Krimi Quintett Sonderband 1028 - Chris Heller - E-Book

Krimi Quintett Sonderband 1028 E-Book

Chris Heller

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Burmester und der brasilianische Auftrag (Chris Heller/Walter Appel) Blondes Gift für schwarze Seelen (Wilfrieed A. Hary) Eine Bombenrolle (Wilfried A. Hary) Aus dem Kreis geschleudert (Wilfried A. Hary) Commissaire Marquanteur und die schöne Mörderin von Marseille (Alfred Bekker) Nun, es gibt solche und solche. Und gewisse Kreise wollten Nobel Cooper nicht mehr in ihrer Mitte haben, weshalb sie den unheimlichen Entschluss fassten, ihn über den Jordan zu schicken. Verständlich, dass Cooper etwas dagegen hatte. Nobel Cooper befand sich im Halbschlaf. Er lag auf dem Bauch. Eine erfreuliche Stellung, denn aus dieser Perspektive hatte er eine gute Aussicht auf die Bikinischöne von der Nachbarliege. Über den erbaulichen Betrachtungen war sein Bewusstsein in den Dämmerzustand geglitten. Er glaubte das Bruzzeln der vielen Körper in der Sonne zu hören. Mittelpunkt seines Traumes war die Attraktive, die nun nicht mehr so tat, als wäre er Luft. Gerade schloss er sie in die Arme, ohne Bikini als es geschah. Der Gegenstand, der sich ihm in den Nacken drückte, war kühl, eigentlich angenehm in der Gluthitze der Sonne Floridas. Trotzdem zuckte Nobel Cooper zusammen wie unter einem Peitschenhieb, denn mit untrüglichem Instinkt erkannte er, um welchen Gegenstand es sich handelte. »Keine Bewegung, Cooper!«, zischte jemand nahe seines Ohres.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 636

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alfred Bekker, Wilfried A. Hary, Walter Appel, Chris Heller

Krimi Quintett Sonderband 1028

UUID: 24b5102b-300d-4367-9bfc-3843feaaa633
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Krimi Quintett Sonderband 1028

Copyright

​Burmester und der brasilianische Auftrag: Kriminalroman

Blondes Gift für schwarze Seelen

Eine Bombenrolle

Aus dem Kreis geschleudert

​Commissaire Marquanteur und die schöne Mörderin von Marseille

Krimi Quintett Sonderband 1028

Wilfried A. Hary, Walter Appel, Chris Heller, Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Burmester und der brasilianische Auftrag (Chris Heller/Walter Appel)

Blondes Gift für schwarze Seelen (Wilfrieed A. Hary)

Eine Bombenrolle (Wilfried A. Hary)

Aus dem Kreis geschleudert (Wilfried A. Hary)

Commissaire Marquanteur und die schöne Mörderin von Marseille (Alfred Bekker)

Nun, es gibt solche und solche. Und gewisse Kreise wollten Nobel Cooper nicht mehr in ihrer Mitte haben, weshalb sie den unheimlichen Entschluss fassten, ihn über den Jordan zu schicken. Verständlich, dass Cooper etwas dagegen hatte.

Nobel Cooper befand sich im Halbschlaf. Er lag auf dem Bauch. Eine erfreuliche Stellung, denn aus dieser Perspektive hatte er eine gute Aussicht auf die Bikinischöne von der Nachbarliege. Über den erbaulichen Betrachtungen war sein Bewusstsein in den Dämmerzustand geglitten. Er glaubte das Bruzzeln der vielen Körper in der Sonne zu hören. Mittelpunkt seines Traumes war die Attraktive, die nun nicht mehr so tat, als wäre er Luft. Gerade schloss er sie in die Arme, ohne Bikini als es geschah. Der Gegenstand, der sich ihm in den Nacken drückte, war kühl, eigentlich angenehm in der Gluthitze der Sonne Floridas. Trotzdem zuckte Nobel Cooper zusammen wie unter einem Peitschenhieb, denn mit untrüglichem Instinkt erkannte er, um welchen Gegenstand es sich handelte.

»Keine Bewegung, Cooper!«, zischte jemand nahe seines Ohres.

Ein eisiger Schauer rieselte über seinen Rücken. Er wagte es nicht, den Kopf zu wenden, und wollte etwas sagen.

»Nimm dein Handtuch und dann ab, Freundchen!«, kam ihm die fremde Stimme zuvor.

Verdammt, was soll das?, dachte Nobel Cooper wütend. Er gehörte nicht zu den schreckhaften Figuren, die gleich die Badehose füllten, wenn ihnen jemand das Nervenkostüm in Unordnung brachte. Dafür hatte er schon zu viel erlebt. Im Moment hatte er sich wieder in der Gewalt, und sein verständlicher Ärger führte nicht zu unüberlegten Handlungen seinerseits.

Cooper griff sich das Handtuch und wollte auch die Strandtasche mitnehmen, denn darin war seine Magnum verstaut, aber der Störenfried war nicht auf den Kopf gefallen.

