war oder ob er absichtlich von dem Lieferwagen… wer kann das schon mit absoluter Sicherheit sagen. Der Roland war ein feiner Kerl gewesen, hatte aber, weil er viel mit der halbseidenen Welt in Berührung kam, sicher auch einige Feinde. Aber es blieb beim Hörensagen. Zu einer konkreten Vermutung kam es nie. Auf alle Fälle hat er viel zu früh ins Gras beißen müssen. Und genau das wollte der Köstlbacher noch lange nicht, ins Gras beißen.

Und auch genau deswegen absolvierte der Köstlbacher einen Gesundheitscheck beim Hausarzt. Der hat nur seinen Kopf geschüttelt und irgendwie leichthin gemeint, er hätte Krebs. Keinen im eigentlichen Sinn, aber trotzdem einen, der sehr rasant wächst und mit Sicherheit zum vorzeitigen Tode führen würde. Fettleibigkeit hat er diagnostiziert, das aber mit dem Begriff Krebs erst einmal viel dramatischer ausgedrückt. Ich meine, es Adipositas zu nennen, hätte auch schon gereicht.

Was dann passiert ist, da kann ich nur sagen, das hätte ich nie für möglich gehalten. Und du bestimmt auch nicht. Der Köstlbacher hat ernst gemacht, hat sich eine Kur verschreiben lassen und hat sich dort auf sein altes Schlachtgewicht heruntergearbeitet. Frag mich nicht wie! Sport allein kann’s nicht gewesen sein, weil der ging erst wieder halbwegs, nachdem die Pfunde eh schon gepurzelt waren. Vielleicht hat er einfach nichts mehr zum Beißen bekommen. Die Kurhäuser kochen ja auch nur mit Wasser, aber zum Wohle der Gäste mit ein wenig mehr davon.

Was soll ich sagen, du wirst es dir schon gedacht haben, nach der Kur durfte unmöglich wieder alles von vorne anfangen. Bequemer Sessel, süße Hörnchen, Büroschlaf und so. Dem wollte der Köstlbacher definitiv einen Riegel vorschieben. Natürlich kannst du nicht einfach verkünden, ich mag keinen Abteilungsleiter mehr machen. Weil, was dann? Sich degradieren lassen, da wäre seine Anna nie und nimmer einverstanden gewesen. Abteilungsleiter, das hatte ja auch was mit besserer Besoldung und einem höheren sozialen Status zu tun. Der Anna war beides sehr wichtig. Da war guter Rat teuer.

Wie dann das mit mir passiert ist, da hat sich der Köstlbacher fast gefreut. Weil dem Liebknecht seine Stelle immer noch vakant war, erhoffte er sich, wieder selbst als Teamchef ermitteln zu dürfen, zumindest aushilfsweise. Immerhin!

Aber da wurde nichts draus. Zumindest nicht sofort. Weil ich da nichts vorwegnehmen möchte, erkläre ich dir das später. Ist einfach nicht so mir nichts dir nichts möglich, sich ohne ein offensichtliches Kapitalverbrechen schnell mal aus seinem gut dotierten Abteilungsleitersessel erheben zu dürfen, um einer geringeren Tätigkeit nachzugehen. Weil quasi überqualifiziert und so.

Und wie der Köstlbacher da also wieder auf seinem bequemen Sessel gesessen hat, nach der Kur, und die Sekretärin sogar schon wieder zum ersten Mal fragen wollte, ob er ein süßes Hörnchen…. genau in dem Moment, da hat das Telefon geklingelt. Und das war, bitte glaub‘s mir, das war der beste Anruf, den der Köstlbacher sich zu diesem Zeitpunkt erhoffen konnte. Zuerst hat er nur genickt, bis ihm dann bewusst geworden ist, dass sein Vorgesetzter am anderen Ende der Leitung, der Polizeichef der Stadt Regensburg, sein Nicken ja nicht sehen konnte. Erst als der dann noch einmal nachgefragt hat, ob er überhaupt noch am Apparat sei, da hat er richtig erfreut und überdeutlich »Ja, jaja!« erwidert. Fast hat er es geschrien. Zusätzlich, als wollte er seine Worte unterstreichen, fuchtelte er mit seiner freien Hand wild gestikulierend durch die Gegend: »Selbstverständlich bin ich einverstanden! Wann kann’s los gehen?«

