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Als im 18. Jahrhundert die Ästhetik als Disziplin entstand, war das nicht nur der Beginn einer neuen Denkungsart über das Schöne. Die Ästhetik löste sich von der Kunstbetrachtung und begann, philosophische Grundbegriffe neu zu bestimmen. In seiner historischen wie systematischen Rekonstruktion der ästhetischen Debatten des 18. Jahrhunderts wirft Christoph Menke einen neuen Blick auf den höchst produktiven Streit zwischen »Vermögen« und »Kraft« als Grundbegriffe der Ästhetik. Er liest diesen Streit zugleich als die Matrix entscheidender Frontstellungen in der gegenwärtigen Philosophie, zu deren Aufklärung er mit diesem Buch beiträgt.
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Seitenzahl: 240
2Als im 18. Jahrhundert die Ästhetik als Disziplin entstand, war das nicht nur der Beginn einer neuen Denkungsart über das Schöne. Die Ästhetik löste sich von der Kunstbetrachtung und begann, philosophische Grundbegriffe neu zu bestimmen. In seiner historischen wie systematischen Rekonstruktion der ästhetischen Debatten des 18. Jahrhunderts wirft Christoph Menke einen neuen Blick auf den höchst produktiven Streit zwischen »Vermögen« und »Kraft« als Grundbegriffen der Ästhetik. Er liest diesen Streit zugleich als die Matrix entscheidender Frontstellungen in der gegenwärtigen Philosophie, zu deren Aufklärung er mit diesem Buch beiträgt.
Christoph Menke ist Professor für Philosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zuletzt sind im Suhrkamp Verlag erschienen: Die Kraft der Kunst (stw 2044) und Kritik der Rechte (2015).
3Christoph Menke
Kraft
Ein Grundbegriff ästhetischer Anthropologie
Mit einem neuen Vorwort
Suhrkamp
4Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2017
Der folgende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2225.
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2008
© Suhrkamp Verlag Berlin 2017 (für das Vorwort)
© Christoph Menke
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eISBN 978-3-518-75154-1
www.suhrkamp.de
Vorwort zur Taschenbuchausgabe
VorwortWozu Ästhetik?
I. Sinnlichkeit Die Unbestimmtheit der Einbildungskraft
II. Praxis Die Übung des Subjekts
III. Spiel Das Wirken der Kraft
IV. Ästhetisierung Die Verwandlung der Praxis
V. Ästhetik Der Streit der Philosophie
VI. Ethik Die Freiheit der Selbsterschaffung
Anmerkungen
Anhang
Siglen
Vorstudien
Inhaltsübersicht
Namenregister
Wie alle Absichten, so stellt sich auch die, mit der man ein Buch geschrieben hat, erst nachträglich heraus. Was man damit wollte, weiß man erst im Lichte dessen, was daraus wurde. Am Beginn dieses Buches stand, wie so oft, eine Auftragsarbeit: der Artikel zu »Subjekt« und »Subjektivität« für die von Karlheinz Barck mit anderen herausgegebenen Ästhetischen Grundbegriffe.[1] Gemäß der ursprünglichen Anlage dieses Wörterbuchs ging es darum, auf dem Weg einer philosophiegeschichtlichen Erkundung eine Frage zu stellen, die auf die gegenwärtige Diskussion gerichtet war. Die Frage galt dem Begriff des Subjekts nach dem »Tod des Autors«. Die Ausgangsthese ihrer Beantwortung lautete, daß die Kritik des auktorialen Subjekts in jedem Punkt überzeugend war, daß die Frage nach dem ästhetischen Subjekt damit aber nicht abgeschlossen, sondern überhaupt erst gestellt war. Philosophiegeschichtlich verstanden, ist diese Frage nach dem Subjektbegriff der Ästhetik keine andere als die nach ihrem Verhältnis zum Subjekt als Grundbegriff der neuzeitlichen Philosophie: Übernimmt die Ästhetik die Grundprämissen des neuzeitlichen Subjektbegriffs und wendet sie lediglich auf andere Bereiche der kulturellen Praxis – etwa die Künste oder Techniken des Forschens, Denkens und Darstellens – an? Oder entwickelt die Ästhetik, gerade indem, ja weil sie von diesen Künsten als Paradigmen ausgeht, einen ganz anderen Begriff des Subjekts?
Am Anfang des Buches steht damit die Frage nach dem spezifischen Einsatz der modernen Ästhetik: Weshalb und wozu bildet die moderne Philosophie seit dem 18. Jahrhundert die Reflexionsform der Ästhetik aus? Worum geht es in der neuen »Disziplin« (Baumgarten) der Ästhetik? Und der erste Schritt in der Beantwortung dieser Frage gilt dem Nachweis, daß die Ästhetik einen Begriff des Subjekts ausbildet, der sich grundlegend von demjenigen unterscheidet, den die neuzeitliche Philosophie bereits entwickelt 8hat. Die Ästhetik ist nicht die Anwendung anderswo und vorweg formulierter Einsichten. Sie ist vielmehr der Ort der Ausbildung eines genuin modernen Begriffs der Subjektivität.[2] Das moderne Denken der Subjektivität beginnt als ästhetisches Denken.
