Kripo Heidlaufen 1 - Susanne Gripp - E-Book

Kripo Heidlaufen 1 E-Book

Susanne Gripp

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Beschreibung

Kripo Heidlaufen 1, Waschraum der ungewollten Begegnungen ist ein Krimi der besonderen Art. Aus zwei Perspektiven erzählt und mit viel Gefühl geschrieben. Das Highlight dieser Folge ist der interaktive Schluss. Tauchen Sie ab in die Welt der Kripo Heidlaufen und werden Sie Teil des Ermittlerteams. Es kommt der Zeitpunkt, an dem Sie sich entscheiden werden, ob Sie die Herzschlagvariante oder einen gemäßigten Schluss bevorzugen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Waschraum der ungewollten Begegnungen

Zur gleichen Zeit im Krankenhaus. Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Im Präsidium:

Zur gleichen Zeit im Krankenhaus. Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Im Präsidium:

Derzeit im Krankenhaus. Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky

Am späten Abend im Krankenhaus. Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Zur gleichen Zeit im Krankenhaus. Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky

Aus der Sicht von Sarah Mirkowsky:

Danksagung

Impressum

Vorwort:

Vielen Dank liebe Leserinnen und liebe Leser,

super, dass Sie sich für meinen ersten Krimi aus der Serie „Kripo Heidlaufen“ entschieden haben. Wer meine Art zu schreiben kennt, der weiß bereits, dass ich sehr viel Gefühl auf die einzelnen Charaktere verteile. Meine Protagonisten sind Menschen, mit allem, was dazu gehört. Das Highlight bei dieser Folge „Waschraum der ungewollten Begegnungen“ ist der interaktive Schluss. Irgendwann werden Sie aufgefordert, sich zu entscheiden, ob Sie die Geschichte knall hart und blutig zu Ende lesen möchten oder aber ohne allzu großes Herzrasen etwas glücklicher zum Schluss bringen wollen. Dieses interaktive Ende ist als einmalige Aktion in Zusammenhang mit den Folgen der „Kripo Heidlaufen“ geplant. Weitere Folgen befinden sich noch in ihrer Anfangsphase.

Seien Sie mit mir zusammen gespannt, welche Bücher aus welchen Genres dann tatsächlich als nächstes veröffentlicht werden. Momentan bekomme ich immer mehr Rückmeldungen zu meinem ersten Buch „Martha und Malina – Urlaub in Schweden“ ISBN: 9783751958394 mit der Bitte nach Band 2. Vielleicht geht diese Komödie tatsächlich bald in die Fortsetzung. Wenn Sie mein zweites Buch „Kurzgeschichten mit Gefühl 1“ ISBN: 9783751932691 kennen, wissen Sie, dass es mir sehr viel Spaß bereitet, querbeet durch das Leben zu schreiben.

Genießen Sie auch die kleinen Momente. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute und ganz viel Glück

Susanne Gripp

Viel Spaß und Spannung beim Lesen

Tauchen Sie ab in die Welt der Kripo Heidlaufen, und werden Sie Teil des Ermittlerteams.

Es kommt der Zeitpunkt, an dem Sie sich entscheiden werden, ob Sie die Herzschlagvariante oder einen leicht gemäßigten Schluss bevorzugen.

