Parker packt aus - Paul Fenzl - E-Book

Parker packt aus E-Book

Paul Fenzl

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Beschreibung

Der Kneitinger am Arnulfsplatz steht nach einem Mord auf der Männertoilette gespenstisch leer. Das Opfer ist ein städtischer Angestellter. Haben dieses und weitere Gewaltverbrechen etwas mit einer bislang unaufgeklärten Einbruchsserie zu tun? Ist ein Richter vom Regensburger Amtsgericht in die Verbrechen verwickelt? Kommissarin Martina Cuscunà ermittelt anfangs stellvertretend für den Polizeihauptkommissar Edmund Köstlbacher, der sich wegen Corona in häuslicher Quarantäne befindet.

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Inahltsverzeichnis

Kapitel 1 

Kapitel 2 

Kapitel 3 

Kapitel 4 

Kapitel 5 

Kapitel 6 

Kapitel 7 

Kapitel 8 

Kapitel 9 

Kapitel 10 

Kapitel 11 

Kapitel 12 

Kapitel 13 

Kapitel 14 

Kapitel 15 

Kapitel 16 

Kapitel 17 

Kapitel 18 

Kapitel 19 

Kapitel 20 

Kapitel 21 

Kapitel 22 

Kapitel 23 

Kapitel 24 

Kapitel 25 

Kapitel 26 

Kapitel 27 

Kapitel 28 

Kapitel 29 

Kapitel 30 

Kapitel 31 

Kapitel 32 

Kapitel 33 

Kapitel 34 

Kapitel 35 

Kapitel 36 

Kapitel 37 

Kapitel 38 

Kapitel 39 

Kapitel 40 

Kapitel 41 

Kapitel 42 

Kapitel 43 

Kapitel 44 

Kapitel 45 

Kapitel 46 

Kapitel 47 

Kapitel 48 

Kapitel 49 

Kapitel 50 

Kapitel 51 

Kapitel 52 

Kapitel 53 

Kapitel 54 

Kapitel 55 

Kapitel 56 

Kapitel 57 

Kapitel 58 

Namensliste 

Danksagungen 

Weitere Regensburg-Krimis von Paul Fenzl 

 

Vollständige e-Book Ausgabe 2023 

 

Originalausgabe: »Parker packt aus« 

© 2023 SPIELBERG VERLAG, Neumarkt 

Umschlagbild: © Jana Greiff 

Umschlaggestaltung: © Ria Raven, www.riaraven.de 

Alle Rechte vorbehalten 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

 

(e-Book) ISBN: 978-3-95452-120-3 

 

www.spielberg-verlag.de 

 

 

 

 

Gewidmet meiner lieben Frau Virginia 

 

 

 

Nichts ist wie es scheint, 

die Wahrheit hat viele Gesichter. 

 

Katharina Eisenlöffel, 1932 - 2019 

österreichische Aphoristikerin 

Kapitel 1 

 

Anna Braun 

 

Anna Braun fühlte einen brennenden Schmerz in der Brust. Mit einem erstickten Schrei fiel sie zu Boden. Im letzten Moment konnte sie noch die Notruftaste auf ihrem Handy drücken. Dann wurde es schwarz um sie herum.

Kapitel 2 

 

EdmundKöstlbacher 

 

Eigentlich hatte er es ja immer sehr genau genommen mit der Maskenpflicht und dem Abstand. Auch seine Hände hat er weit öfter als vor der Pandemie gewaschen und sie wieder und immer wieder bei jeder Gelegenheit desinfiziert. Und natürlich war er inzwischen auch dreimal geimpft. Aber vor einer Infektion so richtig geschützt, hat ihn der ganze Aufwand nicht, wie sich gestern herausstellte. Es ging schon damit los, dass der Köstlbacher gefühlt mit dem linken Fuß aufgestanden ist. Sein deutliches Übergewicht ließ unmöglich allein diese plötzliche Kurzatmigkeit erklären, die er sonst meist nur beim Treppensteigen hatte. Die Anna war spontan sehr besorgt, hatte ihn nicht zur Arbeit fahren lassen und hatte verlangt, dass er erst einmal einen Test macht. Wenigstens einen Schnelltest! Einen kleinen Vorrat davon hatte sie schon länger vorsorglich in der Hausapotheke deponiert.

