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Künstliche Intelligenz in der Kinder- und Jugendhilfe E-Book

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Beschreibung

Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet Fach- und Führungskräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe weitreichende Möglichkeiten im Praxisalltag. Anhand von Fallstudien und konkreten Anwendungsbeispielen zeigen die Autoren, wie KI in der Sozialen Arbeit konkret eingesetzt werden kann, um Arbeitsprozesse zu optimieren, Arbeitszeit zu reduzieren und individuelleres pädagogisches Handeln zu ermöglichen. Dabei werden auch ethische Aspekte und Anforderungen an den Datenschutz kritisch beleuchtet und es wird diskutiert, wie KI nachhaltig und verantwortungsvoll zum Wohle junger Menschen eingesetzt werden kann.

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Seitenzahl: 198

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Michael Macsenaere (Hg.)

Künstliche Intelligenz in der Kinder- und Jugendhilfe

 

Mit 7 Abbildungen und 2 Tabellen

Mit Beiträgen vonJens Albrecht, Martin Brinkmann, Jennifer Burghardt, Monika Feist-Ortmanns, Hans Jürgen Frischhut, Daniel Hahn, Daniel Kieslinger, Robert Lehmann,Gesa A. Linnemann, Julian Löhe, Michael Macsenaere, Christina Plafky, Aleksandra Poltermann, Beate Rottkemper, Annette Sauer

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof. Dr. rer. nat. habil. Michael Macsenaere, Diplom-Psychologe, ist wissenschaftlicher Direk­tor des Instituts für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ). Er lehrt an der Johannes Gutenberg-­Universität Mainz und an der Hochschule Niederrhein.

Im Ernst Reinhardt Verlag ebenfalls erschienen:

Macsenaere, M., Esser, K.: Was wirkt in der Erziehungshilfe? Wirkfaktoren in Heimerziehung und anderen Hilfearten (2. Aufl. 2015; ISBN 978-3-497-02562-6)

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03272-3 (Print)

ISBN 978-3-497-61953-5 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61954-2 (EPUB)

© 2025 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG einschließlich Einspeisung / Nutzung in KI-Systemen ausdrücklich vor.

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Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Bildes von © iStock / stellalevi

Satz: Katharina Ehle, Leipzig

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 MünchenNet: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort

IGrundlagen Künstlicher Intelligenz (KI) in der Kinder- und Jugendhilfe von Michael Macsenaere

1Was ist eine „Künstliche Intelligenz (KI)“?

2KI: Ein historischer Abriss

3Daten

3.1Bedeutung und Funktion der Daten für eine KI

3.2Welche Voraussetzungen müssen Daten erfüllen?

4Regulierung von KI und Datenschutz

4.1EU Artificial Intelligence Act

4.2Empfehlungen zum Datenschutz

5Einsatz von KI in der Kinder- und Jugendhilfe

5.1Diagnostik, Planung, Hilfedurchführung, Dokumentation und Monitoring

5.2Beratung

5.3Bildung und kognitive Entwicklung

5.4Verwaltung

5.5Marketing

5.6Textgenerierung und -bearbeitung

5.7Übersetzungen

5.8Audio-, Bild- und Videogestaltung

5.9Kreativität

5.10  Wissenschaftliches Arbeiten

6Anwendungsrisiken und Limitation von KI

7Praxistipps zur Nutzung von KI

7.1Erste Schritte zur Nutzung von KI

7.2Wie gelingt ein gutes Prompting?

IIErfahrungen mit KI in der Kinder- und Jugendhilfe

1KI-basiertes Assistenzsystem im Kinderschutzverfahren von Monika Feist-Ortmanns, Annette Sauer und Martin Brinkmann

1.1Entscheidungsfindung in Verfahren des intervenierenden Kinderschutzes

1.2Mögliche Einsatzgebiete für KI-basierte Assistenz­systeme in Kinderschutzverfahren und sich hierbei jeweils ergebende Anforderungen

1.3Analyse und Verarbeitung der vorhandenen strukturierten und unstrukturierten Daten und Mustererkennung

