Küss mich, Sheriff von TikTok Bestseller Autorin Lucy Score - Lucy Score - E-Book

Küss mich, Sheriff von TikTok Bestseller Autorin Lucy Score E-Book

Lucy Score

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Beschreibung

Von der Autorin des Weltbestsellers "Things we never got over" "Ich möchte ganz offen reden. Keine Überraschungen, keine Geheimnisse. Ich will dich, Eva. Und ich werde nicht aufgeben, bis ich dich habe." Die Liebesromanautorin Eva Merrill hat kein Problem damit, kleine Notlügen zu erfinden, um ihre Geheimnisse und ihre Familie zu schützen. Zu dumm, dass sie in die neugierigste Kleinstadt der Welt gezogen ist – mit einem Sheriff, der quasi ein großer, gut gebauter, wandelnder Lügendetektor ist. Sheriff Donovan Cordona scheint ein Auge auf sie zu haben … Vielleicht liegt das daran, dass sie ihm mitten in der Innenstadt von Blue Moon versehentlich ihre Brüste gezeigt hat. Oder daran, dass er denkt, sie plane ein Verbrechen. Dass er sich zu ihr hingezogen fühlen könnte, ist definitiv keine Erklärung. So etwas kommt nur in Liebesromanen vor, oder?

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Küss mich, Sheriff!

von Lucy Score

Widmung

Für Dawn. Dank deiner Adleraugen können LeserInnen meine Bücher ohne 70.000 Tippfehler lesen.

Zuerst 2017 erschienen unter dem Titel Blue Moon – Holding on to Chaos.

Titel: Küss mich, Sheriff!

ISBN eBook: 978-3-910990-52-4

Autorin: Lucy Score

Übersetzung: Jenny-Mai Nuyen

Cover: Jamie Design

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2023

© 2023 Von Morgen Verlag, Stettiner Straße 20

13357 Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Epilog

Demnächst aus Blue Moon:

Nachwort der Autorin

Kapitel 1

Evangelina Merill erstickte unter einem lilafarbenen Paisley-Wickelpulli, den sie sich einfach nicht über den Kopf ziehen konnte. Der Herbst war über Blue Moon Bend hereingebrochen, und ihre aus Yoga-Shorts und Tanktops bestehende South-Carolina-Garderobe war der Kälte nicht gewachsen.

Darum schien ein Besuch im Secondhandladen der Stadt eine gute Idee gewesen zu sein. Jedenfalls bevor sie mit dem Ellbogen so hart gegen die Wand der Umkleidekabine gestoßen war, dass Sterne vor ihren Augen tanzten. Und bevor sie in diesem engen, heißen, unnachgiebigen Strickpullover stecken geblieben war.

Und bevor der Feueralarm zu schrillen begonnen hatte.

„Alle raus!“ Die Ladenbesitzerin, eine weiche, großmütterliche Dame mit einem lustigen Namen – Mara? Morra? – hämmerte an Evas Kabinentür.

„Ich stecke fest“, teilte Eva ihr mit, ihre Stimme durch den Stoff gedämpft.

Die Frau riss die Tür auf, packte Eva am Ellbogen und zerrte sie zur Tür.

„Ist das nur eine Übung?“, fragte Eva durch ein Armloch.

„Schön wär’s“, schnaufte die Frau. „Ich habe ein Grillkäsesandwich auf dem Herd vergessen. Jetzt steht ein ganzes Regal mit Hanfblusen und alten Lederwesten in Flammen!“

Das erklärt den Geruch von Beef Jerky, dachte Eva. Sie spürte eine Hitzewelle in ihrem Rücken, als sich die Tür des Ladens hinter ihr schloss. Und dann einen Luftzug.

Oh. Mist. Ihre Hose lag noch auf dem Boden der Umkleidekabine.

Eva befreite sich gerade noch rechtzeitig aus dem Pullover, um zu sehen, wie das Polizeifahrzeug mit Blaulicht vorfuhr.

„Oh, nein, nein, nein“, flüsterte sie. „Nicht er. Nicht jetzt.“ Warum musste die Reaktionszeit der Polizei in Blue Moon dreißig Sekunden betragen? Und warum, lieber Gott, warum hatte sie das Haus in ihrem verwaschenen marineblauen Nadelstreifen-BH und einem Höschen, auf dem Los geht’s! stand, verlassen?

„Oh, Mann.“ Eine Frau mit langem, dunklem Haar schaute sie mitleidig an. Sie war offenbar ein weiteres Opfer aus den Umkleidekabinen und trug nur einen Bodysuit und Chucks. Selbstlos sprang die Frau vor Eva und brachte sich in Superman-Stellung.

„Was machen Sie da?“ Eva musste die Frage schreien, um über die Sirenen der herannahenden Feuerwehrfahrzeuge hinweg gehört zu werden.

„Ich schirme dich vor Blicken ab. Du bist neu in der Stadt. Du musst dein Debüt in der Facebook-Klatschgruppe nicht so haben. Übrigens, ich bin Eden.“

Eva griff über Edens Schulter und reichte ihr die Hand. „Ich bin Eva, und ich gehe fast nie ohne Hosen in die Öffentlichkeit.“ Sie schüttelten sich unbeholfen die Hände.

Sheriff Donovan Cardona, sportlich, groß und von erhabener männlicher Perfektion, stieg aus dem Polizeiwagen. „Sind alle draußen, Mayva?“

Mayva! Das war ihr Name.

Donovan brauchte nur eine halbe Sekunde, um Eva zu entdecken. Sie merkte es, ohne ihn anzusehen, denn ihre Haut erhitzte sich auf etwa eintausend Grad. Ihre Röte war wahrscheinlich von ihrem Haaransatz bis zu den Zehen sichtbar. Im Stillen verfluchte sie ihre Rothaarigkeit und ihren blassen Teint.

Eva spähte über Edens Schulter. Donovan starrte sie regelrecht an. Sechs Feuerwehrleute eilten an ihnen vorbei in den Laden.

„Eva.“ Seine Stimme, dieses köstliche dunkle Raspeln, ging ihr wie eine Rasierklinge über die Haut.

„Morgen, Sheriff“, sagte sie und versuchte, fröhlich und lässig zu klingen. Der Mann erwischte sie nur in peinlichen Momenten. Was ihr egal gewesen wäre, wäre sie nicht Hals über Kopf in ihn verliebt. Jedes Mal, wenn sie ihm über den Weg lief, beging sie irgendeine Dummheit. Sie fiel von einem Baum, auf den ihr Neffe Evan sie zu klettern herausgefordert hatte, sie lief gegen Fliegengittertüren, sie stand praktisch nackt mitten in der Stadt vor einem brennenden Gebäude …

Sie blinzelte, als sich eine Kamera in ihr Sichtfeld schob. „Meine Damen, könnt ihr uns sagen, was hier passiert ist?“, fragte ein dürrer Mann mit einer Drahtbrille.

„Na, toll. Der Monthly Moon ist schon zur Stelle“, stöhnte Eden.

„Was habt ihr beide gemacht, als das Feuer ausbrach? Habt ihr das Feuer gelegt? Wurde jemand verletzt? Werdet ihr diese Kleidung kaufen?“ Er ratterte die Fragen herunter wie ein Journalist bei einer Pressekonferenz und nahm dabei ihre Poren ganz genau unter die Lupe.

„Anthony Berkowicz! Wenn du noch ein Foto machst, schiebe ich dir diese verdammte Kamera sonst wo hin“, drohte Eden.

„Ich mache keine Fotos“, behauptete er. „Ich mache ein Video.“

„Anthony!“, stießen Eva und Eden gemeinsam aus.

Eden machte einen drohenden Schritt auf Mr. Neugier zu und ließ Eva ungeschützt zurück. Donovan starrte sie an, murmelte einen Fluch und drehte sich weg. Eva versprach sich in diesem Moment, dass sie ihr Haus nie wieder verlassen würde.

„Ich habe das Recht, Blue Moon über alle öffentlichen Ereignisse aufzuklären“, schrie Anthony, als Eden nach seiner Kamera griff.

Der Sheriff klopfte dem Journalisten ohne eine Spur von Mitleid auf die Schulter. „Ich zähle bis drei, Anthony. Wenn du dann immer noch Fotos oder Videos machst oder auch nur ein verdammtes Bild malst, lege ich dir Handschellen an.“

Anthony ließ seine Kamera zögernd sinken. „Darf ich wenigstens das Feuer fotografieren?“, fragte er niedergeschlagen.

„Nur das Feuer. Wenn du das Ding noch einmal auf die beiden richtest, wird es Konsequenzen geben“, versprach Donovan.

Anthony huschte davon, um einen besseren Blick auf den Rauch zu werfen, der aus dem hinteren Teil des Ladens drang.

Donovan holte etwas aus seinem Wagen und kam dann wieder. Eva versuchte, ihren Brust- und Schrittbereich zu bedecken. Warum sind meine Hände so verdammt klein?

„Hier.“ Seine Stimme war rau, aber das Baumwoll-T-Shirt, das er ihr über den Kopf zog, war himmlisch weich. Es roch unglaublich.

„Danke“, sagte Eva und verschränkte die Arme vor der Brust, um die Kälte abzuwehren. Das T-Shirt reichte ihr bis zu den Knien und bedeckte alles, was bedeckt werden musste. Sie wollte das Shirt über ihre Nase ziehen und tief durchatmen, aber vor Zeugen war das natürlich undenkbar.

„Geht es euch beiden gut?“, fragte er.

Eva nickte, ohne ein Wort herauszubringen.

„Uns geht es gut, Sheriff“, antwortete Eden für sie beide.

„Ich muss eine Verkehrsumleitung aufstellen, bevor jemand im Rauch in eine Hauswand kracht“, meinte Donovan.