Positiv! Der Kommissar hat einen zweiten gemacht, weil er’s nicht glauben konnte. Oder zumindest nicht glauben wollte. Positiv! Und weil auch ein dritter Anlauf kein erfreulicheres Ergebnis anzeigte, griff er schweren Herzens mit einem lauten Stöhnen, das die Anna bis hinab zur Kellertreppe hören konnte, auf der sie gerade unterwegs war, zum Telefon. Es war das erste Mal seit seinem Dienstantritt in Regensburg vor mehr als 10 Jahren, dass er sich krankmeldete. Dementsprechend unangenehm war ihm das. Aber was sollte er anderes tun? Corona positiv bedeutete automatisch Quarantäne. 5 Tage! Unabhängig davon, ob er, was er inständig hoffte, wenigstens einen milden Verlauf der Infektion haben würde. Und sollte ein Test nach 5 Tagen kein negatives Ergebnis bringen … Aber daran wollte er erst gar nicht denken.

Die Kommissarin Martina Cuscunà war am Telefon. Seine Sekretärin, die Edith Klein, hatte heute einen freien Tag genommen. Ein Erbonkel war gestorben. Da musste sie unbedingt zur Beerdigung hin. Und der Kommissar Baldauf lag momentan vermutlich gerade am Pool eines Hotels in Hurghada und genehmigte sich einen ersten Cocktail. Nach gefühlten 500 Überstunden hatte er sich das verdient. Er war ohne Begleitung nach Ägypten geflogen. Niemand hatte ihn darauf angesprochen, aber jeder reimte sich in etwa die gleiche Geschichte zusammen: Er brauchte Abstand zur Frauenwelt. Einfach mal ausspannen!

Kapitel 3 

 

Fritz Menas 

 

Die Cuscunà hatte gerade aufgelegt und die Krankmeldung nach oben weitergegeben, als ein Anruf der Telefonzentrale ihre besorgt um den Chef kreisenden Gedanken abrupt unterbrach.

»Kommissarin Cuscunà! Was gibt’s?«

»Da will jemand mit dem Köstlbacher reden.«

»Der ist nicht hier. Worum geht‘s?«

»Keine Ahnung«, antwortete der diensthabende Beamte etwas mürrisch. »Das will er nur dem Köstlbacher persönlich sagen. Er hat mir nicht einmal seinen Namen nennen wollen.«

»Für solche Spielchen haben wir keine Zeit. In ein paar Tagen wird der Chef wieder da sein. Dieser Mr. Wichtigtuer soll es in einer Woche wieder versuchen!« Der Cuscunà war der unfreundliche Ton ihres Kollegen nicht entgangen. Aber sie war heute viel zu gut drauf, um sich darüber zu ärgern.

Wenig später, die Cuscunà konnte das natürlich nicht wissen, klingelte in der Wohnung vom Köstlbacher auch das Telefon. Da seine Frau zum Einkaufen gegangen war, musste der Kommissar wohl oder übel selbst rangehen.

»Ja!«, meldete er sich kurzangebunden und kaum freundlicher, als sein Kollege in der Zentrale Minuten zuvor.

»Warum so grantig? Ich habe noch kein Wort gesagt«, antwortete der Anrufer.

»Du? Welche Laus ist dir heute über die Leber gelaufen?« Fritz, ein alter Kumpel vom Stammtisch war dran. Einer von denen, die immer nur meckern konnten und schon am frühen Morgen in der Hoffnung aus dem Bett krochen, sich heute wieder über irgendwen oder irgendwas beschweren zu können.

»Kennst du den Lärm, den ein Laubbläser macht? So ein professioneller mit einem stinkenden Benzinmotor?«

»Du wohnst doch in der Nähe vom Stadtpark. Um diese Jahreszeit sind diese Geräusche dort doch wohl eher normal«, antwortete der Köstlbacher, ohne auf die Fragen vom Fritz einzugehen.

»Normal? Mag sein tagsüber. Aber doch nicht in aller Herrgottsfrühe, wenn es noch finster ist. Du weißt doch, dass ich vor 3:00 Uhr kaum ins Bett gehe. Vorher kann ich einfach nicht schlafen. Aber wenn dann um 5:00 Uhr einer seinen Laubbläser in Gang setzt. Ich sage dir, so einen könnte ich glatt umbringen.«

»Wenn du dich über Ruhestörung beschweren willst, warum rufst du dann mich an? Ich bin bei der Kripo. Das solltest du wissen. Wende dich an dein zuständiges Revier!«

»Edmund, ich habe gedacht, weil wir uns doch so gut kennen.«

»Eben, drum! Für den Lärm, den ein Laubbläser macht, bin ich nicht zuständig! Und jetzt lass mir meine Ruhe! Ich bin krank! Corona!« Mit diesen Worten hängte der Köstlbacher ein. Laubbläser! Soll sich der Fritz doch wo anders eine Wohnung suchen. Im und auf den Wegen um den Dörnbergpark herum kommen nun mal diese Geräte zum Einsatz. Aber der Fritz findet überall was. Auf dem Land wären es vermutlich die Kirchenglocken oder der Gestank der Kühe.