»Nur das Handtuch, sagte ich!«

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

COVER A.PANADERO

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

​Burmester und der brasilianische Auftrag: Kriminalroman

von Walter Appel & Chris Heller
Der Hamburger Privatdetektiv Aldo Burmester hätte es sich niemals vorstellen können, dass er mal einen Auftrag annimmt, der ihn in den brasilianischen Dschungel führt. Aber da es gerade der Schöne Udo von der Reeperbahn auf ihn abgesehen hat, ist es vielleicht gar nicht so schlecht, möglichst weit weg von Hamburg und St. Pauli zu sein. Und nun ist er dort, in Brasilien, um mit Jaqueline Grieger ihren Vater Professor Dr. Norbert Grieger zu finden, der seit Wochen vermisst wird.
Dort erwarten den Detektiv nicht nur die Gefahren des Dschungels, ein skrupelloser Großgrundbesitzer will Aldos Nachforschungen verhindern und setzt Killer auf ihn und Jaqueline an …
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
Aldo Burmester ist eine ERfindung von Alfred Bekker
Chris Heller ist ein Pseudonym von Alfred Bekker
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
1.
Hamburg 1991…
Aldo Burmester, der bekannte Hamburger Privatdetektiv, parkte seinen Wagen in der Nähe von Planten un Blomen, dem Parkgelände neben dem Kongresszentrum. Aldo nahm die Zigarette aus dem Mund, warf sie auf den Boden, um sie auszutreten. Dann atmete er tief durch.
Aldo Burmester war hier, um etwas zu joggen.
Eigentlich hielt er nicht so viel von der Fitnesswelle. Aber andererseits musste er sich für seinen Job etwas in Form halten. Und davon abgesehen, gab es unangenehmere Orte als Planten un Bloemen.
Er öffnete den Kofferraum und zog die Laufschuhe an.
Er überlegte noch, ob er die Automatik mitnehmen sollte, die er normalerweise in einem Schulterholster bei sich trug.
Unter der Trainingsjacke fiel das eigentlich nicht weiter auf.
Aber erstens konnte man beim Laufen auf so ein zusätzliches Gewicht auch gut und gerne verzichten. Sein Handy nahm er schließlich auch nicht mit. Die knochengroßen Funktelefone waren nur bedingt transportabel. Jedenfalls lief man besser, ohne so ein Equipment.
Er entschied sich schließlich, die Waffe im Wagen zu lassen.
Es war zwar eigentlich besser, auf Nummer sicher zu gehen, aber man musste es in dieser Hinsicht ja auch nicht übertreiben.
Die Pistole blieb also im Wagen.
Aldo Burmester machte sich dann daran, seinen Lauf zu beginnen.
Allerdings ging er zunächst mal ganz gemächlich bis zur eigentlichen Parkanlage. Und danach erst verfiel er in einen leichten Dauerlauf.
Die Entscheidung mit der Pistole, sollte er noch bereuen.
*
Aldo Burmester hatte seinen Lauf absolviert und war gelinde gesagt nach einiger Zeit etwas ausgepowert.
Da hörte er einen lauten Schrei.
“Hilfe!”, rief jemand. “Warum hilft mir denn keiner?"
Es war eine Frauenstimme.
Und sie kam aus einem Bereich, der durch einige dichte Büsche verdeckt wurde.
Zu dumm, dass ich die Automatik nicht dabei habe!, dachte Aldo Burmester. Andererseits war das für ihn kein Grund, seine Hilfe zu verweigern. Ohne lange zu überlegen, lief er dorthin, von wo er die Rufe gehört hatte.
Eine junge Frau lag auf dem Boden.
Sie hatte langes, dunkles Haar und trug einen fast hautengen Trainingsanzug. Offenbar hatte sie auch Sport im Park betrieben.
Dachte Aldo zumindest.
Er sollte sich in dieser Hinsicht noch sehr irren.
Aldo lief zu ihr.
“Was ist los?", fragte er.
“Ich bin überfallen worden!”
“Sind Sie verletzt."
“Ich glaube nicht.”
“Wer hat Sie überfallen?"
“Es ging so schnell…. Es ging alles so verdammt schnell…”
“Aber Sie müssen doch etwas - oder besser gesagt - jemanden gesehen haben!”
Aldo ließ den Blick schweifen.
Und dann sah er plötzlich von mehreren Seiten ein paar in Leder gekleidete Typen auf sich zukommen.
Die junge Frau war plötzlich wieder putzmunter.
“Verzieh dich, Katja”, sagte einer der in Leder Gekleideten, der einen Kampfhund an der Leine führte, der schon bedenklich die Zähne fletschte.
Die Automatik wäre jetzt wirklich hilfreich, dachte Aldo Burmester. Aber diese falsche Entscheidung ließ sich jetzt nicht mehr rückgängig machen.
Katja, die gerade noch ein angebliches Überfallopfer gewesen war, stand auf und machte das, was ihr Chef ihr gesagt hatte. Sie verzog sich.
Aldo wusste genau, was das für Typen waren, die sich da versammelt hatten. Der Privatdetektiv hatte vor einiger Zeit ein paar Ermittlungen im Rotlichtmilieu durchgeführt. Es war um eine verschwundene junge Frau gegangen, deren Schicksal Aldo hatte aufklären sollen. Das war zumindest der Auftrag gewesen, den ihm die Eltern der jungen Frau gegeben hatten. Sie war in einem Bordell gelandet und Aldo hatte dafür gesorgt, dass sie jetzt wieder zu Hause in Blankenese war und sich auf das Abitur vorbereitete, anstatt Freier auf der Reeperbahn zu bedienen.
Diese Herren dort hatten allerdings geschäftlich gesehen etwas dagegen gehabt. Nur hatten sie zunächst nichts gegen Burmester unternehmen können.
Doch jetzt sollte das wohl nachgeholt werden.
Auf grobe Art.
Das Ganze sah so aus, als wollte Aldo Burmester eine Abreibung verpassen.
Vielleicht auch mehr.
Katja stand etwas abseits, sah mich an, dann zu dem Typ mit dem Kampfhund.
Das war der schöne Udo.
Eigentlich Udo Laskowski, ein Lude von der Reeperbahn.
Mit ihm war nicht gut Kirschen essen, wenn man ihm in die Queere kam und offenbar hatte er jetzt beschlossen, dass Aldo Burmester mal gezeigt werden musste, wo der Hammer hing.
Vielleicht auch mehr.
Der Kampfhund riss schon an der Leine.
“Ganz ruhig, Wotan”, sagte der schöne Udo. “Du kriegst ja dein Futter gleich. Ob dir der Scheißkerl schmecken wird, musst du mal sehen. Ich hoffe nicht, dass du wieder das Kotzen kriegst, wie nach dem Italiener, dem du das Bein zerfetzt hast.”
Aldo Burmester schätzte seine Chancen ab. Die anderen Schläger verteilten sich. Unter den Lederjacken sah er Waffen. Pistolen, Schlagringe, Messer, Totschläger….
Aldo begriff, dass er wohl keine Chance hatte, den Kerlen zu entkommen.
Er überlegte, was er tun konnte.
Das Ergebnis war ernüchternd.
“Das hat mir nicht gefallen, was du getan hast", sagte der Schöne Udo. “Und weißt du, ich habe nichts persönlich gegen dich, Burmester, aber wenn ich dir das durchgehen lasse, dann hört auf der Reeperbahn keine Sau mehr auf mich. Deswegen muss ich dir jetzt leider wehtun, Burmester. Vielleicht auch dich umbringen… Zum Schweigen bringen, um die Ecke bringen, in Beton versenken… Du kannst dir aussuchen, wie wir die Sache nennen sollen.”
“Hör mal, du hast doch nicht im Ernst vor, mich…”, begann Aldo.
Aber jetzt riss Wotan, der Kampfhund, wieder an seiner Leine und Aldos letzte Zweifel, dass der Schöne Udo tatsächlich zu allem entschlossen war und bereit sein würde, über jede nur erdenkliche Grenze hinauszugehen, waren im Nu verflogen.
Nein, da gab es wohl nur eine einzige Alternative.
Er musste um sein Leben kämpfen.
So gut es ging zumindest.
Der Schöne Udo ging in die Hocke und tätschelte dem geifernden Wotan den Kopf und den Rücken. “Weißt du, man kann immer schlecht abschätzen, wie so ein Hund reagiert. Manchmal beißt er jemanden nur ins Bein. Aber eigentlich ist er darauf trainiert, die Kehle eines Menschen durchzubeißen und zu töten. So schnell, und sicher, wie kaum eine Kugel das vermag.”
“Was du nicht sagst…”
“Wie gesagt, das kann man schlecht vorhersagen. Und ich weiß nicht, Burmester, ob du dich mit Hunden auskennt…."
“Ich glaube, ich mag keine Hunde.”
“Und du hattest auch nie einen, wie ich annehme.”
“Das ist richtig.”
“Manchmal reißen die sich einfach los. So mir nichts dir nichts. Man denkt, man hat sie an der Leine und schwupp sind sie weg und machen irgendeinen Unsinn. Da kann ich dann auch nichts dafür…"
“Und du denkst, dass du damit vor Gericht durchkommst, Schöner Udo?”
Der Schöne Udo lachte.
Und seine Begleiter lachten auch.
Ihr widerliches breites Grinsen konnte einem den Atem stocken lassen.
Das waren brutale Kerle, denen ein Menschenleben ziemlich unwichtig war.
Burmester hatte sie ja bei seinen Ermittlungen kennengelernt.
Er hatte einen von ihnen verprügelt.
Der grinste jetzt besonders breit.
Ein Grinsen, das wohl seine ganze Genugtuung darüber ausdrückte, dass sich das Blatt nun gewendet hatte und er auf der Gewinnerseite stand, wie er glaubte.
“Gericht? Wovon träumst du denn, Burmester?”, gab der Schöne Udo zurück. "Weißt du, das einzige Gericht, das auf St. Pauli akzeptiert wird, ist mein Richterspruch. Und ich bin auch gleichzeitig der Henker, wenn es sein muss, verstehst du? Ja, mein guter Wotan, ich weiß, du bist hungrig und brauchst was zwischen die Zähne…”
“Vielleicht sollten wir nochmal reden", sagte Burmester.
“Reden? Worüber denn? Dass du mir eine Tussi geklaut hast, die jetzt für mich anschaffen könnte? Dass das ein herber Verlust für mich ist? Dass sich die Konkurrenz jetzt über mich kaputtlacht und mich nicht mehr Ernst nimmt? Sollen wir darüber reden, Burmester? Wenn du nicht so ein Blödmann wärst, dann würdest du das selber wissen.”
“Hörmal…”
“Oder du willst einfach nur Zeit gewinnen? Aber damit ist jetzt Schluss!”
Und dann ließ er Wotan einfach los.
Der Hund kam auf Aldo Burmester zugestürmt.
Aldo fixierte ihn mit seinem Blick.
Er hatte eine Chance.
Genau eine.
Als der Hund ihn erreichte, trat er zu.
Und er traf.
Ganz genau traf er.
Mit voller Wucht erwischte Burmester den Kopf der Bestie.
Im nächsten Moment war das Tier ausgeknockt. Ein klassischer K.O. war das. Die Wucht des Trittes war so stark, dass sich Wotan noch in der Luft drehte und dann wie ein nasser Sack auf den Boden fiel.
Dann rührte er sich nicht mehr.
“Wotan!”, schrie der Schöne Udo.