1.4Regulatorischer Rahmen für KI-basierte Assistenzsysteme in Kinderschutzverfahren

1.5Fachliche und ethische Aspekte der Einbindung von KI-basierten Assistenzsystemen in Kinderschutzverfahren

1.6Fazit

2Die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz bei der Entscheidungs­unterstützung in der Kinder- und Jugendhilfe von Robert Lehmann und Jennifer Burghardt

2.1Problemstellung

2.2Theoretischer Hintergrund

2.3Untersuchung der Akzeptanz von KAIMo

2.4Fazit

3Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu Prognosezwecken in der Kinder- und Jugendhilfe von Christina Plafky und Hans Frischhut

3.1Einleitung

3.2Bedeutung von KI in der Kinder- und Jugendhilfe und Vorstellung der Studie

3.3Besondere Eigenschaften der emergenzbasierten Statistik

3.4Darstellung ausgewählter Resultate anhand von Beispielen

3.5Zusammenfassung der Ergebnisse

4Die Stimme aus der Praxis von Daniel Hahn

5Mensch-KI-Interaktion in der Kinder- und Jugendhilfe von Gesa A. Linnemann, Julian Löhe und Beate Rottkemper

5.1KI im Kindesalter: Vertrauen, Fiktion und Fürsorgeauftrag

5.2Einfluss von KI-Chatbots: Die Rolle der Selbstoffenbarung in der Adoleszenz

5.3KI-Einsatz durch Fachkräfte: Quasisoziale Beziehung und AI Literacy

6Inklusiv beraten – Künstliche Intelligenz als Unterstützung in digitalen Beratungsprozessen von Jennifer Burghardt und Daniel Kieslinger

6.1Einführung in das Projekt „Inklusiv beraten“

6.2Zielgruppenbefragung

6.3KI-Assistenz für Ratsuchende im Kontext digitaler Beratung

6.4Testung der protoypischen KI-Assistenz

6.5Ausblick

7Machine-Learning-Verfahren als Forschungs­instrument in der Kinder- und Jugendhilfevon Aleksandra Poltermann, Robert Lehmann und Jens Albrecht

Ergebnisse aus dem Projekt GeCCo an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm

7.1Einleitung

7.2Automatisierte Inhaltsanalyse

7.3Das Forschungsprojekt GeCCo

7.4Chancen und Verwertbarkeit für die Kinder- und Jugendhilfe

8Nutzen von KI im HzE-Alltag erfahren – am Beispiel von WirkMit! von Michael Macsenaere

III Ausblick und Empfehlungen von Michael Macsenaere

1Ausblick

Entwicklungen und Trends in den nächsten fünf Jahren

2Empfehlungen zur KI-Implementierung in sozialen Organisationen

1. Stufe: Bedarfe, Herausforderungen und Zieldefinition

2. Stufe: Kompetenz, Haltung und Akzeptanz

3. Stufe: Pilotprojekte und Prototypen

4. Stufe: Integration und Anpassung

5. Stufe: Überwachung und Evaluation

6. Stufe: Weiterentwicklung und Nachhaltigkeit

Literatur

Autorinnen und Autoren

Sachregister

Vorwort

Künstliche Intelligenz (KI) wird in den kommenden Jahren voraussichtlich in weiten Bereichen unseres Lebens Einzug halten und tiefgreifende, teilweise sogar disruptive Veränderungen mit sich bringen. Auch der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wird davon nicht unberührt bleiben. Daher bin ich überzeugt, dass es für alle Akteur:innen in diesem Feld von großer Bedeutung sein wird, diese neue Technologie zumindest in Ansätzen zu verstehen und die damit verbundenen Chancen und Risiken zu erfassen. Dies stellt eine notwendige Voraussetzung dar, um diese innovative und komplexe Methode angemessen und verantwortungsvoll im Alltag vor Ort einsetzen zu können. In diesem Sinne sind mit dem vorliegenden Buch drei Zielsetzungen verbunden:

1Ein grundlegendes Verständnis für die Funktion und möglichen Einsatzbereiche von KI zu schaffen.

