9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €
SPIEGEL BESTSELLER Stephen Hawkings Vermächtnis In seinem letzten Buch gibt Stephen Hawking Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit und nimmt uns mit auf eine persönliche Reise durch das Universum seiner Weltanschauung. Seine Gedanken zu Ursprung und Zukunft der Menschheit sind zugleich eine Mahnung, unseren Heimatplaneten besser vor den Gefahren unserer Gegenwart zu schützen. Zugänglich und klar finden Sie in diesem Buch Hawkings Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit. »Zukunftsvisionen eines Genies« Stefanie May, Bild Zeitung, 16.10.2018 »Ein anregendes und für den Laien gut verständliches Buch, dessen Lektüre auf jeden Fall lohnt« Joachim Laukenmann, Tages-Anzeiger, 16.10.2018 - Warum gibt es uns Menschen überhaupt? - Und woher kommen wir? - Gibt es im Weltall andere intelligente Lebewesen? - Existiert Gott? - In welchem Zustand befindet sich unser Heimatplanet? - Werden wir auf der Erde überleben? - Retten oder zerstören uns Naturwissenschaften und Technik? - Hilft uns die künstliche Intelligenz, die Erde zu bewahren? - Können wir den Weltraum bevölkern? - Wie werden wir die Schwächsten – Kinder, Kranke, alte Menschen – schützen? - Wie werden wir unsere Kinder erziehen? Brillanter Physiker, revolutionärer Kosmologe, unerschütterlicher Optimist. Für Stephen Hawking bergen die Weiten des Universums nicht nur naturwissenschaftliche Geheimnisse. In seinem persönlichsten Buch beantwortet der Autor die großen Fragen des menschlichen Lebens und spricht die wichtigsten Themen unserer Zeit an. Zugänglich und klar erläutert er die Folgen des menschlichen Fortschritts – vom Klimawandel bis hin zu künstlicher Intelligenz – und diskutiert seine Gefahren. Hier finden Sie Hawkings Antworten auf die Urfragen der Menschheit. Ein großer Appell an politische Machthaber und jeden Einzelnen von uns, unseren bedrohten Heimatplaneten besser zu schützen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 242
Stephen Hawking
Kurze Antworten auf große Fragen
Aus dem Englischen von Susanne Held und Hainer Kober
Klett-Cotta
Hinweis zur Übersetzung: Das »Vorwort«, die »Einführung«, die Kapitel 7–10 sowie das »Nachwort« hat Susanne Held aus dem Englischen übertragen (S. 9–25 und S. 169–244). Hainer Kober hat die Einleitung von Stephen Hawking sowie die Kapitel 1–6 (S. 27–168) übersetzt.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Klett-Cotta
www.klett-cotta.de
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Brief Answers to the Big Questions« im Verlag John Murray, Verlagsgruppe Hachette UK, London
© Spacetime Publications Limited 2018
Für die deutsche Ausgabe
© 2018, 2020 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Printed in Germany
Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg
Unter Verwendung eines Fotos von © shutterstock
Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde
Printausgabe: ISBN 978-3-608-98383-8
E-Book: ISBN 978-3-608-11510-9
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Hinweis des Verlags John Murray, London
Vorwort
Einführung
Warum wir die großen Fragen stellen müssen
Was für einen Traum hatten Sie als Kind?Ist er in Erfüllung gegangen?
1
Gibt es einen Gott?
Wie passt die Existenz Gottes in Ihre Vorstellung vom Anfang und Ende des Universums?Und wenn Gott existierte und Sie hätten die Möglichkeit, ihm zu begegnen, was würden Sie ihn fragen?
2
Wie hat alles angefangen?
Was war vor dem Urknall?
3
Gibt es anderes intelligentes Leben im Universum?
Wenn es außerhalb der Erde intelligentes Leben gäbe, wäre es dann den Formen, die wir kennen, ähnlich oder anders?
4
Können wir die Zukunft vorhersagen?
Erlauben uns die Gesetze des Universums, genau vorherzusagen, was in der Zukunft mit uns geschieht?
5
Was befindet sich in einem Schwarzen Loch?
Ist der Sturz in ein Schwarzes Loch Pech für einen Raumreisenden?
6
Sind Zeitreisen möglich?
Macht es Sinn, eine Party für Zeitreisende zu veranstalten? Würdest du hoffen, dass jemand auftaucht?
7
Werden wir auf der Erde überleben?
Wie sieht die schlimmste Bedrohung für die Zukunft dieses Planeten aus?
8
Sollten wir den Weltraum besiedeln?
Bald wird das Zeitalter der zivilen Raumfahrt anbrechen. Was bedeutet das für uns?
9
Wird uns Künstliche Intelligenz überflügeln?
Warum machen wir uns wegen Künstlicher Intelligenz so große Sorgen? Der Mensch wird doch jederzeit dazu in der Lage sein, den Stecker zu ziehen!
