Wie alles begann: Ein Kleinstadt Liebesroman von TikTok Bestseller Autorin Lucy Score - Lucy Score - E-Book

Wie alles begann: Ein Kleinstadt Liebesroman von TikTok Bestseller Autorin Lucy Score E-Book

Lucy Score

0,0

Beschreibung

Von der Autorin des Weltbestsellers "Things we never got over" "Es wäre viel einfacher, wenn du Humor hättest." "Es wäre viel einfacher, wenn du ein Mann wärst." John Pierce hat große Pläne für die zweihundert heruntergekommenen Hektar, die er günstig erstanden hat. Er sieht hier eine Farm, eine Familie, eine Zukunft. Aber nicht, bevor er sich an die Arbeit gemacht und aus den Trümmern ein Zuhause gebaut hat. Leider haben seine neugierigen Nachbarn andere Vorstellungen ... Plötzlich hat er eine Studentin am Hals, die eigentlich ein männlicher Helfer sein sollte. Die kurvenreiche, rechthaberische Phoebe bringt sein schönes, ruhiges Leben ordentlich durcheinander. Und wenn sie nicht bald ihre Doktorarbeit beendet und aus seinem Gästezimmer verschwindet, wird er sie verjagen müssen. Phoebe braucht dringend ihren Abschluss und einen Job. Was sie nicht braucht, ist ein sturer, wortkarger Farmer. Dabei muss sie ihn zum Reden bringen, um ihre Doktorarbeit fertigzustellen. Ihre Zukunft hängt davon ab – und ihre Familie, die sich auf ihre Unterstützung verlässt. Je mehr John darüber erfährt, umso mehr beginnt auch er sich Phoebe zu öffnen. Und aus der Not wird echte Neugier …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 326

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wie alles begann

von Lucy Score

Widmung

An meine Leserinnen und Leser. Ihr seid schön und klug, und ich bin jeden Tag dankbar für euch. Außerdem habt ihr in Sachen Literatur einen ausgezeichneten Geschmack!

Zuerst 2018 erschienen unter dem Titel Blue Moon – Where It All Began.

Titel: Wie alles begann

ISBN eBook: 978-3-910990-54-8

Autorin: Lucy Score

Übersetzung: Katharina Stegen

Cover: Jamie Designs

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2023

Von Morgen Verlag, Stettiner Straße 20

13357 Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

© 2018 Lucy Score

Kapitel 1

Bepflanzung

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 14

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Wachsen

Kapitel 24

Kapitel 26

Kapitel 27

Ernte

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Nachwort der Autorin

Darum geht es in Band acht

Kapitel 1

Gegenwart

Phoebe Merrill weinte gern an ihrem Geburtstag. Jedes Jahr gönnte sie sich dreißig Minuten absolute Einsamkeit, in denen sie sich mit einer Mischung aus Dankbarkeit, Trauer, Freude und einem großen Glas Wein die Augen ausheulte.

Heute, an dem schönen Frühlingstag, an dem sie ihren fünfundfünfzigsten Geburtstag feierte, stand ein gekühltes Glas Prosecco auf dem Esstisch in ihrer noch neuen Küche. Der helle und luftige Raum mit weißen Schränken im Landhausstil und großen Fenstern bot einen weiten Blick auf Feld und Wald. An der Inneneinrichtung hatte sie lange gefeilt.

Phoebe war nicht der Typ Frau, der vor der geheimnisvollen Symmetrie des Lebens zurückschreckte. Genau hier war der Ort, an dem sie geliebt, verloren und wieder geliebt hatte. In diesen fünfundfünfzig gesegneten Jahren hatte sie gelernt, dass ein Ende niemals ein Ende war.

Heute wurden große Pläne geschmiedet. Pläne, die die friedliche Geräuschkulisse von Pierce Acres jetzt noch wertvoller machten. In weniger als einer Stunde würden ihre Söhne durch die Haustür stürmen und sich wahrscheinlich streiten, wie sie es schon als Kinder getan hatten. Sie würden sie zum Mittagessen einladen, ihr Geschichten über ihre Enkelkinder erzählen und heute Abend würde die Überraschungsparty stattfinden, von der sie nichts wissen sollte.

Aber Mütter wussten es immer. Vor allem, wenn sie in einer kleinen Stadt lebten, in der das Privatleben aller Einwohner genauso gut im Fernsehen übertragen werden konnte.

Heute Abend würde sie mit ihren Lieben feiern, mit den Umarmungen ihrer wunderschönen Enkelkinder und dem Lachen guter Freunde. Aber jetzt, in diesem ruhigen, privaten Moment, dachte sie an die beiden Männer, die sie in diesem Leben hatte lieben dürfen.

Franklin, ihr Ehemann und bester Freund, war derjenige, der ihr das überdimensionale Weinglas gekauft hatte und der dieses Haus für sie mithilfe ihrer Söhne entworfen hatte. Das Haus sollte ihrer sehr großen, sehr lauten Patchwork-Familie bei feierlichen Anlässen Platz bieten.

John, ihr verstorbener erster Mann, hatte ihr das Land geschenkt, auf dem das Haus stand, und drei wunderbare Söhne, auf die sie abwechselnd stolz und wütend war. John war der Seelenverwandte, den sie nie erwartet hatte, die große Überraschung ihres Lebens.

Es waren fünfundfünfzig Jahre voller Liebe gewesen, und Phoebe hatte noch viel vor. Sie hatte Kinder, Enkelkinder, einen Mann, der alles an ihr liebte – auch die Tatsache, dass sie bisweilen zu freizügig mit ihren Ratschlägen umging. Und sie hatte Freunde, die sie zum Lachen brachten, bis sie sich fast in die Hose machte, und die ihr in jeder schwierigen Situation die Hand hielten. Sie lebte in einer Gemeinschaft, die an eine Kommune grenzte. Eine Stadt, in der jeder so sehr in das Leben der anderen verwickelt war, dass die Bewohner alle eine Familie bildeten. Nur ohne die tatsächliche Blutsverwandtschaft – zum Glück.

Ihr Leben war wundervoll. Und es gab nicht eine einzige Sache, die sie ändern würde.