2Bereits heute vorliegende Erfahrungen mit KI in der Kinder- und Jugendhilfe zugänglich zu machen.

3Auf dieser Grundlage einen Ausblick und Empfehlungen für die Nutzung von KI in sozialen Organisationen zu geben.

Diesen Zielsetzungen folgt der Aufbau des Buches. In Teil I wird skizziert, was unter KI zu verstehen ist, welche zentralen Begriffe und Formen es gibt, was hinsichtlich Daten und Datenschutz zu bedenken ist, welche Einsatzbereiche in der Kinder- und Jugendhilfe denkbar sind, wo Risiken und Grenzen vorliegen und welche ersten Schritte zur Nutzung von KI sinnvoll erscheinen. Teil II gibt vertiefende Einblicke in die bereits vorliegenden Erfahrungen mit KI – sei es im Kinderschutz oder in der Beratung. In Teil III wird auf Grundlage dieser Erfahrungen und des Leistungsspektrums der vorliegenden und zu erwartenden KI-Modelle eine Strategie entworfen, wie KI in sozialen Organisationen schrittweise geplant und implementiert werden kann.

Aufgrund der praxisorientierten Zielsetzungen und der breit gefassten Zielgruppe, die das gesamte Spektrum der Stakeholder in der Kinder- und Jugendhilfe umfasst, wurde das Buch bewusst nicht als theoretisch-abstrakte wissenschaftliche Publikation verfasst. Stattdessen lag der Fokus darauf, dieses sehr komplexe und oft schwer verständliche Thema möglichst praxisnah darzustellen. Daher wurde weitgehend auf akademische Sprache verzichtet und versucht, einen direkten Bezug zu den Leser:innen herzustellen, etwa durch praxisnahe Beispiele, direkte Ansprache und gezielte Fragen.

Abschließend möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: KI weist eine rasante, exponentielle Entwicklung auf. Das bedeutet, dass der heutige Status quo in einem halben Jahr bereits veraltet sein kann. Dies betrifft möglicherweise auch Teile der Inhalte dieses Buches, wofür ich um Ihr Verständnis bitte.

Obwohl das Buch bewusst einführend gehalten ist, gibt es einige Abschnitte, die sich möglicherweise eher an technologisch interessierte Leser:innen richten. Sollten diese vertiefenden Aspekte für Sie weniger interessant sein, bringen Sie bitte einen „Mut zur Lücke“ mit und belassen es bei einem Überfliegen des betreffenden Passus.

Ich hoffe, dass dieses Buch Ihnen einen gelungenen Einstieg in das innovative und komplexe Feld der Künstlichen Intelligenz bietet und Anregungen gibt, wie die Chancen von KI in der Kinder- und Jugendhilfe genutzt und die damit verbundenen Risiken möglichst gering gehalten werden können.

Mainz, im Juni 2024

Prof. Dr. Michael Macsenaere

I Grundlagen Künstlicher Intelligenz (KI) in der Kinder- und Jugendhilfe

von Michael Macsenaere

Um Künstliche Intelligenz sinnvoll in der Kinder- und Jugendhilfe einzusetzen und dabei mögliche Risiken zu minimieren, bedarf es zumindest eines Grundverständnisses dieser neuen und oft noch wenig vertrauten Technologie. In diesem ersten Teil werden daher zentrale Aspekte der KI vorgestellt.