Dieser brutale Kerl mochte mit niemandem Mitleid haben. Und vermutlich hätte er in aller Seelenruhe zugesehen, wie Wotan den Privatdetektiv mit den Zähnen zerfetzte. Aber jetzt litt er mit Wotan mit. Er schien also doch zur Empathie fähig zu sein.
Wer hätte das gedacht!, ging es Aldo durch den Kopf.
Auch die anderen Schläger waren beeindruckt. Sie schienen etwas unschlüssig darüber zu sein, wie sie reagieren sollten.
Ihre Blicke gingen zu ihrem Boss hin.
“Reißt ihn in Stücke für das, was er meinem Wotan angetan hat!"
“Echt jetzt, Chef?”, meinte einer.
"Meinst du, ich sag sowas zum Spaß!”, brüllte der Schöne Udo jetzt. Und dabei wurde er puterrot. Sein Hals schwoll an und die dicke Ader dort trat auf eine Weise hervor, die nicht wirklich gesund wirkte.
“Soll ich die Kanone nehmen?”, fragte einer der Schläger.
“Nein, er soll leiden!”, sagte der Schöne Udo.
“Schon kapiert, Chef!”
Dann griff der erste der Typen Aldo an. Mit dem Schlagring und einem Totschläger.
Aldo schaltete ihn mit einem Faustschlag aus, nachdem er dem Schlag des Typen geschickt ausgewichen war.
Dann kam der Zweite. Der hatte ein Messer.
Aldo wich dem Stoß aus, stach ihm mit den Fingern in die Augen und riss ihm dann die Pistole aus dem Gürtel.
Mit der schoss er dann dem dritten Schläger ins Bein.
Dann richtete er die Waffe auf den Schönen Udo.
“Und jetzt bist du dran, du Scheißkerl!”, sagte Burmester.
“Das vergesse ich dir nie - das, was du mit meinem Wotan gemacht hast."
“Der Hund kann nichts dafür, aber ich würde ihm ungern noch einmal begegnen”, sagte Aldo.
Er richtete die Waffe auf den ausgeknockten Hund und drückte ab.
Der Hundekörper zuckte noch einmal.
Das war es dann.
“Lauf mir nie wieder über den Weg, Schöner Udo”, sagte Aldo dann. “Sonst geht es dir wie deinem Kampfhund!”
“Wotan!”
Tränen rannen jetzt über die Wangen des schönen Udo.
Dann griff er unter die Jacke und riss einen Revolver hervor.
Aldo feuerte und traf den Schönen Udo am Oberkörper. Der Lude wurde zurückgerissen, taumelte und ging dann zu Boden.
Burmester ging zu ihm hin und kickte ihm die Waffe fort, die ihm aus der Hand gefallen war.
“Ruf einen Arzt!”, ächzte der Schöne Udo.
“Ich rufe die Polizei, die Arsch”, sagte Aldo.
“Du bist ein Mörder, Burmester!”
“Ach!”
“Du hast meinen Hund ermordet!”
“Besser ich ihn als er mich.”
“Du bist ein Schwein, Burmester. Jemand, der einen Hund so behandelt, ist überhaupt kein Mensch! Du hast kein Gefühl, Burmester!”
“Schon klar”, sagte Burmester.
*
Aldo ging zu seinem Wagen. In diesem Augenblick hatte er einen Wunsch für die Zukunft. Irgendwann, dachte er, sollten Handys so klein sein, dass man sie beim Joggen tragen kann. Er nahm sein Handy aus dem Handschuhfach seines Mercedes und rief die Polizei. In diesem Fall erstmal seinen Freund Kommissar Sven Dankwers von der Mordkommission.
*
“Du hast jetzt ein Problem”, sagte Kommissar Dankwers später, als sie zusammen in Dankwers’ Büro im Polizeipräsidium saßen.
“Weil ich einen Hund erschossen habe?"
“Nein. Weil du dir deinen Feind gemacht hast."
“Ich hoffe, der Schöne Udo ist erstmal für eine Weile aus dem Verkehr gezogen.”
“Seine Schussverletzung wird heilen, Aldo. Und wie lange er in den Bau wandert, wird ein Gericht entscheiden. Aber das ist nicht das Problem."
“Dann erklär es mir.”
"Der Schöne Udo ist nur ein kleines Rädchen in einer größeren Organisation. Und diese Leute mögen so etwas nicht. "Sie mögen es nicht, wenn jemand einen ihrer Leute anpisst und genau das hast du getan, Aldo.”
Aldo Burmester atmete tief durch.
“Ich weiß, Sven.”
“Die werden dich jetzt auf ihrer Liste haben, Aldo.”
"Was sind das für Leute?"
“Wir wissen es nicht genau. Aber es wäre nicht schlecht, wenn du vielleicht eine Weile Urlaub machst.”
“Ich soll einfach verschwinden?”
“Ich sag nur, was gut für dich wäre, Aldo. Nicht, was du tun sollst.”
“Ich verstehe schon.”
*
Als er später zu seinem Büro zurückkehrte, begrüßte ihn seine Assistentin Jana Marschmann. “Du warst ja ziemlich lange weg, Aldo.”
“Ich weiß.”
“Da war ein Anruf für dich.”
“So?”
“Ich dachte, du wolltest nur etwas joggen.”
"Ich habe ein paar Männer verprügelt, einen angeschossen und einen Hund getötet, der mich zerfleischen wollte.”
“Klingt nach einem ereignisreichen Vormittag.”
“So kann man es auch ausdrücken.” In knappen Worten fasste er zusammen, was er sich zugetragen hatte. “Und was war das für ein Anruf?”, fragte er dann.
“Wegen einem Auftrag.”
“Was für ein Auftrag?"
“Ich habe es nicht ganz verstanden. Du sollst irgendwas in Brasilien erledigen. Das muss noch abgeklärt werden…"
"Brasilien?"
“Genauer gesagt: Amazonien.”
“Ist vielleicht gar nicht so schlecht", meinte er. Er dachte daran, was Kommissar Dankwars gesagt hatte. Dass Burmester jetzt am besten irgendwo anders und weit weg sein sollte.
Brasilien war wohl weit genug weg.
Der Auftrag kam vielleicht gerade passend!
*
Professor Dr. Norbert Grieger hörte das Kläffen des Rottweilers und die portugiesischen Worte seiner Verfolger. Er rannte den Dschungelpfad entlang. Es war dunkel unter dem Laubdach der Urwaldriesen am Japurá, einem linken Nebenfluss des Amazonas.
Grieger rannte um sein Leben. Er wusste, sie würden ihn töten, wenn sie ihn einholten. Der Professor war nicht mehr der Jüngste. Er keuchte. In Strömen lief ihm der Schweiß herunter. Sein Herz hämmerte schmerzhaft gegen die Rippen. In seiner Seite stach es.
Bitte, lass mich durchhalten, Gott!, dachte Grieger. Ich muss das Dorf der Jacarare-Indios erreichen. Dort bin ich in Sicherheit. Aber es waren noch vier Kilometer bis dorthin.
Die Verfolger holten auf. Für sie war die Jagd ein Vergnügen, und mit dem Rottweiler, der die Fährte witterte, konnte der Gejagte sie nicht abschütteln. Grieger geriet vom Pfad ab. Er lief durchs Unterholz, wobei zähe Ranken nach seinen Füßen griffen und ihn hemmten, immer in der Hoffnung, doch noch einen Ausweg zu finden. Wenn er nur den Hund hätte abschießen können. Doch ein Taschenmesser war seine einzige Waffe.
»Lass den Hund los!«, hörte der Professor seine Verfolger schreien.
Der Rottweiler brach durchs Dickicht und raste heran. Der abgehetzte Mann zog sein Taschenmesser, das gegen einen ausgewachsenen, vierzig Kilo schweren Rottweiler eine höchst unzureichende Waffe war. Professor Grieger schluchzte vor Angst und Verzweiflung.
Er sah den Rottweiler in der Dunkelheit erst im letzten Moment. Kaum ein Lichtschimmer vom gestirnten Himmel, an dem der Vollmond wie eine strahlende Silbermünze prangte, fiel durch das Laubdach der Urwaldriesen.
Viel zu langsam hob Grieger das aufgeklappte Taschenmesser. Der Ansturm des Rottweilers warf ihn nieder. Das Taschenmesser flog weg, ohne dass es den Rottweiler auch nur geritzt hätte. Professor Grieger erwartete, die Kehle durchgebissen zu bekommen. Zwar schützte er sie mit dem Arm. Doch der Rottweiler konnte mit seinem mächtigen Gebiss den Unterarm des fünfzigjährigen, drahtigen Gelehrten knacken wie einen morschen Ast.
Schweißgebadet und völlig verkrampft vor Angst lag der Professor am Boden. Der Rottweiler stand knurrend über ihm. Er kläffte, um den Verfolgern zu melden, dass er sein Opfer gestellt hatte. Grieger wagte nicht, sich zu rühren.
Er hörte durch das Hecheln des Hundes, dessen Geifer auf ihn niedertropfte, die Schritte und dann die keuchenden Atemzüge seiner Verfolger. Sie waren zu viert. Als sie Grieger erreichten, leuchtete einer ihm mit der grellen Stablampe ins Gesicht.
»Verdammter Indianerfreund«, knirschte er.
Der Gelehrte brachte keinen Laut heraus. Eine zweite Stablampe wurde eingeschaltet. Dadurch sah Grieger den Sprecher, einen spitzbärtigen Brasilianer portugiesischer Abstammung. Der Bart und die dunklen, stechenden Augen in dem hageren Gesicht, die verkniffene Miene und der grimmig verzogene Mund gaben ihm etwas Mephistophelisches. Der Häscher hatte einen Lederhut auf dem Kopf und trug einen goldenen Ring im linken Ohr. Sein Hemd stand über der schweißbedeckten Brust offen. Ein Medaillon glänzte darauf. Er trug einen patronengespickten Gürtel und eine billige Quarzuhr.
In der Rechten, und das war das Ausschlaggebende, hielt er einen schweren, langläufigen, vernickelten Magnum-Revolver. An dieser Hand waren der Ringfinger und der Mittelfinger verstümmelt, was den Canganceiro jedoch nicht am Schießen hinderte.
Sekundenlang hörte Professor Grieger nur die nächtlichen Tierstimmen im Dschungel am Rio Japurá. Dann zuckte eine ellenlange Stichflamme aus der Revolvermündung, die bis dahin dunkel wie der Tunnel des Todes gegähnt hatte. Der Deutsche spürte einen fürchterlichen Schlag an den Kopf. Sein Bewusstsein zerbarst in tausend Fragmente.
Grieger war auf der Stelle tot. Jaulend wich der Rottweiler von der Leiche mit dem kleinen Einschuss an der Stirn und dem fehlenden Hinterkopf. Das Krachen des Schusses erzeugte einen Höllenlärm im Dschungel. Affen und Vögel schrien. In der Nähe befindliche Tapire grunzten und flohen. Gürteltiere entfernten sich raschelnd.
Allmählich legte sich der Lärm. Die vier Mörder zündeten sich Zigaretten an und ließen eine Taschenflasche mit scharfem Rum kreisen. Der Mann, der geschossen hatte, erschlug klatschend einen Moskito an seinem Hals und fluchte.
»Was fangen wir mit dem Toten an?«, fragte einer seiner Komplizen.
Der Todesschütze war der Anführer des Killer-Quartetts.
»Wir schleifen ihn ins Gebüsch und lassen ihn liegen«, bestimmte er. »Zum Fraß für die Tiere des Dschungels und als Warnung für die Jacarares. Der Deutsche wird sich nicht mehr für ihre Belange einsetzen.«
»Ich habe in der Nähe einen Termitenhaufen gesehen. Lasst uns die Leiche auf den Ameisenhaufen werfen! Dann finden die Jacarares seine blank genagten Gebeine, was ihnen zu denken geben wird.«