Mit diesem beruhigenden Gedanken öffnete Phoebe den Ordner auf dem Tisch und begann ihr Ritual. Die Seiten aus einem Notizbuch waren so oft gefaltet und entfaltet worden, dass die Falten wie Schluchten aussahen. Die Handschrift, die darauf gekritzelt war, kam ihr immer noch so bekannt vor, als würde ein Geist nach ihr greifen. Es war ein Brief, den sie nie auf die Schreibmaschine oder später auf den Computer übertragen hatte, wie Dutzende andere.

Dieser hier bedeutete mehr, weil er mit blauer Tinte und schräger Kritzelschrift verfasst worden war. Dieser war nur für sie.

Sie nahm einen großen Schluck Wein und begann zu lesen.

Phoebe, meine Frau, mein Herz. Wenn du dies liest, sollst du wissen, dass du das größte Wunder in meinem Leben warst. Und so schwerwiegend das auch ist, glaube nicht eine Sekunde lang, dein Leben ist weniger wert, nur weil meins aufgehört hat.

Es ist schon nach Mitternacht. Und alle drei unserer Jungs haben es nach Hause geschafft, um mich zu sehen, bevor ich meine letzte Reise antrete. Ich spüre, wie mir die Zeit davonläuft, und obwohl ich es hasse, wenn unsere Söhne mich so sehen – gebrechlich, krank, unfähig, auch nur einen von ihnen in einem Ringkampf zu besiegen –, sollen sie verstehen, dass der Tod nichts ist, wovor sie sich fürchten müssen. Er ist ein Teil unserer Reise, und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass er vielleicht der schönste Teil ist.

Der drohende Schatten des Todes, die Verheißung des Beginns des nächsten Abenteuers, lässt einen Mann über sein Leben nachdenken. Über das, was er bedauert. Es gibt eine Sache, die ich fürchte, die mich sogar jetzt noch wach hält. Und du hast die Macht, mich davor zu bewahren. Ich muss dich um etwas bitten, das jetzt vielleicht unmöglich klingt, aber ich bin zuversichtlich, dass du mit der heilenden Kraft der Zeit und der dickköpfigen Unterstützung unserer Stadt wieder aufstehen und wieder lieben wirst.

Ich muss von dir das Versprechen bekommen, dass du das Wunder eines anderen Menschen wirst.

Dein Herz darf nicht aufhören, deine Liebe den Lebenden zu schenken, nachdem ich zur Erde und zur Luft zurückgekehrt bin. Das wäre eine Ungerechtigkeit. Du bist jung. Du bist wunderschön. Du bist brillant. Und jemand da draußen wird dein Herz und deinen Geist noch mehr verdienen, als ich es je getan habe. Sich davor zu verstecken und zuzulassen, dass die Trauer dir dein zukünftiges Glück raubt, wäre das Bedauernswerteste, was ich mir vorstellen kann.

Also bitte, Phoebe, lass das nicht zu ... oder ich werde dich für immer als Poltergeist verfolgen.

In den letzten Wochen habe ich viel über unser gemeinsames Leben nachgedacht. Wenn man bewegungsunfähig ist und auf die Neonröhren starrt, macht man das, nehme ich an. Ich habe beschlossen, zwischen Nadeln und Krankenschwestern und dem ständigen Piepen der Maschinen, die sich mehr um Quantität als um Qualität kümmerten, genau den Moment zu bestimmen, in dem ich wusste, dass du die Eine für mich bist. Dass ich keinen einzigen Atemzug mehr ohne dich an meiner Seite machen wollte.

Hier hat alles angefangen ...

Bepflanzung

Kapitel 2

Juni 1985

Das zitronengelbe Auto wirbelte eine Staubwolke auf, als Phoebe es durch die langsamen Kurven und leichten Hügel der Landstraßen im Norden des Staates New York manövrierte. Sie warf einen Blick auf die Karte auf dem Beifahrersitz, auf der der Weg mit einem Textmarker eingezeichnet war, und hoffte inständig, dass sie in die richtige Richtung fuhr. Sie war gerade durch eine Stadt gekommen, die ausgesehen hatte, als wäre die Zeit in den Sechzigern stehen geblieben. Überall Schlaghosen, Krawatten – und sie hatte sage und schreibe acht VW-Busse gezählt, die um den Hauptplatz herum geparkt waren. Fast hatte sie sich gefragt, ob in der Stadt gerade ein Film gedreht wurde.

Hätte sie Zeit gehabt, wäre sie vielleicht geblieben, um sich umzuschauen. Der Video- und Plattenladen hatte ausgesehen, als könnte er einige Schätze beherbergen. Auch die Bäckerei mit ihrer leuchtend rosa Markise war verlockend gewesen. Aber sie war bereits zu spät dran, und Verspätungen waren in ihren Augen eine Sünde. Wenn sie die meiste Zeit des Sommers auf der Farm eines Mannes verbringen wollte, um ihn mit Fragen zu löchern, sollte sie wenigstens pünktlich erscheinen.

Phoebe hätte die Einfahrt fast verpasst. Der kaputte Zaun, der die Straße säumte, teilte sich dort, wo ein schmaler Feldweg wegführte. Ein handbeschriebenes Schild hing schief an einem unbemalten Pfosten.

Pierce Acres hat das schräge Drehbuch gelesen.

Sie holperte die Straße hinunter und wich den größten Spurrillen aus, bis der Bauernhof in Sichtweite kam und sie erleichtert feststellte, dass sich tatsächlich ein Haus auf dem Grundstück befand. Es war ein traditionelles zweistöckiges Haus, das schon bessere Tage gesehen hatte. Die brauchbaren weißen Schindeln waren sauber und das Dach sah brandneu aus, aber die Veranda war krumm und schief und Unkraut überwucherte die Blumenbeete. Phoebe fiel auf, dass an den schmuddeligen Fenstern keine Vorhänge hingen, auch wenn Privatsphäre hier draußen kein Thema zu sein schien. Im Umkreis von einer Viertelmeile gab es keine Nachbarn.

Auf der anderen Seite der Einfahrt stand eine baufällige Scheune in verblasstem Rot, obwohl der Zaun um das Stück Land vor der Scheune neu und frisch gestrichen war. Die Scheune selbst sah aus, als würde sie bei einer steifen Brise in sich zusammenfallen.