Kapitel 4 

 

Tobias Lenz/Cuscunà 

 

In all den Jahren als aktive Kriminalerin hat die Cuscunà bisher noch nie die Leitung eines Kommissariats innegehabt. Aber jetzt, den Anweisungen des Abteilungsleiters Tobias Lenz zufolge, sollte sie kommissarisch den Köstlbacher vertreten, bis der wieder Dienst machen durfte. Ihr erster Gedanke: ›Bin ich dafür richtig angezogen?‹ Typisch Frau. Ein Mann würde vielleicht denken: ›Hoffentlich schaffe ich das!‹ Was er gerade am Leib trägt, wäre sicherlich das Letzte, worüber er sich den Kopf zerbrechen würde.

Laut sollte man solche Überlegungen heutzutage ja besser nicht anstellen, weil sonst gleich wieder der Begriff ›Sexismus‹ ins Spiel kommt. Selbstverständlich würde sich selbst der Köstlbacher nie dazu hinreißen lassen, so etwas öffentlich zu äußern. Aber die Gedanken sind zum Glück frei! Immer noch!

Da die wichtigen Anrufe weiterhin direkt im Büro vom Köstlbacher eingingen, sah sich die Cuscunà gezwungen, bis zur Genesung ihres Chefs hinter seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. ›Gezwungen‹ beschreibt die Situation freilich nicht wirklich den Tatsachen entsprechend. Sie genoss es in vollen Zügen. Das erstaunte Gesicht der Edith Klein konnte sie sich lebhaft vorstellen, sobald die von der Beerdigung wieder zurück sein würde. Ansonsten fand Kommissarin Cuscunà es recht angenehm, einmal nicht in einem Großraumbüro zusammen mit mehreren Kolleginnen und Kollegen sitzen zu müssen. Dass der Köstlbacher den gebrochenen Spiegel über dem Waschbecken nicht schon längst hatte auswechseln lassen, dafür hatte sie kein Verständnis. Doch zum Glück hatte sie in ihrer Handtasche stets einen eigenen Spiegel griffbereit. Nach Dienstschluss wollte sie auf alle Fälle ihren Lieblingsfotografen kontaktieren, der sich regelmäßig Zeit für Shootings mit ihr nahm. Die Gelegenheit, sich hinterm Schreibtisch vom Chef ablichten zu lassen, natürlich nur für die ganz private Sammlung, konnte sie sich unmöglich entgehen lassen.

An der Stelle sei angemerkt, dass die Kommissarin Martina Cuscunà sich für einen renommierten Fotografen leidenschaftlich gerne hin und wieder als Model zur Verfügung stellte. Mit ihm war das so eine Win-Win-Geschichte. Er probierte mit ihr herum, um der zahlenden Kundschaft eine Mappe vorlegen zu können, was so alles möglich wäre. Die Cuscunà bekam die Fotos dafür gratis und konnte über sie nach ihrem Gutdünken verfügen. Selbstverständlich nur seriöse Aufnahmen! Behauptete zumindest die Cuscunà.

»Störe ich?«, fragte der Abteilungsleiter Tobias Lenz, der unvermittelt vor ihr stand. Er musste wohl durch das leerstehende Vorzimmer der Klein wie ein Geist geschwebt sein. Das war die eine Erklärung. Die andere, die wesentlich plausiblere, war, dass die Cuscunà mit geschlossenen Augen vom Shooting träumte und ihren Chef schlichtweg weder gehört noch gesehen hatte.

»Nein! Selbstverständlich nicht! Mir brannten nur gerade die Augen. Muss wohl an der Heizung liegen, die momentan läuft. Die trockene Luft!« An Schlagfertigkeit mangelte es der Cuscunà jedenfalls nicht.

»Möglicherweise sind Sie nicht über alles informiert. Und da Sie für ein paar Tage den Edmund vertreten werden, dachte ich mir, ich bringe Sie auf den neuesten Stand.«

Da hatte der Abteilungsleiter vermutlich nicht unrecht. Frau Cuscunà war heute zum ersten Mal nach ihrem Urlaub in Sizilien wieder im Dienst und mitnichten auf dem neuesten Stand der Dinge.