Waschraum der ungewollten Begegnungen

Mitte Dezember Zweitausendsechzehn in einem total überfüllten Ladengeschäft zu sein, lässt mich etwas zögern, aber dennoch auch neugierig werden. Zur kurzen Erklärung, ich heiße Sarah Mirkowsky, bin am neunundzwanzigsten Mai Neunzehnhundertdreiundachtzig in Heidlaufen geboren, voll berufstätig als freie Handelsvertreterin für eine angesehene Firma im Schreibwarenbereich. Meistens bin ich gut gelaunt, allerdings bin ich zur Zeit mal wieder Single, das möchte ich schnellstmöglich ändern. Mit dreiunddreißig tickt meine biologische Uhr doch schon etwas schneller, als es mir lieb ist. Ich habe mir vorgenommen, genau hinzuschauen, damit ich keine Möglichkeit einer eventuellen großen Liebe verpasse. Hier gibt es eine Menge potentieller Eheanwärter, nur ob mir davon überhaupt auch nur ein einziger wirklich gefällt, wird sich gleich zeigen. Ich bin gespannt und freue mich auf einen abwechslungsreichen Nachmittag. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist das Einkaufen in einem echten Laden. Natürlich bin ich auch online unterwegs, aber es ist doch schöner, die Weihnachtsgeschenke persönlich auszusuchen, sie zu riechen und auch anzufassen, um die Qualität zu überprüfen. Außerdem liebe ich das ganze Drum-Herum. Gerade habe ich noch einen großen Kaffee beim Bäcker getrunken und dabei ein bisschen die zu dieser Jahreszeit oft gestresst wirkenden Menschen beobachtet. Ich freue mich schon darauf, mich gleich in das Getümmel zu stürzen. Auf dreieinhalbtausend Quadratmetern werden hier alle erdenklichen Präsentwünsche erfüllt. Das Gute an diesem riesigen Laden ist, dass ich hier für alle etwas Schönes zu Weihnachten bekommen werde, da bin ich mir sicher. Das hat die letzten Jahre auch mehr oder weniger gut funktioniert, zumindest habe ich für jedes Familienmitglied ein Geschenk besorgen können. Es gibt zusätzlich noch mehrere kleinere Läden und Essensbereiche in diesem Zentrum. Ich fange jedoch erst einmal in meinem großen Lieblingsladen an. Diese Massen von Menschen, welche sich auch heute wieder durch die Abteilungen drängeln, lassen mich dann doch etwas erschrecken. Ich denke an den Sommer und die Blumenwiese am Haus meiner Eltern. Das ist das Stichwort, denke ich und bewege mich langsam durch die Kosmetikabteilung zu den Düften. Hier drängeln sich ungefähr ein halbes Dutzend Herren auf der Suche nach dem richtigen Duft für ihre Geliebten oder auch geliebten Ehefrauen, wer weiß das schon so genau, denke ich und stehe vor dem Regal mit Gol-Sinder-Produkten. Seit Jahren schenke ich meiner Mutter immer das gleiche Parfüm, leicht süßlich, vanillig duftend. Manchmal nehme ich noch ein Duschgel dazu, für dieses Weihnachten möchte ich allerdings eine passende Körpercreme verschenken, meine Mama wird sich darüber freuen. Mein kleines Körbchen füllt sich zusehends, ein paar Schminkutensilien für mich habe ich auch zu den Weihnachtsgeschenken dazu gepackt. Für meinen alten Vater, er wird nächstes Jahr immerhin schon sechzig Jahre alt, habe ich vor, in der Pralinenabteilung fündig zu werden. Bevor ich mich auf den Weg zu den Süßigkeiten mache, muss ich die Kosmetik bezahlen, da es in dieser Abteilung eine Extra-Kasse gibt. Nun stehe ich hier und warte, während sich meine Blase meldet. Hätte ich doch nur beim Bäcker nicht diesen großen Kaffee getrunken! Egal, ich muss jetzt durchhalten und erst bezahlen, danach noch schnell die Pralinen besorgen, und dann kann ich die Toilettenräume im Untergeschoss aufsuchen. Hinter mir steht ein unsympathischer drängelnder Mann. Absolut kein Mann, den ich näher kennen lernen möchte, sein Parfüm erinnert mich jedoch an einen meiner Exfreunde. Jetzt muss ich grinsen, vielleicht ist er mir ja deswegen so unsympathisch. Nein, denke ich, er kommt mir zu nah, und halte krampfhaft meine Handtasche fest, man hört ja so einiges. Erst gestern stand wieder in der Zeitung, dass gleich drei Frauen in der Fußgängerzone die Geldbörsen aus deren verschlossenen Handtaschen gestohlen worden seien. In diesem Moment tritt er mir von hinten auf meinen linken Schuh. Fast zeitgleich drehe ich mich wütend um, und er stammelt „Entschuldigung, ich habe es eilig.