1 Was ist eine „Künstliche Intelligenz (KI)“?

Wir alle verwenden den Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) nahezu selbstverständlich. Das Verständnis, was genau damit gemeint ist, unterscheidet sich zum Teil aber erheblich. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist schon der Begriff „Intelligenz“ nicht eindeutig definiert. Zum anderen wird je nach fachlicher Ausrichtung Verschiedenes mit KI assoziiert. So wird in der Informatik unter KI oft die Entwicklung von Systemen verstanden, die komplexe Probleme lösen und Aufgaben ausführen können, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Hierbei stehen demnach technologische und funktionale Aspekte im Vordergrund. Die Philosophie hingegen betrachtet KI aus einer umfassenderen Perspektive, wobei ethische Fragen, das Bewusstsein und der ontologische Status von Maschinen eine große Rolle spielen. Das führt zu überaus relevanten Fragestellungen, z. B., ob und wie Maschinen tatsächlich „denken“ oder sich ihrer selbst „bewusst“ sein können. In der Psychologie kann KI als Werkzeug herangezogen werden, um menschliche Kognition zu verstehen und zu simulieren. Hier kann untersucht werden, wie KI menschliches Lernen, Gedächtnis und Problemlösungsverhalten nachahmen kann. In anderen Feldern wie der Medizin wird KI häufig in Bezug auf ihre Anwendung in Diagnoseverfahren und Interventionsplanung definiert. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf höherer Präzision und Effizienz sowie der Unterstützung klinischer Entscheidungsprozesse durch KI-Systeme.

Trotz dieser Unterschiede und der damit verbundenen Unschärfen nachfolgend der Versuch einer allgemeinen Definition:

DEFINITION

Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet Technologien und Methoden, die darauf abzielen, Maschinen Fähigkeiten zu verleihen, die üblicherweise menschliche Intelligenz erfordern.

Eine ausführlichere und etwas plastischere Definition des Europäischen Parlaments (2020) lautet wie folgt:

„Künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. KI ermöglicht es technischen Systemen, ihre Umwelt wahrzunehmen, mit dem Wahrgenommenen umzugehen und Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Der Computer empfängt Daten (die bereits über eigene Sensoren, zum Beispiel eine Kamera, vorbereitet oder gesammelt wurden), verarbeitet sie und reagiert. KI-Systeme sind in der Lage, ihr Handeln anzupassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren und autonom arbeiten.“

Zitat Ende

Zum Verständnis von KI ist es sicherlich hilfreich zu wissen, ob bzw. welche Unterschiede zur menschlichen Intelligenz bestehen. Nach Lake et al. (2017) ist der Mensch derzeit bspw. noch bei der flexiblen Anwendung erworbenen Wissens auf neue Probleme der Maschine gegenüber überlegen. Im Einzelnen lassen sich folgende Unterschiede zwischen KI und menschlicher Intelligenz hinsichtlich Verarbeitungsweise, Lernfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, emotionaler / sozialer Intelligenz und Kreativität / Intuition benennen:

Verarbeitungsweise: Menschliche Intelligenz beruht auf biologischen Prozessen, die durch Neuronale Netzwerke im Gehirn realisiert werden. KI hingegen beruht auf Algorithmen und Rechenprozessen, die von Computern ausgeführt werden. Damit sind extrem schnelle und präzise Berechnungen möglich. Zudem können mit KI riesige Datenmengen verarbeitet und Muster darin erkannt werden, wie dies für einen Menschen nicht möglich wäre.

Lernfähigkeit: Menschen lernen auf eine sehr adaptive Weise, die auch soziale und emotionale Aspekte einschließt. KI-Systeme hingegen können zwar aus Daten lernen und Muster erkennen, aber sie tun dies ohne ein echtes Verständnis oder Bewusstsein und nur in dem Rahmen, der ihnen durch Menschen vorgegeben wird. Sie sind auf das schnelle Verarbeiten und Lernen aus großen Datensätzen spezialisiert. KI kann spezifische Aufgaben oft schneller und genauer lernen als Menschen, ohne dabei zu ermüden.

Anpassungsfähigkeit: Menschliche Intelligenz ist extrem anpassungsfähig und kann sich kontinuierlich an neue Situationen, Herausforderungen und Umgebungen anpassen. KI-Systeme sind zurzeit in ihrer Anpassungsfähigkeit noch sehr begrenzt und meist auf spezifische Aufgaben und Kontexte zugeschnitten. Mit der Entwicklung einer Künstlichen allgemeinen Intelligenz (AGI) (s. u.) würden diese Einschränkungen zumindest reduziert werden.

Emotionale und soziale Intelligenz: Menschliche Intelligenz umfasst emotionale und soziale Komponenten, die es uns ermöglichen, echte Empathie zu empfinden, zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen und in komplexen sozialen Strukturen zu handeln. KI fehlt es an diesen emotionalen und sozialen Fähigkeiten. Allerdings ermöglichen es Ansätze wie das sog. „Affective Computing“ KI-Systemen, menschliche Emotionen zu erkennen und in bestimmten Kontexten angemessen zu reagieren.