Eva nickte erneut.

„Wann können wir unsere Sachen aus dem Laden holen, Sheriff?“, fragte Eden. Offensichtlich war die Frau asexuell oder nicht an Männern interessiert, sonst hätte sie nicht so gelassen mit ihm sprechen können, entschied Eva.

Donovan blickte auf das Gebäude. In den Fenstern waren jetzt Flammen zu sehen. „Ich bin mir nicht sicher. Sobald das Feuer gelöscht ist, werde ich euch beiden Bescheid geben.“

Mayva brüllte den Feuerwehrleuten Befehle zu. „Vergesst das Ausverkaufsregal! Rettet die Lederkleidung! Oh, und da ist diese wirklich süße Tunika! Nein, nicht die!“

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alle am Leben waren und sich in angemessener Entfernung von den Flammen aufhielten, joggte Donovan auf die Straße und gewährte Eva einen Blick auf seinen durchtrainierten Hintern in seiner Uniformhose.

„Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich könnte einen Drink und eine Hose gebrauchen“, sagte Eden.

„Ich wohne nur zwei Blocks weiter. Ich habe ein Sechserpack von der John Pierce Brauerei im Kühlschrank und mindestens vier saubere Yogahosen“, bot Eva an.

„Nichts wie hin!“

Kapitel 2

Eva öffnete gerade Edens Bierflasche, als die Haustür aufflog. „Ich kann dich keine zwei Sekunden allein lassen, ohne dass du fast nackt in einem Feuer stirbst!“ Evas Schwester Gia, mit wehenden roten Locken und wie immer in Yoga-Klamotten, stürmte ins Haus und zog ihren Mann Beckett hinter sich her. „Warum hast du mich nicht angerufen?“

„Mein Handy ist in meiner Hose, die auf dem Boden der Umkleidekabine von Second Chances liegt.“ Wenigstens musste sie sich nicht mit den Dutzenden von SMS und Anrufen von besorgten Familienmitgliedern und Nachbarn herumschlagen, die wissen wollten, ob es ihr gut ging, ob sie es nach Hause geschafft und sich angezogen hatte.

„Hallo, Eden“, sagte Beckett und winkte. „Was macht die Pension?“

„Die Zimmer sind fast jede Nacht ausgebucht, es läuft blendend. Wie laufen die Geschäfte als Anwalt und Bürgermeister?“

„Smalltalk kommt später!“ Gia drückte Eva ihr Handy in die Hand. „Erkläre!“

„Ich werde diesen Anthony umbringen“, knurrte Eva und nahm das Telefon ihrer Schwester an sich.

Eden trat näher, um mit auf das Handy gucken zu können. Ein Foto war zu sehen. Eva kauerte in ihrer ausgewaschenen Unterwäsche hinter der kaum mehr bekleideten Eden. Sheriff Cardona starrte die beiden an, als wären sie besonders seltsame Tiere im Zoo.

„Wenigstens sehen wir ziemlich gut aus“, seufzte Eden. „Durchtrainiert. Oder?“

Gia schnappte sich ihr Telefon zurück. „Ihr seht beide toll aus. Also, wie habt ihr das Feuer gelegt?“

Eva verdrehte die Augen. Als Jüngste in der Familie war sie dafür bekannt, immer für Ärger zu sorgen. Ihre älteste Schwester Emma war eine disziplinierte Erwachsene mit Zeitplänen und Tabellenkalkulationen für jeden Anlass. Gia war eine multitaskingfähige, wenn auch vergessliche Yoga-Kriegerin. Und Eva galt als die Verträumte. Ihr Vater behauptete, dass es ihre Abenteuerlust war, die sie immer wieder in Schwierigkeiten brachte. Ihre Schwestern meinten, es sei ihr Mangel an Verantwortung. Eva fand, dass beides zutraf.

„Ich schwöre, dieses Mal habe ich nichts getan. Ich habe Klamotten anprobiert, als Mayvas Grillkäsesandwich auf der Herdplatte das Inventar in Brand gesetzt hat.“

„Du brauchst also keinen Anwalt?“, stellte Beckett klar. Er war einer der berüchtigten Pierces, ein Trio von Brüdern, die so attraktiv waren, dass eine Zeitschrift ihnen allen einmal einen Modelvertrag angeboten hatte. Aber die Brüder hatten abgelehnt.

„Das ist nicht nötig“, zwinkerte Eva ihrem Schwager zu. „Aber ich weiß die Familienpanik zu schätzen.“

„Ich glaube, dann können wir uns wieder dieser Sache widmen ...“ Beckett sah Gia hoffnungsvoll an. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, was ‚diese Sache‘ war.

Gia errötete und grinste. „Wenn ihr uns entschuldigen würdet, mein Mann und ich haben ein ... äh, Mittagessen ... Treffen.“ Kaum dass Gia ihn ins Haus geschleppt hatte, zog sie Beckett wieder hinaus. „Schön, dass ihr noch lebt“, rief sie über die Schulter zurück zu Eva. „Mach’s gut, Eden!“

„Liege ich richtig damit, dass die beiden sich zu einem Schäferstündchen zurückziehen?“, fragte Eden.

„Sie freuen sich den ganzen Sommer über auf das nächste Schuljahr“, sagte Eva. Wenn sie ihre Schwestern und deren Ehemänner beobachtete, verspürte sie manchmal einen Anflug von Eifersucht. Nicht, dass sie ihnen ihr Glück missgönnte. Für sie waren ihre Schwestern neben ihrem Vater die besten Menschen der Welt. Sie hätte nur nichts dagegen gehabt, wenn ihre romantische Durststrecke, seit sie in die Hippie-Kleinstadt Blue Moon gezogen war, enden würde. Und die Durststrecke betraf nicht nur ihr Liebesleben, sondern auch ihr Berufsleben.

Sie seufzte, und Eden setzte sich zu ihr an die Kücheninsel. Sie hoben gleichzeitig ihre Biere.

„Bitte sag mir, dass nicht alle guten Männer der Stadt vergeben sind“, stöhnte Eva.

„Ich bin sicher, dass es noch eine Handvoll gibt“, sagte Eden. Sie klang nicht sehr zuversichtlich.

„Du betreibst also eine Pension?“, fragte Eva, um das Thema zu wechseln.

„Ja“, sagte Eden und studierte die Bierflasche. „Südlich der Stadt. Großes, weitläufiges viktorianisches Haus. Ein Teich. Ein paar flauschige Hunde.“

„Oh! Direkt neben dem Weingut!“ Eva hatte das Haus gesehen. Zwei Stockwerke hoch, mit Türmchen, Dachkammern und einem unglaublichen Farbschema in Marineblau, Lila und Gelb, das sowohl der Architektur als auch der Stadt auf charmante Weise Tribut zollte. Ein stämmiges Paar blondgelockter Hunde trieb sich auf dem Gelände herum.

Eden zog bei der Erwähnung des Weinguts eine Grimasse und wechselte das Thema. „Was machst du beruflich?“

„Oh, ich schreibe technische Texte. Hauptsächlich Handbücher und Anleitungen. So was in der Art.“ Die Lüge ging Eva so leicht von der Zunge, als wäre es die Wahrheit. Technisch gesehen war es bis vor einem Jahr die Wahrheit gewesen.

„Das klingt ...“

„Langweilig? Komainduzierend?“, schlug Eva vor.

Eden lachte. „Hey, jeden Tag Gästetoiletten schrubben und Muffins backen ist auch nicht gerade glamourös. Ich bin praktisch die Hausfrau für einen Haufen Fremder.“

„Es ist erstaunlich, dass keine von uns ein Alkoholproblem hat“, scherzte Eva. Sie hob ihr Bier zu einem stillen Toast.

„Was glaubst du, wie lange es dauert, bis Sheriff Sexy uns erlaubt, unsere Sachen aus dem Laden zu holen?“, fragte Eden.

„Es liegt also nicht nur an mir? Du findest ihn auch sexy?“

„Unglaublich sexy“, stimmte Eden zu.

„Seit ich hierher gezogen bin, hat er mich in jeder peinlichen Situation erwischt, die es für alleinstehende Frauen gibt. Ich glaube, er hält mich für eine Idiotin.“

„So schlimm kann es nicht sein.“

„Er hat mich am Tag nach meinem Einzug wegen zu schnellem Fahren angehalten. Ich bin bei einem Picknick von einem Baum gefallen und fast auf ihm gelandet, und dann bin ich mit einem Kirschkuchen gegen eine Fliegengittertür gelaufen, und ich weiß einfach, dass er mich beobachtet hat.“

„Vielleicht beobachtet er dich, weil er sich für dich interessiert?“, schlug Eden vor.

„Vielleicht beobachtet er mich, weil er mich für eine Gefahr für die Allgemeinheit hält.“

„Hauptsache, er beobachtet dich“, meinte Eden und ließ sich auf einen Barhocker gleiten.

Eva stieß einen Atemzug aus. Nur einmal in ihrem Leben wollte sie den Richtigen anziehen. Nicht den Dating-App-Hochstapler, der ihr vorlog, geschieden zu sein, oder den Wüstling, der immer noch im Keller seiner Mutter wohnte und von ihr verlangte, die Krusten von seinem Butterbrot wegzuschneiden. Der Sheriff verkörperte die Art von Mann, von der sie immer fantasiert hatte und die leider völlig außerhalb ihrer Liga spielte. Gebaut wie ein Profisportler, gutherzig, ausgeglichen, verantwortungsbewusst … und er trug beruflich eine Waffe, was wirklich heiß war. Wahrscheinlich hatte er auch eine nette Ausrüstung unter der Uniform ... Eva wünschte sich einen Mann wie Donovan Cardona, der sie sah und sich hoffnungslos in sie verliebte. Und ihr dann die Kleider vom Leib riss und sie zwei Wochen lang im Bett festhielt.