»Gute Idee, Miguel«, sagte der Todesschütze zu dem Sprecher. »Aber zuerst schaut nach, was er in seinen Taschen hat. Seine Uhr gehört mir. Schließlich habe ich ihn erschossen.«
Die Mörder leerten die Taschen des Toten. Miguel fluchte, weil das Hemd blutig war.
»Das kriege ich nicht mehr heraus. Seine Schuhe sind mir zu groß. Sapristi, was hat dieser Hurensohn für eine Schuhgröße. Die Latschen kann er behalten. Sie passen keinem normalen Menschen.«
»Was ist mit seinem Ring?«, fragte der Todesschütze.
»Ein billiges, wertloses Ding«, sagte der Mestize Miguel, der über dem Toten kniete.
Keiner wollte den Ring. Der Rest der kargen Beute war schnell verteilt. Dann schleiften zwei Männer die Leiche zu dem mehr als mannshohen Termitenhaufen. Sie brachten sie nicht ganz dorthin, bloß in die Nähe. Die großen, gefräßigen Ameisen wären ihnen sonst unter die Kleider gekrochen und hätten sie übel gebissen. Doch die Nähe des Ameisenhaufens genügte.
Bald war die Leiche von schwarzen, bis zu drei Zentimeter großen Ameisen bedeckt. Die Mörder verließen den Tatort, den Rottweiler am Stachelhalsband an der Leine. Es herrschte wieder Ruhe im Dschungel. Nur eine Blutpfütze auf dem Pfad sowie Hirn- und Knochensplitter und zertrampelte Spuren blieben dort von der Tragödie, die das Leben des zurzeit wohl engagiertesten Verfechters der Rechte der Amazonasindios gekostet hatte.
2.
„Jana, bitte ruf beim Flughafen an. Buch mir einen Flug nach Manaus Nach Möglichkeit ohne Zwischenstopp.“ Aldo Burmester stand im Türrahmen, der zu der Tür gehörte, die in sein Büro führte, das sich in einer Traumetage in der Beenckstraße an dem westlichen Ende des Wilhelmburger Inselparks befand.
„Erstens, mein Lieber, einen Flug nach Manaus wirst du ohne Zwischenstopp nicht bekommen. Du wirst in Zürich zwischenlanden und von dort nach Sao Paulo fliege. Dort steigst du in den nächsten Flieger, der dich nach Manaus bringt“, erklärte ihm seine Sekretärin schnippisch.
Dass Jana Marschmann sich bereits informiert hat, erstaunte ihn nicht im Geringsten, denn sie wusste von seinem neuen Auftrag, der ihn nicht gerade um die Ecke führte.
„Dann nehme ich an, dass meine kluge Sekretärin diesen Flug bereits für mich gebucht hat“, meinte er dazu.
Jana drehte sich mit dem Schreibtischsessel etwas zur Seite. Dann lehnte sie sich nach hinten, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schlug ihre langen schlanken Beine grazil übereinander, die – und nicht nur die – Aldo mit Genuss bewunderte, denn seine Sekretärin war eine Schönheit. Ihre Figur – ein Meisterwerk der Natur!
Jana schmollte immer noch.
„Nein, die kluge Sekretärin wollte nicht übereifrig sein, denn sie ist immer noch der festen Meinung, dass sie ihren Chef begleiten sollte – und das aus vielerlei Gründen, wie sie es ihm vor einer Stunde bereits klarzumachen versucht hat.“
„Und der Chef hat ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass es dort viel zu gefährlich für so eine hübsche Person wie sie ist, und außerdem wird sie hier benötigt. Die Stellung halten, wie man so schön sagt.“
Jana schnaubte verächtlich.
„Gefährlich, so ein Quatsch! Außerdem weiß ich mich zu wehren …“
„So, so, das Fräulein weiß sich zu wehren.“ Aldo Burmester lachte spöttisch auf. „Im dichten Urwald, wo es giftige Schlangen und anderes Getier gibt, das dir gefährlich werden kann.“
„Ach, dir etwa nicht?!“, konterte sie bissig.
Doch Aldo ließ sich nicht beirren.
„Auch der Amazonas ist gefährlich. Fleischfressende Fische …“
„Du meinst Piranhas. Die beißen nur, wenn sie Blut riechen. Ist wie bei Haien“, belehrte Jana ihren Chef.
„… und plötzlich auftauchende große Reptilien, die dich unter Wasser ziehen und verspeisen.“
„Das sind Kaimane, eine Unterart der Alligatoren. Tja, und du solltest dich vor den winzigen Candirus in Acht nehmen. Den nennt man auch Vampirfisch. Und weißt du warum? Ich werde es dir sagen. Die saugen nämlich Blut von anderen Fischen. Doch am liebsten stürzen die sich auf das beste Stück des Mannes. Höllische Schmerzen sind dir gewiss“, grinste sie. Aber dann wurde sie wieder schlagartig ernst. „Aldo, das sind doch alles nur fadenscheinige Ausreden von dir. Du weißt genau, dass ich dir bei deinem neuen Fall eine Hilfe und kein Klotz am Bein sein will.“
Burmeister stöhnte genervt auf.
„Jana, diesen Disput hatten wir bereits des Öfteren. Also kennst du meine Antwort.“ Der Privatdetektiv war nicht gewillt nachzugeben. Besonders nicht in diesem Fall. „Außerdem bezahlt der Klient für diese Aktion nur für eine ermittelnde Person. Und das ist meine Wenigkeit. - Also nein!“
Jana starrte ihn wütend an, doch das kannte Aldo schon von ihr. Sie würde sich nach einer gewissen Zeit schon wieder einkriegen. Wie sonst auch immer.
„Rufst du bitte an und buchst für mich den Flug nach Manaus?“, fragte Aldo Burmeister.
Jana brummte etwas vor sich hin, als sie sich wieder an ihren Schreibtisch zurückdrehte.
Aldo Burmester ging zurück in sein Büro und von dort aus in sein Apartment, das sich an dem Büro anschloss, um schon mal mit dem Packen anzufangen ...
3.
Aldo Burmester hatte einen vierundzwanzigstündigen Flug hinter sich. In Hamburg hatte er sich in den Flieger gesetzt, ist in Zürich und Sao Paulo zwischengelandet. Eine Maschine der brasilianischen Fluggesellschaft VARIG hatte Aldo dann von Sao Paulo nach Manaus befördert. Die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaats Amazonien, in den halb Europa hineingepasst hätte, hatte 2,02 Millionen Einwohner, moderne Hochhäuser und Geschäftsbauten, die in neuerer Zeit errichtet worden waren, und eine Menge Prunk- und Protzbauten aus der Zeit des Kautschukbooms.
Das irrwitzigste Gebäude war das Teatro Amazonas, die überaus prachtvolle Oper aus einer Zeit, in der die Kautschukbarone sich alles kaufen und leisten konnten. Sogar Spitzentenöre. Caruso hatte hier gesungen, wie Aldo Burmester in seinem durchgeschwitzten Tropenanzug einer Gedenktafel im Foyer entnahm.
Aldo wandelte zwischen den Marmorsäulen und wartete auf die junge Frau, die er hier treffen sollte.
Sie hieß Jaqueline Grieger und war die Tochter des seit einigen Wochen vermissten Völkerkundlers und Indianerforschers Professor Dr. Norbert Grieger. Der Professor war eine weltweit bekannte Kapazität gewesen. Sein Verschwinden hatte bohrende Fragen aufgeworfen. Die Wissenschaftliche Fakultät der Universität Hamburg, für die er gearbeitet hatte, wenn auch nicht ausschließlich, wollte sie aufgeklärt wissen.
Deshalb hatte der Rektor der Universität Aldo Burmester angeheuert. Aldo war sofort nach Brasilien geflogen, genauer gesagt nach Amazonien. Professor Griegers einzige Tochter, die noch studierte und in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte, war schon in Amazonien.
Aldo überlegte gerade, ob er sich ins Café des Opernhauses setzen sollte, als ein hagerer Mestize hinter einer Säule hervor- und auf ihn zutrat.
»Wie spät ist es Senhor?«, fragte der ziemlich zerlumpt gekleidete Mann auf Portugiesisch, wovon Aldo nur ein paar Brocken verstand. Das Tippen aufs Handgelenk, das keine Uhr aufwies, und die fragende Miene verrieten jedoch, was er wissen wollte.
»Gleich später«, antwortete Aldo und war wohlweislich auf der Hut.
Der Mestize zog blitzschnell ein Messer unterm Hemd hervor und stach zu. Aldo blockte den Stich ab, konnte jedoch keinen Hebelgriff ansetzen. Sein Gegner war drahtig und schnell. Er riss sich los. Abermals griff er an. Die Mitglieder einer Besichtigungsgruppe, die mit Führer das neoklassizistische Opernhaus besuchte, stutzten. Einige schrien auf.
Aldo erhielt eine Schramme am Arm. Er hatte seine Automatic am Bahnhof im Koffer im Schließfach, weil er sich nicht abschleppen wollte. Mit einem Mordanschlag hatte der Privatdetektiv nicht gerechnet. Das rächte sich jetzt.
Sein Gegner, schnell auf den Beinen, versuchte alles, um Aldo zu erstechen. Er täuschte an, wechselte die Klinge mehrmals rasch von der Rechten in die Linke und stand Aldo gegenüber, der sich voll konzentrierte.
Wieder zischte das Messer vor. Aldo drehte im letzten Moment den Oberkörper. Die Klinge zerfetzte sein Hemd. Der athletische Privatdetektiv traf den Messerstecher mit dem Ellbogen am Kinn, dass es nur so krachte. Der Mestize taumelte zurück und fing sich einen Handkantenschlag von Aldo Burmester ein.
Er verlor das Messer, ging zu Boden, rollte sich über die Marmorfliesen und sprang katzenhaft schnell wieder auf die Beine. Er flitzte davon. Ihn zu verfolgen war zwecklos. Aldo presste das Taschentuch gegen die Schramme am Arm.
Der Führer der Besuchergruppe näherte sich ihm. Als er feststellte, dass er einen Deutschen vor sich hatte, fragte er Aldo in verständlichen Deutsch, was der Angriff des Messerstechers auf ihn zu bedeuten hätte.
»Woher soll ich das wissen?«, fragte der Privatdetektiv. »Das müssen Sie schon den Messerhelden fragen.«
»Das dürfte kaum möglich sein. Soll ich die Polizei verständigen?«
»Wozu?«, erwiderte Aldo. »Der Bursche ist weg. Die Schramme stört mich nicht weiter. Das reicht.«
Der Fremdenführer wünschte Aldo noch einen guten Aufenthalt in Manaus und bat ihn, seine üble Erfahrung nicht zu verallgemeinern. Aldo wartete weiter auf Jaqueline Grieger. Ungeduldig schaute er auf die Uhr. Ein wenig pünktlicher hätte sie schon sein können, nachdem sie ihn am Flughafen extra hatte ausrufen lassen und ihn telefonisch zu dem Treffen bestellt hatte.
Oder war es eine Falle gewesen? Befand Frau Grieger sich vielleicht selbst in Schwierigkeiten? Aldo war drauf und dran, sich ein Taxi zu nehmen, zum Bahnhof zu fahren und sein Gepäck und das Schießeisen zu holen. Da sprach ihn ein Wärter der Amazonas-Oper an. Er trug eine Operettenuniform, mit der er ohne weiteres auf die Bühne gekonnt hätte. Er steckte Aldo einen Zettel zu.