Kreativität und Intuition: Menschen können kreativ denken und handeln sowie intuitive Entscheidungen treffen, die oft auf unbewusstem Wissen oder Erfahrungen beruhen. KI-Systeme basieren hingegen auf logischen Prozessen und expliziten Daten, was ihre Fähigkeit zur Kreativität und Intuition zumindest einschränkt. Durch die Analyse riesiger Datenmengen und das Erkennen von Mustern kann aber auch KI bei der Suche nach kreativen Ansätzen und Innovationen unterstützen (s. Kap. I.5.9).

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zwischen einer sog. schwachen KI und einer starken KI zu unterscheiden.

Schwache KI ist darauf ausgelegt, spezifische Aufgaben zu automatisieren und zu optimieren. Im Englischen wird sie „Narrow AI“, also enge bzw. schmale KI genannt, was wohl die geeignetere Bezeichnung ist, denn diese aktuelle Form der KI ist überaus leistungsfähig und alles andere als „schwach“. Sie operiert innerhalb eines begrenzten Rahmens und ist auf die Ausführung konkreter, klar definierter Funktionen beschränkt (Russell / Norvig 2016). Schwache KI versucht nicht, menschliches Bewusstsein oder menschliche Intelligenz in ihrer Gesamtheit zu simulieren oder zu verstehen. Beispiele für schwache KI sind alle aktuellen Chatbots, Empfehlungssysteme, Bilderkennungssoftwares und automatisierte Übersetzungsdienste.

Starke KI, oft auch als „Artificial General Intelligence“ (AGI) benannt, bezieht sich auf Systeme, die in der Lage sind, jegliche intellektuelle Aufgabe zu erfüllen, die ein Mensch ausführen kann. Diese Form der KI besitzt die Fähigkeit, zu lernen, zu verstehen und eigenständig zu denken – sie könnte theoretisch Bewusstsein, Selbstbewusstsein und echte menschliche kognitive Fähigkeiten besitzen. Die Entwicklung von starker KI bleibt ein langfristiges Ziel der KI-Forschung und wirft ethische, philosophische und technologische Fragen auf (Bostrom 2014). Stanley Kubrick verarbeitete dies schon 1969 in seinem Film-Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“ anhand des skrupellosen Supercomputers HAL 9000. Nach wie vor kontrovers diskutiert wird die Frage, wann mit der Entwicklung einer starken KI zu rechnen ist. Einige, darunter etwa Sam Altman, CEO von OpenAI, erwarten sie bereits in wenigen Jahren. Andere hingegen gehen davon aus, dass es erst in einigen Jahrzehnten oder nie zu einer starken KI mit den oben beschriebenen Merkmalen kommen wird.

Unterschiede zwischen KI und klassischer Software: Abschließend soll noch skizziert werden, wodurch sich KI-Modelle grundlegend von traditioneller Software unterscheiden:

Klassische Software setzt auf Algorithmen, die speziell dafür entwickelt wurden, präzise und gut definierte Aufgaben auszuführen. Diese Aufgaben folgen strikten Anweisungen und die Operationen sind deterministisch, was bedeutet, dass sie Funktionen wie das Sortieren von Daten, das Durchführen von Berechnungen oder die Verarbeitung von Eingaben der Benutzer:innen ausführen. Die Algorithmen in einer Software sind statisch; sie passen sich nicht automatisch an neue Daten oder Umstände an, sondern erfordern oft aufwendige, manuelle Anpassungen durch Entwickler:innen. Dies sorgt aber auch für eine hohe Transparenz und Nachvollziehbarkeit, da jeder Schritt klar verstanden und überprüft werden kann. Fehler (sog. Bugs) sind in der Regel identifizierbar.