Aber das war eine Fantasie, und sie konnte Fantasie von Realität unterscheiden. In der Realität ging es nicht so sehr um den Mann wie darum, als die Art von Frau gesehen zu werden, die sie sein wollte. Klug, schön, witzig, anmutig, interessant, sexy. Sie war es leid, die Versagerin zu sein, das Baby, die einzige Merill-Schwester, die einen Nachhilfelehrer brauchte, um in Geometrie durchzukommen.

Sie hatte Ziele. Sie hatte sich selbst versprochen, diese Frau zu werden, wenn sie ihre Dämonen besiegt und die Vergangenheit endlich hinter sich gelassen hätte.

Eva seufzte und schob das alles beiseite. Sie war in Blue Moon, um ihrer Familie nahe zu sein und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Sheriff Sexy war nur ein Tagtraum.

„Mal sehen, was unser Kumpel Anthony noch über das Feuer gesagt hat.“ Eva schnappte sich ihren Laptop vom Esstisch und klappte ihn auf der Theke auf. Sie öffnete Blue Moons Facebook-Gruppe und starrte finster auf den Bildschirm. Sie musste an sieben Bildern vorbeiscrollen, auf denen sie in Unterwäsche durch die Stadt tänzelte, bevor sie die Geschichte fand. „Laut Anthonys journalistischem Versuch ist das Feuer gelöscht. Keine Verletzten, es sei denn, man zählt die Würde der beiden halbnackten Kundinnen mit – deren Namen aus Datenschutzgründen nicht genannt werden. Immerhin.“

„Dieser dürre kleine Arsch“, brummte Eden. „Als ob nicht jeder jeden kennen würde.“

Eva war vor der Klatschgruppe gewarnt worden, hatte es aber als Kleinstadtübertreibung abgetan. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihr Debüt in der Gruppe in Unterwäsche geben würde. Ihr Vater wäre so stolz. Als Nächstes würde das Komitee für Lebensqualität bei ihr anklopfen und versuchen, sie mit einem Hippie zu verheiraten, der Schlaghosen trug und wahrscheinlich darauf bestand, dass seine Mutter die Krusten von seinen Butterbroten wegschnitt.

Kapitel 3

Eva lieh Eden ihr Auto, damit ihre neue Freundin rechtzeitig zurück zu ihrer Frühstückspension kam, um den Nachmittagstee vorzubereiten. Da Eva von zu Hause aus arbeitete und in Gias und Becketts Gartenhaus wohnte, in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum, war sie die meiste Zeit zu Fuß unterwegs.

Da sie nicht wusste, wann sie ihre Sachen aus der verrauchten Umkleidekabine holen konnte, zog Eva ihre Arbeitsuniform an, kurze Leggings, ein Tanktop und ihre Brille. Donovans graues T-Shirt, das fein säuberlich gefaltet am Fußende ihres Bettes lag, fiel ihr ins Auge. Sie hob es auf und strich mit einer Hand über den von unzähligen Wäschen abgenutzten Stoff. Mit einem heimlichen Blick über die Schulter – sie wusste nie, wann eine Nichte oder ein Neffe auftauchen würde – führte Eva das T-Shirt an ihre Nase und schnupperte daran.

Sie erhaschte einen Blick auf sich selbst im Spiegel der Kommode und sah eine verzweifelte, an einem fremden Männershirt schnüffelnde Frau mit halbgeschlossenen Augen. „Verdammt. Ich bin erbärmlich“, murmelte sie und ließ das Shirt zurück aufs Bett fallen.

Diese Durststrecke musste sofort beendet werden, wenn der Geruch von Waschmittel und Trocknertüchern sie schon in den Wahnsinn trieb.

Sie biss sich auf die Lippe. Technisch gesehen lebte sie allein. Es gab niemanden sonst im Haus, der sie dafür verurteilen konnte, das T-Shirt eines Schwarmes zu tragen. Vielleicht würde es ihr helfen, sich zu konzentrieren? Sie stolzierte in Cardona gehüllt die Treppe hinunter und fühlte sich inspiriert. Sie würde ein paar Stunden arbeiten und für eine Weile vergessen, dass sie sich schon wieder vor Cardona blamiert hatte.

Eva warf ihre Kaffeemaschine an, setzte ihre Kopfhörer auf und machte sich an die Arbeit.

Und wie es an guten Tagen so ist, wurde sie völlig in den Bann gezogen.

Als sie wieder zu sich kam, war sie nicht sicher, wie lange sie schon schrieb. Lange genug, um nicht mitbekommen zu haben, wie jemand hinter sie getreten war und sie an der Schulter berührte. Und lange genug, dass ihre Knie unter ihr nachgaben, als sie von ihrem Stuhl aufsprang. Sie wirbelte herum, die Hände in der einzigen Karate-Position, an die sie sich aus den Einführungskursen auf dem College erinnern konnte.

Sheriff Cardona stand in ihrer Küche, seine Hand schwebte instinktiv über seinem Elektroschocker, während seine Augen den Raum nach der Bedrohung absuchten.

„Heilige Mutter Gottes!“ Evas Herz versuchte, sich den Weg aus ihrer Kehle zu bahnen.

Seine Lippen bewegten sich, aber sie konnte die Worte nicht hören.

„Was?“

Er zeigte auf sein Ohr und dann auf sie. Ihre Kopfhörer. Die Black-Eyed Peas dröhnten immer noch in ihren Ohren. Eva riss sich die Kopfhörer herunter und warf sie auf den Tisch neben ihrem Laptop. Mist. Ihr Laptop. Sie knallte den Deckel zu.

„Äh, hallo“, sagte sie.

„Äh, hi.“ Donovan stellte den Stuhl wieder auf, den sie umgeworfen hatte. „Du hast mir fast das Trommelfell kaputtgeschrien.“

„Du bist in mein Haus eingebrochen und hast mich zu Tode erschreckt!“

„Ich habe versucht anzurufen. Du bist nicht drangegangen. Und als ich hier ankam, habe ich so stark geklopft, dass das Glas zerbrochen ist.“ Er benutzte seine Law-and-Order-Stimme, als wäre sie eine empörte Bürgerin, die er zurechtweisen musste.

„Mein Telefon ist noch im Laden. Ich hatte es ein bisschen eilig, wegen des Feuers“, erinnerte sie ihn. „Und gerade habe ich Musik gehört.“

„Ich bin erstaunt, dass du überhaupt etwas hören kannst. Bei diesen Dezibel müsstest du eigentlich schon taub sein.“

„Was machst du in meiner Küche?“, fragte sie. Der Mann kreuzte hier einfach auf und brachte sie dazu, sich zu verteidigen. Aber wenigstens hatte sie ihre Schlagfertigkeit wieder.

„Warum trägst du mein T-Shirt?“, konterte er.

Mist. Sie hatte vergessen, was sie anhatte. „Ich, äh. Wie kommst du darauf, dass das deines ist? Es gehört meinem Ex-Freund“, beharrte sie. Sie war sehr kreativ, wenn es ums Lügen ging.

Donovan packte sie an den Schultern, seine Hände waren ein warmer Schock durch den Stoff. Er drehte sie herum. „Dein Ex-Freund gehört zur Blue-Moon-Polizei?“, fragte er und las die Schrift auf ihrem Rücken.

„Ich brauche einen Kaffee“, sagte Eva und wandte sich aus seinem Griff. Sie konnte nicht denken, wenn sie von Sheriff Sexy und seinen großen, warmen Händen in die Mangel genommen wurde. „Willst du auch einen Kaffee?“ Sie umging die winzige Kücheninsel, dankbar, eine Barriere zwischen ihnen zu haben, und schnupperte an der noch vollen Kanne. Eva war so in die Arbeit vertieft gewesen, dass sie sich nicht einmal die erste Tasse eingeschenkt hatte.

„Sicher“, murmelte er.

Eva schaute über die Schulter, um die Belustigung in seiner Stimme mit einem Stirnrunzeln zu quittieren. Leider schätzte sie ihren Abstand zum Schrank falsch ein und öffnete die Tür in ihr Gesicht.

„Autsch.“ Sie rieb sich abwesend über ihr Auge und tastete nach den Tassen.

Zwei große Hände erschienen über ihr und holten zwei Tassen aus dem Schrank. „Setz dich, bevor du eine ganze Kanne heißen Kaffee über dich schüttest“, befahl er und schob sie mit der Hüfte aus dem Weg.

Der gute Sheriff wusste offensichtlich nichts über Frauen. Der Befehl zum Sitzen machte das Stehen viel attraktiver.

Donovan las die rebellische Reaktion offenbar in ihren Augen. „Sitz oder kein Kaffee“, sagte er streng.

„Das ist mein Kaffee“, sagte sie.

„Und ich teile ihn gern mit dir, wenn du dich hinsetzt und aufhörst, mich nervös zu machen.“

„Ich mache dich nervös?“ Sie lachte und ließ sich auf einen Barhocker gleiten.

„Ich habe das Gefühl, du bist eine Sekunde davon entfernt, eine Bratpfanne nach mir zu schwingen oder durch ein Fenster zu fallen.“ Er stellte eine Tasse vor ihr ab, und sie griff nach der Zuckerdose, die eine skurrile Meerjungfrau darstellte.

Während sie Zucker in ihre Tasse kippte, öffnete er den Gefrierschrank und holte eine Handvoll Eiswürfel heraus, die er in ihr lila Geschirrtuch wickelte. „Hier. Eis für dein Gesicht.“

Sie gehorchte nur, weil ihr Gesicht tatsächlich weh tat.

„Willst du eine Anzeige gegen den Schrank erstatten?“, fragte er und nahm seinen Kaffee mit.