In dem zweiten Schritt, den das Buch zur Beantwortung der Frage nach dem Einsatz der modernen Ästhetik macht, muß es jedoch bereits die philosophiegeschichtliche Perspektive hinter sich lassen. Dieser Schritt stellt die These auf, daß die Ästhetik – die die moderne Philosophie auf den Weg bringt – mit einer Spaltung einsetzt: Die Ästhetik ist als die Urszene der modernen Philosophie, die Szene ihrer Hervorbringung, zugleich die ihrer Spaltung. Denn seit ihrem Beginn entfaltet die Ästhetik den Begriff moderner Subjektivität im Streit zwischen zwei gegeneinander gerichteten Konzeptionen. Dieser Streit der Ästhetik um die Subjektivität betrifft nicht einzelne ihrer Züge und Gestalten, sondern nicht weniger als das Wesen der Subjektivität – ihr Sein. Genau darin liegt die Gegenwärtigkeit der Ästhetik. Mit der Ästhetik beginnt im 18. Jahrhundert nicht nur das spezifisch moderne Verständnis der Subjektivität; indem die Ästhetik sich im Augenblick ihrer Entstehung in zwei einander bekämpfende Konzeptionen spaltet, präfiguriert sie den Streit, der die moderne Philosophie in ihrem Innersten prägt.
Diesen Streit, der sich zuerst und am deutlichsten in der Ästhetik ausprägt, will das Buch vorführen. Das aber kann nicht im unparteilichen geschichtlichen Rückblick geschehen. Der Streit der Ästhetik läßt sich nur teilnehmend darstellen; man muß in ihn eintreten. Hier gibt es keine Neutralität, sondern nur Parteien. Das Buch führt den Streit der Ästhetik daher so vor, daß es die eine Position gegen die andere stellt.
Diese Positionen tragen hier einfache Namen. Sie heißen: »Vermögen« und »Kraft« – die Ästhetik als eine Theorie der Vermögen oder als die Theorie der Kraft. Aber entgegen ihren einfachen Namen ist der Gegensatz der beiden Ästhetiken kein einfacher: nicht der von Satz und Gegensatz, der einfachen Behauptung von Vermögen oder der Kraft. Vermögen und Kraft sind zwei grundsätzlich verschiedene Formen der Macht. Dabei bezeichnet Macht 9die Möglichkeit der Wirkung (oder die Potentialität). Das Vermögen ist diejenige besondere Gestalt der Macht, die das Subjekt als Teilnehmer normativer, sozialer Praktiken definiert: Ein Vermögen zu haben heißt, etwas zu vermögen – etwas tun, also es gut oder erfolgreich tun, es gelingen lassen zu können. Das Vermögen ist normative Macht, die Macht zur Hervorbringung eines Guten, also der Teilnahme an einer sozialen Praxis (denn das Gute ist das immanente Maß einer sozialen Praxis). Die Kraft hingegen ist die Macht des Wirkens, die sich als Spiel entfaltet. Dabei definiert die moderne Ästhetik das Spiel als eine Vollzugsweise, die darin regel- und maßlos ist, daß hier jede Hervorbringung zugleich die Auflösung, Überschreitung und Verwandlung des Hervorgebrachten bedeutet: Die Kraft ist die Macht des Wirkens, die etwas als ihren Ausdruck hervorbringt und im selben Zug auflöst, den ersten Ausdruck überschreitet und in einen anderen verwandelt. Ist die Ausübung von Vermögen normativ, so ist das spielerische Wirken der Kraft ironisch.