So laut hatte seine Sekretärin ihren Chef noch nie am Telefon erlebt. Drum ist sie auch wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen, hat sich dabei böse ihr rechtes Knie an der Schreibtischkante angestoßen, ist aber dennoch schmerzverzerrt in Richtung Tür zum Köstlbacher gehumpelt, hat sie aufgerissen und gefragt: »Alles in Ordnung, Chef?«

»Was?«, hat der Köstlbacher gebrummt, weil er nicht wusste, was die Sekretärin wollte.

»Ob alles in Ordnung ist, habe ich gefragt«, hat sie wiederholt und sich dabei mit einer Hand ihr Knie gerieben, weil ihr der Schmerz jetzt erst so richtig bewusst wurde.

»Bestens! Alles Bestens!«, hat der Köstlbacher geantwortet und mit seiner Gestikulierhand der Sekretärin unmissverständlich angedeutet, dass sie wieder verschwinden soll.

Wasserleiche! Noch nie kam bei einer Wasserleiche Euphorie beim Köstlbacher auf. Diesmal allerdings schon. Und wie!

2. Kapitel

Zum zweiten Mal innerhalb von annähernd drei Jahren hat die Edith Klein nun spontan herzzerreißend weinen müssen. Das erste Mal lag inzwischen gut drei Jahre zurück. Anlass war, weil ihr damaliger Chef, der Edmund Köstlbacher, vom Hauptkommissar zum Abteilungsleiter befördert worden ist. An sich kein Grund, heulen zu müssen. Sollte man meinen, eher einer zum Feiern. Gefeiert hat die Klein natürlich die Beförderung vom Köstlbacher zusammen mit allen anderen im Präsidium schon. Aber viele Tränen vergossen hat sie eben auch. Einen so guten Chef, so dachte sie zumindest, würde sie nie und nimmer wiederbekommen. So einen, der sie zwar oft anbrummte, aber nur, damit alles zwischen ihnen den gebührenden dienstlichen Abstand beibehielt. Hauptsächlich wegen der Anna, der Frau vom Chef. Die wäre sofort eifersüchtig geworden, hätte ihr Mann seine Sekretärin ein wenig mehr hofiert, als unbedingt nötig. Und so war das Brummen quasi eher als Zuneigung zu werten. Zumindest aus der Sicht von der Klein.

Dabei hätte die Klein mit ihren 33 Jahren – sie hatte beschlossen, nicht mehr älter zu werden – jeden haben können, so wie die ausgesehen hat und ja auch immer noch aussieht. Aber du kennst das ja, was man leicht bekommen kann, ist nicht wirklich interessant. Und darum hatte sich die Klein, zumindest im Kopf, auf den Köstlbacher eingeschossen. Irgendwann würde er schwach werden und dann … Aber nein! Bevor es dazu kommen konnte, hat man ihn von ihr wegbefördert. Zwei Stockwerke höher. Zum Abteilungsleiter! Und, was am schlimmsten war, er hatte dort oben eine andere Sekretärin. Als ob sie das dort oben nicht ebenso hätte schaffen können! Die andere kocht den Kaffee oder Tee für ihn auch nur mit Wasser. Und außerdem war sie eine graue Maus. So eine wie dem Chef seine Anna. Wie soll ein Mann Tag für Tag ausgeglichen seine Arbeit verrichten können, wenn er nicht wenigstens im Vorzimmer jemand zum Repräsentieren sitzen hat, vielleicht auch ein wenig als Augenschmaus. Na ja, so jemanden wie sie eben! Eine Edith Klein.