»Gute Idee! Zumal gerade heute auch Frau Klein nicht weiterhelfen kann! Hat sich in meiner Abwesenheit irgendwas Besonderes ereignet?«

»Kein Gewaltverbrechen, falls Sie daran gedacht haben. Allerdings ermitteln wir im Zusammenhang mit einer Einbruchserie. Einziger bisher festgemachter Anhaltspunkt, die Wohnungen, beziehungsweise Häuser, in die eingebrochen wurde, standen zum Zeitpunkt der Brüche leer. Manchmal nur für Stunden, manchmal aber auch schon länger, wenn die Bewohner verreist waren.«

»Viele Einbrüche?«

»Zu viele! Die Öffentlichkeit wird langsam unruhig!« Was die Miene des Abteilungsleiters dabei ausdrückte, war klar: Ermittlungsergebnisse waren gefragt! Schnelle Ermittlungsergebnisse. Eine heiße Spur würde nicht reichen. Zumindest nicht für die Presse!

»Wer ist an dem Fall dran?«

»Das ist das Problem. Hauptsächlich die Kollegen Köstlbacher und Baldauf. Den Köstlbacher hat Corona erwischt und Kommissar Baldauf macht, wie Ihnen bekannt sein dürfte, Urlaub in Ägypten, von wo ich ihn schlecht zurückholen kann. Gut informiert sein dürfte Frau Klein, die für ihren Chef nach seinen Wünschen die Pinnwand pflegt.« Bei diesen Worten deutete Tobias Lenz zu der großen Pinnwand in Köstlbachers Büro, an der ein überdimensionierter Stadtplan Regensburgs angebracht war, auf dem einige Fähnchen steckten, die vermutlich die Einbrüche markierten. Neben den Fähnchen standen die Namen der betroffenen Personen. »Leider ist heute auch Frau Klein nicht hier. Wenden Sie sich fürs Erste am besten an Kommissar Böhm. Er ist zwar nicht vollends im Bilde, aber in einigen Fällen war er in die Ermittlungen eingebunden.«

»Oh, oh!«, meinte die Cuscunà, nachdem sie einen Blick auf die Pinnwand geworfen hatte. »Einer unserer hohen Richter ist auch betroffen!« Fast schien es, als würde da ein wenig Schadenfreude in ihrer Stimme mitklingen.

»Richter Baumstark vom Amtsgericht. Richtig! Ein etwas komplizierter Zeitgenosse.« Der Abteilungsleiter verzog dabei sein Gesicht, als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen.

»Alles klar! Richter Baumstarks Draht zur Regensburger Kripo ist nicht der beste. Er mag es, wenn man unterwürfig ist. Und unser Köstlbacher hat genau damit seine Probleme.«

Der Abteilungsleiter zuckte leicht mit seinen Schultern und hob etwas hilflos seine Arme.

»Nicht nur der!« Es war ihm deutlich anzusehen, wie unangenehm es ihm war, dem ehrlich zustimmen zu müssen.

»Wunder werde ich sicher nicht vollbringen können, aber selbstverständlich werde ich mein Bestes geben. Ich halte Sie auf dem Laufenden!«

»Tun Sie das! In regelmäßigen Abständen, wenn ich bitten darf. Am besten täglich. Vielleicht sollten Sie eine SOKO einrichten. Ich lasse Ihnen dafür freie Hand. Immerhin handelt es sich inzwischen bereits um 6 Einbrüche. Und das innerhalb von 2 Wochen! Herr Köstlbacher hat uns wissen lassen, dass wir ihn jederzeit telefonisch kontaktieren können. Der Verlauf seiner Infektion scheint, zumindest bisher, eher mild zu sein.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich der Abteilungsleiter und verließ das Büro. Martina Cuscunà blickte ihm nach und dachte bei sich: ›So wie der durch die Gegend hatscht, bedrückt ihn irgendwas.‹

Im Anschluss verweilte sie noch ein paar Minuten vor der großen Pinnwand. Einige Namen kamen ihr bekannt vor, aber sie kam nicht drauf, in welchem Zusammenhang. Irgendwann schüttelte sie den Kopf, nahm den Hörer des Telefons zur Hand und wählte die interne Nummer vom Kommissar Böhm. Beide hatten in der Vergangenheit schon öfter zusammengearbeitet. Hannes Böhm war ein umgänglicher und unkomplizierter Typ. Zwar hatte er hin und wieder leicht schwermütige Phasen, aber wer hat die nicht, wenn einem die Frau wegstirbt und zwei halbwüchsige Kinder ohne Mutter erzogen werden sollen?