“ Das lasse ich mir natürlich nicht bieten. Ich spüre, wie sich meine Stirn runzelt und meine Augen sich verkleinern, als ich antworte: „Das ist noch lange kein Grund so zu drängeln. Halten Sie Abstand!“ Ich drehe mich wieder nach vorn um, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Eine trotz des ganzen Stresses immer noch entspannt wirkende Verkäuferin lächelt mich an und nimmt mir mein Einkaufskörbchen ab. „Endlich“, denke ich und strahle sie an. Ich zahle mit Karte und wundere mich ein wenig über den Betrag. Mit hundert Euro habe ich gerechnet, aber hundertneununddreißig sprengt schon fast den Rahmen, da noch vier andere Geschenke gekauft werden wollen. Mittlerweile muss ich dringend auf die Toilette und frage mich, ob ich jetzt gleich zu den Waschräumen herunter gehen soll oder erst noch in die Süßigkeiten-Abteilung. Wenn ich die Pralinen schnell noch kaufe, kann ich dieses Stockwerk abhaken, denke ich und bin schon auf dem Weg zu den Süßigkeiten. Auch in dieser Abteilung sehe ich eine Extra-Kasse, das war mir vorher gar nicht bewusst gewesen, dass man hier auch gleich bezahlen muss. Ich strahle trotzdem, denn der Blick auf den großen Pralinentresen lässt keine andere Form der Mimik zu. „Bitte ein Kilogramm von diesen hier“, ich zeige auf das Luxussortiment, während sich unmittelbar der Speichel in meinem Mund ansammelt. Ich muss schlucken und antworte auf die Frage, welche Pralinen sie denn genau einpacken dürfe, nur kurz angebunden: „Gemischt bitte.“ Auf Nachfrage entscheide ich mich für einen kleinen Präsentkarton, so werde ich die Pralinen dann sicherlich unbeschadet nach Hause transportieren können. Ich kann nicht anders und füge noch hinzu: „Bitte noch ein Paket Apfelringe in Vollmilchschokolade und fünf Einzelpralinen in der Tüte. Ich deute erst auf eine Erdbeere in Zartbitter, dann auf das Marzipan mit Walnuss und zum Schluss noch drei kleine Nougat-Krokant-Happen. Ich freue mich, obwohl mir in diesem Moment bewusst wird, dass ich, wenn ich mich jetzt nicht unverzüglich zu den Waschräumen aufmache, ein ernsthaftes Problem bekommen werde, und ich gehe schneller, als es der Platz zulässt. Nun bin ich diejenige, welche drängelt. Ich habe wahrhaftig Angst, bald in die Hose zu machen, wenn ich nicht schnellstmöglich eine Toilette finde. Ich erinnere mich, dass in diesem Kaufhaus die Toiletten immer extrem ansprechend waren. Es gibt hier sehr nette Frauen, welche sich gewissenhaft um die Sauberkeit der Waschräume kümmern. Ich gehe schneller, folge den WC-Hinweisschildern und biege um die Ecke mit Blick auf den Eingang zu den Waschräumen. Eine Dame des Reinigungspersonals kommt gerade heraus und bemerkt sofort, dass es bei mir dringlich zu sein scheint. Sie hält mir die Tür auf: „Die Vier ist gerade ganz frisch. Ich bin in ein paar Minuten wieder da.“ „Danke!“, rufe ich ihr zu, während ich schnellen Schrittes zur Kabine Nummer Vier eile. Es riecht ganz zitronig und ich schmeiße meine Einkaufstüten so sanft wie möglich auf den Boden und hoffe, dass meine Blase diese fünf Sekunden jetzt auch noch wartet, um sich zu entleeren. Ohne Bedenken setze ich mich auf die Toilettenbrille und lasse den Niagarafällen freien Lauf. Es hört überhaupt nicht wieder auf, und ich muss lachen. Aus einer der anderen Kabinen höre ich eine Frau schimpfen, offenbar hat ihre Tochter keine Geduld mehr, auf die Mutter zu warten und würde am liebsten alleine die Spielzeugabteilung aufsuchen. Die Frau erteilt ein klares Verbot, und das Kind fängt an lautstark zu schimpfen. Von der Stimme her schätze ich die Nervensäge auf zehn bis elf Jahre. Jetzt beleidigt sie ihre Mutter sehr unschön, doch anstatt zu schimpfen, entschuldigt sich die Mutter, dass es so lange dauert. Ich bin mir sicher, dass ich meine Kinder besser erziehen werde. Da fällt mir wieder ein, dass es langsam