10
Wie gestalten wir unsere Zukunft?
Von welcher – kleinen oder großen – Idee, welche die Welt verändern kann, wünschen Sie, dass die Menschheit sie umsetzt?
Nachwort
Anhang
Danksagung
Bildnachweis
Register
Bücher von Stephen Hawking in deutscher Übersetzung
Stephen Hawking als Co-Autor
Stephen Hawking wurde von Wissenschaftlern, Hightech-Unternehmern, hochrangigen Geschäftsleuten, Politikern und der Öffentlichkeit regelmäßig nach seinen Gedanken zu den »großen Fragen« des Tages gefragt. Stephen unterhielt ein umfangreiches persönliches Archiv mit seinen Antworten in Form von Reden, Interviews, Essays, Entgegnungen und Stellungnahmen zu diesen großen Fragen.
Dieses Buch ist aus diesem persönlichen Archiv hervorgegangen. Es entstand gerade, als Stephen Hawking starb. In Zusammenarbeit mit seinen akademischen Kollegen, seiner Familie und dem Stephen Hawking Estate wurde dieses Buch vorbereitet und fertiggestellt.
Ein Teil der Einnahmen für dieses Buch wird gespendet.
Eddie Redmayne
Als ich(1) Stephen Hawking zum ersten Mal begegnete, war ich von seiner außergewöhnlichen Vitalität und seiner Verletzlichkeit überwältigt. Die Entschlossenheit in seinem Blick, in Verbindung mit dem bewegungslosen Körper, kannte ich aus meinen Recherchen – ich war kurz zuvor engagiert worden, Stephen in dem Film Die Entdeckung der Unendlichkeit (The Theory of Everything) zu spielen, und hatte mehrere Monate damit zugebracht, sein Werk zu studieren sowie die Besonderheiten seiner Krankheit. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich meinen Körper einzusetzen hatte, um die Entwicklung der ALS-Erkrankung über die Jahre hinweg zum Ausdruck bringen zu können.
Als ich (2)Stephen dann tatsächlich begegnete, der Ikone, diesem genial begabten Wissenschaftler, dessen Kommunikation fast ausschließlich mittels einer Computerstimme erfolgte, unterstützt durch ein Paar außergewöhnlich ausdrucksstarke Augenbrauen, war ich völlig überwältigt. Werden Pausen in einer Unterhaltung zu lang, neige ich zu Nervosität und rede dann viel zu viel, wohingegen Stephen die Macht des Schweigens bestens verstand wie auch die Macht des Gefühls, man werde eingehend geprüft. Nervös, wie ich war, beschloss ich, ihm mitzuteilen, dass unsere Geburtstage nur wenige Tage auseinanderlagen, wir also zum selben Tierkreiszeichen gehörten. Nach wenigen Minuten antwortete er: »Ich bin ein Astronom. Kein Astrologe.« Außerdem bestand er darauf, dass ich ihn Stephen nannte und nicht mit »Professor« anredete. Man hatte mich gewarnt …
Stephen zu verkörpern, bedeutete für mich eine außergewöhnliche Herausforderung. Was mich(3) an der Rolle faszinierte, war die Dualität von Stephens äußerem Triumph, der von seiner wissenschaftlichen Arbeit herrührte, und seinem inneren Kampf gegen ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), der begann, als er gerade 20 Jahre alt geworden war. Seine Geschichte war einzigartig komplex und reich, ein Zeugnis menschlichen Durchhaltevermögens, Familiensinns, enormer akademischer Leistungen und unerbittlichen Widerstands angesichts all der Hindernisse. Wir wollten die Inspiration darstellen, aber auch die Charakterstärke und den Mut in Stephens Leben, die er und diejenigen bewiesen haben, die für ihn sorgten.
Aber genauso wichtig war uns, Stephen als einen gewieften Showman zu zeigen. Für meinen Trailer dienten mir letztlich drei Bilder als Leitlinie. Eines zeigte Einstein(1), der seine Zunge herausstreckt – derselbe spielerische Witz kommt bei Hawking zum Ausdruck. Ein anderes war der Joker in einem Kartenspiel, dargestellt als Puppenspieler, denn ich bin überzeugt, es gab immer Menschen, die Stephen in der Hand hatte. Und der dritte ausschlaggebende Eindruck war James Dean(1). Von Deans funkelndem Blick und seinem Humor habe ich viel für meine Rolle profitiert.
Das bedrückendste Problem, wenn man eine lebende Person spielt, besteht darin, dass man für seine Darbietung vor ebendieser Person, die man verkörpert hat, geradestehen muss. In Stephens Fall bezog das auch seine Familie mit ein, die mir(4) während der Vorbereitung auf den Film so großzügig geholfen hatte. Bevor Stephen sich den fertigen Film anschaute, sagte er mir: »Ich werde dir mitteilen, wie ich es finde. Gut. Oder anders.« Sollte sein Urteil »anders« lauten, erwiderte ich, würde es vielleicht genügen, wenn er nur »anders« sagte und mir die peinigenden Einzelheiten ersparte! Großzügig meinte Stephen anschließend, der Film hätte ihm gefallen. Er fand ihn bewegend, allerdings stellte er ebenfalls fest, mehr Physik und weniger Gefühle hätten dem Film gutgetan. Dagegen kann man nichts einwenden.