Kapitel 5 

 

Fritz Menas/Gerhard Braun 

 

So idyllisch die alten Häuser in der Hoppestraße auch liegen mögen, sie verfügen fast alle über einen Garten, in dem im Sommer lautstark Rasenmäher die Ruhe stören. Dazu auch noch die nicht minder knatternden Aufsitzmäher im angrenzenden Dörnbergpark. Da selbstverständlich so gut wie nie zeitgleich gemäht wird, ist zumindest einer dieser Ruhestörer immer unterwegs. Zumindest zu den erlaubten Zeiten.

Geht der Sommer in den Herbst über, gesellen sich Laubbläser dazu. Man möchte meinen, es handle sich um ein zweites Instrument, das den ›sound of summer‹ zu einem ›sound of fall‹ ausweitet. Während Rasenmäher wenigstens noch auf mit Gras bedeckte Flächen begrenzt aktiv sind, finden Laubbläser praktisch überall, wohin sich ein abgefallenes Blatt verirrt hat, ihren Einsatz. Auch außerhalb der Mauer vom Dörnbergpark auf dem Bürgersteig.

Üblicherweise sollten sich auch die Laubbläser an die gesetzlich geregelten Zeiten für diesen zugelassenen Lärm halten. Wenn allerdings Bedienstete der Stadt Regensburg mit ihren ohrenbetäubenden Gerätschaften unterwegs sind, gehen nur sehr selten Beschwerden wegen Ruhestörung ein. Auch nicht zu relativ unüblichen Zeiten, wie beispielsweise nach 19:00 Uhr abends oder vor 8:00 Uhr morgens. Schließlich will jeder eine saubere Stadt haben und bringt somit für unkonventionelle Arbeitszeiten der Straßenreinigung Verständnis auf.

Zu den wenigen, die dafür absolut kein Verständnis zu haben schienen, gehörte Fritz Menas. Er wohnte zur Untermiete in einem der älteren Häuser in der Hoppestraße und bekam den Lärm der Laubbläser vor allem vor dem Haus auf dem Gehweg mit. Da Herr Menas allerdings als notorischer Nörgler bekannt war, ging niemand seiner Beschwerde nach. Weder sein aktuell kranker Stammtischkollege Edmund Köstlbacher noch der Beamte im zuständigen Polizeirevier, an den er sich zuletzt gewandt hatte.

Diesmal begann der Lärm in der Hoppestraße gegen 7:00 Uhr am Morgen und endete gut eine Stunde später. Vermischt mit den letzten Motorengeräuschen des Laubbläsers glaubten Passanten, wie sich später herausstellte, ein/zwei Schüsse gehört zu haben, waren sich dessen aber nicht sicher. Fehlzündungen des Benzinmotors eines Laubbläsers klangen ähnlich. Menas Nachbar Gerhard Braun war zusammen mit seiner Frau Helga verreist. Um hin und wieder nach dem Rechten zu sehen, hatte er Menas die Hausschlüssel gegeben.

Menas wechselte von seinen Pantoffeln in Straßenschuhe, schlüpfte in eine Jacke, die er erst vor kurzem in einem Second-Hand-Laden in der Ostengasse gekauft hatte und machte sich auf den Weg ins Nachbarhaus. Die Blumen mussten, wie abgemacht, gegossen werden. So zumindest schilderte es Menas später bei der Polizei, als diese ihn vernahm. Bezüglich der Schüsse, die er auch gehört zu haben glaubte, gab er an, dass er tatsächlich eher Fehlzündungen eines Benzinmotors vermutet hatte und weniger an Schüsse aus einer Waffe dachte.

»Wer bitte sollte auch hier schießen? Mit Schüssen rechnet im Stadtgebiet Regensburgs doch keiner.« So seine Begründung.

Menas, der alleine mit seinem Dackel Laurin wohnte, leinte seinen Hund an, der freudig mit dem Schwanz wedelte, weil er sein Herrchen begleiten durfte. Auf dem Weg zum Nachbarn Braun sollte der Dackel erst ein wenig im angrenzenden Dörnbergpark schnüffeln und sein Geschäft machen dürfen. Durch den nahen Seiteneingang verschwanden beide im Park, der um diese Zeit üblicherweise noch menschenleer war. Offensichtlich hatte auch der Laubbläser seine Arbeit eingestellt. Jedenfalls war er zunächst weder auf dem Bürgersteig noch im Park selbst zu sehen.