Deshalb kann der Gegensatz der beiden miteinander streitenden Gestalten der Ästhetik kein einfacher sein. Keine der beiden Ästhetiken, die hier die Namen »Vermögen« und »Kraft« tragen, identifiziert die Macht des Subjekts als Vermögen oder als Kraft. In ihrem Streit artikulieren sich beide als Theorie des Vermögens und der Kraft. Aber das löst ihren Gegensatz nicht auf, sondern vertieft ihn: als Gegensatz im Verhältnis von Vermögen und Kraft. Es gibt keine der beiden Formen der Macht ohne die andere, die zugleich aber in ihrem Vollzug einander entgegengesetzt sind. Während die eine Ästhetik, die Ästhetik des »Vermögens«, deshalb behauptet, daß sie sich wechselseitig ergänzen und eine dialektische Einheit bilden, versteht die Ästhetik der »Kraft« diese Einheit als ein Paradox, dessen Widerspruch wir nicht auflösen können, sondern aushalten und vollziehen müssen.[3]
Das Vorhaben, die paradoxe Einheit von Kraft und Vermögen zu entfalten, bezeichnet der Untertitel des Buches als die Idee einer »ästhetischen Anthropologie«. Aufgrund der philosophiehistorischen Ausgangsfrage des Buches bleibt die Beschreibung dieser Idee hier an die Rekonstruktion der Diskussionslage am Ende des 18. Jahrhunderts und insbesondere an Überlegungen Sulzers und Herders gebunden. Ich reformuliere deshalb noch einmal den Grundgedanken der ästhetischen Anthropologie. Dadurch soll zugleich klarwerden, inwiefern dieser eine, allgemeine und daher abstrakte Grundgedanke ein Programm weiterer, konkreter und ins Detail gehender Untersuchungen enthält.
Das Vorhaben der ästhetischen Anthropologie besteht darin, die Differenz von Kraft und Vermögen zu begründen: Wozu bedarf es des Begriffs der Kraft? Weshalb kann das Subjekt nicht allein durch seine Vermögen, das heißt durch seine soziale Gestalt als kompetenter Teilnehmer normativer Praktiken definiert werden? Weshalb muß das Subjekt, um sozial sein zu können, zugleich weniger und mehr als sozial sein? Die ästhetische Anthropologie entwickelt zwei Argumente für die Differenz der Kraft (vom Vermögen). Sie gibt zwei Antworten auf die Frage, weshalb wir diese Differenz denken müssen, wenn wir unsere Subjektivität oder uns als Subjekte begreifen wollen. Diese zwei Antworten verweisen systematisch aufeinander.
Das erste Argument der Ästhetik lautet, daß sich nur so verständlich machen läßt, daß es ästhetische Lust gibt. Denn die ästhetische Lust hat nicht die Struktur der Befriedigung eines Bedürfnisses oder der Verwirklichung eines Maßstabs durch ein Objekt; sie ist weder die Lust des Nützlichen noch des Guten. Sondern sie ist die Lust an der Nichtbefriedigung oder der Nichtverwirklichung, am Zerbrechen des Nützlichen und am Scheitern des Guten (daher die Nähe von Ästhetik und Tragödie). Die ästhetische Lust ist die Lust an der Negativität gegenüber der durch ihre Vermögen definierten Subjektivität. Soll sie affirmativ, also als Lust verstanden werden, so muß ihre Negativität zugleich als die Bejahung eines anderen Vollzugs beschrieben werden: Die ästhetische Lust ist die Lust an der Überschreitung von Praxis und Subjektivität in der Freisetzung des ebenso nutz- wie sinnlosen und eben darin »belebenden« Spiels 11der Kräfte. Um die ästhetische Lust zu begreifen, muß das Subjekt daher als mehr oder als weniger denn bloße Subjektivität verstanden werden. Die ästhetische Lust ist nicht die Lust des Subjekts an sich selbst, sondern des Menschen in Differenz vom Subjekt. Das heißt hier Anthropologie: Die Ästhetik denkt den Menschen als Ort nichtsubjektiver Potentiale und Vollzüge.
Bei diesem Argument bleibt die Ästhetik aber nicht stehen. Sie geht einen entscheidenden Schritt weiter. Besagt das erste Argument, daß die Ästhetik die Differenz der Kraft vom Vermögen oder des Menschen vom Subjekt denken muß, um den Zustand ästhetischer Lust zu begreifen, so besagt das zweite Argument, daß sie dies bereits tun muß, um das Subjekt zu denken: Wer sich als Subjekt begreifen will, muß sich als Mensch in Differenz von sich als Subjekt denken.
Der Begriff des Subjekts ist die Antwort auf die Frage, wie gelingende Vollzüge möglich sind. Dabei ist das Subjekt als Instanz von Vermögen sozial und kulturell konstituiert; das Subjekt ist ein Teilnehmer (also kein Atom). Die Ästhetik begreift es als durch Übung und Abrichtung sozial verfertigt. Die Vermögen des Subjekts und die sie hervorbringenden Übungen kommen daher dann in den Blick, wenn nach den Möglichkeitsbedingungen gelingender Praktiken – des Wissens, Handelns, Kommunizierens, Darstellens usw. – gefragt wird.
