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Die Gisela von der Wurstkuchl entdeckt während einer Zigarettenpause eine Wasserleiche in der Donau. Der Regensburger Kriminalhauptkommissar Köstlbacher beginnt zu ermitteln. Was haben die Monika Steingeister und weitere leichtlebige junge Frauen mit dem Fall zu tun? Stammt der Täter aus dem Rotlichtmilieu? Ist der Schriftsteller Albert Stiegler, der wegen eines Romans recherchiert, in den Fall verwickelt? Oder haben ganz andere Gesellschaftskreise ihre Finger im Spiel? Dann folgt dem Mord ein zweiter. Ein kriminalistischer, spannender und humorvoller Gesellschaftskrimi im historischen Regensburg.
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Seitenzahl: 370
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Vorstellen hat sich das ja damals bestimmt keiner können, dass in einem 4**** Hotel wie dem ›Ratisbona‹ in Regensburg so etwas passieren könnte, schon gar nicht der Albert.
In den Toiletten des ›Ratisbona‹, da ist dem Albert der Marmor zum ersten Mal bewusst aufgefallen, mit dem dort jeder cm² gefliest ist. Nicht dass du jetzt glaubst, im ›Ratisbona‹ ist es was besonderes, dass sie dort quasi Marmortoiletten haben. Wenn du in so einem 4**** Nobelhotel absteigst, dann darfst du den Marmor in den Toiletten als Standard erwarten, nicht nur in der Lobby und auf allen Gängen. Nur auf den Gängen achtest du nicht drauf, weil da gehst du einfach durch, wenn du auf dein Zimmer willst. Wände und Fußboden uninteressant. Wichtig Beleuchtung, damit du findest, wonach du suchst. Hast ja schließlich ein Zimmer gebucht und keine Gänge. Meine Edeltraud hätte da vielleicht eher einen Blick dafür, weil die immer schon Marmorblick. Aber der Albert ist ja auch nicht die Edeltraud. Es ist nicht einmal sicher, ob der Albert die Edeltraud überhaupt kennt.
So hat es der Albert auch nicht in der Lobby oder auf den Gängen zum ersten Mal gesehen, sondern erst, als er auf einer Toilette gesessen hat und gewartet hat, dass sich ein Erfolg seiner Sitzung einstellt. Zuerst hat es ja nur wie ein Chinese ausgesehen, der ihn aus der Marmorfliese an der Wand gegenüber dem Klopapierabroller angeschaut hat, aber wie er dann noch eine Weile so hingestiert hat und dann auch noch benachbarte Fliesen in sein Blickfeld geraten sind, da wurden es immer mehr Gesichter. Chinesen oder Nichtchinesen, das konnte der Albert nicht so hundertprozentig sicher sagen. Für ihn waren es einfach ›Steingeister‹. An sie dachte er, als er später dämlicherweise zu Protokoll gab, dass er nicht alleine auf der Toilette gewesen war. Je länger die Sitzung dauerte, je mehr ›Steingeister‹ gab der Marmor frei. Und die Sitzung dauerte sehr lange, weil der Albert vor lauter Suchen nach weiteren ›Steingeistern‹ gar nicht mehr konzentriert bei der eigentlichen Sache war und zuletzt sogar die Toiletten unverrichteter Dinge wieder verlassen musste. Das mit der erfolglosen Sitzung, das gab er später natürlich nicht zu Protokoll, weil das mit den ›Steingeistern‹ nicht wirklich etwas zu tun gehabt hatte und er schließlich auch nicht danach gefragt wurde. Da hatte er nämlich Erfahrungen, mit dem zu Protokoll geben. Keine persönlichen, aber Fernsehen, Kino, Bücher! Man ist ja informiert! Wenn du da mehr sagst, als unbedingt sein muss, dann drehen sie dir später aus jedem Wort einen Strick. Und wenn du sicherheitshalber einen Anwalt hinzuziehen möchtest, dann ist das schon fast so viel wie ein Geständnis, weil kein Anwalt nötig, wenn unschuldig!
Der Polizeihauptkommissar Köstlbacher, der die Vernehmung leitete, der schaute jedes Mal mit einem ›Alles klar!‹ Seitenblick zu seinem Kollegen, dem Kommissar Liebknecht am anderen Tischende hin, wenn der Albert beteuerte, dass er nichts gehört und schon gar nichts gesehen haben wollte. Aber gesagt hat er nichts, der Liebknecht. Die Schreibkraft, eine attraktive, Sekretärin in einem eng anliegenden blauen Kostüm, die Edith Klein, schrieb jedes Wort schnell wie ein Porsche mit. Auf einen Mitschnitt der Vernehmung auf Datenträger war verzichtet worden, weil das Mikro einen Wackler hatte und das Ersatzgerät gerade in einem anderen Vernehmungszimmer im Einsatz war.