Sie lachte ein wenig. „Nein. Ich denke, er hat es nicht so gemeint.“

„Das behaupten alle Schranktüren“, sagte Donovan, und ein Lächeln umspielte seine schönen Lippen. Er sah aus wie eine zum Leben erwachte Ken-Puppe. Schmutzigblondes Haar, das vermutlich der Einfachheit halber kurz geschnitten war, scharfe blaue Augen, die bestimmt jede Lüge entlarven konnten, und Schultern, die einen Footballspieler zum Weinen bringen würden. Er war groß, solide und einfach durch und durch sexy.

Normalerweise waren die Typen, mit denen sie ausging, weniger muskulös und eher mittelgroß. Außerdem waren die Typen, mit denen sie normalerweise ausging, auch meistens Mistkerle. Donovan nahm ihre ganze Küche ein, nur weil er breitbeinig dastand. Seine Uniform passte ihm so gut, dass sie sich fragte, ob er sie hatte maßschneidern lassen, um diese Brustmuskeln und diesen Bizeps zur Geltung zu bringen.

Pass auf, dass du nicht zu sabbern anfängst, Eva.

Sie räusperte sich. „Du hast es vielleicht schon gesagt, als du hereinkamst, aber ich war mit Kreischen beschäftigt. Warum bist du nochmal hier?“, fragte sie.

Er schenkte ihr ein halbes Lächeln, das ihre Unterwäsche in Flammen aufgehen ließ, als Grübchen in seinen Wangen erschienen. Sie stellte ihren Kaffee ab. Sie brauchte keine Aufwärmphase. Sie brauchte eine kalte Dusche.

„Ich habe deine Sachen aus dem Laden mitgebracht.“ Er nickte in Richtung einer Plastiktüte, die direkt vor der Tür auf dem Boden lag.

Wie aufs Stichwort klingelte Evas Telefon aus den Tiefen der Tüte.

„Willst du nicht rangehen?“, fragte er.

„Es ist bestimmt nur jemand, der mir sagen will, dass er mich heute fast nackt auf Facebook gesehen hat.“

Er wandte den Blick von ihr ab und studierte die Bilder, die auf ihrem Kühlschrank klebten.

„Bitte sag mir, dass das nicht der peinlichste Klatschgruppenbeitrag in der Geschichte der Stadt ist“, sagte sie.

„Das brauche ich dir nicht zu sagen. Du hast lange genug hier gelebt, um zu wissen, was die Blue Mooner aufheizt.“

Er hatte recht. Sie hatte vergessen, dass Fitz letzten Monat mit dem Gesicht voran die Lavender Street hinuntergerutscht war, als er den Eiswagen verfolgt hatte.

„Geht es Mayva gut? Wurde der Laden stark beschädigt?“, fragte Eva, um das Thema zu wechseln.

„Es geht allen gut“, versicherte Donovan ihr. „Mayva plant bereits eine Kreuzfahrt, wenn das Geld von der Versicherung eintrifft und Calvin Finestra und sein Team mit der Renovierung beginnen.“

Eva hauchte einen Seufzer aus. „Ich bin froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Ich kann nicht glauben, dass ein Käsesandwich an allem schuld war.“

„Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Mayva ist seit dreißig Jahren Veganerin, und ausgerechnet heute bekommt sie Lust auf ein Käsesandwich.“

„Ich kann mir vorstellen, dass in dieser Stadt oft seltsame Dinge passieren“, meinte Eva.

„Noch viel seltsamere Dinge, als du denkst.“ Donovan grinste.

Die volle Wattzahl seines Lächelns brachte sie fast um. Geblendet griff sie nach ihrem Kaffee, um ihre Hände zu beschäftigen, und schaffte es, ihn über den ganzen Tresen schwappen zu lassen.

Wortlos riss Donovan ein Küchenpapier von der Rolle und wischte den Kaffee weg. Er sah aus, als wollte er etwas sagen, aber da klingelte sein Telefon.

„Cardona“, antwortete er zügig. Sie hörte sich seinen Teil des Gesprächs an, eine kurze Reihe von „Aha“ und „Ja“.

„Okay. Danke, Minnie. Ich mache mich auf den Weg.“

„Die Pflicht ruft?“, fragte Eva, rutschte von ihrem Hocker und hoffte auf einen lockeren Flirt. Es war schwer, das mit einem Geschirrtuch aus Eis auf dem Kopf durchzuziehen, aber sie gab ihr Bestes.

„Ja, Garcias Frettchen sind wieder ausgebrochen. Sie sind offenbar in Mrs. Duphraines Haus eingebrochen und terrorisieren dort ihren Pitbull.“

„Armer Willoughby. Nun, dann … danke, dass du meine Sachen vorbeigebracht hast“, sagte sie und begleitete Donovan zur Tür.

Er schaute zu ihr herunter, und ihre Zehen krümmten sich, als sie weit, weit zu ihm nach oben schaute.

„Mit Vergnügen“, sagte er mit heiserer Stimme. Er griff nach dem Türknauf.

„Oh! Warte. Dein Hemd!“ Eva griff nach dem Saum und zog es sich über den Kopf.

Donovan starrte sie an, als hätte sie gerade eine Wiederholung von heute Morgen vorgeführt. Hatte er noch nie ein Tank-Top gesehen?

Oh. Mist.

Sie war wieder oben ohne. Versehentlich hatte sie sich das Tanktop zusammen mit dem T-Shirt ausgezogen.

Sie klatschte ihre Händen auf den rosa Spitzen-BH, der absolut nichts vor Donovans Polizistenaugen verbarg.

„Tante Eva, warum muss ich Kleider tragen, wenn du keine trägst?“ Aurora, ihre Nichte und siebenjährige Möchtegern-Nudistin, stand auf der Türschwelle.

Eva riss ihr Tank-Top aus Donovans T-Shirt und zog es sich über. Donovan wollte etwas sagen, aber Eva wusste, dass es nichts gab, was er sagen konnte, um diese Situation weniger demütigend zu machen.

„Auf wiedersehen“, sagte sie, ließ den Kopf hängen und deutete auf die Tür. „Geh, bevor mir die Hose runterfällt und mein Spülbecken in einem Geysir ausbricht.“

Höflich hob Donovan die Finger an den Kopf, um sich zu verabschieden.

„Tschüss, Donovan“, rief Aurora ihm fröhlich hinterher.

Kapitel 4

Donovan wollte ein Bier. Und eine kurvenreiche Rothaarige, die ihn in eine dampfend heiße Dusche begleitete. Nur einer dieser Wünsche würde heute Abend in Erfüllung gehen. Als er den Oktobernachmittag hinter sich ließ, stieß er die Eingangstür des Polizeireviers auf und atmete den vertrauten Geruch von abgestandenem Kaffee und neuem Teppichkleber ein.

Seine Mutter würde diesen Ort nicht wiedererkennen, dachte er und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, der schon Stunden alt war. Der neue Anstrich, der aus dem Budget herausgequetscht worden war, hatte die lavendelfarbenen Wände abgemildert – eine Farbe, von der irgendein Witzbold vor ein paar Jahrzehnten beschlossen hatte, dass sie für Gefangene beruhigend sei. Nicht dass Blue Moon jemals wirklich mit Gefangenen zu tun gehabt hätte.

Hazel Cardona hatte in ihrer Zeit als Sheriff von Blue Moon nie mit der Wimper gezuckt, weil die Farbe schrecklich mit dem moosgrünen und gelben Teppichboden kollidierte. Jetzt waren die Wände in einem schönen, schlichten Beige gehalten und passten gut zu dem etwas dunkleren beigen Teppich. Donovan hielt es für einen Sieg, dass die Frage nicht auf einer Stadtversammlung zur Abstimmung gestellt worden war. Seine Schuhe würden jetzt über einen regenbogenfarbenen Zottelteppich laufen, wenn die Stadt das Sagen gehabt hätte.

„Da bist du ja“, sagte seine rechte Hand, Minnie Murkle, als sie aus dem Aktenraum eilte. „Du warst den ganzen Tag verschwunden. Hast du zu Mittag gegessen?“, fragte sie streng.

Er war seit dem Brand am Morgen unterwegs gewesen, und ein Teil von ihm war dankbar für die Ablenkung gewesen, damit er nicht ständig an Eva und ihre halbnackten Auftritte heute denken musste. Na toll. Jetzt dachte er schon wieder daran.

Minnie war dreifach im Einsatz: als Disponentin für Notfälle, als Protokollantin und als Schreibtischhengst. Er fürchtete sich vor dem Tag, an dem sie ihren Ruhestand ankündigte. Aber da sie sechzig war, hoffte er, dass er sie noch ein paar Jahre verführen konnte, zu bleiben.

„Eine Krise nach der anderen. So einen Tag habe ich nicht mehr erlebt seit ... noch nie“, gab er zu und wich der Frage nach seinem Mittagessen aus. Natürlich hatte er vergessen, etwas zu essen. Zwischen dem Feuer, den Aufräumarbeiten, den beiden Autounfällen mit Blechschaden und Eva Merill hatte er das Essen ganz vergessen.

„Irgendetwas bringt diese Stadt in Aufruhr“, stimmte Minnie zu und führte ihn in sein Büro, wo sie einen Stapel Akten auf seinem Schreibtisch ablegte. „Ich habe Colby heute zu zwei Einsätzen geschickt.“

Colby war einer von Donovans beiden Teilzeit-Stellvertretern. Blue Moon hatte weder das Budget noch den Bedarf für drei Vollzeitbeamte, was für sie alle gut funktionierte. Colby sprang an Donovans freien Tagen ein und verbrachte den Rest seiner Zeit damit, auf Pierce Acres auszuhelfen. Wenn Donovan Colby jemals eine Vollzeitstelle anbot, würde sein Freund Carter Pierce ihn umbringen.