Die wunderschönen, sehr alten Bäume faszinierten Menas immer wieder aufs Neue. Sie strömten Ruhe und Kraft gleichzeitig aus. Heute war allerdings irgendetwas anders. Normal wäre gewesen, Laurin würde an der Leine ziehen, um seinem Wunsch nach freiem Herumtollen Ausdruck zu verleihen. Auch wenn ihm sein Herrchen diesen Wunsch nie erfüllte. Das Ordnungsamt drohte mit einem saftigen Bußgeld, ließ man im Dörnbergpark seinen Hund frei herumlaufen. Diesmal allerdings zog Laurin nicht an der Leine. Laurin signalisierte etwas ganz anderes. Angst!

Kapitel 6 

 

Ludwig Hafner/Jordan Parker 

 

Der Ton der Unterhaltung im Büroraum einer Lagerhalle unten am Hafen klang aggressiv. Ludwig Hafner, Spitzname ›der Bayer‹, groß, breitschultrig, massiv, so um die 40, hatte eindeutig das Sagen. Breitbeinig stützte er sich mit beiden Händen auf seinem Schreibtisch ab und redete auf eine Reihe von Männern ein, die, bis auf einen, mit gesenktem Kopf wie begossene Pudel vor ihm im Raum standen.

Dieser eine hielt als einziger dem Blickkontakt mit Ludwig Hafner stand. Bei jedem anderen hätte das Hafner aggressiv gemacht. Nicht bei ihm. Nicht bei Jordan Parker. An ihm schien er einen Narren gefressen zu haben.

»Zwei Männer verloren! Einfach so! Abgeknallt wie Tiere! Nur weil ein Irrer drauf losballert. Ich will den Typen! Bringt ihn mir! Lebend oder tot!«

»Warum wir? Wir haben alle deine Anweisungen befolgt«, wagte einer der Anwesenden zu widersprechen.

»Und? Was hilft mir das? Die Islinger Brüder sind tot. Was ist bei ihrem Bruch schiefgelaufen?«

Ein Murmeln ging durch die Reihen. Aber eine Antwort gab ihm niemand.

»Was ist mit diesem Laubbläser? Lag’s an ihm?« Hafner war rot im Gesicht angelaufen vor Wut. Sein Schwiegervater würde ihm den Kopf abreißen. Diese Geschichte konnte die gesamte Aktion gefährden, auch wenn er und seine Leute absolut nichts damit zu tun hatten.

»Für den Laubbläser lege ich meine Hand ins Feuer!«, sagte der, der schon einmal seine Stimme erhoben hatte.

»Ich hoffe für dich, du behältst Recht. Falls nicht …!« Ludwig Hafner machte eine eindeutige Bewegung mit der rechten Hand, die wohl ›Kopf ab‹ bedeuten sollte.

Jordan Parker verließ die Lagerhalle unter einem Vorwand. Ein paar leise gesprochene Worte beim Vorbeigehen in Hafners Ohr, ein kurzes Nicken des ›Bayern‹, und Parker entfernte sich.

Kapitel 7 

 

Hannes Böhm/Martina Cuscunà 

 

Richter Baumstark ins Büro wegen einer Vernehmung kommen zu lassen, der Gedanke wollte Kommissarin Cuscunà gar nicht gefallen. Aber er musste ebenso vernommen werden, wie alle anderen auch, bei denen eingebrochen worden war.

Kommissar Böhm befragte gerade eine Zeugin, hob aber sofort ab, als er am Display sah, dass ihn seine Kollegin Cuscunà sprechen wollte.

»Hannes, dein Typ ist gefragt!«

»Ich bin gerade mitten in einer Vernehmung!« Der Kollege wirkte etwas gestresst.

»In Sachen Einbrüche?«

»Nein. Autodiebstahl!«

»Dann lass jemand anderes das erledigen. Ich brauche dich hier! Richter Baumstark!«

Kommissar Böhm wusste natürlich sofort, worum es ging. Dass jetzt auch bei einem Richter eingebrochen worden war, das hatte sich in Windeseile herumgesprochen.