Bei diesen und ähnlichen Gedanken zog die Klein oft einen Spiegel aus der Handtasche, schob mit einer Hand die Haare etwas zurecht und machte einen Kussmund. Aber kaum war der Spiegel wieder verschwunden, ging’s, zumindest damals, mit dem Schluchzen weiter, erst leise, fast verhalten. Doch dann, ganz plötzlich, in voller Lautstärke. Gehört hat’s niemand, weil zu der Zeit gerade alle nach oben gegangen waren, um den Köstlbacher an seinem neuen Schreibtisch zu bewundern und um ihn zu beglückwünschen.

Der Norbert Liebknecht ist dann der Nachfolger vom Köstlbacher geworden. Der Köstlbacher hat bei seiner Beförderung darum gebeten, dem Liebknecht seine ehemalige Stelle zu geben. Nicht dass er so sehr von den Qualitäten vom Liebknecht überzeugt gewesen wäre. Aber irgendwie hat der Köstlbacher gedacht, dass sich der Liebknecht inzwischen den Posten verdient hat. Außerdem wollte er nicht, dass ein Fremder sein eingespieltes Team führen sollte. Ein bisschen Wehmut vom Köstlbacher, wenn du so willst.

Und jetzt war der Liebknecht tot. Das zweite Ereignis, das die Klein in ein erbärmliches Jammertal geführt hat. Nur diesmal keine Beförderung. Diesmal das Schlimmste, was einem als Kriminaler im Dienst passieren kann: sich eine Kugel einzufangen. Und doppelt schlimm für die Edith Klein, weil sich der Liebknecht gerade mal ein paar Tage zuvor für sie zu interessieren begonnen hatte. Nicht dass sie wirklich in sein Beuteschema gepasst hätte. Der Liebknecht, das wussten alle, stand mehr auf die magere Sorte Frau. Und so eine ist die Edith noch nie gewesen. Aber, warum auch immer, vielleicht weil für den Liebknecht immer mager dann irgendwann plötzlich doch uninteressant geworden ist, die Klein hat es jedenfalls mit ihren weiblichen Antennen ganz deutlich spüren können. Dieser Blick hin und wieder. Als ob er ihre Brüste damit freilegen wollte. Und die netten Komplimente. Nein, die Klein war sich ganz sicher gewesen: der Liebknecht wollte was von ihr. Hatte was von ihr wollen, traf es freilich nun besser.

Und dabei ist’s ja dann auch geblieben. Nun war er tot! Erschossen von so einem Zigarettenbürscherl, das kaum mit Messer und Gabel umgehen konnte. Und schon dreimal nicht mit einem Revolver, mit dem er eigentlich an seiner ehemaligen Schule Amok laufen wollte. Zumindest hatte er dementsprechende Vorankündigungen auf einigen sozialen Plattformen gepostet. Und genau bei dem hatte der Liebknecht den Helden spielen müssen. Und? Was hat’s gebracht? Tot! Jetzt war er mausetot! Wem hilft’s da, dass das Zigarettenbürscherl sich hinterher selber auch noch den Fangschuss gegeben hat. Wem? Niemandem! Am allerwenigsten dem Liebknecht. Und noch weniger der Edith Klein, die schon wieder einen Chef verloren hat. Und vielleicht sogar endlich einen Lover. Wer weiß? Wem von euch weiblichen Lesern wäre da nicht auch zum Heulen?

Und dann, du glaubst es nicht, dann hat die Klein auf einmal doch wieder gelacht. Sogar übers ganze Gesicht. Der Liebknecht lag noch nicht lange unter der Erde. Aber trotzdem hat die Klein so breit gelacht, dass man ihr eine Banane quer hätte in den Mund schieben können.