»Ich werde bedroht und kann Sie nicht im Teatro treffen«, las Aldo. Die Schrift sah ganz so aus wie von Frauenhand. »Kommen Sie ganz schnell zur Anaconda-Bar am Fluss, Rua dos Trefes 14. Ich warte auf Sie. J. G. -P. S.: Seien Sie vorsichtig!«
Die Nachricht hätte ich haben sollen, bevor der Mestize an mir das Tranchieren üben wollte, dachte Aldo. J. G. waren die Initialen von Jaqueline Grieger.
»Senhorita Grieger?«, fragte er den Wärter. »Deutsche?«
Der Wärter nickte eifrig. Aldo gab ihm ein Trinkgeld, verließ die Oper, die jetzt ziemlich sinnlos am Zusammenfluss von Amazonas und Rio Negro stand, und nahm sich ein Taxi. Er sah nicht mehr, wie der uniformierte Wärter hinter ihm her grinste und nach dem Trinkgeld des Gringos sowie einem ganzen Bündel Cruzeironoten tastete, die er aus anderer Quelle in seiner Tasche trug.
Der Wärter fuhr sich vielsagend mit dem Daumen über die Kehle. Er hatte eine Halsabschneidernatur. Ihn kümmerte nicht im Geringsten, dass er den Deutschen in den sicheren Tod geschickt hatte. Am Amazonas waren Menschenleben billig, und wer fragte nach einem Fremden?
4.
Es war heiß und schwül jetzt im Juni, die Luftfeuchtigkeit hoch. Dazu kam noch der Smog, den Manaus wie jede Großstadt hatte. Von Katalysator und Abgasentgiftung für Autos genau wie die Industrie, hielten die Brasilianer nicht viel. Umweltschutz wurde hier klein geschrieben, zum Schaden des rücksichtslos ausgebeuteten Regenwaldes.
Greenpeace und andere Organisationen, die das ändern wollten, steckten hier noch in den Kinderschuhen.
Aldo nahm sich ein Taxi und fuhr durchs menschenwimmelnde Manaus. Die Hauptverkehrsader war noch immer der Fluss, oder waren vielmehr die Flüsse, nämlich der riesige Amazonas mit seinen zahlreichen Nebenflüssen. Von Edelhölzern über Kautschuk bis hin zu den Bodenschätzen, die schwer beladene Frachter aufnahmen, wurden Tag für Tag Tausende Tonnen auf dem breit und majestätisch dahinströmenden Amazonas verschifft.
Mit 6.815 Kilometer Gesamtlänge, davon 4.300 schiffbar, und einem Einzugsbereich von sieben Millionen Quadratkilometern waren der Amazonas und seine über zweihundert Nebenflüsse die Wasseradern der Grünen Hölle, in die sich die Zivilisation mit all ihren Schattenseiten gnadenlos vorfraß. Vertreibung und Völkermord an den Indiostämmen von Amazonien, Zerstörung des für das Weltklima immens wichtigen Regenwaldes und rücksichtslose Ausbeutung der Bodenschätze grassierten hier.
Wer sich dagegen auflehnte, riskierte sein Leben. Soviel wusste Aldo Burmester schon von der Allgemeinbildung her. Und auch, dass Professor Grieger Anstoß erregt hatte.
Die »Anaconda-Bar« stand in einem schmuddeligen Stadtteil in der Nähe des Flusshafens. Die Bar war nicht nur am, sondern auf Pfählen im Wasser erbaut. Auf ihrer Veranda lungerten finster aussehende Nichtstuer und zwei Dirnen herum. Außer regelmäßiger Arbeit und häufigem Waschen schreckte sie nichts im Leben.
Der Taxifahrer kassierte den Lohn für die Fahrt nach Cruzeiros und war nicht bereit, auf Aldo zu warten, der auf einem Steg zu der Bar gehen musste. Der Fahrer, ein Schwarzer, konnte sich mit Aldo verbal schlecht verständigen. Er fuhr sich daher mit dem Daumen über die Kehle und schaute erst auf Aldo und dann fragend zur Bar. Wollen Sie wirklich in dieses Mörderloch?, hieß das. Aldo zuckte die Achseln und ging los.
Schweigen empfing ihn, als er die Bar betrat. Die Herumlungerer auf der Veranda hatten ihn finster gemustert.
In der Bar drehte sich ein Flügelventilator und verteilte die heiße Luft. Eine Treppe führte in ein Halbgeschoss hoch. Hinter der Bar standen Flaschen, hauptsächlich mit Zuckerrohrschnaps, auf den Regalen.
Der Barkeeper hatte das Hemd bis zum Nabel offen. Es zeigte einen behaarten Schmerbauch. Mehrere Frauen, die keine Damen waren, befanden sich in der Bar – Prostituierte in allen Farbschattierungen, leicht bekleidet, lasziv und verlockend für jeden, der einige Schnäpse intus hatte und Geschlechtskrankheiten nicht fürchtete.
Die männlichen Barbesucher, etwa zwanzig in dem mit Leichtholzmöbeln ausgestatteten Raum, sahen wenig vertrauenerweckend aus. Sie waren durch die Bank jung, was in Brasilien, wo 53 Prozent der Bevölkerung unter zwanzig waren, als normal gelten musste.
Aldo spürte die Spannung in der Bar, über deren Tresen eine sechs Meter lange ausgestopfte Anakonda hing. Sie war in Windungen aufgehängt, sonst hätte sie nicht da hingepasst. Aus dem Rachen der Anakonda ragte ein zur Hälfte verschlungenes, ebenfalls ausgestopftes Wildschwein.
Ohne Erklärung stellte der Barkeeper Aldo Burmester ein Glas mit einer wasserhellen Flüssigkeit hin. Der Privatdetektiv in der leichten Tropenkleidung nippte daran und spuckte die Brühe wie ein Wasserspeier über den Tresen.
»Condeno – verdammt!« Fluchen konnte Aldo immerhin in der Landessprache. »Das ist wohl das Zeug, mit dem hier auch die Autos fahren?«
Fünfundachtzig Prozent der in Brasilien produzierten Autos waren mit Alkoholmotoren ausgerüstet. Daher die Bemerkung. Äthanol-Alkohol, aus Zuckerrohr gewonnen, war angesichts der hohen Ölpreise bei einer jährlichen Inflationsrate von circa fünf Prozent für Brasilien günstiger. Dafür brauchten keine Devisen aufgewendet zu werden. Beim Tanken lag das Äthanol um ein Drittel billiger als Benzin. Importunabhängig war man damit auch noch.
Die Bargäste, Männer wie Frauen, lachten. Eine Mulattin amüsierte sich so, dass es sie schüttelte und ihr die üppige Brüste fast aus dem Kleid hüpften. Aldo grinste und verzog keine Miene, obwohl sein Rachen brannte, als ob er verätzt worden sei.
Ein herkulischer Mestize saß dicht neben Aldo an der Bar. Er griff nach der Flasche, aus der der Keeper den Drink für Aldo eingeschenkt hatte, und setzte sie an.
Der Privatdetektiv schaute gespannt zu, was jetzt passieren würde. Doch nur der Adamsapfel des Mestizen hüpfte, als er trank. Sein Gaumen und seine Innereien schienen aus Messing zu bestehen.
»A suada saúde – prosit!«, sagte Aldo.
Der Mestize nickte ihm zu, grinste und zeigte dabei im Gegensatz zu seinem muskelstrotzenden Körperbau völlig vergammelte schwarze Zahnstummel. Vielleicht hatte er sie von dem Zeug, das er trank.
Er schaute auf Aldo, sagte Verschiedenes, was der Privatdetektiv nicht verstand, und fuhr sich mit dem Daumen über die Kehle. Das war offensichtlich.
Aldo schaute sich nach einem Fluchtweg um. Doch sämtliche Ausgänge waren versperrt. Überall standen Bargäste und schauten ihn an wie der Schlachter den Ochsen.
Der Mestize auf dem Barhocker deutete auf das ausgestopfte Wildschwein im Rachen der Anakonda und dann auf Aldo. Was er dazu sagte, erweckte wieder die allgemeine Heiterkeit. Aldo konnte sich denken, was gemeint war.
Ihm sollte es in der »Anaconda-Bar« gehen wie jenem Wildschwein. Aldo Burmester behielt die Fassung. Er regte sich überhaupt selten auf, hatte nur selten Angst. Weniger gefährlich wurde die Situation davon nicht. Also galt es, kühlen Kopf zu bewahren.
»Ich suche Senhorita Jaqueline Grieger«, radebrechte er.
Die Bargäste rückten näher. Sie waren entschlossen, Aldo auseinanderzunehmen. Man erwartete ihn in Amazonien. Cool deutete Aldo auf die Flasche mit dem gut Achtzigprozentigen.
»Kann ich noch einen Drink haben?«
Der Mestize mit dem schwellenden Bizeps, offensichtlich eine angesehene Persönlichkeit hier, nickte. Er wollte den Spaß haben, Aldo nochmals Schnaps speien zu sehen.
Aldo Burmester schenkte sich ein Glas ein, zog seine Zigaretten hervor und bot dem überraschten Mestizen und dem Barkeeper eine an. Beide nahmen die Zigaretten, würden deshalb jedoch nicht geneigt sein, den Deutsche zu verschonen. Aldo hängte sich selber eine Zigarette in den Mundwinkel und zückte sein Feuerzeug.
»A suada saúde«, sagte er nochmals, wohlerzogen, wie er war, und schüttete dem Mestizen mit einer blitzschnellen Bewegung aus dem Handgelenk den Schnaps in die Augen.
Der Mann brüllte auf wie ein Stier im Schlachthof, den der Bolzen verkehrt erwischt hatte. Aldo verpasste dem Barkeeper einen Kinnhaken, zerschlug die Schnapsflasche an der Bar und zündete die Lache mit seinem Feuerzeug an. Sofort schlug eine Flamme hoch.
Das geschah blitzschnell. Der Mestize war aufgesprungen und schlug nach Aldo, konnte ihn jedoch nur verschwommen sehen. Aldo wich aus und verpasste dem Amazonier eins auf die Leber. Wie erwartet, hatte sie unter dem achtzigprozentigen Schnaps und anderen Drinks dieser Sorte gelitten.
Der Mann knickte zusammen. Aldo wich aus, als gleich sechs Mann sich auf ihn stürzten. Sie behinderten sich gegenseitig. Der Privatdetektiv ergriff einen Barhocker und schwang ihn im Halbkreis, um sich Luft zu verschaffen. Das gelang erst einmal.
Der von Aldo geblendete und angeknockte Mestize lief ins Feuer. Seine Hosenbeine fingen zu brennen an. Mit flambierten Waden wetzte der Bursche davon, dass es im wahrsten Wortsinn nur so qualmte.
Aldo flankte über den Tresen, als er Messer, Schlagringe und sogar zwei Pistolen sah, mit denen die hiesige Mafia ihm an den Kragen wollte.
Der Barkeeper holte eine abgesägte Schrotflinte unter dem Tresen hervor. Aldo entriss dem Keeper die Shotgun und pflanzte ihm die Faust in den Magen.
Der Privatdetektiv glaubte es kaum. Fast bis zum Ellbogen verschwand sein Arm in der Wampe. Der Keeper setzte sich hin. Aldo drohte den andrängenden Ganoven – die Weiber hielten sich wie meist bei solchen Gelegenheiten im Hintergrund – mit der Shotgun. Weil er kein Massenmörder werden wollte, schoss er jedoch nicht, sondern fegte mit dem Kolben Flaschen von den Regalen.
