Küsse wie funkelnde Sterne - Drei Romane in einem eBook - Jennifer Wellen - E-Book
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Küsse wie funkelnde Sterne - Drei Romane in einem eBook E-Book

Jennifer Wellen

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Beschreibung

Drei Frauen, die Liebe – und jede Menge Turbulenzen: Der romantische Feelgood-Sammelband »Küsse wie funkelnde Sterne« jetzt als eBook bei dotbooks. Das Glück steht in den Sternen … Um endlich ihrer Pechsträhne zu entkommen, hört Ria auf den Rat ihrer besten Freundin und probiert es mal mit Wünschen ans Universum. Was kann schon schiefgehen? Doch das Schicksal hat eine ganz eigene Art, ihre Herzenswünsche zu interpretieren … Davon kann Franzi ebenfalls ein Lied singen – in ihren kleinen Laden verirren sich leider statt Traumprinzen immer nur Frösche. Als sie jedoch im Park einem geheimnisvollen Fremden begegnet, scheint sich das Blatt zu wenden … Auf frischen Wind in ihrem Leben hofft auch Sina, die für einen Job als Ghostwriterin an die Ostsee zieht. Plötzlich weht jedoch auch allerhand Chaos in ihr Leben, an dem ein charmanter Surfer und ein ärgerlicher Nachbar nicht ganz unschuldig sind … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Romantik-Sammelband »Küsse wie funkelnde Sterne« mit den schwungvollen Liebesromanen »Sternschnuppenwünsche« von Jennifer Wellen, »Der kleine Laden der große Träume« von Pippa Arden und »Liebe mit Wellengang« von Michaela Seul. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1033

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Über dieses Buch:

Das Glück steht in den Sternen … Um endlich ihrer Pechsträhne zu entkommen, hört Ria auf den Rat ihrer besten Freundin und probiert es mal mit Wünschen ans Universum. Was kann schon schiefgehen? Doch das Schicksal hat eine ganz eigene Art, ihre Herzenswünsche zu interpretieren … Davon kann Franzi ebenfalls ein Lied singen – in ihren kleinen Laden verirren sich leider statt Traumprinzen immer nur Frösche. Als sie jedoch im Park einem geheimnisvollen Fremden begegnet, scheint sich das Blatt zu wenden … Auf frischen Wind in ihrem Leben hofft auch Sina, die für einen Job als Ghostwriterin an die Ostsee zieht. Plötzlich weht jedoch auch allerhand Chaos in ihr Leben, an dem ein charmanter Surfer und ein ärgerlicher Nachbar nicht ganz unschuldig sind …

Eine Übersicht über die Autorinnen finden Sie am Ende dieses eBooks.

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Sammelband-Originalausgabe Februar 2021

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Romane finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Anastasia Lembrik / Karlygash sowie © pixabay / PublicDomainPictures

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-544-9

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Küsse wie funkelnde Sterne

Drei Romane in einem eBook

dotbooks.

Jennifer WellenSternschnuppenwünsche

Wünsche ans Universum? Totaler Quatsch, findet Ria, auch wenn ihre beste Freundin sie immer wieder vom Gegenteil zu überzeugen versucht. Kurzerhand tritt sie den Beweis an und erstellt eine Liste mit 10 Wünschen. Dabei ist sie sich sicher: Niemals wird sie ein neues Auto, eine kostenlose Wohnungsrenovierung und einen Gratisurlaub bekommen, von der großen Liebe ganz zu schweigen! Doch schon am nächsten Tag werden die ersten himmlischen Bestellungen ausgeliefert. Alles Zufall, davon ist Ria überzeugt. Bald muss sie allerdings einsehen, dass sie sich mit dem Universum besser nicht angelegt hätte – denn das hat seine ganz eigene Art, Rias Wünsche zu interpretieren …

Vorwort

Mein Buch »Sternschnuppenwünsche« ist, wie Sie vielleicht gemerkt haben, angelehnt an »Bestellungen beim Universum«. Und ich höre schon den Aufschrei aller, die sich damit auskennen: »So funktioniert das doch gar nicht, das klappt nie im Leben!« Deshalb noch mal die Erinnerung: Dies ist eine rein fiktive Geschichte. Wenn es die Fantasie eines Autors nicht gäbe, der gerne schon mal etwas übertreibt oder einen Gedanken weiterspinnt, gäbe es sicherlich auch keine Geschichten, in denen alles aus dem Ruder läuft, so wie in meinem Buch. Also – für weitere Risiken und Nebenwirkungen bezüglich solcher Bestellungen fragen Sie somit lieber Ihren Esoterikfachberater oder Ihr Universum des Vertrauens!