Seit der Entdeckung der Unendlichkeit habe ich(5) Kontakt mit der Familie von Stephen Hawking. Es berührte mich, dass man mich bat, bei Stephens Beerdigung einen Text vorzutragen. Es war ein unglaublich trauriger Tag, bei strahlendem Wetter, voller Liebe und freudiger Erinnerungen und Betrachtungen über diesen Mutigsten der Menschen, der die Welt mit seiner Wissenschaft und mit seiner Neugier als Forscher auch dazu gebracht hatte, behinderte Menschen anzuerkennen und ihnen einen wirklichen Spielraum zu eröffnen, ihnen Chancen einzuräumen, sich zu entwickeln.
Wir haben einen der erstaunlichsten Wissenschaftler und einen der humorvollsten Menschen verloren, dem zu begegnen ich(6) die Freude hatte. Seine Arbeit und sein Erbe leben jedoch weiter, sagte schon seine Familie bei seinem Tod, und daher darf ich, obwohl ich noch immer traurig bin, mit großer Freude diese Textsammlung von Stephen über verschiedene faszinierende Themen einleiten.
Ich(7) hoffe, Sie finden Gefallen an diesen Texten, und ich hoffe, um mit Barack Obama(1) zu sprechen, Stephen hat jetzt Spaß
da droben mitten unter den Sternen
up there among the stars.
Herzlich
Eddie
Juli 2018
Kip S. Thorne
Meine(1) erste Begegnung mit Stephen Hawking fand im Juli 1965 in London statt, bei einer Konferenz über Allgemeine Relativitätstheorie und Gravitation. Stephen arbeitete in Cambridge an seiner Dissertation; ich hatte mein Promotionsstudium in Princeton gerade abgeschlossen. Gerüchte schwirrten in den Konferenzräumen umher, Stephen habe ein schlüssiges Argument für die These gefunden, unser Universum müsse irgendwann in der Vergangenheit einen Anfang gehabt haben. Das Universum könne nicht unendlich alt sein.
Mit gut 100 Leuten (2)quetschte ich mich also in einen Raum, der eigentlich für 40 ausgelegt war, um Stephen zu hören. Er ging am Stock und seine Aussprache war nicht sehr deutlich, ansonsten zeigten sich nur wenige Anzeichen der Amyotrophen Lateralsklerose, die bei ihm zwei Jahre zuvor diagnostiziert worden war. Seinen Genius, das war offensichtlich, hatte die Krankheit nicht tangiert. Sein luzider Gedankengang stützte sich auf Einsteins(2) Gleichungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie und auf die Beobachtungen von Astronomen, dass unser Universum sich ausdehnt, sowie auf einige wenige einfache Thesen, die sehr überzeugend wirkten(3). Außerdem wendete er gewisse neue mathematische Verfahren an, die Roger Penrose(1) kurz zuvor entwickelt hatte. Stephen kombinierte all das klug, überzeugend und fesselnd; dann leitete er sein Ergebnis ab: Unser Universum muss in einer Art singulärem Zustand vor rund zehn Milliarden Jahren angefangen haben zu existieren.(4) (In den darauf folgenden zehn Jahren bewiesen Stephen und Roger(2) mit vereinten Kräften und zunehmend überzeugend diesen singulären Beginn der Zeit. Darüber hinaus bewiesen sie, ebenfalls zunehmend überzeugend, dass der Kern jedes Schwarzen Loches von einer Singularität besetzt ist, in der die Zeit endet.)
1965 war ich(5) von Stephens Vortrag tief beeindruckt: nicht nur von seinem Beweis und seiner Schlussfolgerung, sondern mehr noch von seiner Klarheit und Kreativität. Ich wandte mich also an ihn und verbrachte eine Stunde mit ihm im Gespräch unter vier Augen. Das war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft, einer Freundschaft, die nicht lediglich auf gemeinsamen Interessen beruhte, sondern auf großer gegenseitiger Sympathie, einer verblüffenden Möglichkeit gegenseitigen zwischenmenschlichen Verstehens. Bald verbrachten wir mehr Zeit damit, über unser Leben, unsere Lieben, ja sogar über den Tod als über Wissenschaft zu sprechen, obwohl unsere Wissenschaft der Kitt blieb, der uns verband.