Zeit wird, den passenden Partner für meine zukünftige Familie zu finden. In der Kabine neben mir rumpelt es, und jemand stöhnt. Ich beschließe diesen Raum umgehend wieder zu verlassen und freue mich schon sehr auf die Porzellanabteilung des Geschäftes. Bevor es zurück in den Vorflur geht, verharre ich einen Moment an den Waschbecken. Ich wasche mir gründlich die Hände. Bei einem Blick in den Spiegel bemerke ich, dass mein Makeup eine leichte Auffrischung gut vertragen kann. Dabei bin ich nicht so zimperlich, es darf gerne ein bisschen mehr Farbe sein. Aus dem Vorflur höre ich laute Stimmen, offenbar scheint es dort einen Streit zu geben. Ich beschließe, mich in aller Ruhe zu schminken, und hoffe darauf, dass danach vor dem Eingang zum Damenwaschraum wieder Ruhe einkehrt und ich unbehelligt zurück in den Laden komme. Aus dem Augenwinkel bemerke ich beim Blick in den Spiegel, dass eine ältere Dame den Raum verlässt, ohne sich die Hände zu waschen, das finde ich nicht gut, immerhin fasst sie gerade die Türklinke an, welche ich auch noch benutzen will. Zwei junge Mädchen haben sich inzwischen neben mich gestellt und reden laut und aufgeregt von super süßen Jungs. Ich verberge mein Grinsen und schüttele meine Haare auf. Ich halte mich jetzt wieder für gut gestylt und durchaus attraktiv. Dann verlasse ich den Waschbereich. „Was ist hier denn los?“, frage ich entsetzt, als ich mich in die Menschenmenge einreihe. „Die Tür ist verschlossen, wir kommen nicht mehr hinaus.“ Ich schaue mich genauer um, die Herrentoilette geht ebenfalls von diesem Vorflur ab. Alle Personen, egal ob weiblich oder männlich, müssen an den Tischen des Reinigungspersonals vorbei. Ich drängle mich vor bis zur Tür zum Ladenbereich und muss entsetzt feststellen, dass die schwere Eisentür keinen Millimeter nachgibt. „Haben wir doch gesagt, sie ist verschlossen“, meint ein etwa fünfundfünfzigjähriger älterer Herr, während er seine buschigen Augenbrauen dabei hochzieht. „Wie kann das denn sein?“, frage ich fast schon panisch, während ich merke, dass mir die Röte ins Gesicht steigt. Ein anderer Mann, offenbar geschäftlich unterwegs, seine Kleidung deutet darauf hin, erklärt: „Das Reinigungspersonal ist nicht anwesend. Die Dame hätte bestimmt einen Schlüssel. Wir haben vorhin eine Art Sirene hören können“. Langsam dringen die nörgelnden Laute eines Mädchens bis zu meinem Gehirn durch. Bis dahin hatte ich diese freche und durchdringende Stimme der kleinen Göre einfach überhört. Als ich auf Toilette saß, hatte ich diese Stimme ja schon wahrgenommen und als äußerst lästig empfunden. Nun kann ich mir das Mädchen sowie seine Mutter anschauen. Wie schon vermutet, schätze ich sie immer noch auf etwa zehn Jahre. Einen weißen Pullover mit rosa Glitzer-Einhorn trägt sie, während ihre Mutter viel netter aussieht, als ich sie mir vorgestellt habe. Vom Alter her schätze ich sie auf etwa fünfunddreißig Jahre, sportlich gekleidet, dezent, aber super geschminkt. „Können Sie ihrer Tochter bitte sagen, dass sie den Mund halten soll! Ich laufe sonst Amok!“ Ich erschrecke bei dem Wort Amok, obwohl der eigentlich gutaussehende, schon etwas ältere Mann ja Recht hat, denke ich. Wie sollte es anders kommen, die Mutter entschuldigt sich für ihre Tochter. Danach sehe ich aber zum ersten Mal, dass sie der Kleinen einen nicht ganz so freundlichen Blick zuwirft, worauf das Mädchen tatsächlich erschrickt und für den Moment den Mund hält. Ich atme auf und begebe mich in den durch eine Kordel gesicherten Bereich des Personals. Die Blicke der anderen Anwesenden ruhen auf mir und verunsichern mich. Ich habe das Gefühl mich erklären zu müssen. „Ich will schauen, ob in dieser kleinen Schublade hier“, ich rüttele an einer der beiden Schubladen unter den Tischen, „vielleicht ein Notschlüssel versteckt ist. Sie ist verschlossen.