Donovans anderer Hilfssheriff, Layla, war ein paar Jahre älter als Colby und hatte einen Vorteil, den die Kenner ihres hübschen, sonnigen Äußeren erst bemerkten, als es zu spät war. Zu dritt sorgten sie in der Regel für Recht und Ordnung in der verschlafenen Kleinstadt.

Minnie ging mit ihm seine Nachrichten durch und kommentierte ein paar Klatschgeschichten aus der Stadt. „Ich habe gesehen, dass das neue Merill-Mädchen nackt durchs Stadtzentrum spaziert ist“, meinte Minnie.

„Ihr Name ist Eva, und sie war nicht nackt. Und es war zwei Blocks vom Zentrum entfernt“, stellte Donovan klar.

Minnie grinste. Es gab nichts, was die Frau mehr liebte als Klatsch und Tratsch. Das war einer der Hauptgründe, warum der Job so gut zu ihr passte. „Das arme Mädchen sah ein bisschen fröstelig aus. Der vorläufige Bericht des Feuerwehrchefs ist in diesem Stapel“, sagte sie und zeigte auf die entsprechenden Ordner. „Und morgen hast du ein Treffen mit Beckett und Elvira Eustace, um die Details für die Halloween-Parade festzulegen.“

Donovan schaute auf seine Uhr. „Warum gehst du nicht nach Hause, Minnie? Ich habe das Gefühl, dass wir eine arbeitsreiche Woche vor uns haben. Mach eine Pause.“

„Aber sicher, Chef. Bleib nicht die ganze Nacht hier“, sagte sie und deutete mit dem Finger auf ihn. Sie hielt in der Tür inne. „Sag mal, du glaubst doch nicht, dass wir eine weitere Planetenkreuzung vor uns haben, oder?“

Donovan ließ sich in seinen Stuhl sinken und rieb sich den Nacken. „Planeten-was?“

„Erinnerst du dich nicht an die achtziger Jahre? Da gab es so eine astrologische Sache, die nur alle dreißig Jahre oder so passiert. Da sind alle völlig durchgedreht.“

Etwas klingelte in Donovans Gedächtnis. Etwas, das ihm nicht gefiel.

An jedem anderen geografischen Ort auf dieser Erde hätte er nicht damit gerechnet, dass eine ganze Stadt von einer Planetenkonstellation beeinflusst wurde. Aber in Blue Moon war alles möglich. „Ich erinnere mich nicht, Minnie. Aber ich werde meine Mutter anrufen. Mal sehen, ob sie sich erinnert.“

Minnie, eine abtrünnige Katholikin, bekreuzigte sich und klopfte an Donovans Schreibtisch. „Oh, sie wird sich erinnern. Hoffen wir, dass sich das nicht wiederholt.“

Als Minnie gegangen war, hatte Donovan zum ersten Mal an diesem Tag seine Ruhe. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Das Bild von Eva tauchte kristallklar in seinem Kopf auf.

Es war schon schlimm genug, dass er, seit sie nach Blue Moon gezogen war, jeden Tag etwa fünfzigmal an sie dachte – doppelt so oft wie nachdem er sie zum ersten Mal bei der Hochzeit seines Freundes Beckett gesehen hatte. Und jetzt, da er sie zweimal fast nackt gesehen hatte? Er war nicht mehr in der Lage, sein Gehirn für irgendetwas anderes als für Fantasien zu benutzen.

Er liebte seinen Job. Seine Stadt. Und er nahm seine Aufgabe, den Bürgern von Blue Moon zu dienen, ernst. Aber er war es nicht gewohnt, unter ständiger Ablenkung zu dienen. Er hatte schon viele schöne Frauen gesehen. Er hatte sie gesehen und sie genauso schnell wieder vergessen. Aber Evangelina hatte etwas an sich, das ihn fesselte.

Er hätte den rosa Spitzenträger ihres BHs einfach über eine ihrer milchweißen Schultern schieben können und ...

Die Klingel an der Eingangstür des Reviers riss ihn aus seinem Tagtraum. Beschämt stellte er fest, dass er eine Minute brauchte, bevor er irgendwelche Besucher begrüßen konnte. Donovan atmete gerade zum zweiten Mal tief durch und rezitierte im Geiste Baseballstatistiken, als Carter Pierce ins Büro kam, seinen Sohn Jonathan auf der Hüfte und eine Schachtel von Peace of Pizza in der freien Hand.

„Wir dachten, wir könnten dich mit einem Abendessen für Frühaufsteher in Versuchung führen“, sagte Carter und ließ Jonathan auf den Boden gleiten.

Das Kleinkind winkte Donovan zu und huschte zu der Schublade des Aktenschranks hinüber, in der sich unter anderem ein ausgestopfter Polizei-Teddybär befand, den das Kind bei einem Stadtfest gebastelt hatte, sowie ein Haufen Plastikwerkzeug. Während Jonathan kichernd versuchte, den Bären dazu zu bringen, einen leuchtend gelben Meißel zu halten, schob Carter die Pizza auf Donovans Schreibtisch und ließ sich auf einem der Besucherstühle nieder. „Hast du Bier?“

„Der Besitzer einer Brauerei bittet mich um Bier.“ Donovan schüttelte den Kopf über die Ironie. Er griff in den Mini-Kühlschrank hinter ihm und fischte ein Bier, ein Wasser und einen Saftkarton heraus.

„Du machst das mit dem Ehrenonkel sehr gut“, sagte Carter, riss zwei Papiertücher ab und benutzte sie, um ein Stück Salamipizza abzutupfen.

„Wenn man innerhalb eines Jahres siebenundvierzig Nichten und Neffen bekommt, passt man sich schnell an.“

„Was soll ich sagen?“ Carter zuckte mit den Schultern. „Alle Pierces sind auf den Ehe-mit-Kindern-Zug aufgesprungen. Wann schließt du dich uns an?“

Mit zusammengekniffenen Augen nahm Donovan einen Bissen von der Pizza. „Bist du dem Komitee für Lebensqualität beigetreten?“

Carter kicherte und strich sich mit einer Hand durch seinen dunklen Bart. „Nein, aber ich habe heute die Bilder von Eva gesehen. Du sahst aus wie der große böse Wolf, der das kleine Rotkäppchen verschlingen wollte.“

„Wollte er nicht“, sagte Donovan schnell.

„Jonathan, willst du Pizza, oder willst du noch warten?“, fragte Carter und wandte seine Aufmerksamkeit seinem Sohn zu, der Bohrergeräusche machte und so tat, als würde er Löcher in die Wand der Aktenschränke stechen.

„Ich warte“, verkündete Jonathan, ohne seine Aufmerksamkeit von seiner Arbeit abzuwenden.

„Er ist sehr fleißig. Wo sind eure Damen heute?“, fragte Donovan, in der Hoffnung, das Gespräch von Eva und den Dingen abzulenken, die er ihr antun wollte.

„Summer und Meadow machen eine Facebook-Live-Sache für das Online-Magazin mit Gia und ihren Mädchen. Es geht darum, wie man Mädchen dazu erzieht, fantastisch statt nett zu sein.“

„Gutes Thema“, sagte Donovan und griff nach einem zweiten Stück Pizza.

„Zurück zum ursprünglichen Thema. Warum hast du dich noch nicht an Rotkäppchen rangemacht?“

Carter ließ nicht locker, Donovan hätte es besser wissen müssen. Er kannte den Mann schon sein ganzes Leben lang. Er machte sich nicht die Mühe, Carter zu belügen. Die ganze Stadt hatte gesehen, wie er auf Phoebes und Franklins Hochzeit Anfang des Jahres wie ein Teenager um Eva herumgeschlichen war. „Es ist eine große Umstellung, nach Blue Moon zu ziehen. Ich wollte ihr etwas Zeit geben, damit sie sich eingewöhnen kann.“

Carter kaute auf einem Stück Kruste herum. „Lobenswerter Blödsinn. Was ist der wahre Grund?“

Donovan fuhr sich abwesend über den Nacken. „Ah, verdammt.“

„Blööödsinn“, sang Jonathan.

Carter zog eine Grimasse. „Das hat er nicht von mir, nur fürs Protokoll. Also, erzähl.“

„Sie jagt mir eine Heidenangst ein“, sagte Donovan, der sein Geständnis in aller Eile ablegte. „Ich habe sie gesehen und von dem Moment an war ich hin und weg. Ich weiß nicht, ob ich für diese Art von Gefühlen bereit bin. Ich bin kein superromantischer Typ, aber bei ihr … ich weiß nicht, fühlt es sich so an, als wäre ich es doch.“

Carter strich sich wieder über den Bart. „Klingt wie Liebe auf den ersten Blick.“

Donovan schüttelte den Kopf. „Mann, ich weiß nicht, was es ist. Es war einfach, als ob ich auf sie gewartet hätte.“

„Und deshalb meidest du sie jetzt unter allen Umständen?“

Donovan zuckte mit den Schultern und wischte sich die Hände an seiner Hose ab. „Wie ich schon sagte, sie macht mir eine Heidenangst. Wenn ich sie um eine Verabredung bitte, habe ich das Gefühl, dass ich damit direkt auf den Ehe-mit-Kindern-Zug aufspringe.“

„Blööödsinn!“, sang Jonathan fröhlich, als er begann, den Teppich mit dem Hammer zu befestigen, den Polizeibären unter dem Arm.