Aber was macht diese ermöglichenden Subjektivierungsprozesse selbst möglich? Die Prozesse der Übung führen zum kulturellen, sozialen Zustand des Menschen als Subjekt. Aber sie beginnen im vorkulturellen, präsubjektiven, also natürlichen Zustand des Menschen. Um diesen natürlichen Zustand zu denken, braucht die Anthropologie den Begriff der Kraft (oder muß sie zu einer ästhetischen Anthropologie werden). Ihre These lautet, daß der natürliche Zustand als ästhetischer verstanden werden muß: als ästhetisches Spiel der Kraft. Denn nur der ästhetische Begriff der Natur, als Kraft, erfüllt die doppelte Bedingung, daß der natürliche Zustand des Menschen das Andere und eben dadurch der Anfang des Subjekts ist. Die (Doppel-)These der ästhetischen Anthropologie zur Natur des Menschen lautet: Der Mensch muß erst durch Übungen zum Subjekt gemacht werden, weil er nicht von Natur aus schon die »Anlage« zum Subjekt hat. Und der Mensch kann nur durch Übungen zum Subjekt gemacht werden, weil er von Na12tur aus nicht durch Kausalgesetze oder Instinkte vollständig determiniert ist. Die Kraft ist eine Annahme, die das Subjekt machen muß, wenn es sich selbst so verstehen will, daß es aus natürlichen Bedingungen geworden ist: wenn es seine Existenz als Geist und seine Genesis aus der Natur zusammendenken will. Nur wenn der Mensch von Natur aus die »Lücke« (Adorno) in der Natur ist, kann er zum Subjekt werden.[4] Diese Lücke in der Natur – die Lücke, die der Mensch in Differenz zum Subjekt ist – öffnet das ästhetische Spiel der Kraft.
Die Ästhetik der Kraft präfiguriert damit eine Form des Denkens, das den Gegensatz der neuzeitlichen Philosophie radikal in Frage stellt. Das ist der Gegensatz zwischen der internen Selbstexplikation des Subjekts als Teilnehmer normativer Praktiken und einer externen Erklärung, die Subjektivität und Praxis in die objektiv erkennbaren Prozesse der Welt einschreibt.[5] Das Problem der objektiven Perspektive ist, daß sie die Subjektivität (und damit auch die Normativität der Praxis) zum Verschwinden bringt. Objektiv betrachtet, gibt es sie nicht. Auf der anderen Seite kann das Denken des Subjekts, das mit seinem Selbstbewußtsein einsetzt und es entfaltet, nicht verstehen, daß – und wie – es aus seinem Anderen geworden ist. Es macht die Subjektivität zu einem Faktum. Das genealogische Argument der ästhetischen Anthropologie dagegen überschreitet die Perspektive des Selbstbewußtseins, ohne sie in Objektivität aufzulösen: Die ästhetische Anthropologie denkt das Andere des Subjekts als seinen Anfang und daher als seine Bedingung, die in den normativ praktischen Vollzügen des Subjekts selbst anwesend und wirksam ist. Die Kraft ist das eigene und daher innere Andere der Subjektivität.
Trifft damit aber nicht gerade auf den Menschen der ästhetischen Anthropologie zu, was nach Foucaults Kritik seinen modernen Begriff ausmacht: daß der Mensch der modernen Philosophie 13eine »seltsame, empirisch-transzendentale Dublette« ist, unaufhörlich hin- und herschwankend zwischen den in reinem Selbstbewußtsein gegebenen Formen der Subjektivität und den empirisch erkannten objektiven Bedingungen seiner endlichen Existenz? Präfiguriert die ästhetische Anthropologie also nur deshalb die Grundbewegung des modernen Denkens, weil es sich hier zum erstenmal auf die Suche nach einem Diskurs begeben hat, »dessen Spannung das Empirische und das Transzendentale in einer Trennung aufrechterhielte und dennoch gestattete, gleichzeitig auf beide zu zielen; einen Diskurs, der erlauben würde, den Menschen als Subjekt, das heißt als Ort empirischer, aber möglichst nahe auf das, was sie möglich macht, zurückgeführter Erkenntnisse und als reine, unmittelbar diesen Inhalten gegenwärtige Form zu analysieren«?[6]
So scheint es, wenn man etwas Entscheidendes übersieht. Die ästhetische Anthropologie ist keine dritte Position zum Gegensatz von subjektiv und objektiv, transzendental und empirisch, die ihre beiden Seiten miteinander »vermittelt« oder gar zu versöhnen versucht. Dieser Versuch ist aussichtslos. Die ästhetische Anthropologie unternimmt einen ganz anderen Versuch; sie gibt beiden Seiten des modernen Gegensatzes eine ganz andere Bedeutung. Die ästhetische Anthropologie transformiert die transzendentale Reflexion, die im Selbstbewußtsein des Subjekts gründet, in eine genealogische Reflexion des Selbst, die dessen Grenzen überschreitet, indem sie das Andere des Subjekts als dessen eigene, innere Bedingung erkennt. Aber das kann sie nur, weil sie das Andere des Subjekts nicht zum Gegenstand einer empirischen, objektiven Erkenntnis macht, sondern einer Erfahrung ganz anderer Art: einer Erfahrung, die an das Subjekt gebunden ist, ohne daß sie (wie Kant von der empirischen Erfahrung sagt) vom Subjekt nach seinem Entwurf hervorgebracht wurde. Das ist die Erfahrung ästhetischer Lust, die ästhetische Erfahrung.