Über den Sinn der Aussage vom Albert sollte sich der 1.Kriminalhauptkommissar Dr. Ernst Huber, der Leiter der Mordkommission, einen Reim machen, bei dem das Protokoll morgen auf dem Schreibtisch landen würde. Als Neuer auf dem Revier hatte es sich der Köstlbacher sehr schnell abgewöhnt, eine eigene Meinung zu äußern, auch wenn sie für die Ermittlung seiner Meinung nach durchaus Sinn machte. In Straubing, wo er vorher im Morddezernat gesessen hatte, da wusste man seine Ideen durchaus zu würdigen, die nach langen Dienstjahren oft ganz von selber da waren. Aber hier in Regensburg, da galt er als einer, bei dem man erst einmal abwarten wollte, was der drauf hat.
Ist ja nicht so, dass er scharf auf diesen Umzug nach Regensburg gewesen wäre, aber seine Frau, die Anna, die hatte ihr Elternhaus hier im Prinzenweg geerbt und da war es natürlich klar: Versetzungsgesuch nach Regensburg, aus Straubinger Mietswohnung raus, Einzug ins Elternhaus der Anna in Regensburg.
Seine erste Vernehmung, gleich nach seinem Dienstantritt hier, wurde sehr bald darauf als aufgedunsene Wasserleiche unterhalb der Wurstkuchl in der Donau von der Gisela gesichtet. Dass der Köstlbacher die Wasserleiche, damals war sie freilich noch keine Wasserleiche, dass der Köstlbacher den jetzt Toten vor ein paar Tagen auf dem Revier wegen einer Aussage zu einer schweren Körperverletzung mit Todesfolge im Rotlichtmilieu vernommen hatte, da kam man ja erst viel später drauf, als ein Foto der Leiche im Revier hing und irgendwer sich erinnern konnte, dass die Leiche unlängst noch quicklebendig aus dem Zimmer vom Köstlbacher spaziert ist.
Das Bergen der Leiche war gar nicht so einfach gewesen. Weil man sie über die Ufermauern nicht schnell genug zu fassen bekam, konnte sie die Wasserschutzpolizei mit Hilfe der Feuerwehr erst zwei Kilometer stromabwärts aus der Donau ziehen. Hat übel ausgesehen. Gut, dass um diese Jahreszeit kaum noch Schulklassen am Ufer zu Unterrichtsgängen unterwegs waren, weil da hätte der Lehrer bestimmt seine Not mit den Kindern gehabt, die ja alle noch nie eine echte Wasserleiche gesehen haben und ganz wild darauf gewesen wären, der Wasserschutzpolizei mit den zwei Tauchern der Feuerwehr zuzusehen. Die Wasserschutzpolizei auf dem Polizeiboot allein wäre schon interessant gewesen, die Taucher natürlich noch mehr. Aber eine echte Leiche! Das hatten sie noch nicht einmal als Foto im Biologieunterricht. Das Grusligste, was der Lehrer ihnen bisher im Biologieunterricht geboten hatte, war ein menschliches Skelett. Aber als der Lehrer ihnen dann gesagt hat, dass das Skelett nur aus Plastik ist, da hat auch keiner mehr so richtig hingeschaut. Uncool!
Bei der Wasserleiche, da hätten sie aber bestimmt alle hingeschaut. Voll cool! Nicht nur, weil noch keiner eine gesehen hatte. Die Wasserleiche war bis auf einen weißen Tennissocken nackt. Der weiße Tennissocken wegen des schmutzigen Wassers der Donau natürlich nicht mehr weiß, aber man konnte sich die ehemalige Farbe vorstellen. Sie musste weiß gewesen sein. Jede andere Farbe hätte, eingefärbt vom Schmutzwasser der Donau, anders ausgesehen. Auf den Socken achtete die Wasserschutzpolizei aber gar nicht, als die Taucher der Feuerwehr die Leiche in ihren Kahn gehievt hatten.
So eine Wasserleiche bekommt die Wasserschutzpolizei ja auch nicht gerade jeden Tag zu Gesicht. Die Donau in Regensburg schließlich nicht die Seine in Paris, oder die Moskwa in Moskau, wo so eine Leiche schon eher was Alltägliches ist. Darum drehte sich dem jungen Polizisten, der gerade seine erste Einsatzfahrt auf dem Boot machte, auch der Magen um. Zum Glück Windrichtung von vorne und Polizist backbord. So nur Fischfütterung! Außer Mund abwischen keine weiteren Reinigungsmaßnahmen nötig.
Wäre für eine Schulklasse ein zweites Erlebnis geworden, quasi ein Erlebnis im Erlebnis, so wie diese russischen Figuren, von denen du eine in die nächste stecken kannst. Keiner hatte vorher je einen Polizisten beim Kotzen beobachten können. Je nach Altersstufe der Schulklasse wäre so eine Beobachtung bestimmt richtungsweisend für eine Berufswahl geworden, bzw. für eine Nichtberufswahl. Die Polizeilaufbahn hätte aus dieser Klasse dann wohl kaum noch einer einschlagen wollen, schon gar nicht die der Wasserschutzpolizei.
Wie gut das war, dass keine Schulklasse Zeuge dieses Ereignisses wurde, darüber kann jede Schule froh sein, Schüler und Lehrer, weil Schüler und womöglich auch Lehrer anschließend geistliche und psychologische Betreuungen nötig. Heutzutage Standard!