„Nichts kann dich vor den Traualtar zwingen“, meinte Carter. „Lern sie doch einfach kennen. Sonst wird irgendwann das Komitee zuschlagen.“

Donovan schüttelte den Kopf. „Äh-äh. Ich habe ihnen gesagt, wenn sie sich jemals in meine Richtung bewegen, verhafte ich sie alle wegen Angriffs auf einen Beamten.“

„Sie sind viel raffinierter geworden. Du wirst es nicht einmal kommen sehen“, prophezeite Carter. „Es ist besser, aus freien Stücken hineinzuspringen und zu sehen, was passiert.“

Jonathan tauchte an Donovans Stuhl auf und winkte mit seinen kleinen Armen, dem universellen Signal für „Aufstehen“.

Donovan hob ihn hoch und setzte ihn auf seinen Schoß.

„Peeza, bitte!“, sagte Jonathan und klatschte in die Hände.

„Siehst du? Der Junge weiß, was er will, und er holt es sich“, sagte Carter, riss ein paar mundgerechte Stücke ab und legte sie vor Jonathan. „Also, geh los und finde heraus, ob Eva diejenige ist, die du willst.“

Kapitel 5

Es war nach sieben Uhr, und die Sonne war bereits untergegangen, als Donovan seinen Papierkram größtenteils erledigt hatte und das Revier verließ, froh, dass keine neuen Krisen ausgebrochen waren. Seine Eltern nahmen seinen Anruf nicht entgegen, also steuerte er seinen Wagen in Richtung Pierce Acres. Phoebe Pierce – jetzt Merill – war mit seinen Eltern eng befreundet. Vielleicht erinnerte sie sich an etwas über diesen Planetenschwachsinn.

Er erfüllte nur seine Aufgaben, sagte sich Donovan. Bedrohungen zu untersuchen, egal wie weit hergeholt sie zu sein schienen, war Teil des Jobs.

Er bog in den Schotterweg der Farm ein, auf der er als Kind genauso viel Zeit verbracht hatte wie zu Hause. Er winkte Summer und Gia zu, die mit Kindern und drei Hunden aus der kleinen roten Scheune kamen, die als Hauptquartier für ihr Online-Magazin diente.

Er warf Gia einen zusätzlichen Blick im Rückspiegel zu. Obwohl die familiäre Ähnlichkeit zwischen den Schwestern groß war, hatten ihn weder Gia noch Emma jemals so erregt wie Eva.

Er hatte den größten Teil des Jahres damit verbracht, sich zu fragen, ob diese Anziehungskraft nachlassen würde. Gelegentlich hatte er darauf gehofft. Aber Carter hatte recht. Er würde so oder so eine Entscheidung treffen müssen.

Er folgte der Auffahrt über einen Hügel in Richtung Westen. Die Lichter von Phoebes und Franklins Haus tauchten vor ihm auf. Er trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, als er neben dem dunkelblauen Mini Cooper parkte. Wenn Evas auffälliger kleiner Wagen hier war, war die Frau wahrscheinlich auch hier. Er dachte an ihre Verabschiedung und grinste. Sie war peinlich berührt gewesen. Und er erregt. Er war sich nicht sicher, ob er das nächste Mal, wenn er sie sah, ihre Eltern dabei haben wollte. Er überlegte noch dreißig Sekunden lang, dann löste er seinen Sicherheitsgurt.

Hazel und Michael Cardona hatten ihn nicht dazu erzogen, vor irgendetwas Angst zu haben. Nicht einmal vor einer kleinen Rothaarigen mit bezaubernden Augen ... und einem unglaublichen Körper.

Als er an die Haustür klopfte, ertönte hektisches Gebell und das Klackern von Hundepfoten auf dem Parkett.

„Ich gehe schon!“ Er hörte den Ruf aus dem hinteren Teil des Hauses und wusste schon, bevor sie die Tür öffnete, wer es sein würde.

„Oh!“ Eva starrte mit offenem Mund zu ihm auf. Ein rotznasiger Mops schob sein flaches Gesicht aus der Tür und stürmte um seine Füße, um ihn zu beschnuppern.

„Hallo“, sagte er zu Eva, steckte die Daumen in die Taschen und ließ Schnuffel seine Schuhe untersuchen. „Sind deine Eltern zu Hause?“

„Ich fühle mich plötzlich wieder wie in der High School“, hauchte Eva mit großen Augen. „Sag mir, dass es hier nicht um meinen Abschlussklassenstreich geht.“ So, wie sie einen nackten Fuß hinter die Tür schob, schien sie in Erwägung zu ziehen, sie ihm vor der Nase zuzuschlagen.

Er lachte. „Ich bin nicht für Streiche hier, und auch nicht, um Phoebe oder Franklin zu verhaften. Ich habe nur ein paar Fragen.“

„Wenn das so ist, komm rein.“ Sie öffnete die Tür schwungvoll, und als er in das Licht des Foyers trat, sah er den blauen Fleck. Er nahm ihr Kinn in seine Hand und hielt ihr Gesicht gegen das Licht. „Sieht nicht so schlimm aus“, meinte er.

Eva rümpfte die Nase. „Du solltest den anderen Typen sehen.“

„Vielleicht wird der Schrank dich verklagen.“

„Wer ist da, Eva?“, rief Phoebe aus dem hinteren Teil des Hauses.

„Die Bullen“, rief Eva über die Schulter. Sie grinste zu ihm hoch, und sein Blut geriet in Wallung. Verzaubert und verwirrt, so fühlte er sich.

„Du meintest doch, du hättest das Feuer nicht gelegt“, rief Franklin über den lauten Motor eines Mixers hinweg.

„Sehr witzig!“, rief Eva zurück. Dann trat sie zur Seite und winkte Donovan herein. „Komm rein. Du kommst gerade rechtzeitig zum Abendessen.“

Er folgte ihr und dem Schwung ihrer Hüften, als sie barfuß den Flur entlanglief. Sie trug eine schmale schwarze Hose, die ihre Kurven betonte. Ihr übergroßes Jeanshemd war vorne in die Hose gesteckt, und die Ärmel waren hochgekrempelt. Ihr Haar war zu einem wilden Pferdeschwanz mit erdbeerblonden Locken hochgesteckt, die ihn geradezu anflehten, seine Hände darin zu vergraben.

„Donovan!“ Phoebe begrüßte ihn, als wäre er einer ihrer Söhne, mit einem Kuss auf die Wange und einem prüfenden Blick. Ihr kurzes braunes Haar war mit silbernen Strähnen durchzogen. Aber in seinen Augen würde sie nie alt sein. Sie sah ihn über ihre drahtumrandete Brille hinweg an. „Du hast doch hoffentlich Feierabend und kannst zum Essen bleiben.“

Er dachte an die beiden Pizzastücke, die er von Carter bekommen hatte, und dann an den Aufschnitt in seinem Kühlschrank. Doch hier, im Wohnzimmer mit offener Küche, duftete es nach italienischer Kost, und sein Magen rumorte. „Wenn es keine Umstände macht.“

„Ich habe genug für eine zehnköpfige Familie gekocht“, versprach Franklin am Herd. Er war ein stämmiger Mann mit silbernem Haar und einem warmen, allgegenwärtigen Lächeln. Mit dem Beginn des Herbstes hatte er seine Hawaiihemden gegen bunt karierte langärmelige Oxfords eingetauscht.

„Hier.“ Phoebe drückte ihm Schüsseln in die Hand und wies Eva dann auf die Teller auf dem Tresen hin. „Ihr zwei könnt loslegen. Wir machen das hier fertig. Abendessen in fünf Minuten. Und Eva, hol unserem Sheriff hier bitte einen Drink.“

Phoebe hatte Donovans Wahlkampf für das Amt des Stadtsheriffs praktisch geleitet. Und sie war genauso begeistert gewesen, genauso stolz wie seine eigene Mutter, als er mit einem Erdrutschsieg gewonnen hatte. Wann immer er seine eigenen Eltern vermisste, die vor ein paar Jahren nach New Mexico gezogen waren, besuchte er Phoebe. In ihrem Haus, an ihrem Tisch, war er immer willkommen. Bei ihr konnte er immer die Familie finden, die er brauchte.

Donovan folgte Eva um den Tisch und stellte auf jeden Teller, den sie abstellte, eine Schale.

Sie blieb am Kopfende des Tisches stehen, und er stieß mit ihr zusammen. Sie drehte sich langsam zu ihm um, und Donovan spürte, wie ihm der Atem stockte. Er biss die Zähne zusammen und achtete darauf, sich keine Reaktion anmerken zu lassen. Wenn es sich um eine Verliebtheit handelte, wollte er nie das volle Ausmaß spüren. Er konnte in ihrer Nähe schon jetzt kaum funktionieren.

„Was möchtest du trinken? Bier oder Wein?“

„Wie wär’s mit Wein?“, beschloss er.

„Rot oder weiß?“, fragte sie, wobei sich ihre Lippen reizvoll bewegten. Sie war ihm zu nahe. Es gefiel ihm zu sehr.

„Überrasch mich“, sagte er mit leiser, heiserer Stimme, als ob sie Geheimnisse miteinander teilen würden. Seine Finger zuckten an seiner Seite und wollten nach ihr greifen. Ihren schlanken, elfenbeinfarbenen Hals berühren.

Als Eva sich entfernte, konnte er wieder aufatmen.

Franklin schleppte einen großen Topf zum Tisch und stellte ihn auf einen eulenförmigen Untersetzer. „Italienische Hochzeitssuppe“, verkündete er.

Phoebe erschien hinter ihm mit einem Brotkorb in der einen und einer großen hölzernen Salatschüssel in der anderen Hand. „Frisches Knoblauchbrot und Salat aus Rüben und Rucola“, sagte sie und stellte beides auf dem Tisch ab.

Eva erschien mit zwei Gläsern Rotwein und reichte Donovan eines davon. Ihre Finger schienen eine Sekunde länger als nötig unter seinen zu verweilen.