“ Ich versuche die zweite Schublade unter dem gegenüberstehenden Tisch zu öffnen und habe Glück. Die Lade lässt sich aufziehen, doch der Inhalt besteht leider nur aus einem Paket Taschentüchern, einem Block und einem Kugelschreiber, sonst nichts. Enttäuscht schließe ich die Lade wieder. Alle starren mich an, und ich werde immer nervöser. Theoretisch habe ich mich wesentlich cooler eingeschätzt, jetzt merke ich, wie schwach und unbeholfen ich doch bin. Das ärgert mich, und ich beschließe an mir zu arbeiten, sobald diese unangenehme Situation überstanden ist. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als um Hilfe zu bitten, da ich die verschlossene Schublade leider nicht öffnen kann, und frage in die Runde, ob einer der Herren dazu in der Lage wäre. Ein großer, etwas finster dreinblickender Kerl drängelt sich, ohne ein Wort zu sagen, an mir vorbei, nur ein paar Sekunden später hören wir ein lautes Knacken, danach hält er die Schublade in den Händen und entleert deren Inhalt auf einem der beiden Tische. Eine Rolle Fünfzigcentstücke, ein paar beschriebene Zettel sowie eine Telefonliste kommen zum Vorschein, leider aber kein Schlüssel. Unsere Handys haben alle samt keinen Empfang, worüber ich mich sehr ärgere. Mein neues Smartphone war schweineteuer, ich habe es mir samt einiger Extras gegönnt, damit ich überall Empfang habe. Empfang haben aber auch weder die iPhones der Mädchen noch alle anderen Handys. Die beiden Teenies wollen nach einem eventuellen Fenster im Toilettenraum der Damen schauen, während der „Amokläufer“, wie ich ihn ganz im Stillen in meinen verborgenen Gedanken nenne, in der Herrentoilette ebenfalls nach einer Luke oder einem Notausgang Ausschau halten will. Keine zehn Sekunden später hören wir einen lauten schrillen und panischen Schrei aus der Damentoilette. Der große, finstere Mann, stürmt daraufhin, gefolgt von dem Anzugträger, in den Damenbereich. Ich schaue verunsichert zu der Mutter mit ihrer Tochter, sie umklammert ihr Kind und ist offenbar in eine Art Schockstarre verfallen. Der mit den buschigen Augenbrauen ist ebenfalls stehen geblieben und rührt sich nicht vom Fleck. Aus seiner Mimik werde ich nicht schlau. Maximal eine Minute später halte ich diese Ungewissheit nicht mehr aus und folge den Herren in den Damenwaschraum. Die Teenies stehen vor einem Waschbecken und liegen sich in den Armen, eine von ihnen schluchzt bitterlich. Ich will wissen, was Sache ist, und öffne die Tür zum Toilettenbereich. Der Herr im Anzug schreit mich an: „Raus hier!“ Ich weiche zurück und schließe die Tür. Doch ich habe etwas gesehen, mein Herz schlägt so schnell, dass ich kaum mehr atmen kann. Ich gehe in die Knie und schnappe nach Luft. „Sie ist tot, ich habe ihre Augen gesehen“, schluchzt das Mädchen mit den halblangen braunen Haaren. Ich erhebe mich langsam wieder. „Was machen wir denn jetzt? Konntet ihr etwas erkennen? War es ein Unfall?“, frage ich. Der blonde Teenie dreht sich zu mir um. „Woher sollen wir das wissen? Wir haben nur die Augen und das Blut gesehen. Es ist alles voller Blut. Wir …“ Ihre Stimme versagt. Ich entschuldige mich, älter als sechzehn scheinen die beiden nicht zu sein. Also noch viel zu jung für diese schlimme Situation, denke ich. Ich reiße mich zusammen und erinnere mich an die vielen Krimis, welche ich schon mit Begeisterung gesehen habe. Warum lasse ich mir den Blick in den Toilettenbereich eigentlich verbieten? Ich muss wissen, ob die beiden Männer von der Kripo oder zumindest von der Polizei sind. Falls nicht, haben sie ebenfalls nichts zu suchen bei der Leiche. Mir wird richtig schlecht, ich habe immer gedacht, dass ich etwas cooler bin, da scheine ich mich nun endgültig getäuscht zu haben. Mein Puls rast, vor den Mädchen ist es mir schon fast peinlich, aber ich muss mich für einen Moment erneut hinknieen. Die Tür öffnet sich und die beiden Männer kommen aus dem Toilettenbereich der Damen wieder heraus. Der Herr im Anzug redet behutsam und gar nicht aggressiv auf uns ein: „Es ist etwas Schreckliches passiert. Um keine Spuren zu verunreinigen, dürfen wir die Damentoiletten nicht mehr betreten. Kommt mit zu den Anderen, wir müssen alle gemeinsam reden!“