Sie sah kein Empfangskomitee, also stellte sie das Auto ab und hievte ihren Koffer und ihre Schreibmaschine aus dem Kofferraum. Als sie den Deckel zuschlug, regten sich die ersten Lebenszeichen. Ein hektisches Kläffen kam von der Fliegengittertür auf der Veranda. Sie öffnete sich einen Spalt, schloss sich wieder und öffnete sich dann erneut. Ein braun-weiß gefleckter Hund von der Größe eines Toasters schob seine Nase durch die Öffnung und kämpfte sich heraus.

„Hey, Kumpel“, sagte Phoebe, ließ ihr Gepäck fallen und sank in sich zusammen. Der Hund kauerte sich misstrauisch zusammen und schob sich vor. Er schnüffelte vorsichtig an ihrer Hand und muss sie nicht als Bedrohung eingestuft haben, denn er ließ sich auf den Rücken fallen und am Bauch kraulen.

Es war der Charakter, der den Hund niedlich machte, und nicht irgendetwas Körperliches, entschied Phoebe. Er hatte ein Auge, ein Ohr, das nach oben klappte, und eine obszöne lange Zunge, die ihm seitlich aus dem Maul hing.

„Lausiger Wachdienst, Murdock.“ Die Stimme, die so rau war wie der Kies unter ihren Knien, kam aus der Richtung der Scheune. Phoebe stand auf und erstarrte dann.

Bauern sahen nicht so aus wie der Mann, der auf sie zu schlenderte. Sie waren älter, verwittert und zerklüftet.

Dieser Typ sah aus, als käme er vom Set von Dukes of Hazzard. Sein dunkles Haar war lang und kräuselte sich an den Enden. Graue Augen blickten sie aus einem gebräunten Gesicht an, das eine raue Schicht von Stoppeln trug. Seine langen, muskulösen Beine steckten in einer engen Jeanshose. Das schmutzige, karierte Hemd lag eng an seinen spektakulären Bizeps an, der sich vorwölbte, als er zwei Eimer mit etwas hob, das nach Mist aussah und roch.

Dieser Mann machte das Tragen von Mist sexy. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass das möglich war. Wenn er so klug war, wie er heiß war, wurde ihr Sommer gleich noch viel interessanter.

„John Pierce?“, fragte sie, den einäugigen Hund und die Taschen vergessend.

Der Mann stellte die Eimer ab und zog seine Arbeitshandschuhe aus, bevor er ihr eine große, schwielige Hand reichte. „Das bin ich. Und Sie sind?“

Phoebe blinzelte und erwiderte seinen starken Griff. Wie viele Besucher erwartete der Farmer eigentlich? „Ich bin Phoebe. Phoebe Allen, die Studentin, von der Sie gesagt haben, Sie könnte den Sommer hier verbringen.“

Er sah sie ausdruckslos an.

Sie versuchte es erneut. „Thema? ‚Farmen der ersten Generation und die Hindernisse, denen sie nach der Krise begegnen‘?“ John starrte sie an, als hätte sie gerade angekündigt, dass sie hier wäre, um ihm den Schädel aufzuschneiden. Vielleicht war er dumm? Vielleicht hatte er sich den Kopf an einem landwirtschaftlichen Gerät gestoßen und sein Kurz- oder Langzeitgedächtnis verloren? Auf den Fall das, was die Information enthielt, dass sie den Sommer über bei ihm bleiben und ihn für ihre Masterarbeit interviewen wollte.

„Phoebe Allen?“

„Aha.“

Schließlich löste er seinen Griff um ihre Hand und strich sich mit einem Arm über die Stirn. „Verdammte, blöde Kuh.“

„Wie bitte?“ Es war nicht so, dass Phoebe etwas gegen Schimpfwörter hätte. Sie war eine kleine Kennerin von schlimmen Wörtern. Aber eine Begrüßung damit zu beginnen, war seltsam und verhieß nichts Gutes.

„Mir wurde gesagt, Sie wären ein Student namens Allen.“

Sie neigte ihren Kopf zur Seite. „Genau genommen bin ich das.“

„Mir wurde gesagt, dass Sie ein Mann sind.“

„Wer zum Teufel hat Ihnen das erzählt?“

„Eine aufdringliche, nervtötende Lügnerin.“ Er blickte jetzt finster drein.

„Lass mich raten. Sie haben ein Problem damit, dass ich eine Frau bin.“ Phoebe war an diese Einstellung gewöhnt. Sie war die einzige Frau unter den vierzehn Masterstudenten in ihrer Klasse an der Penn State University und eine von nur drei im gesamten College of Agriculture.

Phoebe stemmte die Hände in die Hüften und trommelte mit den Fingern auf den Jeansstoff ihres Rocks. „Nur weil ich jung, weiblich und ein bisschen klein bin, heißt das nicht, dass ich mich nicht für Agrarökonomie und ländliche Soziologie interessiere.“ Sie wollte gerade zu ihrem „Nur weil ich eine Vagina habe“-Vortrag ansetzen, als er kurz auflachte.

„Das habe ich nicht gemeint.“

„Was haben Sie dann gemeint?“ Phoebe stand ihm Auge in Auge gegenüber. Angesichts des Inhalts der Eimer, die er geschleppt hatte, hätte sie wahrscheinlich Abstand halten sollen, aber sie war wütend genug, um ihre Sandalen und nackten Zehen zu vergessen.

„Ich meine, wir können nicht den ganzen Sommer allein unter einem Dach leben.“

Phoebe, die sonst nie um Worte verlegen war, hatte in diesem Moment Schwierigkeiten, sich etwas einfallen zu lassen. „Was? Warum nicht?“

„Ich bin ein alleinstehender Mann. Du bist eine alleinstehende Frau. Wir werden nicht zusammenziehen.“

Phoebe schaute über beide Schultern. Sie musste bei einer dieser versteckten Kamera-Sendungen dabei sein. „Haben Sie einen Kalender?“, fragte sie schließlich.