PrologDer Anfang ist der Anfang vom Ende

»Wie lange dauert es denn noch?«, maule ich leise und drehe mich ungelenk auf die Seite. Mein Rücken schmerzt vom langen Liegen.

»Solange eine Geburt eben so dauert«, gibt mein Mann zurück. Vorsichtig dreht er die Wasserflasche auf und hält sie mir hin. »Hier, du solltest mehr trinken.«

Nachdenklich greife ich nach der Flasche. »Vielleicht sollte ich mir einfach beim Universum eine schnelle Auslieferung bestellen.«

Er verdreht die Augen. »Bist du verrückt? Du weißt doch, was beim letzten Mal passiert ist.«

Grinsend trinke ich einen Schluck und reiche ihm die Flasche zurück. »Ach, komm schon, meine Schwester war mir doch dankbar, dass ich ihr die vielen Stunden der Geburt erspart habe.«

»Aber sicher nur, bis ihr die Fruchtblase im Bällebecken geplatzt und das Baby auf dem Trampolin zur Welt gekommen ist.«

Die Sturzgeburt der kleinen Annalena im Indoorspielpark vor einem halben Jahr ist auch heute noch der Lacher auf jeder Familienfeier.

Ich setze mich auf und massiere meine Muskulatur im Lendenwirbelbereich. »Dafür ging die Geburt aber schnell, so wie bestellt.«

Mein Mann sieht mich vorwurfsvoll an. »Ria, bitte, wir haben uns geschworen ‒ keine Bestellungen mehr. Du weißt doch, pass auf, was du dir wünschst …«

»Ja, ja«, knurre ich und halte ihm mit der Hand den Mund zu. »… denn es könnte in Erfüllung gehen.«

Kapitel 1Die Geister, die ich rief

Zwei Jahre zuvor, als alles begann

»Überraschung!«, ertönte es. Gleichzeitig hefteten sich geschätzt 20 Augenpaare an mir fest. Ich blieb stehen, ließ meine Tasche fallen und sondierte die Lage. Rund die Hälfte der Leute, die in meinem Wohnzimmer standen und mich musterten, kannte ich nicht. Bei der anderen Hälfte konnte ich mich nur vage an die Namen erinnern. Lediglich das indische Mädel im lindgrünen Sari, das in vorderster Front stand und mich anstrahlte, kannte ich besser, als mir lieb war. Leise seufzte ich auf.

Verdammt. Warum konnte Padmaja mir eigentlich nie zuhören? Tausendmal hatte ich sie gebeten: alles, nur bitte keine Überraschungsparty.

Während der bunte Konfettischauer auf mich herabregnete, setzte sie mir eines dieser Papphütchen auf.

»Freust du dich?«, jauchzte sie. Die anderen wandten sich nach dem Gratulieren wieder von mir ab, um sich über das Buffet herzumachen.

»Freuen ist stark untertrieben«, gab ich ironisch zurück und riss mir den Hut vom Kopf, auf dem ein Tempo-30-Schild prangte. Schon auf dem Weg vom Auto in meine Wohnung waren mir überall diese Dinger begegnet. Sicher auch so eine geniale Idee von ihr.

Genervt warf ich den Papphut auf den Couchtisch. »Verdammt, Padme, ich wollte das nicht. Das hatte ich dir aber auch gesagt. Und zwar nicht nur einmal.«

Sie verdrehte die Augen. »Schätzchen, du wirst heute 30. Das wird man nicht alle Tage, also muss man da auch mal ordentlich die Korken knallen lassen.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber nicht bei mir zu Hause mit Leuten, die ich zum größten Teil nicht einmal kenne. Ehrlich, du solltest mir langsam meinen Ersatzschlüssel wiedergeben.« Den ich ihr auch nur gegeben hatte, damit sie nach dem Rechten sieht, während ich auf Fortbildung bin.