»Ich nehme an, du willst mit mir zu ihm?«

»Ich bin den Belegungsplan am Amtsgericht durchgegangen. Richter Baumstark ist heute den ganzen Tag über beschäftigt. Wir werden nur seine Frau antreffen. Somit sind keine seiner gefürchteten Wutausbrüche zu befürchten.«

»Und warum schaffst du das dann nicht allein?«

»So kann sie ihrem Mann gegenüber hinterher nicht behaupten, dies und jenes sei so oder so gesagt worden. Wir können gegenseitig bezeugen, was gesprochen wurde und was nicht.«

Dass sie schon lange darauf wartete, einmal mit dem Böhm alleine unterwegs sein zu können, das sprach die Cuscunà besser nicht an. Hannes hatte den Tod seiner Frau noch lange nicht verarbeitet. Für eine neue Beziehung war er mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht bereit.

Minuten später saßen beide im Auto. Mit 49 war der Böhm ja noch nicht wirklich alt. Zudem sogar überaus attraktiv. Der Dreitagebart machte ihn unheimlich männlich und sexy, wie die Cuscunà das einer Freundin gegenüber ausdrückte. Seine dunklen Haare durchzogen nur vereinzelte graue Strähnchen. Aber nachdem er seine Frau beerdigen musste, war er nicht mehr der, der er vorher war. Eingefallen und in sich zusammengesunken wie ein Häufchen Elend. Die Cuscunà hatte den festen Vorsatz, ihm etwas von seiner verlorengegangenen Lebensfreude zurückzugeben. Wie das geschehen sollte, war ihr allerdings noch nicht klar. Hannes war jetzt alleinerziehender Vater zweier halbwüchsiger Kinder, denen eine Mutter fehlte. Vielleicht ein Ansatzpunkt? Man würde sehen!

Viel geredet wurde auf dem Weg zur Kriemhildstraße im Stadtteil Kumpfmühl nicht. Der Böhm hing seinen Gedanken nach und die Cuscunà fand den geeigneten Anfang eines Fadens nicht, um ein unverfängliches Gespräch mit ihm beginnen zu können. So blieb es leider bei einigen knappen Informationen seinerseits zu den jüngsten Einbrüchen. Der Kommissarin Cuscunà gelang es nicht, aufgrund seiner Hinweise zwingende Zusammenhänge zu erkennen, die eine Serie bestätigen würden. Es konnte sich genauso gut um unabhängige Einbrüche handeln, wie sie immer wieder vorkommen, nur zufällig eben gehäuft. Zu denken gab höchstens, dass bei einem Richter eingebrochen worden war. Aber selbst das kam vor.

Kapitel 8 

 

Jordan Parker 

 

Parker war beunruhigt. Allerdings brauchte er diese innere Unruhe. Ohne sie würde das Adrenalin fehlen, um pikante Aufträge erledigen zu können. Adrenalin war das Salz in der Suppe und sorgte dafür, die Aufmerksamkeit in keiner Situation zu verlieren, jede Gefahr schon im Vorfeld zu wittern. Aber diesmal war es mehr. Hafner war ehrgeizig. Genau genommen wollte er nur eines: die erste Geige spielen. In welcher konzertierten Aktion auch immer. Mit Verwandten und Freunden im Hintergrund, wie Hafner sie hatte, konnte dieser Wunsch durchaus real werden.

Parker zündete sich eine Zigarette an. So, wie er es allabendlich tat, wenn er sich nach seiner Arbeit als Schreiner das für Stunden vermisste Nikotin in die Lungen saugte. Sein Beruf war Gold wert. Niemand kam so auf den Gedanken, er würde nach Feierabend ein Doppelleben führen.

Parker hatte lange gebraucht, um Hafners Vertrauen zu gewinnen. Dass es irgendwann gelang, hatte er dem Umstand zu verdanken, dass Hafner hin und wieder den Kontakt zum kriminellen Teil der Gesellschaft brauchte. Parker gehörte selbst nicht dazu, konnte diesen Kontakt aber herstellen.

Der junge Mann wuchs in Deutschland dreisprachig auf. Vater Afroamerikaner aus den Südstaaten, Mutter Tschechin. Mit seinen gerade mal 21 Jahren war er außergewöhnlich auffällig. Kaum jemand würde ihn vergessen, hatte er es erst einmal mit ihm zu tun gehabt. Ein großer Vorteil! Nichtssagende Gesichter speicherte niemand ab. Parker pflegte nicht zuletzt aus diesem Grund dieses Image umso intensiver, kleidete sich extravagant und behängte sich gerne mit Schmuck. Wenn es der Geldbeutel erlaubte, mit echtem Schmuck.