Im September 1973 nahm ich(6) Stephen und seine Frau Jane(1) nach Moskau mit. Trotz des Kalten Krieges verbrachte ich seit 1968 jedes zweite Jahr rund einen Monat in Moskau und arbeitete mit Mitgliedern einer Forschungsgruppe unter Jakow Borissowitsch Seldowitsch(1) zusammen. Seldowitsch(2) war ein herausragender Astrophysiker und einer der Väter der sowjetischen Wasserstoffbombe. Aus Geheimhaltungsgründen war es ihm daher nicht gestattet, nach Westeuropa oder Amerika zu reisen. Er war äußerst interessiert an einem Austausch mit Stephen. Da er Stephen nicht aufsuchen konnte, kamen wir zu ihm(7).
Stephen begeisterte in Moskau (3)Seldowitsch und Hunderte weitere Wissenschaftler mit seinen Erkenntnissen(8), und im Gegenzug lernte Stephen ein oder zwei Dinge von (4)Seldowitsch. Am denkwürdigsten war ein Nachmittag, den Stephen und ich mit Seldowitsch(5) und seinem Doktoranden Alexei Starobinski(1) in Stephens Zimmer im Hotel Rossija verbrachten.
Seldowitsch(6) erklärte sehr anschaulich eine bemerkenswerte Entdeckung, die er und Starobinski gemacht hatten, und (2)Starobinski lieferte die mathematische Erklärung dazu(9). Für die Rotation eines Schwarzen Loches wird Energie benötigt. Das wussten wir schon. Sie erklärten, ein Schwarzes Loch könne seine Rotationsenergie nutzen, um Partikel zu schaffen, und diese Partikel würden weggeschleudert und nähmen die Rotationsenergie mit. Das war neu und überraschend – trotzdem nicht umwerfend überraschend. Denn wenn ein Objekt über Bewegungsenergie verfügt, findet die Natur normalerweise eine Möglichkeit, ihm diese Energie zu entziehen. Wir kannten bereits andere Möglichkeiten, die Rotationsenergie eines Schwarzen Loches zu befreien. Hier handelte es sich einfach um eine weitere neue, wenn auch unerwartete Möglichkeit(10).
Der große Wert solcher Gespräche liegt nun freilich darin, dass sie am Anfang neuer Denkwege stehen können. Und das war damals auch bei Stephen der Fall(11). Er dachte mehrere Monate über die Entdeckung von (7)Seldowitsch und (3)Starobinski nach, betrachtete sie erst von der einen, dann von einer anderen Seite, bis er schließlich eines Tages zu einer ganz grundlegenden Einsicht kam: Hört ein Schwarzes Loch auf zu rotieren, kann es trotzdem noch Partikel ausstoßen(12). Ein solches Schwarzes Loch kann strahlen – und es strahlt, als ob es heiß wäre wie die Sonne, wenn es auch nicht extrem heiß ist, eher mäßig warm.
Je schwerer das Loch ist, desto niedriger ist seine Temperatur. Ein Loch, das so viel wiegt wie die Sonne, hat eine Temperatur von 0,00000006 Kelvin: 0,06 Millionstel von einem Grad über dem absoluten Nullpunkt(13). Die Formel für die Berechnung dieser Temperatur ist jetzt auf Stephens Grabstein in der Westminster Abbey in London eingraviert, wo seine Asche zwischen Isaac Newton(1) und Charles Darwin(1) beigesetzt wurde(14).
Diese Hawking-Temperatur eines Schwarzen Loches und seine Hawking-Strahlung – so die späteren Bezeichnungen – waren extrem radikal. Womöglich sind Hawking-Temperatur und Hawking-Strahlung die fundamentalste Entdeckung der Theoretischen Physik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie öffneten uns die Augen für tiefgreifende Beziehungen zwischen der Allgemeinen Relativität (Schwarze Löcher), der Thermodynamik (Wärme-Physik) und der Quantenphysik (der Entstehung von Partikeln, wo zuvor keine waren)(15).
Vor diesem Hintergrund gelang es Stephen beispielsweise zu beweisen, dass ein Schwarzes Loch Entropie besitzt. Irgendwo im Inneren oder im Umkreis des Schwarzen Loches herrscht folglich eine außerordentlich hohe Zufälligkeit. Stephen folgerte daraus, das Ausmaß an Entropie (der Logarithmus des gesamten Ausmaßes an Zufälligkeit) verhalte sich proportional zur Oberfläche des Loches. Seine Entropie-Formel wird auf Stephens Gedenkstein im Gonville & Caius College in Cambridge, seiner Wirkungsstätte, eingraviert sein(16).
In den vergangenen 45 Jahren haben Stephen und Hunderte von Physikern sich damit beschäftigt, die genaue Natur der Zufälligkeit eines Schwarzen Loches zu verstehen. Die Frage bringt immer weitere neue Einsichten über die Verbindung der Quantentheorie mit der Allgemeinen Relativität hervor, also über die noch nicht hinreichend verstandenen Gesetze der Quantengravitation(17).