Klirrend zerbrachen sie. Aldo hielt sich nicht damit auf, sein Feuerzeug zu zücken, sondern schoss in die Schnapslache. Das Mündungsfeuer entzündete den Hochprozentigen, wie Aldo Burmester es wollte. Eine Stichflamme loderte auf.
Aldo sprang zurück, um nicht angesengt zu werden. Der Keeper sprang auf. Es brannte lichterloh in der Bar.
Aldo spuckte die Zigarette aus, die er noch immer unangezündet im Mund hatte, feuerte den zweiten Flintenlauf ab und schlug sich mit dem Kolben in Richtung Tür durch. Die Flammen loderten. Rauch vernebelte die Sicht. Aldo sah eine auf sich gerichtete Pistole, duckte sich und schlug die Hand mit der Waffe zur Seite.
Der Schuss ging direkt neben seinem Ohr los und sprengte ihm fast das Trommelfell. Aldo rammte dem Schützen, einem stoppelbärtigen, hageren Weißen im ehemals weißen Hemd, den Flintenkolben in den Leib und stieg über den Zusammenbrechenden hinweg.
Ein Gegner sprang ihm ins Genick und hängte sich auf seinen Rücken. Ein anderer attackierte ihn mit dem Messer und schrammte ihn an der Seite. Aldo richtete sich auf. Ohne dass er es wollte, geriet der auf seinem Rücken Hockende mit dem Kopf in den Flügel des Ventilators.
Der zog ihm einen ungewollten, sehr tiefen Scheitel. Mit klaffender Kopfwunde, aufbrüllend, fiel der Bursche zu Boden. Aldo schlug und boxte sich mit etlichen Gegnern herum. Eine Massenpanik hatte eingesetzt. Die Frauen flohen kreischend. Aus dem Halbgeschoss oben, wo es heiß wurde, rannten drei halb- oder ganz nackte Paare, die sich dort oben einem seit Anbeginn der Menschheit beliebten Zeitvertreib hingegeben hatten.
Die Angreifer gerieten sich gegenseitig in die Quere. Rauch, Flammen und Hitze nützten Aldo zusätzlich. Das Feuer fraß sich in den Holzboden und griff auf die Leichtholzmöbel über. Die Hitze wurde rasch immer größer.
Der Rauch drang in die Lungen. Qualm und Flammen ließen die Augen tränen, die Menschen husten. Die Hitze drang bis ins Knochenmark.
Nichts wie raus, dachte Aldo. Er schlug sich zum Fenster durch. Zwei Ganoven kamen ihm in die Quere. Den einen hebelte Aldo mit einem Judowurf aus dem Fenster, dass er draußen über die Plattform rollte und ins Wasser bei den Pfählen klatschte, auf denen die Hütte stand. Den Machetenhieb des zweiten Angreifers blockte Aldo mit der Flinte ab.
Die Machete trennte glatt den Kolben ab. Aldos Uppercut warf den Gegner zurück in die Flammen, aus denen er wieder auftauchte und das Weite suchte.
Aldo stieg aus dem Fenster auf die Plattform neben der Holzhütte. Rauch quoll aus der Bar, und Flammen züngelten hervor. Drinnen konnte es keiner mehr aushalten.
Tote hatte es keine gegeben, doch mehrere Brandverletzte. Schnapsflaschen explodierten in der Hütte wie Geschosse und gaben dem Brand neue Nahrung.
Aldo Burmester sah sich einem guten Dutzend Angreifern gegenüber, die von zwei Seiten auf ihn eindrangen. Diesmal sah er die einzige Rettung darin, übers Geländer zu hechten, hinab in den Fluss. Der Privatdetektiv schwamm zu der Mole, auf der das Taxi ihn abgesetzt hatte.
Hinter ihm platschte der Mann im Wasser, den er aus dem Fenster und von der Plattform geworfen hatte. Jetzt geschah etwas, das Aldo nie in seinem Leben vergessen würde.
Das Wasser bewegte sich. Zähnestarrende Rachen klappten auf. Der Brasilianer schrie, als die Kaimane, die unter den Pfahlbauten auf fressbare Abfälle lauerten, über ihn herfielen. Aldo hatte Glück, dass nicht er das Opfer war.
Er konnte dem Mann nicht helfen. Vielmehr musste er das eigene Leben retten. Aldo Burmester kraulte wie noch niemals zuvor in seinem Leben und erreichte die Mole. Aldo stieg eine Eisenleiter hoch und rannte die Mole entlang, verfolgt von einer Traube aufgebrachter Freunde des von den Kaimanen Zerrissenen.
Hinter Aldo krachten Schüsse. Freunde des Kaimanenopfers feuerten auf die Reptile, um sie von ihrer Beute wegzubringen, was jedoch nicht gelang. Die Hütte mit der »Anaconda-Bar« brannte lichterloh. Rauch stieg in den Himmel.
Aldo floh von der Mole weg, als ihm ein Mob, von den Rufen der Verfolger alarmiert, den Weg versperrte. Der Fremde wäre gelyncht worden. Da Aldo die Landessprache nicht beherrschte, konnte er sich nicht mal mit Worten verteidigen. Er rannte über schwankende Stege und Bohlen durch das Gewirr der Pfahlbauten, lief teils auch über feste Gevierte, auf denen mehrere Hütten standen.
»Assassino!«, kreischte es hinter ihm. »Mörder!«
Die Polizei war weit und breit nicht in Sicht und griff in diesem Viertel auch selten ein. Aldo keuchte bereits. Der Rauch, den er eingeatmet hatte, verminderte seine Ausdauer.
Er wäre bald wieder gestellt worden, und diesmal wäre ihm keine Flucht gelungen. Keuchend lehnte sich der Privatdetektiv in den durchnässten, schmutzigen Kleidern an eine Hüttenwand. Da packte eine Hand ihn am Arm.
Aldo wirbelte herum. Doch er sah nur ein junges Mädchen, kaum älter als siebzehn, mit dunkler Haut neben sich. Sie trug ein buntbedrucktes Kleid und winkte ihm, ihr in die Hütte zu folgen. Aldo hörte die Verfolger schon ganz in der Nähe.
Er zögerte nicht. Die Schöne deutete auf einen Wandschirm, hinter dem Aldo sich verbarg. Möbel gab es kaum in dem Raum. Als Schlafstätte und Ruhegelegenheit dienten Hängematten, die jetzt zusammengerollt in der Ecke lagen.
Die Schöne ging an die Tür. Die Verfolger erschienen. Von dem folgenden Frage- und Antwortspiel verstand Aldo den Wortlaut nicht. Der Sinn war jedoch leicht zu erraten. Er sah die Caboza, einen Indio- und Negermischling, im grellfarbigen Kleid an der Tür stehen. Sie gab sich erstaunt und verneinte, jemand gesehen zu haben. Sie deutete vielmehr in die andere Richtung. Auch dort schrien Verfolger.
»Der, den ihr sucht, ist sicher da drüben«, sagte die Caboza.
Aldo erschrak, als er daran dachte, dass er bei der Hütte zweifellos noch nasse Spuren und Wassertropfen hinterlassen hatte. Wenn die Verfolger genau nachschauten, konnte die Caboza sie nicht täuschen.
Doch das geschah nicht. Die aufgeputschte Meute glaubte dem Mädchen. Zwei Männer schauten flüchtig in die Hütte, deren Eingang die Caboza freigab, und verschwanden gleich wieder. Die Verfolger entfernten sich.
Aldo atmete auf. Zumindest vorerst war er gerettet. Doch so schnell konnte er die Hütte nicht verlassen. Zweifellos suchten ihn die Bewohner des Elendsviertels, die ihm nicht alle so freundlich gesonnen waren wie das siebzehn- oder achtzehnjährige Mischlingsmädchen. Der Privatdetektiv kam hinterm Wandschirm hervor. Die Caboza schloss den Vorhang an der Hüttentür.
Sich in den Hüften wiegend, näherte sie sich Aldo Burmester. Eine Tropenblüte leuchtete in dem schwarzen Haar der Schönen vom Amazonas. Mit heller Stimme sprach sie mit Aldo, der jedoch kaum ein Wort verstand.
»Sinha«, sagte die Schöne und deutete auf sich.
Aldo nannte seinen Namen. Sinha lachte silberhell. Sie bedeutete Aldo, sich zu waschen, und holte eine geflickte, ausgeblichene Jeanshose und ein Hemd aus einer Truhe. Wasser zum Waschen befand sich in einer Schüssel auf einem Ständer, auch Seife und Handtuch. Fließendes Wasser gab es hier nur im Fluss und den Abwasserkanälen.
Aldo, schmutzig, zerzaust, angesengt und blutbefleckt, hatte Skrupel, sich vor Sinha zu entkleiden. Sie drehte sich um. Aldo reinigte sich und zog Sandalen und Hose an. Sinha befestigte eine Mullbinde mit Klebestreifen an seiner Seite. Aldo zog sie an sich und küsste sie.
Das war seine Art, Sinha für ihre Hilfe zu danken. Unterhalten konnten sie sich nicht. Aldo erfuhr nicht, ob Sinha mit ihm Mitleid gehabt hatte, weil er von einem lynchwütigen Mob verfolgt wurde, oder ob sie die Verbrecher kannte und hasste, die hinter ihm her waren. Wichtig war, dass sie ihm geholfen hatte.
Sinha wärmte für Aldo Feiojada auf, Eintopf aus schwarzen Bohnen mit wenig Schweinefleisch darin. An Farofa, geröstetem Maniokmehl, bestand dafür kein Mangel. Es war ein Armeleuteessen, das Aldo jedoch in Sinhas Gesellschaft erstklassig schmeckte. Dazu bot sie ihm Fruchtsaft an und holte eine halbe Flasche Caipirinha herbei, Zuckerrohrschnaps mit Zitronensaft.
Sinha lachte und flirtete mit dem Privatdetektiv. Sie stellte das alte Radio laut und tanzte zu seinen Klängen. Die Caboza war auf ihre Art ein Naturkind, in der Gegenwart lebend, ohne Falsch und Berechnung. Sie folgte ihren Gefühlen. Ihre Denkweise war völlig anders als die einer Nordamerikanerin oder Europäerin. Sie war eine tropische Blüte des Amazonas, eine junge, doch reife Frucht, die Aldo in den Schoß fiel.
Sinhas Reiz und natürlicher Sex-Appeal bezauberten ihn. Die beiden tauschten immer verlangendere Zärtlichkeiten aus und entkleideten sich. Sinha spannte eine Hängematte und forderte Aldo mit Gesten auf, sich mit ihr hineinzulegen.
Der Privatdetektiv traute der wackligen Geschichte nicht recht. Er wurde jedoch eines Besseren belehrt. Die Caboza erwies sich als Expertin für die Liebe in der Hängematte, die schaukelnderweise ihre besonderen Reize hatte. Nachdem Aldo erst mal eingesehen hatte, dass die Schnüre der Hängematte nicht reißen würden, genoss er den Sex in der Schwebe.
Vor Einbruch der Dunkelheit, besser noch spät in der Nacht, konnte er sich nicht aus dem Viertel schleichen. Bis dahin galt es, die Zeit zu verbringen. Sinha erwies sich als äußerst erfinderisch, was das betraf.
5.
Sinha wohnte nicht allein in der Hütte. Aldo hörte die Stimmen einer alten Frau, die eines Mannes, dessen Alter er schwer schätzen konnte – er konnte zwanzig, aber auch fünfzig sein – und die dreier Kinder. Es kam jedoch niemand in Sinhas Raum. Gerade diese Armen, die auf engem Raum zusammengepfercht lebten, respektierten die Intimsphäre des anderen, wo immer es möglich war.