Im Chefzimmer, nur durch eine Verbindungstüre von ihrem Vorzimmer getrennt, also auf dem Chefsessel, saß wieder der Köstlbacher. Richtig, der Edmund Köstlbacher. Angeblich nur vorübergehend. Aber immerhin. Seinen Abteilungsleitertitel hat er behalten, die dementsprechende finanzielle Einstufung auch. Sonst hätte ihm da seine Anna einen Strich durch die Rechnung gemacht, was glaubst du. Aber angeredet werden wollte er nur mit Chef. Herr Abteilungsleiter hätte in der Tat wirklich seltsam geklungen.

Das Aushandeln dieser Konditionen mit dem Polizeichef und denen da oben in München hat nicht wirklich lange gedauert. Man wollte ihn als aktiven Ermittler haben, weil es in Regensburg definitiv keinen besseren gab. Und einer von auswärts, der wäre zwangsläufig ein Fremder in der Stadt gewesen. Bei dem Fingerspitzengefühl, das nötig war, gab es keine andere Option! Die Abteilungsleiterstelle sollte bis auf Weiteres vakant bleiben. Man wollte im Anschluss an diesen Fall prüfen, ob der Köstlbacher wieder nach oben umsiedeln sollte oder ob die Stelle anderweitig besetzt werden würde. Da es dort oben eh nicht wirklich viel zu tun gab, konnte das einstweilen auch die Sekretärin auf Anweisung vom Polizeichef persönlich erledigen.

3. Kapitel

Die Autobahnbaustelle, für deren Dauer man komplette sechs Jahre prognostiziert hat, sorgt so gut wie jeden Tag für ein Verkehrschaos. Und das vom ersten Tag an. Und wie das so ist, da wo es am chaotischsten zugeht, da hält sich gerne ein Klientel auf, das sich genau dort am sichersten fühlt, wo es sich in der Masse verstecken kann. Bis dann durchgedrungen ist, dass der Autobahnabschnitt von Rosenhof bis rauf zur Ausfahrt Universität videoüberwacht wird. Nicht erfreulich für Leute, die auf einer Strecke über mehr als 10 Kilometer damit rechnen müssen, fotografiert zu werden. Womöglich würden solche Fotos sogar Rückschlüsse auf ihre Bewegungen zulassen. Quasi Bewegungsprofil.

Falls du jetzt meinst, ich denke an Schmuggler oder so, dann muss ich dich enttäuschen. Weder solche von Gütern, noch solche, die Menschen von A nach B bringen wollen, ohne groß aufzufallen, müssen sich angesprochen fühlen. Zumindest nicht im ursprünglichen Sinn der Bedeutung des Wortes schmuggeln. Wobei Güter oder Waren im weitesten Sinn dann doch wieder die richtige Fährte wäre. Nur keine, die geschmuggelt werden. Eher solche, die in irgendwelchen Spezialbehältern transportiert werden.

Mir ist klar, dich interessiert das jetzt nicht gar so brennend, weil du wissen willst, warum der Köstlbacher so dringend gebeten worden ist, wieder zu ermitteln. Und du wartest darauf, zu erfahren, was es mit der Wasserleiche auf sich hat. Aber bevor die gefunden worden ist, da passierte eben noch das mit mir. Auch wenn zunächst niemand die Vermisstenmeldung meiner Frau ernst genommen hat, weil es angeblich auch bei Männern meines Alters gar nicht einmal so selten vorkommt, dass sie hin und wieder für mehrere Tage verschwinden, um dann reumütig mit eingezogenem Schwanz wieder zu Hause aufzutauchen und dort um Einlass und Vergebung betteln.

Lass dich aufklären! Der Edmund und ich – aber das müsstest du eigentlich schon lange wissen – sind schon seit einer halben Ewigkeit Freunde. Nicht unbedingt eine immer intensiv gepflegte Freundschaft. Aber doch eine langjährige. Manchmal treffen wir uns fast wöchentlich auf ein Bier. Meistens beim Kneitinger am Arnulfsplatz. Und dann wieder ein halbes Jahr gar nicht. Was aber mehr an mir liegt, als an ihm. Im Gegensatz zum Edmund bin ich eben schon im Ruhestand. Zumindest was meinen ehemaligen Beruf betrifft, der mich heute noch ernährt. Die Schreiberei wirft ja kaum mehr als ein kleines Zubrot ab.