„Nicht bei mir.“

„Es ist lustig, denn ich hätte schwören können, dass es 1985 ist und nicht 1955. Und dass respektable, verantwortungsvolle Erwachsene, die zusammenarbeiten, keine Anstandsdamen brauchen.“

„Sie haben kein Problem damit, mit einem Mann, den Sie gerade erst kennengelernt haben, auf einem Bauernhof zu wohnen, wo die einzigen Zeugen Ihrer möglichen Schreie eine Handvoll Hühner und eine Kuh mit einem Hinkebein sein würden?“

„Über welche Art von Schreien reden wir? Mord oder Sex?“

Er sah nicht amüsiert aus. John starrte sie wieder ruhig an. Seine grauen Augen schimmerten fast silbern im schwächer werdenden Licht, als der Tag in den Abend überging. Sie neigte ihren Kopf zurück. „Es wäre viel einfacher, wenn Sie einen Sinn für Humor hätten.“

„Es wäre viel einfacher, wenn Sie ein Mann wären.“

„Hör zu, John. Darf ich dich John nennen, oder soll ich bei Mr. Pierce bleiben?“ Sie wartete nicht auf eine Antwort, da er den Scherz wahrscheinlich sowieso nicht verstehen würde. „Ich bin eine Erwachsene. Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt, keine Jungfrau mehr und habe in diesem Sommer nichts anderes vor, als auf deiner Farm und an meiner Masterarbeit zu arbeiten.

Wenn du denkst, dass du dich in meiner Gegenwart nicht beherrschen kannst, dann sag es jetzt, und ich werde mich darum bemühen, einen anderen Typen zu finden, der gerade beschlossen hat: ‚Landwirtschaftskrise, Schmarmingkrise. Ich denke, ich werde eine Farm der ersten Generation gründen und meinen Lebensunterhalt bestreiten, nachdem dreißig Prozent meiner Brüder in den letzten fünf Jahren zwangsversteigert wurden.‘ Das sollte kein Problem sein. Es sollte meine Masterarbeit nicht beeinträchtigen oder meinen Abschluss verzögern und meine Chancen auf einen Job im August ruinieren.“

Sarkasmus war eine weitere ihrer guten Eigenschaften, die John Pierce offensichtlich nicht zu schätzen wusste.

„Ich mag es nicht, wenn man mich manipuliert“, sagte er.

„Wer schon?“ Phoebe zuckte mit den Schultern. „Aber wenn hier jemand manipuliert hat, dann nicht ich, und ich mag es nicht, für das schlechte Verhalten anderer verantwortlich gemacht zu werden.“

Er musterte sie schweigend und Phoebe spürte ein leichtes Kribbeln von ihren Zehen bis zu den Haarwurzeln aufsteigen. Sie hielt den Atem an. Sie war so kurz vor dem Abschluss, so kurz vor einem Job, der sie begeisterte, so kurz davor, ihren Eltern endlich etwas Gutes zu tun. Auf keinen Fall würde sie zulassen, dass John Pierce – gutaussehender Teufel hin oder her – oder irgendjemand anderes diese Pläne durchkreuzte.

Murdock kläffte zu Johns Füßen. Sein Schwanzstummel wackelte im Dreck.

„Ich schätze, es ist bald Zeit für das Abendessen“, sagte John und schielte zur Sonne hinauf, die sich im Westen dem Horizont näherte. Er schaute Phoebe an und sie zuckte unter dem belustigten Ausdruck auf seinem Gesicht zusammen. „Ich schätze, du brauchst noch einen Platz für deinen Koffer.“

„Ich denke schon“, sagte sie und überlegte, ob sie sich dafür entschuldigen sollte, ihm an die Gurgel gesprungen zu sein. Sie war an die Sticheleien und manchmal sogar an die Schikanen ihrer Klassenkameraden gewöhnt und daran, dass dies eine lästige Begleiterscheinung ihres gewählten Weges war. Eigentlich schien es John nicht so wichtig zu sein, dass eine Frau sich für die Landwirtschaft interessierte. Er machte sich eher Sorgen darüber, ein Haus mit einer Frau zu teilen, was sie genauso dumm fand.

„Schreist du mich an, wenn ich deinen Koffer trage?“, fragte er unfreundlich.

Phoebe stieß den Atem aus. „Ich denke, ich kann mich mit meinen Beleidigungen für den Moment zurückhalten.“

Er lehnte sich um sie herum und hob den Koffer auf. „Mehr kann ich nicht verlangen. Ich zeige dir Allens Zimmer.“

Hatte dieser ernste Bauer gerade einen Scherz gemacht? Hatte er nachgegeben und sie zum Bleiben eingeladen? Phoebe konnte es nicht sagen.

Murdock stürmte zur Seitentür des Hauses und kratzte an der Scheibe, während John sich in dieselbe Richtung aufmachte, allerdings in einem gemächlicheren Tempo. Phoebe hob ihren Schreibmaschinenkoffer und folgte ihm.

Die Küche war klein und dunkel und seit den 1950er Jahren nicht mehr renoviert worden. Der Kühlschrank erwies sich als ein Original. Der Herd dagegen schien Phoebe etwas neuer, definitiv ein Modell aus den frühen 70er Jahren in demselben Erbsengrün wie ihr Koffer. Orangefarbene und weiße Linoleumfliesen blätterten an den Ecken ab. Der Formica-Esstisch wirkte wie ein gebrauchtes Modell mit rostigen Metallbeinen, die eine vernarbten Platte hielten. Jemand hatte die vier Stühle mit Blumen-, Vogel- und Karomustern aus Vinyl beklebt.

„Es ist eine, äh, Baustelle“, sagte John und sah sich um, als würde er seine eigene Küche zum ersten Mal sehen.

„Es ist schön“, sagte sie ihm und meinte es auch so. Der Raum war sauber und in besserem Zustand als ihre Wohnung außerhalb des Campus. Phoebe verbrachte die meiste Zeit in der Bibliothek, im Labor oder auf dem Feld. In ihrer schäbigen Studiowohnung schlief sie nur ... und trank gelegentlich eine Flasche Wein. Diese Wohnung fühlte sich wie ein Zuhause an. Ein veraltetes Zuhause, das dringend aufgemöbelt werden müsste, aber dennoch ein Zuhause.

Phoebe warf einen Blick in eines der vorderen Zimmer und entdeckte ein Esszimmer mit abblätternder brauner Grafiktapete, die Gäste beim Abendessen wahrscheinlich schwindelig werden ließ. Da in dem Raum nur ein Tisch und keine Stühle standen, nahm Phoebe an, dass John nicht oft Gäste empfing. Gegenüber befand sich ein kleines Wohnzimmer mit der obligatorischen Couch und dem Liegestuhl. „Wie lange wohnst du schon hier?“

„Ich habe das Haus vor einem Jahr gekauft. Du hättest es damals sehen sollen. Es war ein echtes Wrack.“

Bevor sie klären konnte, ob er scherzte, verschwand John durch den Flur in Richtung der Vorderseite des Hauses. Sie folgte ihm und grinste wehmütig über die schwarze Tapete mit den orangefarbenen und gelben Blumen. Es war ein Zwilling der Tapete, die in der Waschküche ihrer Großmutter auf der Familienfarm an den Wänden gehangen hatte. Sie musste ihre Polaroid aus der Tasche kramen und ein Foto machen, um es ihren Großeltern zu schicken.