»Adriana, mach doch bitte kein Drama draus, es ist nur eine Party und keine Hinrichtung.«

»Ich hasse aber Partys.« Meine Stimme wies einen gänsehauterregenden Unterton auf. »Und fremde Menschen auch.«

Padme seufzte. »Aber das ist kein Grund, die Wiedergeburt deines Jivas nicht zu feiern.« Daraufhin drückte sie mir einfach ein kleines Paket in die Hand. »Hier, Frau Physiotherapeutin, alles Gute zum Geburtstag.«

Ich atmete tief durch, schluckte meinen Missmut herunter und wog das Päckchen ab. Aufgrund seiner Größe tippte ich spontan auf Tarotkarten. Meine Freundin versuchte leider immer wieder, mich esoterisch zu bekehren. Zum letzten Weihnachtsfest waren es Räucherstäbchen gegen schlechte Schwingungen gewesen, an Ostern statt eines traditionellen Hasen ein Schokobuddha, dem ich vor dem Essen unbedingt den Bauch streicheln und mir etwas wünschen sollte. Habe ich natürlich nicht gemacht, sondern das Ding einfach so verdrückt.

Aus diesem Grund tippte ich nun auf buntbedruckte Karten und war umso überraschter, als ich nach dem Auspacken des Geschenkes ein Fachbuch über Faszientraining in der Hand hielt. Hatte sie mir also doch zugehört und nur meinen Einwand zur Party schlichtweg ignoriert.

Ich legte das Buch zu dem Papphut auf den Tisch. »Du bist echt die Beste.« Schnell drückte ich ihr einen fetten Schmatzer auf die Wange.

Sie lachte auf und schlang ihre Arme um meine Taille. Eine Zeit lang standen wir so da, bis ich mich seufzend von ihr löste. Meine Freundin war wirklich extrem flippig. Sie mochte alles, was bunt und quietschig war, stand total auf diese megaschnulzigen Bollywoodfilmchen und liebte es, mit indischem Mangoschnaps unverhofft mitten in der Woche vor meiner Tür zu stehen und mir den Schlaf zu rauben. Außerdem ging sie mir, seitdem wir uns kannten, mit ihrem spirituellen Gequatsche auf den Senkel. Aber trotzdem war sie meine beste Freundin. Um ehrlich zu sein sogar meine einzige und das nicht, weil ich kontaktarm war, sondern fand, dass es unter 100 Freundinnen nur eine richtige gibt.

»Gern geschehen. Du hast das Buch bestimmt hundertmal erwähnt, also muss es gut sein.«

»Komisch«, erwiderte ich grinsend, »dass ich keine Party will, habe ich bestimmt auch hundertmal erwähnt. Das hast du aber anscheinend nicht mitbekommen, was?«

Padme lachte auf. »Doch, aber geflissentlich ignoriert und jetzt komm und genieß die Party.«

Zehn Minuten lang fragte mich Yanni, der Schulfreund von Padme, bereits aus, wobei in mir der Verdacht aufkeimte, er hätte einen Fragebogen entworfen ‒ quasi Herzblatt für Arme.

»Stell dir mal vor, wir beide sitzen beim Italiener und ich schubse das Rotweinglas um. Wie reagierst du?«

»Ähm … ich bestell dir einfach ein neues?« Er zog die Stirn kraus. »Oder … ähm … ich werde rot und entschuldige mich?« Sofort hellte sich seine Miene auf.

Ich sah mich verzweifelt um. Verdammt! Gab es denn niemanden, den ich noch begrüßen konnte? Oder zumindest so tun als ob? Moment, das Mädel da hinten mit dem Glas in der Hand. Sie hing doch öfter in der Buchhandlung ab, wo Padme arbeitete. »Sorry, Yanni, bin gleich wieder da.« Mit einem entschuldigenden Lächeln ließ ich ihn einfach stehen und eilte zu dem Mädchen rüber. »Hey, bist du nicht«, mein Gehirnkasten rotierte. Komm schon, Ria, denk nach. Julia, Jessica, Jacqueline?

»… Jana?«

Das Mädel grinste mich an. »Nein, ich bin Liane. Jana steht da vorn.«

»Aber du bist die mit den medialen Kräften, oder?« Da war ich mir hundertprozentig sicher.