Im Herbst 1974 kam Stephen für ein Jahr mit seinen Doktoranden und seiner Familie (seiner Frau Jane(2) und ihren beiden Kindern Robert(1) und (1)Lucy) ins kalifornische Pasadena, damit er und seine Studenten am Geistesleben meiner Universität, des California Institute of Technology, teilhaben und sich zeitweise meiner Forschungsgruppe anschließen konnten. Es war ein glanzvolles Jahr, ein annus mirabilis auf dem Höhepunkt dessen, was dann später als »das Goldene Zeitalter der Erforschung Schwarzer Löcher« bezeichnet wurde(18).
Während dieses Jahres arbeiteten Stephen und seine Studenten sowie einige meiner Schüler unermüdlich daran, Schwarze Löcher besser zu verstehen, und auch ich(19) selbst beteiligte mich in einem gewissen Ausmaß. Dass Stephen vor Ort war und unsere zusammengesetzte Forschungsgruppe leitete, verschaffte mir den Freiraum, eine neue Richtung zu verfolgen, über die ich schon seit einigen Jahren nachgedacht hatte: Gravitationswellen.
Lediglich zwei Arten von Wellen reisen durch das Universum und können uns Informationen über weit entfernte Dinge zutragen(20): elektromagnetische Wellen (dazu gehören Lichtstrahlen, Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Mikrowellen, Radiowellen …) und Gravitationswellen.
Elektromagnetische Wellen bestehen aus oszillierenden elektrischen und magnetischen Kräften und bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit fort(21). Treffen sie auf geladene Partikel wie beispielsweise auf die Elektronen in einem Radio oder einer Fernsehantenne, lassen sie diese Partikel sich hin- und herbewegen und laden in ihnen die Welleninformation ab. Diese Information kann dann verstärkt und in einen Lautsprecher oder auf einen Fernsehbildschirm übertragen werden, sodass sie für Menschen verstehbar wird(22).
Gravitationswellen bestehen, so die Erkenntnis Einsteins(3), aus einer oszillierenden Raumverzerrung: einer oszillierenden Streckung und Stauchung des Raumes. 1972 erfand Rainer (Rai) Weiss(1) vom MIT in Cambridge, Massachusetts, einen Gravitationswellendetektor: In einem solchen Detektor werden Spiegel, die in der Ecke und an den Enden einer L-förmigen Vakuumröhre hängen, entlang des einen L-Balkens durch die Streckung des Raumes auseinandergezogen und entlang des anderen L-Balkens durch Stauchung des Raumes zusammengeschoben.
Rai(2) schlug vor, Laserstrahlen zu verwenden, um das oszillierende Muster dieser Streckung und Stauchung zu messen. Das Laserlicht konnte eine Gravitationswellen-Information entnehmen, und das Signal konnte dann verstärkt und für menschliches Verstehen zugänglich in einen Computer eingelesen werden(23).
Die Erforschung des Universums mit elektromagnetischen Teleskopen – die sogenannte elektromagnetische Astronomie – geht auf Galileo Galilei(1) zurück. Er baute ein kleines optisches Teleskop, richtete es auf den Jupiter und entdeckte seine vier größten Monde. In den 400 Jahren seit damals hat die elektromagnetische Astronomie unser Verständnis vom Universum revolutioniert(24).
1972 fingen meine Studenten und ich an, darüber nachzudenken, was wir über das Universum erfahren könnten, wenn wir mit Gravitationswellen arbeiteten: Wir begannen mit der Arbeit an einer Vision für Gravitationswellen-Astronomie. Gravitationswellen stellen eine Art Raumverzerrung dar. Daher werden sie am stärksten von Objekten produziert, die ihrerseits vollständig oder teilweise aus verzerrter Raumzeit bestehen – und das sind vor allem Schwarze Löcher. Gravitationswellen waren, so folgerten wir daraus, das ideale Instrument, um Stephens Erkenntnisse über Schwarze Löcher zu untersuchen und zu überprüfen.
Außerdem hatten wir den Eindruck, Gravitationswellen unterschieden sich von elektromagnetischen Wellen so grundlegend, dass sie fast mit Sicherheit wiederum eine neue, ganz eigene Revolution unseres Verständnisses vom Universum zur Folge haben müssten, die möglicherweise mit der gewaltigen elektromagnetischen Revolution vergleichbar wäre, die auf Galilei(2) folgte – wenn diese schwer fassbaren Wellen entdeckt und beobachtet werden könnten. Das war nun allerdings ein eklatantes Wenn: Wir mussten davon ausgehen, dass die Gravitationswellen, die um die Erde strömen, so schwach sind, dass die Spiegel an den Enden der L-förmigen Vorrichtung von Rai Weiss(3) relativ zueinander um nicht mehr als 1/100 vom Durchmesser eines Protons vor- und zurückbewegt würden (also 1/10000000 von der Größe eines Atoms), und das auch nur dann, wenn die Spiegel mehrere Kilometer voneinander entfernt waren. Die Herausforderung, solche winzigen Bewegungen zu messen, war immens.