Sie folgte Johns auffälligem, mit Jeans bekleideten Hintern die Treppe hinauf und in ein Schlafzimmer an der Vorderseite des Hauses. Es war klein, aber gemütlich. Es gab ein Doppelbett mit schmiedeeisernem Kopfteil und ohne Laken neben einer staubigen Kommode, an der vier Knäufe fehlten, und sie stellte sich vor, dass sich hinter der schmalen Tür mit dem Glas ein Kleiderschrank verbarg.

John starrte das Bett eine Minute lang an. „Ich habe keine Laken.“ Er klang verwirrt, so als hätte er nicht an Bettwäsche gedacht, als er sich bereit erklärt hatte, einen Gast zu beherbergen.

Er würde sie also wenigstens über Nacht bleiben lassen, dachte sie erleichtert. „Das ist in Ordnung. Ich habe meinen Schlafsack im Auto.“ Phoebe war stolz darauf, eine pflegeleichte Frau zu sein. Sie trug ihr langes Haar glatt, damit sie sich nicht mit den Mengen von Haarspray befassen musste, die die meisten ihrer Freundinnen in einem Monat verbrauchten. Ihre Kleidung war meist die Variation eines Themas: Denim und Baumwolle. Und sie schlief gern auf einer Matratze oder auf dem Boden eines Zeltes.

„Die Toilette ist da hinten.“ John zeigte mit dem Daumen über seine Schulter. „Ich bin auf der anderen Seite des Flurs. Ich gehe duschen und dann überlegen wir uns vielleicht, was wir mit dir machen. Wenn du etwas brauchst, brüll einfach.“ Er war weg, bevor sie antworten konnte.

Sie schmunzelte über seine Wortwahl. Brüllen. Ja, sie war definitiv auf einem Bauernhof und das mit einem Bauern, der sich nicht viel aus Worten machte. Es war für sie in Ordnung. Phoebe hatte mehr als genug Worte, um Johns Mangel auszugleichen.

Die Federn sangen, als sie sich auf die Matratze sinken ließ. Sie schüttelte das einsame Kissen auf, ließ sich darauf fallen und fragte sich, ob John wirklich glaubte, dass er eine Wahl hatte, ob sie bleiben würde.

Kapitel 3

Worauf hatte er sich da bloß eingelassen? John schüttelte den Kopf unter dem lauwarmen Wasser, das aus dem Duschkopf tropfte. Er fügte seiner Liste der Sofortmaßnahmen hinzu, dass er dem Wasserboiler einen weiteren Tritt geben würde.

Er hatte sich mental darauf vorbereitet, seinen Sommer mit Allen, dem Studenten, zu verbringen. Allen, dem Mann. Er hätte mit ihm über die Besonderheiten einer kleinen Familienfarm gesprochen. Im Gegenzug dafür hätte Allen auf den Feldern mit angepackt, was John dringend brauchte. Es wäre ein einfaches, für beide Seiten vorteilhaftes Arrangement gewesen, das gerade in die Hose ging.

Phoebe Allen mit ihren hübschen, flaschengrünen Augen und langen Haaren, die die Farbe von Hirschfell hatten, war nicht das, wofür er sich gemeldet hatte. Und er wusste genau, wer ihn reingelegt hatte. John kannte das Gemurmel der älteren Generation von Blue Moon Bend. Sie waren um sein Wohlergehen besorgt. Achtundzwanzig, allein auf zweihundert baufälligen Morgen lebend, unverheiratet? Er schrubbte sich den Dreck mit mehr Gewalt als nötig von den Fingerknöcheln.

Er mochte sein Leben. Sein ruhiges Leben auf seinem eigenen Stück Land. Hier ging er einen Schritt nach dem anderen und bewegte sich mit der Natur. Er war nicht in einem Büro eingepfercht, wo er als Ja-Sager Unmengen von Papierkram erledigte, eine Uhr anbetete und um Urlaubstage bettelte. Hier hatte er das Grün des Grases, das Flüstern des Windes im Laub und einen Himmel, der ewig währte. Jeder Tag in der Natur war ein Urlaub. Und als Gesellschaft hatte John Murdock und die Frösche im Bach.

Eigentlich, dachte John verbittert, während er sich mit Shampoo durch seinen zu langen Haarschopf fuhr, war er sich gar nicht so sicher, warum er überhaupt zugestimmt hatte, einen Studenten für ein paar Wochen aufzunehmen. Er hätte die Hilfe, die er brauchte, genauso gut im Tausch mit einem anderen Bauern bekommen können.

Er war nur das jüngste Opfer von Blue Moons Glücksbringer.

„Es muss hart sein, ganz allein auf der Farm zu sein. Du könntest sicher etwas Hilfe gebrauchen, oder?“

Damals hatte er gedacht, dass sie einen Landarbeiter meinte. Aber jetzt war ihm sonnenklar, dass es um eine Frau gegangen war. Es war bekannt, dass jeder, der in Blue Moon lange genug Single war, verheiratet wurde, bevor er wusste, wie ihm geschah.

Und Mrs. Nordemann hatte den Abzug betätigt.

Er griff wieder nach der Seife und ging ihr Gespräch im Kopf durch.

Jillian Nordemann, die mit neunzehn Jahren geheiratet und es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, alle anderen in das gleiche Eheglück zu stürzen, hatte förmlich gestrahlt, als sie die Vorzüge des Kindes ihrer Cousine zweiten Grades aufgezählt hatte. „Du könntest etwas Hilfe auf der Farm gebrauchen. Ein zusätzliches Paar Hände. Du wirst es nicht bereuen. Das garantiere ich dir“, hatte sie gesagt.

Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie das wichtige Pronomen benutzt hatte, das ihn darauf aufmerksam gemacht hätte, dass „er“ eine „sie“ war.