Inzwischen war er bei seinem Wagen angekommen. Auffällig wie er. Ein Oldtimer. Ein Chevrolet Camaro der ersten Generation. Himmelblau! Vielleicht eine Nuance dunkler. V8 Motor. Baujahr 1968. Parker drückte seine Zigarette aus, öffnete die Fahrertüre und ließ sich mit einem Seufzer auf den Sitz fallen. Das anfangs tiefe Grollen des Motors, nachdem er den Zündschlüssel umgedreht hatte, das Aufheulen, als er das Gaspedal im Leerlauf zwei/drei Mal durchdrückte, beruhigte ihn. Er würde erst einmal eine Runde drehen. Das machte ihm immer den Kopf frei.

Er trug keine Schuld an dem, was passiert war. Aber er war auch nicht wirklich unschuldig. Er hätte zumindest damit rechnen müssen, dass irgendwann etwas aus dem Ruder läuft. Ein ebenso weiser wie banaler Spruch, den er schon öfter gehört hatte, ging ihm nicht mehr aus dem Sinn: ›Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen.‹

Vielleicht konnte Clara ihm einen Gefallen tun. Er hatte sie zwar ziemlich abrupt abserviert, als er merkte, dass sie ihn nur interessant fand, weil er anders als die anderen ihrer Freunde war. Aber Parker erinnerte sich. Claras Vater war bei der Kripo. Kommissar Köstlbacher. Einer, der bei der Mordkommission das Sagen hatte. Parker wollte nicht zu diesem Kommissar ins Präsidium gehen. Nicht, wenn es sich umgehen ließ. Aber vielleicht konnte Clara etwas arrangieren. Zum Beispiel ein privates Treffen einfädeln.

 

Jordan Parker 

Foto: Gregory Allen Parker Sr. 

Kapitel 9 

 

Anna Braun 

 

»Sie wird wach!«, rief die Krankenschwester dem Oberarzt zu, der in eben diesem Moment die Intensivstation nach Beendigung seiner Visite verlassen wollte.

Mit einem schnellen Blick auf die Instrumentenanzeigen und einem zweiten auf die Patientin kehrte er an Brauns Bett zurück. Anna schlug ihre Augen auf. Ihr Blick war für Sekunden verwirrt. Aber dann schien sie die Situation erfasst zu haben und fragte mit erstaunlich klarer Stimme:

»In welchem Krankenhaus befinde ich mich?«

»Barmherzige Brüder. Wie fühlen Sie sich?«, entgegnete der Arzt.

»Was ist passiert?«, fragte Anna zurück, ohne auf seine Frage einzugehen.

»Das wollte ich eigentlich Sie fragen. Sie hatten einen Kreislaufzusammenbruch im Zusammenhang mit multiplem Organversagen. Auf Ihren Notruf hin fand man Sie schnell und brachte Sie hierher. Wir vermuteten zuerst einen Herzinfarkt. Zum Glück bestätigte sich dieser Verdacht nicht. Haben Sie ein Alkoholproblem?«, fragte der Oberarzt, nachdem er erst einen Blick auf die Krankenakte geworfen hatte, anschließend Anna unangenehm intensiv mit seinen Augen fixierte.

»Ich bin seit Jahren clean!«

Der Oberarzt nahm das zur Kenntnis, ging aber nicht darauf ein. So etwas in der Art hatte er sich schon gedacht. Fast sah es danach aus, dass er sogar mit genau dieser Antwort gerechnet hatte.

»Was passiert jetzt«, fragte Anna, als sie keine Antwort erhielt.

»Es müssen noch einige Formalitäten erledigt werden. Dann können Sie gehen.«

»Und mein Zusammenbruch?«, fragte Anna.

Der Oberarzt zuckte mit den Schultern. »Gönnen Sie sich Ruhe. Die Medizin ist nicht allwissend. Sie müssen sich das wie einen Stromausfall vorstellen. Es kommt zu einer Überlastung, und die Versorgung bricht zusammen. Jemand drückt die gefallene Sicherung zurück auf ›on‹. Und alles funktioniert wieder, als wäre nie etwas passiert. Dieser Jemand waren in diesem Fall wir. Eine kleine Injektion reichte. Woran es letztendlich gelegen hat? Niemand hat darauf eine schlüssige Antwort.«

Kapitel 10 

 

Martina Cuscunà/Hannes Böhm 

 

Der Funkspruch erreichte die beiden Kriminaler noch bevor sie die Kriemhildstraße erreicht hatten. Der Kommissar Böhm schaltete spontan das Blaulicht ein, wendete und fuhr los in Richtung Hoppestraße. Geredet wurde auch diesmal nichts. Dazu war die Anspannung zu groß. Und pure Vermutungen anstellen, darauf hatte keiner der beiden Lust.