Darin zeigt sich, daß die beiden Argumente der Ästhetik für die Kraft, die Phänomenologie der ästhetischen Lust und die Genealogie des Subjekts, wesentlich zusammengehören. Das genealogische Argument besagt, daß das Werden des Subjekts durch seine Kraft ermöglicht ist. Um das Subjekt zu begreifen, müssen wir die 14vorsubjektive Natur des Menschen als ästhetische begreifen. Die ästhetische Natur ist aber kein Gegenstand empirischer Erkenntnis: Objektiv betrachtet, gibt es die ästhetische Natur nicht (ebensowenig wie das Subjekt und seine Vermögen). Deshalb bleibt in dem genealogischen Argument der Ästhetik die Kraft immer nur ein Postulat. In den ästhetischen Zuständen dagegen, auf die sich die Ästhetik in ihrem ersten Argument beschreibend bezieht, erfahren wir das Spiel der Kräfte, das wir im Denken postulieren (während umgekehrt das genealogische Denken begründet, weshalb die ästhetische Erfahrung eine notwendige Möglichkeit ist: weshalb es notwendig zum Sein des Subjekt gehört, die Möglichkeit der ästhetischen Erfahrung zu haben). Indem die Ästhetik die transzendentale Selbstreflexion genealogisch und die Empirie der menschlichen Natur als Phänomenologie der ästhetischen Lust versteht, durchschlägt sie das bloße »Oszillieren«, in dem Foucault das Bewegungsgesetz der modernen Philosophie gesehen hat,[7] und verbindet sie systematisch miteinander. Die Ästhetik ist die Einheit von genealogischer Selbstreflexion und ästhetischer Phänomenologie. Deshalb kann sich auch die Ästhetik nur in der Einheit zweier ganz verschiedener Register und Gestalten entfalten: als Essayistik und als Fundamentalreflexion.
Das Buch rekonstruiert den Beginn der modernen Ästhetik, um die Idee einer ästhetischen Anthropologie einzuführen. Diese Idee führt es aber nicht mehr durch. Die Idee einer ästhetischen Anthropologie ist ebenso grundlegend wie abstrakt. Sie besagt, daß das Spiel der Kraft die Bedingung subjektiver Vermögen und damit von normativen, sozialen oder kulturellen Praktiken überhaupt ist. Diese Grundidee enthält aber zugleich ein Untersuchungsprogramm. Es besteht darin, die wesentlichen Formen des Subjekts und der Praxis so zu beschreiben, daß in ihnen das Wirken der Kraft in seinem agonalen Wechselspiel mit der Normativität des Vermögens sichtbar wird. Das ist das Programm, durch eine immanent ansetzende Analyse der Formen der sozialen Praxis zu zeigen, 15daß – und in welcher jeweils ganz verschiedenen Weise – die Rekonstruktion ihres normativen Vollzugs den Gedanken der Kraft zwingend notwendig macht; worin also ihre Vollzüge irreduzibel auf die Ausbildung und Anwendung subjektiver Vermögen und auf das Wirken von Kräften zurückbezogen sind; und schließlich: wie sich die Vollzüge der sozialen Praxis grundlegend verändern, wenn das Wirken der Kraft in ihnen anerkannt wird. Diese Untersuchungen, deren Programm die ästhetische Anthropologie formuliert, können genealogisch genannt werden. Ihr Verfahren ist der Rückgang zum Anfang (oder Werden) der sozialen Praxis aus ihrem Anderen; ihr Ziel dabei ist, die Möglichkeit einer Veränderung der Praxis zu denken.[8]
Die erste dieser Untersuchungen, die sich an die Exposition der Idee einer ästhetischen Anthropologie anschließen muß, fällt in das Feld der Ästhetik im engen Sinn, als eine der philosophischen Subdisziplinen: als die Theorie des Schönen und der Kunst. Denn in der modernen Gesellschaft ist die Kunst diejenige Gestalt der Praxis, die dazu da ist, das Spiel der Kraft als das Andere der sozialen Normativität zu entfalten. Dadurch zeigt die Kunst, daß es wahres Gelingen – die Schönheit von Werken – nur im Widerstreit von Vermögen und Kraft, von normativer Praxis und ästhetischem Spiel gibt.[9]