Es war nicht so, dass John etwas gegen Verabredungen oder die Ehe oder sogar gegen die sehr attraktive Frau in seinem Gästezimmer hatte. Er war nur noch nicht so weit. Er brauchte im Moment weder eine Freundin noch eine Frau. Er brauchte ein fähiges Paar Hände, das ihn durch den Sommer auf der Farm brachte. Das Wasser sprudelte einmal, was das Ende der Warmwasserversorgung anzeigte, und er drehte an den Knöpfen. Dieses Haus war kein richtiges Zuhause, und wenn er Mrs. Pierce einmal finden sollte, wollte er ihr auf jeden Fall mehr bieten als ein halb verfallenes Farmhaus, eine heruntergekommene Scheune voller rostiger Geräte und einen mageren Ernteertrag.

Er hatte Pläne. Ziele. Er hatte nicht vor, jemanden von Anfang an mit ins Boot zu holen. Und wenn er dazu bereit wäre, würde diese Mrs. nicht Phoebe Allen sein. Sie war zu vorlaut, zu rechthaberisch und zu beschäftigt. Sie würde sein ruhiges, bequemes Leben in ein Chaos verwandeln.

Er wollte seine Zukunft selbst in die Hand nehmen und brauchte niemanden, der sich in seine Entscheidungen einmischte. John hasste es, in eine Entscheidung hineinmanövriert zu werden, die er lieber nicht getroffen hätte, und wie es aussah, hatten Mrs. Nordemann und Phoebe genau das erreicht.

Er strich sich mit einem fadenscheinigen Handtuch über die Haare und über die Brust und sah im Spiegel, wie grimmig sein eigener Ausdruck war.

Er hatte gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich jemand in sein Leben einmischen würde. Das sollte ihn nicht überraschen. Er war ein lebenslanger Blue Mooner.

Er spürte, wie sich seine Mundwinkel nach oben zogen, als er mit einer Hand über die Bartstoppeln strich, die er in den letzten Tagen nicht rasiert hatte.

Vielleicht würde er ihnen genau das geben, was sie wollten?

Er würde Phoebe die unvergessliche, praktische Erfahrung auf dem Bauernhof geben, die sie sich wünschte, und sobald sie nach ihrem Onkel rief, würde er sie zu Mrs. Nordemanns Haustür schicken. Wenn er Mrs. Nordemanns Versuche vereitelte, konnte er sich mindestens ein Jahr Zeit verschaffen, bevor sie eine andere Kandidatin für die zukünftige Mrs. Pierce anwarb.

Er würde in kürzester Zeit wieder in seine Einsamkeit zurückkehren.

John zog sich seine letzten sauberen Levi’s und ein T-Shirt an, das er auf dem Fußboden seines Schlafzimmers gefunden hatte und das irgendwie frisch roch, und machte sich auf den Weg nach unten. Dort fand er Phoebe vor, die sich gerade eingerichtet hatte. Ihre schicke elektrische Schreibmaschine nahm die Hälfte des Küchentisches ein. Phoebe selbst schlängelte sich gerade auf Händen und Knien unter dem Tisch hervor. Ihr Jeansrock hob sich auf dem Weg nach draußen immer mehr von ihrem Hintern ab. Sie wackelte nicht weit genug und schlug mit dem Kopf auf der Unterseite des Tisches auf.

„Verdammt!“

Er grinste von der Tür aus und beobachtete, wie sie sich auf den Stuhl setzte und sich den Kopf rieb. Dann legte sie einen Schalter um, und die Schreibmaschine summte auf.

„Ahh“, seufzte sie und Zufriedenheit machte sich in ihrem Gesicht breit.

Großartig. Sie war nicht nur eine Frau. Sie war ein Nerd. John hatte sich den am wenigsten hilfreichen Knecht in der Geschichte der Branche an Land gezogen.

„Hast du Hunger?“, fragte er unvermittelt.

Phoebe hatte ihn wohl nicht kommen hören. Sie reagierte mit einem Schrei und einem Ruck, bei dem Papiere durch die Gegend flogen.

John verabschiedete sich schweigend von der tempelartigen Stille seines Hauses.

„Du hast mich zu Tode erschreckt!“ Sie schlug eine Hand auf ihr Herz.

„Hast du angenommen, dass ich nie wieder nach unten komme?“

„Nein. Ich ...“ Sie starrte ihn an und schien den Faden des Gesprächs verloren zu haben.

Er schaute an sich herunter und fragte sich, was sie ablenkte. Er hatte tatsächlich eine Hose an, aber er konnte keine grausamen Flecken sehen, die eine Frau in ihren Bann ziehen würden. „Was?“, fragte er.

Phoebe blinzelte und schloss ihren Mund. „Nichts. Du hast etwas über ... irgendetwas gesagt?“

„Ich habe gefragt, ob du Hunger hast. Normalerweise esse ich nur ein Sandwich zum Abendessen, aber ich könnte mich heute Abend zu einer Pizza überreden lassen.“

„Pizza?“ In ihrem Tonfall lag eine gewisse Hoffnung.

„Pizza, und wir können über diese ... Vereinbarung reden.“

Ihr selbstgefälliger Gesichtsausdruck verriet ihm, dass Phoebe davon ausging, gewonnen zu haben.

Kapitel 4

Phoebe drückte ihren Hintern auf die zerrissene Polsterung des Beifahrersitzes in Johns altem Pick-up-Truck. Sie versuchte ihre Knie unter dem engen Jeansrock zusammenzukneifen, damit John nicht unnötigerweise einen Blick auf ihre Unterwäsche erhaschen konnte. Natürlich hatte er darauf bestanden, ihr die Tür zu öffnen. Das verlangte die Etikette der 1950er Jahre.

Er schloss ihre Tür, bevor sie ihn daran erinnern konnte, dass sie durchaus in der Lage war, ihre eigenen Türen zu öffnen und zu schließen. Das war wahrscheinlich das Beste. Sie musste ihre Vorträge für sich behalten, bis sie sicher war, dass er sie bleiben lassen würde. Er hatte ihr zwar ihr Schlafzimmer gezeigt, aber das bedeutete nicht, dass er ihr am nächsten Morgen nicht auch die Tür zeigen würde.