Im Vorflur ist es bedrückend eng, zusammen beschließen wir in den Waschraum der Herren zu gehen, dort ist wesentlich mehr Platz. Mr. Amok kommt in diesem Moment aus der Herrentoilette und hat einem Mann den Arm auf dessen Rücken verschränkt. Der Fremde stöhnt und schimpft laut. Während ich ihn mir genauer betrachte, bemerke ich, dass ich ihn bereits kennengelernt habe, und zwar in der Parfumabteilung. Es handelt sich um den unsympathischen Drängler. „Den habe ich auf einer der Toiletten entdeckt. Er hat sich dort versteckt und behauptet, Verdauungsstörungen zu haben. Ich habe aber keinerlei Gerüche diesbezüglich wahrgenommen.“ Ein Raunen geht durch den Raum, und der gefangene Kerl versucht sich zu erklären. „Lassen Sie mich los, ich bin unschuldig. Und überhaupt, warum darf ich denn nicht in Ruhe auf die Toilette gehen? Ich zahle ja schließlich dafür. Ich habe Verstopfungen und keinen Dünnschiss!“ „Lass ihn sofort los!“, brummelt der Große. „Danke“, sagt der Drängler etwas schmerzverzerrt, nachdem der Andere ihn losgelassen hat. „Was ist hier denn eigentlich los?“, fragen die beiden aus der Herrentoilette gekommenen Männer nun fast zeitgleich. Der Anzugträger übernimmt das Reden. „Wir haben in der Damentoilette leider eine Leiche gefunden. Da die Tür zum … „ Weiter kommt er nicht, das Mädchen fängt jetzt laut an zu weinen. An irgendwen erinnert mich der Anzugträger, aber ich kann mich nicht konzentrieren, und es fällt mir schwer nachzudenken. Jetzt versucht die Mutter, ihre Kleine zu beruhigen, und zum ersten Mal tut sie mir nun sogar leid. Für kleine Kinder sind traumatische Erlebnisse schwer zu verkraften. „Was denke ich da eigentlich“, frage ich mich, denn für mich selbst wird es sicherlich auch nicht leicht zu verkraften sein. Wenn diese blöde Tür zum Ladenbereich sich nicht bald öffnen lässt, bekomme ich eine heftige Panikattacke, denke ich und merke, wie mir wieder die Röte in das Gesicht steigt. Das Mädchen verstummt, und der Herr erzählt weiter. „Nun, da sich die Tür zum Ladenbereich immer noch nicht öffnen lässt, müssen wir darauf vertrauen, dass uns von außen bald jemand zu Hilfe kommen wird und die Tür öffnet. Dann dürfen wir eines nicht außer Acht lassen“, er atmet tief durch, bevor er weiter spricht. „Wir sind alle tatverdächtig. Einer von uns“, er zählt alle Anwesenden auf, die Mutter mit ihrem Kind, die beiden Teenies, mich, den Drängler mit den Verdauungsproblemen, den Amokläufer, den großen Kerl, den mit den buschigen Augenbrauen sowie sich selbst. „Von uns zehnen ist ein Mörder!“ Ohne zu überlegen behaupte ich lautstark: „Es kann auch jemand anderes gewesen sein, ich habe eine etwa sechzigjährige Frau in einem dunkelblauen Mantel im Waschraum gesehen. Vielleicht war die Tür zum Ladenbereich noch offen, als sie verschwand.“ Ein Raunen geht durch den Raum, und die Blicke des großen, starken Kerls treffen sich mit denen des Anzugträgers. Mir zugewandt fährt er mit seiner Rede fort. „So, dann haben Sie die Ermordete also als letzte lebend gesehen, …“ „Nein“, unterbreche ich ihn, „zuletzt muss sie dann wohl der Mörder gesehen haben. Ich sah sie in Richtung Vorflur den Waschraum verlassen. Sie müssen sie dort doch gesehen haben.“ Meine Stimme klingt unsicher, und die zu erwartende Panikattacke kündigt sich immer deutlicher an. Alle Anwesenden behaupten, die Frau in dem blauen Mantel nicht gesehen zu haben. Ich bin mir jedoch sicher, dass sie in den Vorflur ging. Der Anzugträger übernimmt wieder das Wort. „Wenn Sie tatsächlich die Wahrheit sagen, dann müsste die Frau wieder zurück in den Waschraum gegangen sein. Hätten Sie das dann nicht auch bemerken müssen?“, sagt er mit einem bedrohlichen Unterton und kommt mir dabei deutlich zu nah. Sein Hemd hat einen falschen Knopf am Kragen, das irritiert mich. Noch etwas fällt mir unangenehm auf, denn seine linke Hand war offenbar früher einmal tätowiert, ich kann die Laserspuren der Farbentfernung erkennen. Trotzdem habe ich das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. „Was ist denn, wenn ich schon auf dem Flur war, als die Frau wieder zurück zu den Toiletten gegangen ist? Ich bin doch ziemlich schnell zu den Tischen des Personals gegangen und habe versucht, die Schubladen zu öffnen. Vielleicht ist die Frau in diesem Moment wieder zurück in den Damenbereich gelangt.“ Ich schaue zu den Tischen des Personals und sehe meine Einkaufstüten auf dem Boden stehen. „Meine Einkaufstüten stehen ja sogar noch dort!“, sage ich aufgebracht und gehe erneut in den Personalbereich und schnappe mir meine Taschen. Erst jetzt bemerke ich einen Kittel des Reinigungspersonals an der Wand zwischen den beiden Tischen hängen. Der war mir vorhin leider gar nicht aufgefallen. Ich kämpfe mit den Tränen und kann mich nur schwer zusammenreißen, trotzdem versuche ich jede anwesende Person mit meinen Blicken abzuscannen. Mir ist bewusst, dass ein Mörder unter uns weilt. Dazu habe ich genug Filme geschaut, um zu wissen, dass der erste Mord immer der schwierigste ist, die eventuell danach noch kommenden Gewaltverbrechen sind oft nur Kollateralschäden. „Hier hängt ein Kittel, ich schaue mal in die Taschen“, sage ich laut und deutlich. „Leer, leider.