Darin liegt die Besonderheit der Kunst in der modernen Gesellschaft – ihre Differenz dazu, wie die gesellschaftlichen Praktiken definiert und organisiert sind. Denn die moderne Organisation des Sozialen zielt auf die Kontrolle und Begrenzung – in ihrer gegenwärtigen Gestalt: auf die Ökonomisierung[10] – des ästhetischen Spiels der Kraft. Aus diesem Grund ist die Ästhetik als Theorie der Kunst nicht nur ein beliebiger Fall der genealogischen Untersuchungsweise, deren Programm die ästhetische Anthropologie begründet. Aus 16der Sonderstellung der Kunst, als »gesellschaftlicher Antithesis zur Gesellschaft« (Adorno), folgt vielmehr, daß das Programm solcher Untersuchungen ohne die Theorie der Kunst gar nicht formuliert werden kann. Denn so wie die ästhetische Anthropologie die Phänomenologie der ästhetischen Lust braucht, um dem Gedanken der Kraft die Evidenz der Erfahrung zu verschaffen, so bedarf es des Beispiels der Kunst, um zu verstehen, daß – und wie – gerade der Widerstreit von Vermögen und Kraft gelingensermöglichend ist: daß das Zerbrechen des Nützlichen und die Überschreitung des Guten im ästhetischen Spiel der Kraft die Bedingung des Gelingens ist. Das gilt für die Kunst exemplarisch, aber nicht exklusiv: Wenn die Theorie der Kunst richtig versteht, was die Kunst tut (sie zeigt das Wechselspiel von Vermögen und Kraft) und wie ihre Theorie allein möglich ist (im Rahmen einer ästhetischen Anthropologie), dann enthält sie in sich selbst die Forderung, über die Kunst hinauszugehen. Eine Theorie nur der Kunst kann es nicht geben. Sie muß weitergehen zu ästhetisch-genealogischen Untersuchungen der sozialen Praktiken, die in ihnen die paradoxe Einheit von Vermögen und Kraft aufweisen.
Die These, die diese Untersuchungen zu erweisen versuchen, lautet, daß von der paradoxen Einheit von Vermögen und Kraft – jedesmal anders, aber immer wieder – das Gelingen der sozialen Praktiken abhängt: Die genalogische Untersuchungsweise, deren Programm die ästhetische Anthropologie formuliert, zielt auf einen anderen Begriff der Normativität. Anders ist dieser Begriff, weil er das praktische Gelingen nicht auf rationale Vermögen reduziert: Alles praktische Gelingen, in jeder Gestalt, bedarf der unterbrechenden und verändernden Intervention der Kraft. So wie (nach dem letzten Satz des Buches) das letzte Wort der ästhetischen Anthropologie die Freiheit ist, so zielen die genealogischen Untersuchungen auf eine Befreiung der Praxis, und damit ihrer Teilnehmer, die erst wahres Gelingen – die Wahrheit des Denkens, die Gerechtigkeit des Rechts[11] – möglich macht.
Berlin/Frankfurt am Main, im September 2016
Christoph Menke
17Kraft
»In dem ästhetischen Zustande ist der Mensch also Null …« (Friedrich Schiller)
Wozu Ästhetik? – Die Frage scheint eine einfache und schnelle Antwort zu erlauben: Es gibt, ja, es bedarf der Ästhetik, weil es das Ästhetische gibt: weil es (so, als »ästhetisch«, bezeichnete) Gegenstände gibt, über die philosophisch nachzudenken die Sache der Ästhetik ist; Gegenstände wie die Künste oder wie das Schöne und Erhabene oder wie Sport, Design, Mode usw. Es gibt ästhetische Gegenstände, und deshalb muß es auch eine ästhetische Theorie geben. – Mit dieser Antwort kann die Ästhetik ihren legitimen Platz neben all den anderen philosophischen Teildisziplinen einnehmen; neben den Philosophien der Politik, der Moral, der Wissenschaft, der Technik, der Kultur etc.
Diese Antwort übersieht, daß die Existenz der ästhetisch genannten Gegenstände gar nicht selbstverständlich ist: Ist das, was wir »Kunst« nennen, nicht nur ein weiterer Bereich der Ökonomie – ein Teil der »Kulturindustrie«, zu der auch Sport, Design, Mode usw. gehören? Und ist das, was wir »schön« nennen, nicht nur ein Auslöser von Lustempfindungen (oder entsprechender Ereignisse im Gehirn)? Erst recht ist nicht selbstverständlich, daß diese Gegenstände ein zusammenhängendes Feld bilden, das »ästhetisch« genannt werden kann: Ist es nicht eine Ansammlung von ganz Verschiedenem? Man muß, so scheint es, schon von der Existenz ästhetischer Gegenstände überzeugt sein und sich für sie »interessieren«, um Ästhetik zu betreiben. Wird die Frage »Wozu Ästhetik?« von ihren Gegenständen her beantwortet, dann wird die Ästhetik zum Ausdruck eines persönlichen Interesses – und steigt (und sinkt) im Ansehen mit diesem.