Sie hätte sich zuerst eine Jeans anziehen sollen, aber das wäre wohl zu anmaßend gewesen. Sie hatte nichts gegen Anmaßung, wenn sie zu ihren Gunsten ausfiel, aber sie konnte den Mann nicht einschätzen. Und jede Aktion, die sie unternahm, konnte dazu führen, dass er sie wegschickte und ihre Masterarbeit in Gefahr brachte.

Also hatte sie sich für eine subtilere Botschaft entschieden, indem sie ihre Schreibmaschine auf Johns Küchentisch aufgestellt hatte.

Er rutschte hinter das Lenkrad, und in dem geschlossenen Raum nahm sie den angenehmen Geruch seiner Seife wahr. Seine Haarspitzen waren noch feucht von der Dusche und kräuselten sich in seinem Nacken. Körperlich stand er auf einer Stufe mit den besten Männern Hollywoods. Breite Schultern, enge Jeans, ein sexy Gesicht mit markanten Zügen und prächtigen Bartstoppeln. Seine Augen waren ernst und suchend.

John Pierce ließ jede Frau innehalten, um den Anblick zu genießen – so wie sie es getan hatte, als er in die Küche geschlendert war -, aber Phoebe war noch nicht bereit, ihn als den sexiesten Mann zu bezeichnen, den sie je gesehen hatte. Wie sehr sie sich zu einem Mann hingezogen fühlte, hing stark von seinem Charakter und seiner Intelligenz ab, und die mussten sich erst zeigen.

„Fahren wir in die Stadt, die die Zeit vergessen hat?“, fragte Phoebe und schnallte sich an.

Johns Mundwinkel zogen sich nach oben, als er den Schlüssel drehte und den Rückwärtsgang einlegte. „Ich nehme an, du bist auf dem Weg hierher durch Blue Moon gefahren.“

„Was ist die Geschichte dahinter?“

„Geschichte?“, fragte er, als sie die Gasse hinunterfuhren.

Sie verdrehte die Augen. „So ein Ort hat doch eine Geschichte.“

„Hast du schon mal von Woodstock gehört?“, fragte John.

Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. „Das kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Da war wieder dieses Zucken in seinen Lippen. Idiot.

„Nachdem Woodstock zu Ende war, haben sich alle auf den Heimweg gemacht. Aber nicht alle haben es geschafft. Ein Dutzend oder mehr Teilnehmer haben sich auf dem Rückweg verirrt und ihr Lager auf dem Stadtplatz aufgeschlagen. Der Ort hat ihnen so gut gefallen, dass sie beschlossen haben, zu bleiben.“

„Einfach so? Sie sind nie nach Hause gegangen?“

John zuckte mit seinen breiten Schultern. „Wahrscheinlich gelten sie als verschollen. Ich war zwölf, als sie aufgetaucht sind, ihre Zelte aufgeschlagen und in VWs campiert haben. Die ganze Stadt roch nach Gras.“ Sein Lachen war warm bei der Erinnerung.

„Du nimmst mich auf den Arm.“ Sie konnte den Stadtrand vor sich sehen und wartete gespannt darauf, dass er sich offenbarte.

John schüttelte den Kopf und grinste sie an. Und Phoebe spürte, wie sich ihr Magen zu einem Knoten verdrehte. Wow! Der Mann hatte ein Lächeln, das ihr die Unterwäsche wegschmelzen konnte. Davor musste sie sich in Acht nehmen. Sie war aus beruflichen Gründen hier, nicht um einen Zeh in den örtlichen Dating-Pool zu stecken.

„Ich mache keine Witze. Sie waren so gutmütig und ‘make love not war’ und ‘free love’, dass sich niemand in der Stadt an ihnen gestört hat. Wir haben eine Stadtversammlung abgehalten und beschlossen, ihnen zu helfen, hierher umzusiedeln. Die meisten von ihnen und ihre Familien leben noch heute hier. Blue Moon ist davon ausgegangen, dass sich die Hippies an uns anpassen würden, aber wie du sehen kannst … “, sagte er und zeigte auf ein weitläufiges viktorianisches Haus, das in Lila und Rosa gehalten war. An den beiden Veranden hingen Dutzende von Windspielen und im Vorgarten parkte ein mit Farbe bespritzter Schulbus. „Wir haben uns geirrt.“

„Ist das Dekoration?“

„Die Fitzsimmons denken das“, sagte John und hob eine Schulter. Hinter seinem Tonfall steckte kein Urteil. Er akzeptierte einfach nur diese Eigenartigkeit.

Zu schade, dass er ihr diese Akzeptanz nicht entgegenbringen konnte, dachte Phoebe.

„Und alle haben einfach so mitgemacht?“, fragte sie.

„Vor 1969 waren wir nur eine kleine Bauerngemeinde. Jetzt sind wir praktisch eine Kommune. Du wirst nie eine Stadt finden, die so eng zusammensteht wie wir“, prophezeite er.

Sie runzelte die Stirn, als John den Lkw verlangsamte und abrupt an den Straßenrand fuhr. Phoebe Allen war nicht dumm, und das Benzin war noch nicht alle. Aber sie behielt ihren Kommentar für sich, als John ausstieg und vorne am Auto vorbeischlenderte. Da sah sie es. Etwas Schlankes und Schwarzes auf der Straße. Ein Schlauch?

„Oh, wie eklig!“

Der Schlauch bewegte sich, als John sich ihm näherte.

Sie streckte den Kopf aus dem Fenster, als John sich in direkt vor den Schlauch hinhockte. „Was machst du da?“, fragte sie.

„Wir bringen sie von der Straße.“ Johns Stimme war mehr als ruhig. Sie grenzte an Langeweile.

„Du wirst sie doch nicht anfassen, oder?“

„Kannst du bitte aufhören zu schreien? Sie mag das nicht.“ John stand auf und Phoebes Augen starrten auf die zwei Meter lange Schlange, die er so lässig in den Händen hielt wie einen Gartenschlauch.

„Lass dich nicht von ihr beißen!“

„Ist eine harmlose schwarze Schlange“, rief er über seine Schulter, während er das Tier über die Straße in die bewaldete Schlucht trug. Phoebe kletterte von ihrem Sitz und setzte sich auf die Fensterbank, um John über das Fahrerhaus des Trucks zu beobachten.

Sie sah, wie das scheußliche Ding seinen Kopf in Johns Richtung schwang. Er wich ihr aus und setzte die Schlange im hohen Gras ab.