Daher verbrachte ich in diesem großartigen Jahr(25), während die Forschungsgruppen von Stephen und mir am Caltech zusammenarbeiteten, einen Großteil meiner Zeit damit, die Aussichten für einen Erfolg der Gravitationswellen-Forschung auszuloten. Stephen konnte dabei hilfreich sein, weil er und sein Schüler Gary (1)Gibbons einige Jahre zuvor einen eigenen Gravitationswellendetektor entwickelt, aber nie gebaut hatten. Kurz nach Stephens Rückkehr nach Cambridge konnte ich in einer intensiven, sich über die ganze Nacht hinziehenden Diskussion mit Rai Weiss(4) in seinem Hotelzimmer in Washington D. C. die Früchte meiner Suche ernten(26). Ich kam zu der Überzeugung, die Erfolgsaussichten seien immerhin so groß, dass ich einen Großteil meiner(27) Karriere und die Energie meiner zukünftigen Studenten darauf verlegen konnte, Rai(5) und anderen Vordenkern dabei zu helfen, unsere Gravitationswellen-Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Und der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte: Am 14. September 2015 registrierten und beobachteten unsere LIGO-Gravitationswellen-Detektoren (die im Rahmen eines Projekts – an dem 1000 Personen beteiligt waren – gebaut worden waren, das (6)Rai, ich(28) und Ronald Drever(1) gegründet hatten. Barry Barish(1) organisierte und leitete das Projekt und führte alle Ergebnisse zusammen) ihre ersten Gravitationswellen. Wir verglichen die Wellenmuster mit den Vorhersagen aus Computersimulationen, und wir(29)(2)(7)(2) kamen zu dem Schluss, dass die Wellen entstanden waren, als zwei sehr schwere Schwarze Löcher, 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt, kollidierten.
Das war der Anfang der Gravitationswellen-Astronomie. Unserem Team war für das Feld der Gravitationswellen das gelungen, was Galilei(3) für die elektromagnetischen Wellen vollbracht hatte.
Ich(30) bin zuversichtlich, dass sich in den vor uns liegenden Jahrzehnten die nächste Generation von Gravitationswellen-Astronomen diese Wellen zunutze machen wird – nicht nur, um Stephens Gesetze der Physik Schwarzer Löcher zu überprüfen, sondern auch, um Gravitationswellen von der singulären Geburt unseres Universums ausfindig zu machen und zu beobachten und so die Ideen von Stephen und anderen zur Frage der Entstehung unseres Universums zu überprüfen.
Während unseres annus mirabilis 1974/1975, als ich(31) mir über Gravitationswellen den Kopf zerbrach und Stephen unsere gemischte Studentengruppe zum Thema Schwarze Löcher leitete, gelangte er zu einer Erkenntnis, die von noch grundsätzlicherer Bedeutung ist als seine Entdeckung der Hawking-Strahlung. Er lieferte einen zwingenden, fast wasserdichten Nachweis dafür, dass, wenn sich ein Schwarzes Loch bildet und sich später durch Strahlung vollständig auflöst, die Information, die in das Schwarze Loch Eingang fand, nicht wieder herauskommt, dass also die Information unwiderruflich verloren ist(32).
Das ist insofern radikal, als die Gesetze der Quantenphysik einstimmig aussagen, Information könne nie vollständig verloren gehen. Sollte Stephen recht haben, dann verletzen Schwarze Löcher ein fundamentales Gesetz der Quantenmechanik(33).
Wie war das möglich? Die Verdampfung eines Schwarzen Loches unterliegt den kombinierten Gesetzen der Quantenmechanik und der Allgemeinen Relativität – den kaum verstandenen Gesetzen der Quantengravitation. Also, so die Überlegung Stephens, muss die heißglühende Beziehung zwischen Gesetzen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik die Zerstörung von Informationen zur Folge haben(34).
Die große Mehrheit der theoretischen Physiker findet diese Schlussfolgerung ganz schrecklich und ist extrem skeptisch. Seit beinahe 45 Jahren schlagen sie sich jetzt mit diesem sogenannten Informationsverlust-Paradoxon herum. Der Kampf ist jede Anstrengung und jede Panik wert, die er ausgelöst hat, denn das Paradox ist ein äußerst nützlicher Schlüssel zum Verständnis der Quantengravitations-Gesetze. Stephen entdeckte selbst im Jahr 2003 eine Möglichkeit, wie Informationen während der Verdampfung entweichen können, doch das konnte die Theoretiker und ihre Kontroversen nicht beruhigen. Stephen bewies nicht, dass Informationen entweichen, der Streit geht also weiter(35).