Sie nahmen ihre Plätze ein, Phoebe wies ihm den Platz links von Eva zu, und das Essen wurde aufgetischt und herumgereicht. Wenn das Essen nur halb so gut war, wie es roch, beschloss Donovan, dass er Franklin und Phoebe eine schöne Flasche Wein schulden würde. Franklin war der Besitzer und Betreiber von Villa Harvest, dem italienischen Restaurant von Blue Moon. Der Mann kannte sich in der Küche aus, dachte Donovan und löffelte die heiße, schmackhafte Suppe.

„Jetzt, wo du hier bist, Donovan, kannst du uns helfen, Eva zu befragen, woher sie das blaue Auge hat“, sagte Phoebe und nickte ihrer Stieftochter zu. „Sie ist furchtbar verschlossen.“

„Irgendetwas über einen Küchenunfall hat sie erzählt“, sagte Franklin. „Klingt verdächtig, wenn du mich fragst.“

Eva zeigte auf Donovan. „Du, halte den Mund. Als Sheriff hast du bestimmt eine Schweigepflicht.“

Er lachte. „Definitiv nicht.“

Sie rümpfte die Nase und sah ihn stirnrunzelnd an. „Gut. Wie wäre es damit?“ Eva nahm seine Hand in ihre und starrte zu ihm auf, ihre grünen Augen weit und arglos. „Donovan, bist du mein Freund?“ Sie hauchte die Worte.

Er nickte, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Verdammt, diese Frau konnte sein Blut mit einem einzigen großen Blick in Lava verwandeln.

„Gut“, sagte sie strahlend. „Denn Freunde verpfeifen sich nicht!“

Eva Merill war eine hinterhältige, manipulative, sexy ...

„War Donovan bei dir, als es passiert ist?“, fragte Franklin. „Bist du auf der Flucht vor dem Feuer gegen eine Glastür gerannt?“

Donovan schnaubte. „Nein, aber das klingt wie etwas, das Eva tun könnte.“

„Nicht nett, Cardona.“ Eva schniefte, hochmütig wie eine Königin.

Das Gespräch verlagerte sich von mysteriösen blauen Flecken zu Franklins Herbstangeboten im Restaurant. Donovan erkannte, dass Eva erfolgreich das Interesse von ihrem Gesicht weg auf andere Themen gelenkt hatte, ohne dass jemand außer ihm es mitbekam.

Die Frau wusste, wie man eine soziale Situation kontrollierte.

„Und was führt dich zu uns, Donovan?“, fragte Franklin. „Nichts, was mit dem Feuer zu tun hat, hoffe ich?“ Er warf seiner Tochter einen Blick zu.

Donovan schüttelte den Kopf. „Nein, das war eine ziemlich unkomplizierte Untersuchung. Ein Unfall und – ob ihr es glaubt oder nicht – Eva trifft keine Schuld.“ Phoebe und Franklin lachten, während Eva ihm die Zunge herausstreckte.

Ihre Zunge. Er räusperte sich und versuchte, sich zu konzentrieren. „Eigentlich komme ich wegen etwas, das Minnie erwähnt hat. Wir hatten heute eine Menge seltsamer Anrufe, und sie erwähnte irgendetwas von einer Art besonderen Planetenkonstellation.“

Phoebe ließ den Löffel in ihre Schüssel fallen. „Bist du sicher, dass sie das gesagt hat?“, fragte sie, bevor sie einen Schluck Wein nahm.

Er nickte. „Sie sagte, diese Planetenkonstellation sei zuletzt in den achtziger Jahren passiert. Und ganz Blue Moon sei durchgedreht.“

„Und hat sich nie erholt?“, fragte Eva mit einem Augenzwinkern.

Phoebe riss ein Stück Brot ab und warf es in die Richtung ihrer Stieftochter. „Sehr witzig.“ Sie grinste ihre Stieftochter an.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass Mom jemals darüber gesprochen hat, und sie hat heute nicht auf meinen Anruf reagiert. Ich dachte, vielleicht erinnerst du dich an etwas davon“, fuhr Donovan fort und tauchte ein Stück knuspriges Brot in die Suppe.

Jetzt war Phoebe an der Reihe, sich zu räuspern. „Das waren sehr dunkle Tage für Blue Moon“, begann sie. „Es war, als ob der Vollmond einen ganzen Monat andauerte. Die Leute sind einfach … ja, durchgedreht.“

„Ist das dein Ernst?“ Eva nahm ihr Weinglas in die Hand.

„Todernst.“ Phoebe nickte. „Hazel hat den ganzen Monat über nicht geschlafen. Die Leute taten so etwas Ungewöhnliches. Vegetarier klauten Aufschnitt vom Metzger. Paare, die seit Jahrzehnten zusammenlebten, beschlossen plötzlich zu heiraten und reichten am nächsten Tag die Scheidung ein. Erwachsene Männer lösten im Kino und im Lebensmittelladen den Feueralarm aus. Es gab mehr als zwanzig Verhaftungen wegen öffentlicher Nacktheit.“

Donovan spürte eine Wolke des Schreckens, die über seinem Kopf wuchs. „Und was hat dieses seltsame Verhalten verursacht?“

„Niemand war sich je sicher. Charisma Champion, kennst du sie?“

„Sicher. Ich war auf der High School in derselben Geschichtsklasse und im Häkelkurs“, sagte Donovan.

Eva verschluckte sich an ihrem Wein und presste sich eine Serviette auf den Mund. „Tut mir leid“, sagte sie. „Der Häkelkurs war unerwartet.“

Schnuffel stieß unter dem Tisch ein lautes Schnarchen aus.

„Nun, sie ist auch eine Hobbyastrologin“, fuhr Phoebe fort. „Und ich glaube, sie hatte eine Theorie über irgendetwas mit einem Planeten, der durch irgendein System reist und Chaos anrichtet.“

Donovan griff nach seinem Wein. Kein Sheriff wollte hören, dass sich ein stadtweiter Zusammenbruch anbahnte. „Hoffen wir, dass da nichts Wahres dran ist.“

Kapitel 6

Eva hätte in diesem Moment an alles glauben können – Astrologie, UFOs, die ganz große Liebe ... Die Vorstellung, dass ganz Blue Moon unter dem Einfluss eines Planeten den Verstand verlieren könnte, faszinierte sie. Und apropos faszinierend: Donovan Cardona saß ganz nah neben ihr. Immer noch in Uniform, immer noch verboten sexy. Sie konnte nicht genau sagen, was an ihm so anziehend war. Sicher, er sah umwerfend aus. Und so männlich. Aber da war noch etwas anderes. Etwas Beständiges und Verlässliches und zutiefst Gutes an ihm.

Eva mochte es nicht, wenn Dinge nicht mit Worten definiert werden konnten.

Donovans Knie streifte ihres unter dem Tisch und brachte sie aus ihren Gedanken. Er fummelte an seinem Weinglas und warf ihr einen hitzigen Blick zu, der Phoebe und Franklin entging.

Ihr Herz setzte aus, und Eva richtete sich in ihrem Stuhl auf. Das war auf keinen Fall möglich. Es gab nicht den Hauch einer Chance, dass Sheriff Sexy sich zu ihr hingezogen fühlte. Zugegeben, er hatte ihre Brüste gesehen, und die waren ziemlich fantastisch. Aber der Rest? Sie war eine taumelnde Katastrophe. Donovan würde sich für jemanden entscheiden, der groß und geschmeidig und unendlich anmutig war. Wie Taneisha, die süße, perfekte Marathonläuferin, die Eva hassen wollte, aber nicht konnte.

Gott, sie würden wunderschöne Kinder haben.

„Armselig“, murmelte Eva leise vor sich hin. Selbst in ihrer eigenen Fantasie verheiratete sie ihren Schwarm mit einer anderen.

„Was ist erbärmlich?“, fragte Donovan leise und beugte sich vor.

„Äh, oh, die Politik von heute. Ich meine, können wir uns nicht alle darauf einigen, dass wir wollen, dass alle gesund, sicher, gebildet und nicht arm sind?“ Eva schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund, um nicht auf weitere Fragen antworten zu müssen.

Sie war im Allgemeinen eine ausgezeichnete Lügnerin. Schließlich war sie die einzige Schwester, die nie dabei erwischt worden war, nach der Ausgangssperre nach Hause geschlichen zu sein. Aber nach ein paar Begegnungen mit dem guten Sheriff konnte sie nicht einmal mehr plausibel schwindeln.

„Hab Nachsicht mit Eva, Donovan. Sie lebt die Hälfte der Zeit in ihrer eigenen kleinen Welt“, sagte Franklin mit einem nachsichtigen Zwinkern in ihre Richtung.

„Meine Welt ist schön. Vielen Dank“, sagte Eva und griff nach ihrem Weinglas, dankbar dafür, dass niemand wusste, wohin ihre kleine Welt sie geführt hatte.

„Wir haben über die Halloween-Parade geredet“, sagte Phoebe ihr.

„Oh! Ein Umzug! Das klingt nach Spaß. Es sei denn natürlich, die ganze Sache mit der Ausrichtung der Planeten stellt sich als wahr heraus. Dann würde es wahrscheinlich ein Albtraum werden.“

Donovan umklammerte seinen Löffel, als wäre er eine Waffe. „Ich schätze, ich werde dafür sorgen müssen, dass das nicht passiert.“

Ein Mann, der glaubte, er könnte Planeten neu ausrichten? Das gefiel Eva.

Eva verzichtete auf den Nachtisch und dachte bereits an die Zeit, die sie in Gias Yogastudio verbringen musste, um das verdammte Brot ihres Vaters zu verbrennen. Außerdem wollte sie gehen, bevor ihr noch mehr Peinlichkeiten vor Donovan passierten.