„Harmlos?“, fragte Phoebe.

„Es bringt dich nicht um, wenn sie dich beißt“, stellte er klar.

„Aber sie würde mich trotzdem beißen.“

Er zuckte mit den Schultern. Johns Vorstellung einer Erwiderung.

Er kletterte wieder hinter das Lenkrad und Phoebe rutschte zurück in ihren Sitz. Ihr Puls raste immer noch. „Du hast gerade eine Schlange aufgegabelt.“ Sie schüttelte bei der Vorstellung den Kopf. Ihr Bauer war ein Idiot.

„Sie brauchte nur ein bisschen Hilfe. Sie hat sich auf der Straße gesonnt, und wenn jemand zu schnell vorbeigefahren wäre, hätte er sie erwischt.“ John legte den Gang ein und der Wagen rumpelte die Straße hinunter.

Aha! Der fehlgeleitete Heldentyp, entschied Phoebe und betrachtete sein Profil. Er sah auf jeden Fall so aus. Das war etwas, womit sie arbeiten konnte.

Zufrieden schaute sie aus dem Fenster auf die Stadt. Und dann begann ihre Haut zu kribbeln. Sie untersuchte beide Füße und den Sitz, obwohl sie genau wusste, dass es nur psychologisch war. Das Grinsen auf Johns Lippen entging ihr nicht, als sie endlich sicher war, dass keine Schlange bereit war, sie zu beißen.

Wenigstens war er klug genug, um keinen Kommentar abzugeben. Stattdessen wies er sie auf ein hübsches kleines Häuschen in einem Waldstück zu ihrer Rechten hin, auf dessen Fassade das Wort FRIEDEN in einem Regenbogen gemalt war.

„Das ist Wahnsinn.“

John warf ihr einen Blick zu. „Du hast noch nichts gesehen.“

Der One Love Park, benannt nach den liebenswerten wandernden Hippies, nahm einen ganzen Block im Zentrum der Stadt ein. In unterschiedlichen Abständen waren Schilder in den Boden gesteckt.

Hast du heute schon einen Baum umarmt?

Mach dir keine Sorgen. Sei ein Hippie.

Kleidung ist nicht mehr optional.

Phoebe klebte mit ihrer Nase am Fenster, weil sie Angst hatte, etwas zu verpassen, während John den Block hinunterraste. Dann fuhr er in eine Lücke am Ende des Parks zwischen einem Kino und einer Pizzeria.

Peace of Pizza war mit seiner leuchtend lila Markise nicht zu übersehen. An den Fenstern hingen bunte Plakate mit Luftblasen, auf denen die Sonderangebote beschrieben wurden. Im Inneren konnte sie Lavalampen brodeln sehen.

„Nein. Auf keinen Fall.“

„‚Auf keinen Fall‘ zu Pizza?“, fragte John.

„Hm? Nein. Ich meine ja. Ich will auf jeden Fall eine Pizza. Ich kann einfach nicht glauben, dass es so einen Laden gibt.“

„Gut, denn unsere Auswahl ist begrenzt. Es gibt einen Puddingladen auf der anderen Straßenseite, ein Diner auf der anderen Seite der Stadt und ein Wag’s etwa zehn Meilen südlich von hier.“

Phoebes Magen knurrte. „Nö. Pizza ist perfekt.“

Sie kletterte aus ihrem Sitz, bevor John es schaffen konnte, ihr die Tür zu öffnen, aber sie war nicht schnell genug, um vor ihm an der Eingangstür der Pizzeria zu sein. Sie trat ein und erlebte eine Reizüberflutung.

Der übliche Pizzaduft nach Marinade und Oregano umhüllte sie. Aber da hörte das Typische auch schon auf. An den Wänden des Ladens, die mit einem orangefarbenen Teppich behängt waren, prangten Schwarz-Weiß-Drucke der Woodstock-Größen: Jimi Hendrix, Joan Baez, Arlo Guthrie. Es gab ein Dutzend Tische, von denen die Hälfte besetzt war. Jeder Tisch hatte seine eigene Lavalampe in Blau- und Orangetönen, und die Salz- und Pfefferstreuer, die nebeneinander standen, bildeten grüne und weiße Friedenszeichen. Phoebe schnupperte an der Luft, als ein Kellner mit einer dickbödigen Pizza und einem Friedenszeichen aus Tomatensoße vorbeikam.

„Was führt dich heute Abend von der Farm, John?“ Eine Frau mit ebenholzfarbenen, hüftlangen Dreadlocks und der makellosen Haut eines Cover Girl-Models lehnte am Hostessenstand. Sie trug ein Dashiki in verblichenen Orange- und Rottönen.

„Ich habe unerwartet ein zusätzliches Maul zu stopfen“, sagte er und wies mit dem Daumen in Phoebes Richtung. „Mortadella hätte nicht gereicht.“

Die Art und Weise, wie die Gastgeberin ihn angrinste, ließ Phoebe vermuten, dass es sich dabei um eine Portion John-Pierce-Humor handeln könnte.

„Phoebe, das ist Bobby. Sie ist die Besitzerin dieses Ladens und macht die beste Soße in fünf Bezirken. Bobby, das ist Phoebe, die Landarbeiterin und Studentin, die ich fälschlicherweise für einen Mann gehalten habe.“

Phoebe streckte Bobby ihre Hand entgegen. „Es ist mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen. Dein Laden ist unglaublich, und ich verspreche, dass er mir gefallen wird, auch wenn ich kein Mann bin.“ Sie warf John einen finsteren Blick über die Schulter zu.

Bobby schüttelte ihre Hand mit einem festen Griff und einem zahnlosen Grinsen. „Ob Mann oder Frau, du bist hier willkommen.“

„Das ist sehr aufgeschlossen von dir, Bobby.“ Phoebe schickte einen weiteren spitzen Blick in Johns Richtung. „Das weiß ich zu schätzen.“

Jetzt war John an der Reihe, mit den Augen zu rollen.

Bobby führte sie zu einem lila gepolsterten Tisch an der Wand unter einem gerahmten Bild von Janis Joplin mit ihrer runden Brille und dem Stirnband. Phoebe nahm die Seite mit dem Rücken zur Wand, damit sie das Kommen und Gehen der Peace of Pizza-Gäste beobachten konnte.