In meiner(36) Grabrede für Stephen, bei der Beisetzung seiner Asche in der Westminster Abbey, erinnerte ich an diesen Streit mit den Worten:
»Newton(2) gab uns Antworten. Hawking gab uns Fragen. Und Hawkings Fragen hören nicht auf, noch Jahrzehnte später zu Durchbrüchen zu führen. Wenn wir einst die Gesetze der Quantengravitation wirklich beherrschen werden und wenn wir die Geburt unseres Universums ganz und gar verstehen, dann wird das sehr wahrscheinlich daran liegen, dass wir auf den Schultern von Stephen Hawking stehen.«
***
So wie unser annus mirabilis 1974/1975 nur erst der Anfang für meine(37) Gravitationswellen-Forschung war, so war es auch erst der Anfang für Stephens Bemühungen, die Gesetze der Quantengravitation im Detail zu verstehen und herauszufinden, was diese Gesetze über die wahre Natur der Information und Zufälligkeit eines Schwarzen Loches aussagen. Was sagen diese Gesetze ferner über die wahre Natur der singulären Geburt unseres Universums und die wahre Natur der Singularitäten im Inneren von Schwarzen Löchern aus – über die wahre Natur der Geburt und des Todes der Zeit?
Das sind große Fragen. Sehr große Fragen.
Vor großen Fragen schrecke ich zurück. Ich habe nicht genug Kenntnisse, nicht genug Weisheit oder Selbstvertrauen, um es mit ihnen aufzunehmen. Stephen war da ganz anders: Er fühlte sich von großen Fragen immer angezogen, egal ob sie in seiner Wissenschaft tief verwurzelt waren oder nicht. Und er hatte die nötigen Kenntnisse, die Weisheit und das Selbstvertrauen.
Dieses Buch ist eine Auswahl und ein Abriss seiner Antworten auf die großen Fragen – Antworten, an denen er bis zu seinem Tod noch arbeitete.
Stephens Antworten auf die ersten fünf Fragen sowie auf die zehnte sind tief in seiner Wissenschaft verwurzelt:
Gibt es einen Gott?
Wie hat alles angefangen?
Können wir die Zukunft vorhersagen?
Was befindet sich in einem Schwarzen Loch?
Sind Zeitreisen möglich?
Wie gestalten wir unsere Zukunft?
In diesen Kapiteln stellt Stephen ausführlich die Themen dar, die ich in dieser Einführung kurz angerissen habe, und außerdem noch viel, viel mehr.
Seine Antworten auf die anderen vier großen Fragen können hingegen nicht fundiert in seiner Wissenschaft verankert werden:
Werden wir auf der Erde überleben?
Gibt es anderes intelligentes Leben im Universum?
Sollten wir den Weltraum besiedeln?
Wird uns Künstliche Intelligenz überflügeln?
Doch sind seine Antworten, wie nicht anders zu erwarten, voller Weisheit und Kreativität.
Ich(38) hoffe, Sie werden seine Antworten so anregend und scharfsinnig finden wie ich. Viel Freude bei der Lektüre!
Kip S. Thorne
Juli 2018
Schon immer wollten die Menschen die großen Fragen beantworten. Woher kommen wir? Was ist der Sinn und Plan hinter allem? Gibt es jemanden da draußen? Die Schöpfungsgeschichten der Vergangenheit erscheinen heute als wenig brauchbar und glaubhaft. Sie sind durch eine Vielzahl von Erklärungsversuchen ersetzt worden, die – von New Age bis Star Trek – ins Reich des Aberglaubens gehören. Allerdings kann echte Wissenschaft viel befremdlicher sein als Science-Fiction – und sehr viel befriedigender.
Ich bin Naturwissenschaftler und als solcher zutiefst von Physik, Kosmologie, dem Universum und der Zukunft der Menschheit fasziniert. Von meinen Eltern(1)(1) bin ich dazu erzogen worden, meiner grenzenlosen Neugier zu folgen und, wie mein Vater, zu forschen und nach Antworten auf die vielen Fragen zu suchen, die die Wissenschaft uns aufgibt. Mein Leben habe ich damit verbracht, in meinem Denken kreuz und quer durch das Universum zu reisen. Dabei habe ich versucht, mithilfe der Theoretischen Physik einige der fundamentalen Fragen zu beantworten. Einst dachte ich sogar, das Ende der Physik absehen und erkennen zu können – heute hingegen denke ich, dass das Wunder des Entdeckens noch lange nach meinem Tod fortdauern wird. Wir stehen zwar kurz vor einigen dieser Antworten, besitzen sie aber noch nicht.
Bedauerlicherweise glauben die meisten Menschen, echte Wissenschaft sei zu schwierig und zu kompliziert für sie. Das sehe ich ganz anders. Die fundamentalen Gesetze zu erforschen, die das Universum regieren, würde mehr Zeit erfordern, als die meisten Menschen haben. Unsere Welt käme rasch zum Stillstand, wenn wir alle versuchten, uns mit Theoretischer Physik zu beschäftigen. Aber die meisten Menschen können die grundlegenden Ideen verstehen und einordnen, wenn sie ihnen klar und ohne Gleichungen dargelegt werden, was nach meiner Überzeugung möglich ist und was ich mein Leben lang mit großer Freude versucht habe.