Es sind aber nicht ihre ästhetischen Gegenstände (und das Interesse an ihnen), die die Ästhetik begründen. Vielmehr ist es die Ästhetik, die das Feld der ästhetischen Gegenstände begründet: Die Ästhetik kann nur die Theorie des Ästhetischen sein, weil sie die Konstitution des Ästhetischen ist; weil sie ihren Gegenstand als »ästhetischen« erst hervorbringt. Die Frage »Wozu Ästhetik?« kann nicht durch die Feststellung »Weil es das Ästhetische gibt (und wir Interesse an ihm haben)« beantwortet werden, denn die 20Frage »Wozu Ästhetik?« zu stellen bedeutet, zu fragen: Wozu das Ästhetische? Was bedeutet es, welche Voraussetzungen und welche Folgen hat es, daß die Ästhetik »das Ästhetische« als ihren Gegenstand – und dadurch sich selbst – hervorbringt?
*
Die Erinnerung an die Konstitutionsleistung der Ästhetik wird hier auf dem Weg einer Rekonstruktion unternommen: einer Rekonstruktion der Ausbildung der Ästhetik im 18. Jahrhundert, zwischen Baumgartens Ästhetik und Kants Kritik der Urteilskraft. Darin zeigt sich, daß die Ästhetik nicht den Bereich legitimer Gegenstände der Philosophie erweitert hat – es gab sie alle schon zuvor. Die Ästhetik hat diese Gegenstände durch Einführung der Kategorie des »Ästhetischen« vielmehr auf eine grundsätzlich neue Weise bestimmt. Vor allem aber zeigt sich in der Rekonstruktion der geschichtlichen Ausbildung der Ästhetik, daß die Kategorie des »Ästhetischen« einzuführen nicht weniger verlangt als eine Veränderung der philosophischen Grundbegriffe. In der – oder als – Ästhetik beginnt die moderne Philosophie.
So ist es die Ästhetik, die erste Ästhetik, diejenige Baumgartens, die den Begriff des Subjekts prägt: den Begriff des Subjekts als Inbegriff von Vermögen, als Instanz von Fähigkeiten; des Subjekts als Könner. Indem Baumgarten das sinnliche Erkennen und Darstellen als Ausübung übend erworbener Vermögen des Subjekts faßt, hat er das moderne Verständnis menschlicher Praktiken (und der Philosophie als Untersuchung der Möglichkeitsbedingungen ihres Gelingens) formuliert. Deshalb spielt die Ästhetik, die Reflexion des Ästhetischen, eine tragende Rolle in der modernen Philosophie: In der Ästhetik vergewissert sich die Philosophie des Subjekts, die Philosophie seiner Vermögen, ihrer eigenen Möglichkeit.
Hier, im Ästhetischen und seiner Reflexion, trifft die Philosophie des Subjekts zugleich aber auf ihren entschiedensten Gegner: einen Gegner, der sie von innen heraus bekämpft. Denn der Ästhetik »in Baumgartenscher Manier« (Herder), als Theorie der sinnlichen Vermögen des Subjekts, tritt sogleich eine andere Ästhetik gegenüber: die Ästhetik der Kraft. Sie faßt das Ästhetische nicht als sinnliches Erkennen und Darstellen (von etwas), sondern als Spiel des Ausdrucks – angetrieben von einer Kraft, die nicht wie 21ein Vermögen in Praktiken ausgeübt wird, sondern die sich verwirklicht; die nichts wiedererkennt und nichts repräsentiert, weil sie »dunkel«, unbewußt ist; einer Kraft nicht des Subjekts, sondern des Menschen im Unterschied zu sich als Subjekt. Die Ästhetik der Kraft ist eine Lehre von der Natur des Menschen: seiner ästhetischen Natur in Differenz zur übend erworbenen Kultur seiner Praktiken.
**
Das ist die These, die die sechs Kapitel dieses Buches entfalten wollen. Das erste Kapitel erinnert mit dem rationalistischen Begriff des Sinnlichen an den Ausgangspunkt der Ästhetik: Das Sinnliche ist das, was keine definierbare Bestimmung, kein Maß hat. Das zweite Kapitel rekonstruiert Baumgartens Ästhetik der sinnlichen Erkenntnis als Theorie des Subjekts und seiner Vermögen; daran schließt sich die Kontroverse an, ob die ästhetische Subjektivierung als Individualisierung oder als Disziplinierung zu deuten ist. Das dritte und das vierte Kapitel entwickeln aus Texten von Herder, Sulzer und Mendelssohn die Grundmotive des Gegenmodells einer Ästhetik der Kraft: Das Ästhetische ist als Wirken einer »dunklen« Kraft ein Vollzug ohne Allgemeinheit, jenseits von Norm, Gesetz und Zweck – ein Spiel. Und das Ästhetische ist als Lust der Selbstreflexion ein Prozeß der Verwandlung des Subjekts, seiner Vermögen, seiner Praktiken – ein Prozeß der Ästhetisierung.