Weil ich gerne reise, treibe ich mich mit meiner Frau oft in der Weltgeschichte herum, wann immer uns danach ist, beziehungsweise der Geldbeutel es möglich macht.

Damals, du weißt es ja schon, als der Köstlbacher nach seiner Kur wieder seinen weichen Abteilungsleitersessel niederdrückte und erneut nur noch an süße Hörnchen denken konnte, da nahm die Vermisstenmeldung meiner Frau niemand ernst. Der Edmund schon, weil der wusste, dass ich keiner von denen war, die so mir nichts dir nichts für ein paar Tage versuchen, aus der Ehe auszubrechen. Schon wegen meiner Frau nicht, die mich kaum gebraucht wieder zurückgenommen hätte. Aber es gab eben auch Vorschriften. Eine davon war die sogenannte Dreitageregel. Drei Tage war das absolute Minimum, bevor in solchen Fällen etwas unternommen wurde. Meist sogar erst nach einer Woche.

Dass der Köstlbacher dann letztendlich doch eine Fahndung rausgegeben hat, allerdings in der Tat erst nach einer Woche, daran war indirekt die Wasserleiche schuld. Aber dazu später mehr.

Bei einer meiner häufigen Radtouren, für die ich das flache Land im Osten Regensburgs in Donaunähe bevorzuge, fielen mir auf einem Parkplatz ein weißer Kleintransporter mit einem Straubinger Kennzeichen und ein größerer, roter Audi mit einem Regensburger Kennzeichen auf. Nicht die beiden Wägen an sich erweckten meine Neugier, eher das, was sich zwischen den beiden Autos abspielte. Nicht dass ich noch nie Zeuge gewesen wäre, wenn aus einem Auto etwas herausgeholt und in ein anderes Auto umgeladen wird. So etwas ist selbstverständlich nicht ungewöhnlich. Nur hatte ich am Abend zuvor eine informative Doku über Organhandel und über Organtransplantationen im Fernsehen gesehen. Die Behälter, in denen Organe im Normalfall von A nach B transportiert werden, hatte ich optisch noch recht deutlich vor Augen. Und genau so ein Behälter war es, der aus dem Kleintransporter in den Audi umgeladen worden ist. Bildete ich mir zumindest ein. Und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass so ein vergammelter Parkplatz unter schattenspendenden Bäumen parallel zur B 8 hinter Roith ein offizieller Übergabeplatz für ein oder mehrere Organe sein sollte, auf die vermutlich in einer Regensburger Klinik Empfänger warteten.

Was also tun in so einem Fall? Ich meine, ein Fall war’s ja noch nicht. Ein Kriminalfall. Eher eine fantasievolle Vorstellung von mir. Ich überlegte, wen ich anrufen sollte. Die 110 wäre eine Option gewesen. Aber sei einmal ehrlich, was sollten die in der Einsatzzentrale mit meiner Beobachtung anfangen? Falls überhaupt reagiert würde, dann mit einem Streifenwagen, den man vorbeischickte. Und bis der vor Ort wäre… Die Übergabe war gerade abgeschlossen. Die Fahrer steuerten beide auf ihre Autos zu. So ein Streifenwagen käme auf alle Fälle zu spät. Also habe ich mich entschlossen, erst einmal den Kleintransporter und den Audi zu fotografieren. Und zwar so, dass man auch die Nummernschilder gut erkennen sollte. Dabei muss ich mich offensichtlich über die Maßen auffällig verhalten haben. Denn kaum hatte ich das Handy gesenkt, um die Qualität der Bilder zu überprüfen, da schlug es mir jemand aus der Hand. Ein anderer „Jemand“ packte mich am Kragen und stieß mich zum Kastenwagen.

»Was fällt Ihnen ein!«, brüllte ich, bekam aber statt einer Antwort nur einen Schlag auf dem Kopf zu spüren, auf den hin ich erst einmal die Besinnung verlor.