Der gutaussehende Sheriff war eine nette Bereicherung für das Abendessen gewesen. Er stand Phoebe offensichtlich nahe. Eva hatte sich noch nicht daran gewöhnt, ihren Vater glücklich zu sehen, überglücklich sogar.

Als ihre Mutter die Familie verlassen hatte, hatte Franklin sein Bestes getan, um seinen Schmerz vor Eva und ihren Schwestern zu verbergen. Er hatte ihnen Ballkleider und Tampons gekauft und sie nie spüren lassen, dass ihnen eine Mutter fehlte. Er war bei jedem Elternabend und Fußballspiel dabei gewesen. Er hatte sie getröstet, wenn Jungs ihnen das Herz gebrochen hatten, und ihnen bei Abschlussfeiern und Hochzeiten zugejubelt.

In Phoebe hatte er eine solide, liebevolle Partnerin gefunden, und es gab nur wenige Dinge auf der Welt, die Eva mehr Freude bereiteten als Phoebes atemloses Lachen über einen seiner zugegebenermaßen abgedroschenen Witze.

Sie kramte ihre Schlüssel aus der Tasche und ließ sie, während sie mit dem Plastikbehälter mit den Essensresten und ihrer übergroßen Handtasche jonglierte, auf den Boden fallen.

„Mist“, murmelte sie. Sie stapelte Handtasche und Essensreste auf dem Autodach und tastete blindlings auf dem Boden herum, bis ihre Finger über ihren übergroßen Schlüsselbund streiften.

„Aha!“ Sie erhob sich triumphierend und schlug mit dem Ellbogen gegen den Seitenspiegel. „Verdammter Mist.“

„Probleme mit dem Auto, Ma’am?“ Donovans Schatten, der vom Licht der Veranda geworfen wurde, fiel auf sie.

„Nein, Officer. Es ist alles in Ordnung.“ Ein Kribbeln ging über ihre Haut, als er einen weiteren Schritt auf sie zuging.

„Haben Sie getrunken, Ma’am?“

„Sie haben neben mir gesessen und mir dabei zugesehen, wie ich genau eineinhalb Gläser Wein getrunken habe, Sheriff. Genau wie Sie, wenn ich mich recht erinnere.“

„Ich möchte, dass du zu diesem Baum gehst und zurück. In gerader Linie, bitte“, sagte er ernster, aber immer noch mit einem Schmunzeln in der Stimme.

Nun, Eva konnte mitspielen. Sie schlenderte erst, dann stolzierte sie, und als sie den Baum erreichte, nahm sie Anlauf und vollführte einen perfekten einhändigen Radschlag, gefolgt von einem Knicks.

„Angeberin“, stichelte er.

„So wird das Geld der Steuerzahler also verschwendet, um mich armes, kleines Mädchen zu schikanieren“, sagte Eva und rückte ihren Pferdeschwanz zurecht.

„Armes, kleines Mädchen? Du bist durchtrieben. Ich wette, du kannst sehr gut lügen.“

„Und zu dem Schluss kommst du nach einem Abendessen mit meinen Eltern?“, fragte Eva.

„Ich mag es, dass du Phoebe deine Eltern nennst“, sagte er, seine Stimme wurde sanfter.

„Wenn ich mir eine Frau für meinen Vater hätte aussuchen können, dann wäre es Phoebe“, sagte Eva.

„Sie scheinen glücklich miteinander zu sein. Ich habe Phoebe schon lange nicht mehr so glücklich gesehen.“

Sie lächelte zu ihm hoch. „Ich habe gerade dasselbe über meinen Vater gedacht. Ich freue mich, ihn so zu sehen. Es ist, als ob all seine Träume endlich wahr geworden sind.“

„Es ist eine Schande, dass du dich ihnen gegenüber nicht öffnen kannst“, sagte Donovan beiläufig.

„Was soll das denn heißen?“ Eva hob ihr Kinn.

„Du kannst nicht einmal zugeben, dass du gegen eine Schranktür gestoßen bist.“

„Oh, das.“ Sie atmete erleichtert auf. „Aber du hast dichtgehalten!“ Eva verschränkte die Arme.

Er grinste sie an, und selbst in der Dunkelheit war es blendend.

„Ich habe es ihnen nicht sagen wollen, weil es sie nur in ihrer Meinung bestärken würde, dass ich das tollpatschige Nesthäkchen der Familie bin.“

„Du bist das Nesthäkchen“, erinnerte er sie.

„Ja, aber ich bin jetzt erwachsen. Ich passe manchmal nur nicht so gut auf mich auf, wie ich sollte. Ich bin zu sehr in meinem eigenen Kopf.“

„Sie glauben also, dass du einen Aufpasser brauchst.“ Sein Ton machte deutlich, dass er mit ihrer Familie übereinstimmte.

„Wenn jemand einen Aufpasser braucht, dann ist es Gia. Sie kann weder Lydias Wickeltasche noch ihre Autoschlüssel an irgendeinem Tag in der Woche finden.“

„Gia hat Beckett. Wen hast du?“ Donovans Stimme hatte diese raue Note, die ihr einen köstlichen Schauer über den Rücken jagte.

„Die Stelle ist noch unbesetzt“, sagte sie und sah durch ihre Wimpern zu ihm auf. Er stand so nah vor ihr. Sie könnte einfach die Hand ausstrecken und ihn berühren ...

Er beugte sich vor und hielt nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht inne. Ihr Atem stockte und ihr Körper erregte sich in Erwartung.

„Gut zu wissen“, sagte er leise. Und gerade als sie dachte, er würde sie küssen, griff Donovan nach dem Türgriff und öffnete ihre Autotür. „Fahr vorsichtig. Gute Nacht, Evangelina.“

Ihren Namen über diese sündhaft perfekten Lippen kommen zu hören, bereitete ihr Schwindel. Sie war kurz davor, hier im Vorgarten ihrer Eltern zu einer Pfütze der Lust zu zerfließen. Sie stieß den angehaltenen Atem aus und schlüpfte vorsichtig unter seinen Arm auf den Fahrersitz. „Gute Nacht, Sheriff.“

Er schloss die Tür, als sie an ihrem Platz war, und sah ihr zu, wie sie die Auffahrt hinunterfuhr. Eva wartete, bis sie sicher war, dass er sie nicht sehen konnte, bevor sie ihren Kopf gegen die Rückenlehne des Sitzes schlug. „Das. War. Heiß.“

Ein Blick auf die Uhr im Armaturenbrett verriet ihr, dass es erst neun Uhr war. Bei einer Inspiration wie dieser sollte sie vielleicht noch ein paar Stunden arbeiten.

Kapitel 7

Charisma Champion betrat das Polizeirevier in einer Wolke aus Eukalyptusduft und dickem, schwarzem Haar. Armreifen klirrten an ihrem Handgelenk, als sie Minnie zuwinkte. Sie trug einen lilafarbenen Leinenponcho über einem langen Rock und schaffte es, gleichzeitig ätherisch und zerzaust auszusehen. Sie war keinen Tag gealtert, seit Donovan die High School abgeschlossen hatte.

„Ms. Champion“, sagte Donovan, der seinen Kaffee zur Begrüßung in die linke Hand nahm.

„Bitte, es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass ich deine Lehrerin war. Nenn mich Charisma“, sagte sie mit einer auslandenden Geste.

„Charisma also“, stimmte Donovan zu. „Danke, dass du hergekommen bist. Ich hätte auch zu dir kommen können.“

„Aber dann hätte ich nicht eine Vertretung für meinen Unterricht beantragen und bei Overly Caffeinated einen Milchkaffee trinken können“, sagte sie verschmitzt und wackelte mit ihrem Kaffeebecher.

Und da sie auf dem Weg zur Polizeiwache an der Hälfte der Geschäfte in der Stadt vorbeigelaufen war, würde die Gerüchteküche brodeln.

„Danke, dass du dir Zeit genommen hast“, sagte Donovan und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. „Ich weiß das zu schätzen.“

„Ich muss schon sagen. Gestern ein Feuer, und jetzt werde ich verhört? Das ist ziemlich aufregend! Bin ich eine Verdächtige?“

„Es hat mit dem Feuer nichts zu tun“, meinte Donovan. „Es sei denn, du hast etwas zu beichten.“ Er hatte im Scherz gesprochen, aber als Charisma sich mit dem Finger ans Kinn tippte und scheinbar an die Vergehen dachte, die sie begangen hatte, fuhr er eilig fort: „Ich wollte nur ein paar Fragen an dich als Zeugin stellen.“ Er fragte sich, ob er der erste Sheriff war, der eine Astrologin um Mithilfe bat, um Unheil zu verhindern.

Charisma verschränkte die Finger über ihrem Knie und beugte sich vor. „Erzähl.“

„Erinnerst du dich an irgendetwas Seltsames, das in den späten achtziger Jahren in der Stadt passiert ist?“

„Mein lieber Sheriff, hier passieren jeden Tag seltsame Dinge“, lachte sie.

„Stimmt. Aber ich denke an mehrere seltsame Dinge. Etwa zur gleichen Zeit.“

„Ach, du meinst, als Uranus und Pluto sich kreuzten? Das war ein ziemliches Debakel, nicht wahr?“

„War es das?“

Charisma erhob sich von ihrem Platz und näherte sich seiner Tafel, deren unterer Teil mit Strichzeichnungen und grob gekritzelten Wörtern wie „Furz“ und „Popel“ von Auroras letztem Besuch bedeckt war.

„Darf ich?“, fragte Charisma und nahm den Putzschwamm.

„Auf jeden Fall.“

Sie wischte einen Teil der Tafel ab, nahm den Marker zur Hand und schaltete in den Lehrerinnenmodus um. „Hier haben wir unser Sonnensystem“, sagte sie und zeichnete eine Reihe von Kreisen. „Und hier sind unsere Planeten.“