Die Ästhetik der Kraft begründet eine Anthropologie der Differenz: zwischen Kraft und Vermögen, zwischen Mensch und Subjekt. Die beiden abschließenden Kapitel erkunden, was daraus folgt: für die Idee der philosophischen Ästhetik und für die Ethik, als Theorie des Guten. Das fünfte Kapitel zeigt in Auseinandersetzung mit Kant, daß eine Ästhetik, die sich als eine Ästhetik der Kraft versteht, die Szene eines unauflöslichen Streits ist: Die Ästhetik entfaltet in der Philosophie den Streit zwischen Philosophie und ästhetischer Erfahrung. Das sechste Kapitel zeigt in Anknüpfung an Nietzsche, welche ethische Bedeutung die ästhetische Erfahrung, als Erfahrung des Spiels der Kraft, hat: Sie lehrt uns, zwischen Handeln und Leben zu unterscheiden; sie lehrt das andere Gute des Lebens.
Die Geschichte der Ästhetik beginnt mit einem Akt der Bestreitung: mit der Bestreitung, daß es eine Theorie, daß es sicheres Wissen um das Schöne geben kann. Am Anfang der Ästhetik steht Descartes’ Zweifel an ihrer Möglichkeit. Er schreibt an Marin Mersenne:
Was Ihre Frage anbelangt, ob man den Grund [la raison] des Schönen feststellen kann, so ist das etwas durchaus Gleiches, wie Sie früher fragten, warum ein Ton angenehmer als der andere ist, außer daß das Wort schön sich ganz besonders auf den Gesichtssinn zu beziehen scheint. Aber ganz allgemein bedeuten weder das Schöne noch das Angenehme etwas anderes als eine Beziehung unseres Urteils auf den Gegenstand; und weil die Urteile der Menschen so verschieden sind, kann man nur sagen, daß weder das Schöne noch das Angenehme irgendein bestimmtes Maß haben.1
Das Schöne hat keinen Grund, keine Vernunft. Deshalb kann man es nicht fassen, »sondern es wird je nach der Vorstellung [la fantaisie] der einen die Gliederung in drei Arten von Figuren die schönste sein, nach dem anderen diejenige in vier oder fünf usw. Was aber den meisten gefallen wird, könnte einfach das Schönste genannt werden, was nicht bestimmt zu werden vermag [ce qui ne saurait être déterminé].« (Ebd.) Das Schöne ist das Unbestimmbare.
Die cartesianische Bestimmung des Schönen durch seine Unbestimmbarkeit macht zwei für die Idee der Ästhetik grundlegende Züge. Der erste Zug besteht darin, das Schöne in das Feld der Sinne zu versetzen. Das Schöne, deshalb setzt Descartes es umstandslos dem Angenehmen (l’agréable) gleich, ist ein Effekt der Sinnlichkeit. Gegenüber dieser Grundbestimmung werden alle Unterscheidungen zweitrangig: ebenso der Unterschied zwischen Natur und Kunst, von gegebenem und gemachtem Schönen, wie der Unterschied zwischen Rezipient und Produzent, von Auffassen und Machen des Schönen. Für Descartes macht es keinen grund23legenden Unterschied, ob er das Spiel wechselnder Eindrücke des Schönen an natürlichen Erscheinungen2 oder an künstlichen Arrangements3 von Farben und Tönen erläutert. Und deshalb macht es ebenso keinen grundlegenden Unterschied, ob man die Hervorbringung des Eindrucks des Schönen von der Seite seiner Produktion, in Werken, oder seiner Reproduktion, in Urteilen, betrachtet. Die Zurückführung des Schönen aufs Sinnliche zieht bisher klar Geschiedenes zu einem Feld zusammen: Natur- und Kunstschönes, Kunstmacher und -betrachter sind bloß unterschiedliche Gestalten der »Sinnlichkeit«. Damit ist das Feld konstituiert, das dann das »ästhetische« genannt werden wird.
Der zweite Zug in Descartes’ Bestimmung des Schönen durch seine Unbestimmbarkeit besteht darin, der Sinnlichkeit, deren Effekt das Schöne ist, jede repräsentative Leistung abzusprechen: Die sinnliche Hervorbringung des Eindrucks des Schönen hat, ob nun im Machen oder Auffassen des Schönen, keinen objektiven Gehalt.4