Wie lange es gedauert hat, bis ich wieder zu mir kam, weiß ich nicht. Auf jeden Fall lange genug, dass man mich inzwischen mit Kabelbindern fesseln und mir mit einem breiten Klebeband den Mund zukleben hatte können. So unangenehm beides für mich war, irgendwo oben unter meinen Haaren brannte es und mein Kopf schmerzte nicht unerheblich. Spontan musste ich an mein Handy denken. In so einer Situation ist das ja die einzig denkbare Verbindung zur Außenwelt, sollte sich eine Möglichkeit ergeben, es benutzen zu können. Die Erinnerung traf mich aber fast ebenso hart, wie der Schlag auf meinen Kopf. Falls niemand mein Handy mitgenommen hatte, dann lag es jetzt irgendwo da draußen auf dem Parkplatz, wo man es mir aus der Hand geschlagen hatte.

4. Kapitel

»Also, was wissen wir?«, fragte der Köstlbacher in einer sofort nach seiner Rückkehr in sein ehemaliges Büro anberaumten Dienstbesprechung.

Von seinem alten Team waren noch dabei: der Baldauf und die Dirmeier, der Pirzer und die Koch, und der Kommissar Jung, der Leiter von der Spurensicherung. Der Jung wollte sich das erste Briefing nach der Rückkehr seines alten Chefs nicht entgehen lassen. Neu im Team waren die Müller und der Krimeck.

Der Baldauf, dienstältester Kommissar im Team, und bis jetzt, seit der Ermordung vom Liebknecht, kommissarischer Teamleiter, übernahm die Rolle des Sprechers.

»Nicht wirklich viel, Chef. Und von dem, was wir wissen, ist nicht klar, ob es in einem Zusammenhang steht oder ob es am Ende verschiedene Fälle sind.«

Der Köstlbacher brummte, wie nicht anders zu erwarten, und meinte:

»Ich hab‘ nicht gefragt was wir nicht wissen! Und ob was miteinander zu tun hat oder nicht, das werden wir schon herausfinden. Dazu sind wir schließlich da.«

Der Baldauf nickte nur, wollte aber an dieser Stelle, bevor es sozusagen ans Eingemachte ging, noch was loswerden:

»Vielleicht darf ich dich« (Du musst wissen, alle altgedienten, die Neulinge bislang ausgenommen, waren mit dem Köstlbacher natürlich immer noch per du.) »zuerst einmal in unser aller Namen im Team willkommen zurück heißen?« Bei diesen Worten strahlte der Baldauf übers ganze Gesicht, was seinen Zahnverhau überdeutlich zur Geltung brachte.

Der Köstlbacher nickte nur kaum erkennbar. »Passt schon! Hat ja auch einen Grund, warum ich wieder da bin.«

»Weil dich die Sehnsucht übermannt hat!«, sprudelte es spontan und keineswegs ironisch gemeint aus der Koch heraus, die den Köstlbacher am liebsten umarmt hätte, weil er wieder vor ihr stand.

Selten, aber wahr, der Köstlbacher lächelte. Zumindest war’s der erkennbare Anflug eines Lächelns. »Na ja, langweilig war’s dort oben schon. Ich kann jetzt auf alle Fälle verstehen, warum der Posten eines Abteilungsleiters einen Menschen verändern kann.«

Und gleich darauf, als würde man einen Schalter umdrehen, ging’s mit ernster Miene weiter.

»Aber zurück zur anstehenden Arbeit! Zuerst die Wasserleiche! Nur wegen der hat man mich schließlich zurückbeordert. Später zum Fenzl Paul, der verschwunden ist. Seine Frau ist sich ganz sicher, dass da was passiert sein muss. Er ist angeblich noch nie in den bisher 35 Ehejahren auch nur eine einzige Nacht einfach so weggeblieben.«

»Was heißt angeblich in dem Zusammenhang?«, fragte die Dirmeier, die schnell etwas heftig reagierte, wenn es um die angezweifelte Aussage einer Frau ging. »Wenn seine Frau das sagt, dann wird das doch wohl auch stimmen, oder?«

Alle schauten den Köstlbacher an, was der wohl dazu zu sagen hätte.