“ Der Anzugmann bittet mich zu schauen, ob es eine Innentasche gibt. Als ich den Kittel vom Haken nehme, kommt ein großer roter Knopf zum Vorschein. Das ist offensichtlich gar kein Haken, sondern wahrscheinlich ein Notfallknopf, das wird in diesem Moment nicht nur mir bewusst. „Drück drauf“, höre ich gleich mehrfach. Ohne groß nachzudenken tue ich das dann auch, und die schwere Eisentür entriegelt sich mit einem lauten Geräusch. Alle stürmen an mir vorbei in den Ladenbereich, der Anzugmann vorweg. Niemand interessiert sich mehr für den anderen, alle wollen einfach nur noch die Waschräume verlassen und weit weg von dieser bedrohlichen Situation sein. Die Nerven scheinen nicht nur bei mir sehr angegriffen zu sein. Kein Wunder, bei dem Gedanken an die Leiche im Nebenraum und einem Mörder unter uns. Wir machen uns im Gänsemarsch auf zum Verkaufsbereich. „Sollten wir nicht auf die Polizei warten?“, rufe ich von hinten, und bis auf die Mutter mit ihrer Tochter und den großen Kerl bleiben alle einen Moment stehen. „Nein, wir wollen nach Hause“, sagt das blonde Mädchen. Der Herr im Anzug ruft zurück, dass er umgehend die Polizei informieren wird, und zückt sein Handy. Der Drängler drückt mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand und geht dann dem Anzugträger schnellen Schrittes hinterher in Richtung des Ladenbereichs. Ich tue so, als wolle ich telefonieren und gehe in meinen Nachrichten-Account. Dort steht mein Bruder Robert ganz oben, da er mir offenbar vor kurzem geschrieben hat. Ich öffne den Chat und drücke die Aufnahmetaste meines Handys. Mir ist bewusst, dass das gefährlich ist, aber so kann ich alle, zumindest von hinten filmen. Die Mutter und ihre Tochter sind schon um die Ecke gebogen und müssten jetzt im Ladenbereich angekommen sein, denke ich, als der Mitte Fünfzigjährige mit den buschigen Augenbrauen sich umdreht und auf mich zukommt. Ich bekomme Angst und lasse mein Handy in meiner Jackentasche verschwinden. „Geht es Ihnen gut?“, fragt er mich. Seine Augen starren mich an, und mein Puls steigt erneut deutlich. „Ich könnte Sie nach Hause fahren, mein Auto steht auf dem Parkdeck Nummer Eins, gleich hier unten“, sagt er bestimmend. Mir kommt das alles sehr merkwürdig vor, dass niemand bereit ist, auf die Polizei zu warten. „Wollen Sie nicht auf die Polizei warten?“, frage ich ihn. „Nein, ich habe noch Termine heute. Eine Weihnachtsfeier, wissen Sie? Es wird mir gut tun, auf andere Gedanken zu kommen.“ Jetzt zieht er seine Augenbrauen wieder hoch, diesmal lächelt er dabei und fragt mich, ob ich nicht mitkommen möchte zu seiner Weihnachtsfeier. Mir wird ganz anders, die anderen sind fast außer Sichtweite, und ich bin kurz davor zu schreien, als hinter uns eine Stimme ruft. „Halt! Was machen Sie denn da? Das Gebäude ist evakuiert.“ Ein Feuerwehrmann kommt auf uns zu, während er mit seinem Funkgerät offenbar seine Kameraden informiert. „In der Damentoilette liegt eine Leiche“, sage ich, bevor mir schwarz vor Augen wird und ich das Bewusstsein verliere. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich wieder wach werde. Neben mir liegt der Feuerwehrmann mit aufgeschlitzter Kehle, und ich habe ein Messer in der Hand. Erschrocken lasse ich es auf den Boden gleiten, mir geht es nicht gut. Ich höre Stimmen, sehe aber niemanden. Jemand tätschelt meine Wange, offenbar ein Sanitäter. „Sind Sie verletzt?“, fragt er mich. „Ich weiß nicht. Ich verliere das Bewusstsein.“ Ich merke noch, dass ich mich übergeben muss, und drehe mich auf die Seite, danach ist alles schwarz geworden. Ich wache erst wieder auf, als ich eine laute Sirene höre. Man hat mich auf einer Liege fixiert, es schaukelt, und ich sehe eine Infusion über mir hängen. „Bleiben Sie ganz ruhig. Wir sind auf dem Weg ins Krankenhaus, Sie haben eine Stichverletzung im unteren Bauchbereich. Können Sie mir Ihre Blutgruppe verraten?“ „Null positiv“, sage ich und spüre starke Schmerzen. „Das ist gut, diese Blutgruppe ist auf jeden Fall vorrätig. Der Operationssaal wird schon vorbereitet. Können Sie sich erinnern, was genau passiert ist?“ „In der Toilette liegt eine Leiche“, sage ich und fange an zu zittern. „Bleiben Sie bei mir“, sagt er und lächelt mich an. Ich starre ihn an, für einen Moment bin ich abgelenkt, doch die Schmerzen sind zu stark. Ich merke, wie sich meine Augen mit Tränenflüssigkeit füllen. Erst jetzt bemerke ich, dass wir uns nicht allein in diesem Krankenwagen befinden. Rechts neben meinem Kopf sitzt eine junge Frau und telefoniert offenbar mit der Polizei. Das Reden fällt mir schwer, doch ich versuche zu erklären. „Zehn, zehn Menschen waren wir, eingesperrt in der Toilette. Dann war da eine tote Frau. In meiner Jackentasche ist mein Handy, ich habe versucht alle zu filmen.“ Die Sanitäterin schaut in meiner auf meinen Beinen liegenden Jacke nach. „Hier ist kein Handy, nur eine Geldbörse und zwei Einkaufstüten.“ Sie schaut hinein und schüttelt daraufhin den Kopf. Ich habe das Gefühl, Fieber zu haben, und schwitze sehr stark. Die Schmerzen sind inzwischen so extrem, dass ich das Bewusstsein erneut verliere.