In der Hängematte schmiegte sich Sinha an den Privatdetektiv, seine Wärme und Nähe suchend. Leise spielte das Radio, das Sinhas größter Schatz war. Aldo wusste, was dieses Mädchen für ihn riskierte. Denn wenn der Mob, der Aldo verfolgt hatte, herausbekam, dass sie ihn aufgenommen hatte und versteckte, war ihr Leben keinen Cruzeiro mehr wert.
Aldo fürchtete, dass die Caboza von den anderen Hüttenbewohnern verraten werden könnte. Sinha schien deswegen keine Angst zu haben. Um drei Uhr morgens, nach einem Cafezinho, einer kleinen Tasse süßen schwarzen Kaffees, führte sie Aldo aus der Hütte zu einem schmalen Boot an einem Steg.
Aldo wollte rudern. Doch Sinha erledigte das lieber selbst und erwies sich als geschickt und kräftig dabei. Ihre Vitalität war erstaunlich. Sie ruderte durch das Gewirr der Pfahlbauten und setzte Aldo an der Avenida am Hafen ab.
Aldo fragte sie, indem er darauf deutete, was sie haben wollte: seine Uhr oder Geld. Sinha schüttelte lächelnd den Kopf. Sie küsste Aldo, der sie umarmte und ihren Kuss leidenschaftlich erwiderte. Der Privatdetektiv begriff: Das Mädchen war arm, aber stolz.
Sie wollte keine Bezahlung für die Hilfe. Hätte Aldo sie ihr aufgedrängt, hätte er sie beleidigt. An der Avenida verabschiedeten sie sich. Sinha stieg ins Boot hinunter und ruderte davon.
Sie verschwand hinter dem dickbäuchigen Rumpf eines Frachters. Mit größter Wahrscheinlichkeit würde der Privatdetektiv sie nicht wiedersehen. Aldo war seltsam berührt. Selten zuvor in seinem Leben hatte ihm jemand so selbstlos geholfen und ihm so viel geschenkt wie dieses Mädchen.
Aldo konnte es Sinha nicht vergelten. Er würde das, was er von ihr empfangen hatte, an andere weitergeben. Dankbar schlenderte er in die Stadt. Es galt, ein Quartier zu suchen. Später musste Aldo sich sein Gepäck vom Bahnhof holen und nach Jaqueline Grieger suchen. Wenn sie sich in Manaus aufhielt, würde Aldo Burmester sie finden.
Er fuhr mit dem Taxi zur Hauptpost, nahm sich eine Dauergesprächszelle und rief der Reihe nach die größeren Hotels an. Der Privatdetektiv hatte bald Erfolg.
Im »Novo Mundo« in der Praya Flamenco hatte Jaqueline sich unter ihrem richtigen Namen eingetragen. Aldo ließ sich in ihr Zimmer durchstellen und nannte seinen Namen.
»Wo stecken Sie denn?«, fragte ihn eine melodische, aber ungnädige Stimme. »Ich habe Sie schon gestern erwartet.«
»Haben Sie mir einen Boten an den Flughafen geschickt, um mich zum Teatro Amazonas zu bestellen?«
»Sie meinen diese seltsame Oper? Wie kommen Sie darauf? Ich habe eine Nachricht für Sie am VARIG-Schalter zwei hinterlegt, wo Sie hätten hinkommen müssen. Die Nachricht wurde auch abgeholt ...«
»Aber nicht von mir«, sagte Aldo. »Doch darüber wollen wir persönlich in Ihrem Hotel sprechen. Ich kann mein Fernbleiben mit guten Gründen entschuldigen.«
»Das hoffe ich«, entgegnete Jacqueline Grieger.
Ihrem Benehmen am Telefon nach zu urteilen, schien sie recht arrogant zu sein. Aldo verließ die Hauptpost, geriet in einen Regenschauer, der auf Manaus herunterstürzte, als ob sämtliche Schleusen des Himmels geborsten seien, und flüchtete in ein Taxi. Er fuhr zum Hauptbahnhof, wo er sein Gepäck aus dem Schließfach holte.
Die Automatic und Munition befanden sich in einem strahlensicheren Behälter. So waren sie bei den Gepäckkontrollen nicht entdeckt worden. In einer Ecke, wo er unbeobachtet war, schnallte sich Aldo die Schulterhalfter mit der Automatic um.
Zufrieden atmete er auf. Jetzt fühlte er sich schon um einiges besser. Das Hotel »Novo Mundo« lag im Stadtkern. Aldo wandte sich an der Rezeption an eine hübsche, mehrsprachige Angestellte, die bei Miss Grieger nachfragte und ihn anmeldete.
»Vierter Stock, Zimmer 98«, sagte sie.
Aldo fuhr mit dem Lift hoch, den ein uniformierter schwarzer Page bediente, und klopfte an die Zimmertür.
»Herein!«, ertönte eine Stimme.
Aldo zog die Automatic, stieß die Tür auf und sprang in das Zimmer. Mit einem Blick erfasste er die Szene. Eine Blondine – es musste Jaqueline Grieger sein – lag bäuchlings auf dem Bett. Ein stiernackiger Weißer kniete auf ihrem Rücken und war dabei, ihre Hände zu fesseln.
Ein Mulatte, ein baumlanger Kerl mit gleich mehreren Voodoo-Amuletten um den Hals, und ein spilleriger kleiner Bursche mit einer Schalldämpferpistole lauerten links und rechts von der Tür. Der Mulatte schwang den Totschläger, der pfeifend durch die Luft zischte.
Der Schläger verlor das Gleichgewicht. Aldo schoss nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Er trat dem Kleinen gegen die Pistolenhand und verpasste dem Mulatten mit dem Pistolengriff einen Schlag ins Genick. Der Mulatte küsste den Teppich.
Der Kleine, ein Weißer, gerade einssechzig groß, also ein echter Giftzwerg, feuerte in die Decke. Der Schuss knallte nicht lauter als das Zerplatzen einer Papiertüte.
Der kleine Ganove schaute in die Mündung von Aldos Automatic. Gleichzeitig hielt Aldo Burmester auch den Mann in Schach, der Jaqueline Grieger niederzwang. Mit einem Fußtritt schloss der Privatdetektiv die Tür des geräumigen, modern und teuer eingerichteten Zimmers.
»Da wären wir alle versammelt«, sagte er. »Lasst eure Waffen fallen und stellt euch da an die Wand! Rápido!«
Die drei Halunken gehorchten. Der Mulatte hatte sich wieder erhoben. Er rieb sich das Genick und schaute Aldo Burmester scheu an.
Senhor Stiernacken fragte in verständlichen Deutsch: »Kannst du durch geschlossene Türen sehen? Wie hast du die Falle erkannt?«
»Nur ein Schwachkopf würde auf die verstellte Stimme eures Komplizen hereinfallen und sie für die Jaqueline Griegers halten«, antwortete der Privatdetektiv. »Ihr vergaßt, dass ich mit Frau Grieger telefoniert habe, ihre Stimme also kenne. – Sind Sie okay, Frau Grieger?«
Die Blondine mit dem Superbusen hatte sich aufgerichtet. Sie bewegte sich, drückte den Rücken durch und rollte die Schultern.
»Ich glaube schon, Herr Burmester. Sie sind gerade rechtzeitig eingetroffen. Diese Burschen sind vor ein paar Minuten bei mir eingedrungen. Sie haben das Zimmer durchsucht und mich mit dem Tod bedroht, wenn ich auch nur einen Ton von mir geben würde.«
Die Ganoven waren nach Aldos Telefonat mit Jaqueline Grieger eingedrungen. Als die Angestellte von der Rezeption anrief, hatten sie sich auf die Lauer gelegt. Dass eine Durchsuchung des Hotelzimmers und von Jaqueline Griegers Gepäck begonnen worden war, war Aldo nicht entgangen.
Die Unordnung im Zimmer und die geöffneten Gepäckstücke, aus denen der Inhalt gerissen und wahllos verstreut worden war, ließ keinen anderen Schluss zu.
Aldo ließ die drei sich mit dem Gesicht zur Wand stellen, mit den Händen abstützen und nach alter Polizeimanier die Füße zurücksetzen. Aus der Haltung, schräg an die Wand gelehnt, waren sie zu keiner schnellen Aktion imstande.
Der Privatdetektiv durchsuchte das Trio. Er fand keine Ausweispapiere bei den Burschen, dafür bei einem ein Messer in einer an der linken Wade befestigten Scheide, bei einem zweiten eine kleinkalibrige Pistole. Diese Waffen wie die übrigen auf den Teppich zu werfen, hatten die zwei »vergessen«. Aldo holte das nach.
»Wer schickt euch?«, fragte er das Verbrechertrio.
Er erhielt keine Antwort.
Dafür sagte Jaqueline Grieger: »Natürlich die gleichen Leute, die für den Tod meines Vaters verantwortlich sind. Wir sind hier ins offene Messer gelaufen, ein Zeichen, wie mächtig die Organisation ist, gegen die wir uns stellen. Dabei sind wir noch nicht einmal am Rio Japurá, wo mein Vater verschwand, also vor Ort.«
»Ob eine Organisation oder einzelne, wird sich herausstellen«, erwiderte Aldo. »Genauso, ob Ihr Vater noch lebt oder tot ist, Frau Grieger.«
Die Augen der schönen Studentin füllten sich mit Tränen.
»Ich weiß, dass er tot ist, sonst hätte er sich längst gemeldet oder mir wenigstens ein Lebenszeichen zukommen lassen«, schluchzte Jaqueline.
»Vielleicht wird er gefangen gehalten und daran gehindert«, sagte Aldo.
»Nein, er ist tot. Ich weiß es. Ich spüre es. Aber ich werde sein Werk weiterführen und mit Ihrer Hilfe das schaffen, was ihm nicht vergönnt war, Herr Burmester.«
Jaqueline Grieger sprach mit einem geradezu heiligem Ernst. Aldo widersprach ihr nicht.
6.
Die drei von Aldo Burmester überwältigten Ganoven verrieten ihre Auftraggeber nicht. Um das verbrecherische Trio loszuwerden, rief Aldo kurzerhand die Polizei an. Zwei Agenten kamen, die den drei Halunken kurzerhand die stählerne Acht anlegten. Hier gebrauchte man sie noch munter. Aldo Burmester und Jaqueline Grieger wiesen sich als Touristen aus Deutschland aus. Aldo gab an, er hätte seine Bekannte, Frau Grieger, besuchen wollen und die drei Verbrecher bei ihr überrascht.
Jaqueline bestätigte diese Version. Das Verbrechertrio sagte das, was ausgekochte Halunken bei der Verhaftung des Öfteren zu äußern pflegten, nämlich nichts.
Aldo wurde wegen seiner Pistole gefragt. Er log, sie in Manaus in einem Waffengeschäft gekauft zu haben. Da in der Provinz Amazonien jedermann eine Waffe tragen durfte, konnten die Polizisten dagegen nichts einwenden.
Wegen des Brands und der Schlägerei in der »Anaconda-Bar« schwieg Aldo wohlweislich. Er hatte keine Lust, solange die Ermittlungen dauerten, in einer Zelle zu schmoren und am Ende noch als unerwünschter Ausländer abgeschoben zu werden.
Der Brand in dem Viertel am Fluss musste gelöscht worden sein. Wegen der Holz- und Leichtbauweise sowie Suff und Leichtsinns der Bewohner brannte es dort öfter mal. Diejenigen Halunken, die Brandwunden davongetragen hätten, mussten sich das selbst zuschreiben. Aldo sah keinen Grund, sie zu bemitleiden. Sie hatten mit ihm auch keine Gnade gekannt.
Die Polizisten zogen mit den drei Verhafteten ab, die sich strikt weigerten, auch nur ihre Namen zu nennen. Die Kriminalisten konnten die Story, dass es sich um einen Fall von Hotelraub handelte, jedenfalls nicht widerlegen.