»Ich glaube auch, dass es stimmt. Trotzdem, überprüft hat das ja bisher niemand von uns. Jedenfalls ist er weg. Verschwunden. Mir ist schon klar, dass ich da nicht gleich eine Großfahndung einleiten kann. Andererseits ist der Paul im Nebenjob Journalist. Da sitzen uns seine Pressekollegen schneller im Genick, als uns lieb ist. Wollte eigentlich nicht mit dem Paul anfangen, aber weil wir schon dabei sind, meinetwegen. Da jedem von euch bekannt sein dürfte, dass ich mit ihm befreundet bin, beunruhigt mich sein Verschwinden natürlich mehr, als es das nach der Kürze der vergangenen Zeit erfahrungsgemäß müsste. Was wissen wir?«

»Leider nicht besonders viel. Besser gesagt, nichts von Bedeutung. Paul Fenzl war mit dem Fahrrad unterwegs. Das geht einerseits aus der Aussage seiner Frau Virginia hervor, die angab, dass ihr Mann hin und wieder bei gutem Wetter eine Runde auf dem Fahrrad dreht. Dabei wählte er angeblich überwiegend den Radweg östlich von Regensburg entlang der B 8. Hinter Roith, da verläuft der Radweg längs durch einen Rastplatz, bevor er weiter in Richtung Geisling führt. Auf diesem Parkplatz hat ein LKW-Fahrer Fenzls Rad gefunden. Ein Wunder, dass es überhaupt noch da war, weil es sich um einen recht auffälligen e-Cruiser gehandelt hat. Wahrscheinlich hat den Cruiser deshalb bis dahin niemand mitgehen lassen. Zu auffällig! Auf jeden Fall kam das e-Bike irgendwann einem LKW-Fahrer seltsam vor, weshalb er sofort die Polizei informierte.«

Während der Baldauf seinen Bericht abgab, heftete er an die Pinnwand, die beim Köstlbacher nie fehlen durfte, auf eine vorbereitete Landkarte vom Landkreis Regensburg ein Foto vom Cruiser an, das er von meiner Frau bekommen hatte.

Natürlich ist so eine Pinnwand heutzutage nicht mehr unbedingt zeitgemäß. Die Technik hat diese altmodische, wenn auch sehr bewährte Methode, Fakten zu sammeln, sie bildlich darzustellen und Beziehungen herauszuarbeiten, längst überholt. Vielleicht stufst du jetzt den Köstlbacher als rückständig ein, weil er trotzdem immer noch an seiner alten Pinnwand festhält. Aber ich muss sagen, dass ich dir da nicht zustimmen kann. Was ist, wenn die Technik schlapp macht, oder im schlimmsten Fall der Strom ausfällt? So eine Kripo, die kann dann nicht einfach in nach Hause gehen und dort warten, bis das Licht wieder angeht.

»Ist das alles?«, fragte der Köstlbacher, der dieser kurzen Zusammenfassung aufmerksam gelauscht hatte. Natürlich war nichts davon neu für ihn. Letztendlich hatte er vorab seine Hausaufgaben gewissenhaft erledigt. Ganz ehrlich, etwas mehr hatte er sich insgeheim schon erhofft.

»Nicht ganz! Aber der Rest ist mehr spekulativ, als durch Fakten untermauert«, antwortete der Baldauf.