Im Gegensatz dazu arbeiten KI-Modelle oft probabilistisch und somit nicht deterministisch. Das bedeutet, dass sie Entscheidungen auf Basis von Wahrscheinlichkeiten treffen und sich kontinuierlich weiterentwickeln können. Sie verbessern ihre Leistung selbstständig durch die Anpassung ihrer internen Parameter, basierend auf den verarbeiteten Daten. Diese durchaus beeindruckende Eigenschaft geht allerdings einher mit einer gewissen Undurchsichtigkeit: So werden viele KI-Modelle, insbesondere tiefe Neuronale Netze, als „Black Boxes“ angesehen, bei denen nicht immer klar ist, wie oder warum sie bestimmte Entscheidungen treffen. Ähnliches gilt aber durchaus auch für menschliche Entscheidungsprozesse. Diese Modelle sind zudem stark abhängig von der Qualität und Quantität der Trainingsdaten, die ihre Genauigkeit und Leistung bestimmen. Neben herkömmlichen Bugs können Leistungseinbußen auch durch Datenverzerrungen (Bias), Überanpassung oder unzureichende Generalisierung entstehen, was neue Herausforderungen in Bezug auf Transparenz und Vertrauenswürdigkeit mit sich bringt.

Traditionelle Software weist also eine ausgeprägte Stabilität und Klarheit auf, während KI durch ihre hohe Flexibilität und Lernfähigkeit herausragt, allerdings weniger transparent ist. Beide Technologien haben ihre spezifischen Stärken und Einsatzbereiche, wobei die Wahl zwischen ihnen oft von den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Projektes abhängt.

2 KI: Ein historischer Abriss

Auch wenn es bei einem solch zukunftsträchtigen Thema wie KI verwunderlich ist: Lassen Sie uns zunächst einen Blick in die Vergangenheit werfen und nachvollziehen, wie der Begriff der maschinellen, künstlichen Intelligenz, die originär menschliche Aufgaben übernehmen kann, im Laufe der Geschichte geformt wurde. Dies bietet die Chance, uns dem Kern dessen, was Künstliche Intelligenz ausmacht, anzunähern.

Die Vorstellung einer denkenden Maschine reicht weit zurück und hat ihre Ursprünge in der Philosophie, Literatur und in frühen wissenschaftlichen Theorien. Bereits in der Antike gab es Konzepte von Automaten, die bestimmte menschliche Tätigkeiten nachahmen konnten, so z. B. die automatischen Diener von Hephaistos aus der griechischen Mythologie oder die mechanischen Ritter von Al-Jazari im islamischen Goldenen Zeitalter. Offensichtlich gab es bereits damals das Interesse von Menschen, kreative Schöpfungen zu entwickeln, die menschenähnliche Fähigkeiten besitzen.

Während der Renaissance und der Aufklärung entstanden dann erste mechanische Automaten. So baute der französische Erfinder Jacques de Vaucanson im Jahr 1739 eine mechanische Ente, die mit den Flügeln schlagen, schnattern und lebenswichtige Funktionen des menschlichen Körpers wie Essen und Verdauen nachahmen konnte.

1770 stellte der ungarische Erfinder Wolfgang von Kempelen die „Türkische Maschine“ vor, die viele Zeitgenossen faszinierte, darunter auch bekannte Persönlichkeiten wie Napoleon Bonaparte. Diese mechanische Vorrichtung erweckte den Anschein, Schach spielen und gegen menschliche Gegner gewinnen zu können. Tatsächlich verbarg sich jedoch ein menschlicher Schachspieler im Inneren, der die Züge steuerte. Diese Geräte waren also kunstvolle Täuschungen und keine echten denkenden Maschinen.

Mit der Industriellen Revolution begann die Entwicklung von Maschinen, die spezifische menschliche Aufgaben übernehmen konnten, was den Weg für die heutigen Vorstellungen von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz ebnete.

Die eigentliche Idee einer „denkenden Maschine“ nahm jedoch erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts konkretere Gestalt an, wobei Alan Turing, ein britischer Mathematiker und Logiker, eine entscheidende Rolle spielte. Sein berühmter Artikel „Computing Machinery and Intelligence“ (Turing 1950), in dem er den „Turing-Test“ vorstellte, stellte die Frage danach, ob Maschinen denken können. Er schlug vor, eine Maschine dann als intelligent zu bewerten, wenn sie in der Lage ist, Menschen in einer Konversation so zu täuschen, dass sie nicht von einem Menschen unterschieden werden kann.