Es war eine wunderbare Zeit, zu leben und in der Theoretischen Physik zu forschen. In den vergangenen 50 Jahren hat sich unser Bild vom Universum erheblich verändert, und ich bin glücklich, wenn ich dazu einen Beitrag geleistet habe. Eine der großen Offenbarungen des Weltraumzeitalters bestand darin, dass es der Menschheit die Sicht auf sich selbst ermöglichte. Betrachten wir die Erde vom All aus, sehen wir uns selbst als Ganzes. Wir nehmen die Einheit wahr und nicht das Trennende. Ein einfaches Bild mit einer unwiderlegbaren Botschaft: ein Planet, eine Menschheit.
Ich möchte mich all denen anschließen, die unmittelbares Handeln bei entscheidenden Herausforderungen unserer globalen Gemeinschaft einfordern. Ich hoffe, dass sich, wenn ich gegangen bin, Menschen mit Einfluss und Macht finden, die Kreativität, Mut und Führungsqualitäten besitzen. Mögen sie die Kraft haben, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, und nicht aus Eigennutz handeln, sondern im Interesse des Gemeinwohls. Ich weiß nur zu gut, wie kostbar die Zeit ist. Nutzt den Augenblick! Handelt jetzt!
***
Über mein Leben habe ich bereits geschrieben, und einige meiner früheren Erfahrungen sind es, so hoffe ich, wert, erneut aufgegriffen zu werden, besonders wie mich zeit meines Lebens die großen Fragen fasziniert haben.
Auf den Tag genau 300 Jahre nach Galileo Galileis(4) Tod wurde ich geboren, und allzu gern würde ich mir einbilden, dieser Zufall sei nicht ohne Einfluss auf mein späteres wissenschaftliches Leben gewesen. Doch ich schätze, rund 200000 Kinder wurden am selben Tag geboren, und ich habe keine Ahnung, ob sich eines von ihnen später für Astronomie interessierte.
Aufgewachsen bin ich in einem hohen, schmalen Haus im Londoner Stadtteil Highgate, das meine Eltern(2)(2) während des Zweiten Weltkriegs günstig erstanden hatten, als alle glaubten, London würde unter dem Bombenhagel dem Erdboden gleichgemacht. Tatsächlich schlug eine V2-Rakete nur wenige Häuser entfernt ein. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit meiner Mutter(3) und meiner Schwester(1) unterwegs; mein Vater(3) blieb glücklicherweise unverletzt. Noch jahrelang gab es ein Stück weiter in unserer Straße einen großen Bombenkrater, in dem ich oft mit meinem Freund Howard spielte. Wir untersuchten die Folgen der Explosion mit derselben Neugier, die mich mein ganzes Leben lang antrieb. 1950 wurde der Arbeitsplatz meines Vaters(4) an den nördlichen Stadtrand von London verlegt, in das neu erbaute National Institute for Medical Research in Mill Hill, daher zog meine Familie in die nahegelegene Domstadt Saint Albans. Man schickte mich auf die High School for Girls, die ungeachtet ihres Namens Jungen bis zum Alter von zehn Jahren duldete. Später ging ich auf die St Albans School. Ich bin über einen mittleren Platz in der Klasse nicht hinausgekommen – es war eine sehr intelligente Klasse –, meine Klassenkameraden aber gaben mir den Spitznamen »Einstein(4)«, sahen also offenbar irgendwie Anlass zur Hoffnung. Als ich zwölf war, wettete einer meiner Freunde um eine Tüte Bonbons, dass aus mir nie etwas werden würde.
Ich hatte sechs oder sieben gute Freunde in St Albans. Ich weiß noch, dass wir lange Diskussionen und Streitgespräche über Gott und die Welt führten – von funkgesteuerten Modellen bis zur Religion. Unter anderem ging es dabei auch um den Ursprung des Universums und um die Frage, ob ein Gott notwendig gewesen sei, um das Universum zu erschaffen und in Gang zu setzen. Ich hatte gehört, dass das Licht ferner Galaxien zum roten Ende des Spektrums verschoben wird und dass man daraus schloss, das Universum expandiere. Aber ich war mir sicher, es müsse einen anderen Grund für die Rotverschiebung geben. Vielleicht wurde das Licht auf seinem Weg zu uns müde und röter. Ein Universum, das im Wesentlichen unveränderlich und von ewiger Dauer war, erschien mir als sehr viel wahrscheinlicher. (Erst Jahre später, nach der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung – damals arbeitete ich schon seit zwei Jahren an meiner Promotion –, wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte.)