»Zum Spekulieren ist es noch zu früh. Erst einmal nur Fakten. Ich gehe davon aus, dass die Spusi noch nicht vor Ort gewesen ist.«

Alle schauten etwas betreten zu Boden, weil das tatsächlich noch nicht geschehen war. Die Antwort vom Baldauf kam dennoch mit fester Stimme: »Ein verwaistes e-Bike und eine vielleicht im Zusammenhang damit stehende verschwundene Person haben uns noch nie dazu veranlasst, die Spusi aktiv werden zu lassen.«

Baldaufs Bemerkung hatte einen bissigen Blick der Dirmeier zur Folge. Gesagt hat sie aber nichts. Dafür hat der Köstlbacher seine Stimme deutlich erhoben: »Du musst lernen, ein bisschen flexibler zu reagieren! Kann schon sein, dass die Spusi im Normalfall nur bei einem Kapitalverbrechen ausrückt. Aber wer sagt uns denn, dass es sich hierbei nicht um ein solches handelt?«

Dem Baldauf kratzte spontan sein Hemdkragen am Hals bei dieser Rüge, aber er wagte nicht, dem Köstlbacher zu widersprechen. Stattdessen meinte er zögerlich: »Soll ich…?«

»Jetzt nicht! Lass uns erst das hier zu Ende bringen! Ich schau mir den Parkplatz später erst einmal persönlich an. – Aber jetzt zur Wasserleiche. Ohne die wäre ich schließlich nicht hier!«

Der Baldauf schnaufte hörbar durch. Die ganze Geschichte mit dem Freund vom Chef war ihm von allem Anfang an zuwider gewesen. Er hatte geahnt, dass zu viel Aktionismus ebenso wenig erwünscht war, wie zu wenig. Dass der Chef die Sache jetzt in Eigenregie angehen würde, das war ihm mehr als nur recht.

»Das mit der Wasserleiche erinnert mich irgendwie an den ersten Fall, den du lösen musstest, als du dich von Straubing zu uns hast versetzen lassen. Du erinnerst dich an die Leiche, die auf dem Wasser die Donau hinabgetrieben und von der Gisela von der Wurstkuchl gesichtet worden ist?«, frage die Kommissarin Dirmeier, bei der dieser Fall von damals offensichtlich starke Erinnerungsspuren hinterlassen hatte.

»Der Einbeinige?«, fragte der Köstlbacher, wusste aber natürlich ohnehin, dass nur der gemeint sein konnte. »Was an dem erinnert dich an die aktuelle Wasserleiche? Weil sie auch in der Donau aufgefunden worden ist?«

»Ja! Aber nur zum Teil. Der Leiche damals fehlte ein Bein. Und der Leiche im Kunststoffsack? Die Nachricht kam übrigens soeben als Fax von der Gerichtsmedizin. Deine Sekretärin hat es mir beim Reingehen in die Hand gedrückt. Ich wollte es dir schon die ganze Zeit …,« Mit diesen Worten reichte die Dirmeier dem Köstlbacher ein Schriftstück, das sie schon seit nunmehr fünf Minuten krampfhaft in Händen hielt.

5. Kapitel

Wenn die Havarie eines rumänischen Frachtschiffes wenige Kilometer flussabwärts vom Regensburger Hafen, den es vollbeladen mit Steinkohle anlaufen wollte, nicht passiert wäre, ob der Köstlbacher dann jemals seinen Abteilungsleitersessel wieder hätte verlassen dürfen? Schuld war, wenn man’s genau nimmt, eigentlich diese Sandbank. Kein Wunder bei dem trockenen Sommer und dem damit verbundenen besonders niederen Wasserstand der Donau. Der Schiffsverkehr sollte zwar schon seit Tagen eingestellt werden, aber er war es eben noch nicht. Und dass sich durch das geänderte Strömungsverhalten der friedlich dahinfließenden Donau diese Sandbank gebildet hatte, von der keiner etwas wissen konnte und die natürlich immerhin so weit unter Wasser lag, dass sie auch keiner sehen konnte, damit rechnete niemand. Bis es unter dem Rumpf des rumänischen Frachters plötzlich gewaltig knirschte und das auf Regensburg zusteuernde Schiff mit Schlagseite nach Backbord zum Stehen oder besser zum Liegen kam.