In kürzester Zeit hat sich eine Sonderkommission der Kriminalpolizei gebildet. Die Stadt Heidlaufen hat knapp über fünfundvierzigtausend Einwohner, und die Kriminalitätsrate ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Dieser brutale Mord an dem angesehenen und beliebten Wehrführer Sven Beidenfeld wird die Bevölkerung noch lange beschäftigen und das Weihnachtsfest für viele Familien etwas beschwerlicher gestalten. Um so wichtiger ist es, diesen Fall so schnell wie irgend möglich abschließen zu können, und die Täter dingfest zu machen. Für die ermittelnden Beamten bedeutet dies höchstwahrscheinlich einige schlaflose Nächte und etliche Überstunden. Die „Soko EKZ-Nord“ besteht aus neun Personen. Vier von Ihnen im dauerhaften Innendienst, sie sind unter anderem damit beschäftigt, die Aufnahmen der vielen Überwachungskameras zu sichten und auszuwerten. Der Datenschutz macht es schwierig, ohne richterliche Beschlüsse die Kundendaten der einzelnen Käufer überprüfen zu können. So ganz am Anfang ihrer Ermittlungen sind die Beamten auf möglichst viele und glaubwürdige Zeugenaussagen angewiesen. Doch diese Tatsache stellt das Team vor große Probleme, denn es haben sich tatsächlich nur die beiden Teenie-Mädchen, Marie Becker und