Geprägt wurde der Begriff „Künstliche Intelligenz“ 1956 auf der Dartmouth Conference von John McCarthy. Diese Konferenz markierte den Beginn der KI als wissenschaftliches Feld. McCarthy stellte die Vision einer Maschine vor, die nicht nur mechanische, sondern auch kognitive Aufgaben ausführen kann.

Im selben Jahr entwickelten Allen Newell, John Clifford Shaw und Herbert Simon den „Logic Theorist“. Das erste laufende KI-Programm verwendete Regeln der formalen Logik, um mathematische Theoreme zu beweisen. Es konnte eigene Lösungswege vorschlagen und einige Beweise elegant lösen.

Aus dem Blickwinkel der Kinder- und Jugendhilfe ist es interessant, dass es schon in 1960er-Jahren erste Ansätze gab, die Menschen einen Dialog mit einer Maschine ermöglichten. „ELIZA“ von Joseph Weizenbaum ahmte einen Psychotherapeuten nach, der auf Grundlage der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers kommunizierte. Für Menschen konnte der Dialog mit ELIZA zumindest die Illusion einer Verständigung erwecken – eine für viele der Zeitgenossen verblüffende und irritierende Erfahrung (Macsenaere / Feist-Ortmanns 2024).

1967 baute Frank Rosenblatt den „Mark 1 Perceptron“, den ersten Computer, der auf einem Neuronalen Netzwerk basiert und durch Versuch und Irrtum „gelernt“ hat. Darauf aufbauend veröffentlichten Minsky und Papert (1969) ein Buch mit dem Titel „Perceptrons“, das sich sowohl als Meilenstein der Neuronalen Netze erwies als auch, zumindest für eine Weile, als Argument gegen künftige Forschungsprojekte zu Neuronalen Netzen verwendet wurde. Ihre kritische Analyse von einfachen Neuronalen Netzen trug dazu bei, die Forschung in Richtung der tieferen und komplexeren Netzwerkarchitekturen zu lenken. Dies legte den Grundstein zum „Deep Learning“, das heute eine zentrale Säule der Künstlichen Intelligenz darstellt.

Ab Mitte der 1980er-Jahre erlebte die Entwicklung Neuronaler Netze eine Renaissance. Entscheidend hierfür war die Einführung der sog. Backpropagation. Mit dem Backpropagation-Algorithmus wird die effiziente Anpassung der Gewichte in einem Neuronalen Netz ermöglicht. Es ist ein überwachtes Lernverfahren, mit dem auch komplexere Neuronale Netze effektiv trainiert werden können, auch wenn sie mehrere verborgene Schichten enthalten (Rumelhart et al. 1986).

In den 1990ern begann das Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz von den Fortschritten in der Computerhardware und -software zu profitieren. Dies führte zu praktischen Anwendungen in verschiedenen Feldern, wie z. B. der Medizin und Geologie. So wurden sog. Expertensysteme entwickelt, die auf Grundlage gesammelten Wissens die Schlussfolgerungsfähigkeiten von menschlichen Expert:innen nachahmten.

Das Jahr 1997 hielt ein Schlüsselereignis bereit, das viele als den Wendepunkt in der Geschichte der KI beschreiben: Es war das Match zwischen dem Schachweltmeister Garry Kasparov und IBMs Schachcomputer „Deep Blue“. Obwohl Kasparov die erste Partie gewann, geschah im Revanchekampf das bis dato Undenkbare: Deep Blue gewann das Spiel. Dies belegte, dass KI in der Lage war, auch in komplexen Bereichen höchste menschliche Expertise zu übertreffen (Macsenaere / Feist-Ortmanns 2024).