Als er mit Jaqueline allein war, schenkte sich Aldo einen Drink aus der Zimmerbar ein und steckte sich eine Zigarette an.
»Muss das denn unbedingt sein?«, fragte Jacqueline Grieger. »Ich bin überzeugte Nichtraucherin. Alkohol ist mir zuwider. Fruchtsäfte und die vegetarische Lebensweise hingegen mag ich. Sage mir, was du isst, und ich sage dir, was du bist.«
Aldo sah ein Opfer der supergesunden Ernährungswelle und Nichtraucherkampagne vor sich. Er blies den Rauch gegen die Decke.
»Wer lange raucht, der wird auch alt. Ich bin kein Vegetarier, sonst hätte ich schon längst ins Gras gebissen. Außerdem macht vegetarisches Essen dick.«
»Nie im Leben!«
»Doch. Sehen Sie sich nur mal die Kühe auf der Weide an. Sie sind alle kugelrund.«
»Sie ... Sie ...« Banause, hatte Jaqueline, die in einer dünnen Bluse und hautengen Hotpants steckte, sagen wollen. Doch das unterließ sie lieber. Stattdessen riss sie das Fenster auf und fauchte: »Alkohol- und nikotinsüchtiger Macho!«
»Okay«, sagte Aldo und: »Jedem das Seine.«
Er kam gleich zur Sache und berichtete Jaqueline Grieger in gereinigter Form, wie er schon am Tag seiner Ankunft zweimal in die Falle gelockt worden war. Die Massenkeilerei in der »Anaconda-Bar« handelte er mit drei Sätzen ab. Aus der heißblütigen jungen Sinha, die ihn gerettet hatte, machte er eine ehrwürdige Matrone, die im Geschlechtlichen längst jenseits von Gut und Böse war und ihm nur aus Gnade und Barmherzigkeit geholfen hatte. Den Sexsport in der Hängematte unterschlug er ganz.
Jaqueline Grieger war seit drei Wochen in Amazonien und hatte am Rio Japurá nach ihrem verschollenen Vater gesucht. Die Blondine war mutig und clever. Sie beherrschte die Landessprache perfekt, da sie sich wie ihr Vater besonders für die Völkerkunde und Ökologie Südamerikas interessierte.
Jaqueline war in Japurá, wie die Bezirkshauptstadt am gleichnamigen Fluss hieß, mit ihren Nachforschungen gescheitert. Auf sich allein gestellt, vermochte sie die Mauer des Schweigens nicht zu durchdringen, die das Verschwinden ihres Vaters umgab. Sie war dann nach Igacipu geflogen, dem Dschungelnest, das ihr Vater in seinen Briefen an sie ein paar Mal erwähnt hatte. Dort hatten sich ihre Ermittlungen keineswegs besser angelassen. Sie war bedroht und sogar einmal von vier Männern in den Dschungel verschleppt worden.
»Sie wollten mich vergewaltigen, um mir die Neugierde ein für allemal auszutreiben«, schilderte die Zweiundzwanzigjährige. »Ich konnte mich losreißen. Einen Vergewaltiger trat ich dorthin, wo man die Zuchtbullen zu kastrieren pflegt, fuhr einem anderen mit den Fingernägeln in die Augen und rannte in den Dschungel. So kam ich noch einmal davon. Das Erlebnis reichte mir. Ich flog nach Manaus zurück. Der FUNAI-Kommissar Carrincho sorgte dafür, dass ein Buschpilot mich an Bord nahm. Carrincho war froh, mich loszuwerden. Von Manaus telegrafierte ich an die Universität, einen erstklassigen Mann herzuschicken, um mich bei meinen Nachforschungen zu unterstützen.«
Die Universität hatte den Wunsch sofort erfüllt. Aldo fuhr sich übers Genick.
»Ich bin Privatdetektiv und werde Aldo Burmester genannt. Vielleicht haben Sie schon mal was von mir gehört.«
»Nein«, antwortete Jaqueline mit schöner Offenheit. »Sollte ich das?«
»Kommt drauf an, was Sie üblicherweise in der Zeitung lesen oder welche Meldungen Sie in den Medien verfolgen. Ich bin nicht versessen auf Publicity. Im Gegenteil.«
Jaqueline musterte ihn skeptisch. Sie schien nicht ganz überzeugt von Aldo Burmester zu sein.
»Wie eine Ein-Mann-Armee, die ich brauchte, um mit der Großgrundbesitzer-Bande und den Mördern meines Vaters aufzuräumen, sehen Sie nicht aus.«
»Wollen Sie Rambo haben?«, fragte Aldo.
»Ich brauche jemand, auf den ich mich unbedingt verlassen kann, der mutig und unbestechlich ist, hart durchgreift und der sich durch eine ganze Verbrechermeute bis zu deren Boss durchschlagen kann.«
»Also einen Supermann. Ich bin an sich Detektiv. Aber wir können es ja mal versuchen. Wenn Sie unbedingt wollen, überziehe ich meinen Nacken mit Leder. Soll ich mir auch noch einen Helm mit Kuhhörnern dran aufsetzen wie die alten Wikinger?«
»Sie machen sich über mich lustig.«
»Das sieht nur so aus. In Wirklichkeit bin ich ein sehr ernsthafter Mensch. Ich verberge es bloß. Jetzt brauche ich Fakten. Was haben Sie am Rio Japurá herausfinden können, und was vermuten Sie, weshalb Ihr Vater, wie Sie mit Überzeugung sagen, ermordet wurde?«
»Weil er sich gegen die gewaltsame Vertreibung eines ganzen Indianerstamms stellte«, antwortete Jaqueline. »Gegen Massenmord, Rechtsbrüche, Diebstahl riesiger Ländereien, verbrecherische Brandrodung des Dschungels, der riesige Teile der grünen Hölle in eine grüne Wüste verwandelt und eine Klimakatastrophe apokalyptischen Ausmaßes fördert, die schon wie ein Menetekel deutlich an der Wand steht. Gegen Diebstahl gewaltiger Bodenschätze, nämlich Erzarten bis hin zum Uran. Gegen den Pflanzen- und Artenmord am Amazonas. Gegen die schandbare, rechtlose Behandlung der Indios und auch der kleinen Siedler durch die Großgrundbesitzer und Industriellen wie Luis Jesus Bandeira, den ungekrönten König am Rio Japurá. Gegen die unheilige Allianz von Politikern, Großgrundbesitzern und der Kirche, nämlich bestimmter Sekten, die den Indios das Letzte nehmen und die ihnen weniger Rechte zugestehen als einem Stück Vieh. Das Vieh nämlich hat seinen Wert. Es wird gehegt und gepflegt. Die Indios aber sind Freiwild. – Anfang dieses Jahrhunderts gab es noch um die zwei Millionen Indios in Brasilien. Jetzt sind es nur noch achtzig- bis höchstens hunderttausend. Und sie sterben, sterben und sterben. Der so genannte Indianerschutzdienst SPI war nachweislich an der systematischen Ausrottung der Indios beteiligt. Da war der Bock zum Gärtner. gemacht worden. 1967 erfolgten Enthüllungen, die die SPI auffliegen ließen. Die grausamen Details ihrer Verbrechen will ich mir sparen. Die FUNAI, die Nachfolgeorganisation der SPI, ist nicht viel besser.«
Die Worte waren aus Jaqueline Grieger hervorgeströmt und -gebrochen wie Wasser unter gewaltigem Druck durch einen geborstenen Staudamm.
Aldo Burmester hatte sich einen Namen gemerkt.
»Wer ist Luis Jesus Bandeira?«
Jaqueline seufzte.
»Vielleicht ist er ganz in Ordnung«, sagte sie bitter. »Er ist bloß ein paar hundert Jahre zu spät geboren. Er würde noch in das Zeitalter des Feudalismus gehören, als die regierenden Fürsten über Leben und Tod ihrer Untertanen entschieden. Als sie sich nehmen konnten, was immer sie wollten. Sie brauchten bloß stark genug dazu zu sein. Kein Gesetz hinderte sie. Sie waren das Gesetz. – So einer ist Bandeira.«
7.
Luis Jesus Bandeira schaute vom Balkon des Haupthauses seiner riesigen Fazenda. Der König vom Rio Japurá war um die Fünfzig und schlank, hart und elastisch wie eine Toledaner Degenklinge. Über mittelgroß, mit buschigen grauen Schläfen, Hakennase und Falkenaugen war er ein gut aussehender, Achtung gebietender Mann. Absolute Autorität und ein Hauch von Grausamkeit umgaben Bandeira, dessen Wort sich im weiten Umkreis alles unterzuordnen hatte.
Der Maßanzug und das Seidenhemd unterstrichen seine gepflegte Erscheinung. Bandeira blickte über die gewaltigen Rinderherden auf seiner Fazenda, zu der mehrere Dutzend Gebäude, Swimmingpools und Tennisplätze genauso gehörten wie die Reitställe samt der Reithalle, der Privatflughafen und die Hangars mit sechs Maschinen, Hubschrauber, ein umfangreicher Fuhrpark, Werkstätten und Arsenale.
Dono Luis, wie er genannt wurde, Dono Jesus wäre eine Lästerung gewesen, hatte noch mehr Fazendas am Amazonas. Ihm gehörten riesige Landflächen, Bergwerke, Viehherden und Fabriken. Leute, die ihn gut kannten, nannten ihn Avido, den Gierigen.
Er verschlang immer mehr, um seinen Reichtum, seine Macht und seinen Einfluss zu vergrößern. Bandeira hatte längst mehr angehäuft, als er in hundert Leben verbrauchen konnte. Als Erben hatte er nur eine Tochter, Alja. Doch er kannte keine Hemmungen und keine Vernunft, was die Vergrößerung seines Besitzes betraf.
Er war das Haupt der Fronde der Großgrundbesitzer, Berater des Gouverneurs von Amazonien, und er gehörte in Brasilia, der Hauptstadt, zum Senado Federal.
Bandeira stand, so konnte man es nennen, einer Interessengemeinschaft vor, die Amazonien rücksichtslos ausbeutete. Er hatte den derzeitigen Gouverneur von Amazonien gemacht. Mit dem Wahlslogan »Wir brauchen keinen Regenwald, was wir brauchen, sind Industrie und Weideflächen« hatte dieser den Wahlkampf geführt und gewonnen.
Mit Stimmenkauf und massiver Bedrohung und Bestechung der Pistoleros von Luis Jesus Bandeira war das gelungen.
Dono Luis sah eine zweimotorige Cessna landen. Sie kam vom unteren Rio Japurá, der durch den Zusammenfluss mehrerer in den Anden entspringender Ströme gebildet wurde und ein riesiges Regenwaldgebiet entwässerte. Dono Luis ging ins Haus, das allen erdenklichen Luxus aufwies.
Er erachtete ihn für sich als selbstverständlich. Bandeira wusste, dass es noch einige Minuten dauern würde, bis der mit der Cessna Eintreffende vor ihm stand.
Er ging zu der Reithalle, wo seine Tochter Alja auf einem Vollblütler das Dressurreiten übte.
Alja war 23 und eine schwarzhaarige, glutäugige Schönheit. Sie trug ein golden und silbern besticktes Reitkostüm, einen flachen, runden Hut und goldene Ohrringe.
Alja saß auf dem grauen Hengst mit dem blank geputzten, reich verzierten Sattel- und Zaumzeug wie eine Amazone. Dono Luis lächelte ein wenig unter seinem dünn ausrasierten Schnurrbart, als er Alja betrachtete. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, der ihm etwas bedeutete.