Ähnliches passierte im Jahr 2016: Das Programm AlphaGo von DeepMind, das von einem tiefen Neuronalen Netz gesteuert wird, besiegte Lee Sedol, den Go-Weltmeister, in einem Fünf-Spiele-Match. Der Sieg ist bedeutsam angesichts der enormen Anzahl möglicher Züge im Verlauf des Spiels (über 14,5 Billionen nach nur vier Zügen!). Nicht zuletzt kommt diesem Sieg eine hohe symbolische Bedeutung zu, da er verdeutlichte, dass Künstliche Intelligenz das Potenzial hat, auch in höchst komplexen, strategischen und intuitiven Bereichen menschliche Fähigkeiten zu erreichen oder sogar zu übertreffen.

Das Jahr 2022 zog mit der Veröffentlichung von OpenAIs ChatGPT-3 eine Wende in der öffentlichen Wahrnehmung und Nutzung von KI nach sich. Mit diesem und weiteren generativen KI-Verfahren werden Deep-Learning-Modelle mit riesigen Datenmengen trainiert. Die daraus resultierenden großen Sprachmodelle (Large-Language-Modelle, LLMs) führten zu einer enormen Leistungszunahme von KI, die ab November 2022 plötzlich für alle Nutzer:innen kostenfrei erfahrbar war. Dies führte innerhalb weniger Monate zu einer nahezu explosiven Ausbreitung dieser LLMs und ihnen zugrunde liegender Anwendungen.

Gerade diese rasante und massive Ausbreitung generativer KI verdeutlichte die Notwendigkeit einer möglichst zeitnahen Regulierung dieser Systeme. Das EU-Gesetz zur Künstlichen Intelligenz (EU AI Act) wird das weltweit erste umfassende regulatorische Rahmenwerk für die Entwicklung, den Vertrieb und die Nutzung Künstlicher Intelligenz sein. Es zielt darauf ab, sowohl die Chancen zu fördern, die KI-Technologien bieten, als auch die Risiken zu mindern, die sie für die Grundrechte und die Sicherheit darstellen können.

3 Daten

„Im Zeitalter der KI sind Daten nicht nur das neue Öl, sondern das neue Gold.“ (Geflügelte Metapher in der KI-Branche)

3.1 Bedeutung und Funktion der Daten für eine KI

Daten spielen eine zentrale Rolle in der Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). Sie sind das Fundament, auf dem KI-Systeme gebaut sind, und die Qualität sowie die Menge der verfügbaren Daten haben direkte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Effektivität der KI. Lassen Sie uns zuerst den Blick darauf richten, wofür eine KI Daten benötigt und wie damit umgegangen wird.

  Training und Lernen: KI-Systeme, insbesondere diejenigen, die auf maschinellem Lernen basieren, benötigen Daten, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Beim maschinellen Lernen werden Algorithmen verwendet, die aus historischen Daten lernen, indem sie Muster erkennen und diese Informationen nutzen, um Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto besser kann das Modell die Realität abbilden und umso genauer werden seine Vorhersagen. Daten sind also der „Lehrstoff“ für KI-Modelle.

  Validierung: Nachdem ein KI-Modell trainiert wurde, ist es wichtig, seine Leistung zu testen und zu validieren, bevor es in der realen Welt eingesetzt wird. Dazu werden Daten verwendet, die nicht Teil des Trainingssets waren. Diese Validierung hilft dabei, sicherzustellen, dass das Modell nicht nur auf den Trainingsdaten gut funktioniert (ein Phänomen, das als „Overfitting“ bekannt ist), sondern auch auf neuen, unbekannten Daten verlässliche Ergebnisse liefert.

  Verbesserung der Modellgenauigkeit: Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit von KI-Systemen hängt stark von der Qualität und Vielfalt der verwendeten Daten ab. Hochwertige, gut gepflegte und repräsentative Daten führen zu präziseren und zuverlässigeren KI-Systemen. Daten müssen auch vielfältig sein, um Bias und Ungerechtigkeiten in den Ergebnissen der KI zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, indem sie eine breite Palette von Szenarien und Variablen abdecken.

  Auswahl der relevantesten Daten: Daten helfen auch bei der Identifizierung und Auswahl der relevantesten Variablen (sog. Features