Liane prustete los. »Nein, das ist Agneta.« Mist! Bei Padmes ganzen Freunden verlor ich immer den Überblick.

»Du hast echt keinen blassen Schimmer, gell?«, fragte sie.

»Äh … ehrlich gesagt … nein.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Ich bin Padmes Nachbarin, die mit dem Hund.«

»Ach ja, stimmt.« Nun erinnerte ich mich an sie. Oder besser gesagt, ich erinnerte mich deutlich an ihren Handtaschenfiffi Marke Paris Hilton, der Terror machen konnte wie ein Rottweiler. Leider wusste ich nicht, worüber ich mich mit Liane unterhalten sollte. Von Hunden hatte ich keine Ahnung.

Ich lächelte verlegen und sah mich beiläufig um. »Hast du Padme vielleicht irgendwo gesehen?«

Mit dem Kopf nickte sie in Richtung Diele. »Die ist vor fünf Minuten mit Agneta im Schlafzimmer verschwunden.«

Mein Kopf ruckte herum. Was bitte wollte meine beste Freundin mit Agneta mediale in meinem Schlafzimmer? Wenn es um diesen Raum ging, war ich ziemlich pingelig.

»War nett, dich mal wiederzusehen«, rief ich ihr hastig über die Schulter zu und eilte davon.

»Was ist denn hier los?« Eigentlich hätte ich gar nicht fragen brauchen. Das Ouija-Board auf dem Boden direkt neben meinem Bett war eindeutig. Zudem stank es nach abgekokelten Räucherstäbchen. »Ihr tut doch wohl nicht das, was ich vermute, das ihr hier tut, oder?«

»Um ehrlich zu sein …«, gab meine Freundin zögernd zurück.

Ich stampfte mit dem Fuß auf. »Herrgott, Padme. Eine Séance in meinem Schlafzimmer? Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?«

»Tja«, meldete sich Agneta mediale spontan zu Wort, die im Schneidersitz auf dem Boden saß. »Sobald jemand den Raum betritt, huscht alles Spirituelle den Bach herunter.«

Für ihren Kommentar warf ich ihr einen ungehaltenen Blick zu, woraufhin sie stillschweigend zum Ouija-Board griff und vom Boden aufstand.

Während die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, stand Padme auf. Der Stoff ihres Saris raschelte leise. »Jetzt entspann dich, Süße, wir haben keinen Kontakt herstellen können. Also ist nix passiert.«

Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Doch, du hast mein Schlafzimmer esoterisch entjungfert. Das ist schlimm genug.«

Der penetrante Geruch von angekokelten Kräutern schwebte im Raum. Ich lief zum Fenster, um es einen Spalt zu öffnen. Schließlich drehte ich mich wütend wieder um. »Ich fasse es einfach nicht. Meine beste Freundin schafft es nicht einmal an meinem 30. Geburtstag, ihre Finger von Esoterik zu lassen.«

Padme verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn, wodurch ihr roter Bindi eine ovale Form annahm. »Was soll das denn jetzt heißen?«

Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich weiß ja, dass Esoterik dein Leben ist, aber warum musst du ausgerechnet mich damit nerven?« Padme war schon immer ein esoterischer Freak. Doch seit dem Tod ihrer Mutter drehte sich ihr ganzes Leben plötzlich nur noch um Liebesrituale, Horoskope oder Kartenlegen. Mit ihr war kein vernünftiges Wort zu wechseln, und sie ging nicht einmal mehr aus dem Haus, ohne morgens ihrem geheiligten Buddha über den Bauch zu streicheln. Für mich war das aber nichts. Ich glaubte grundsätzlich nur an das, was ich auch sehen konnte.

»Warum lehnst du eigentlich alles Spirituelle so ab?«

Nun verschränkte ich ebenfalls die Arme vor der Brust und reckte mein Kinn vor. »Weil es genug wissenschaftliche Beweise gibt, die gegen Esoterik sprechen.«

Padme stöhnte auf. »Nur weil du keine medialen Antennen hast, heißt das nicht, dass es Übernatürliches nicht gibt.«

Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Blödsinn«, erklärte ich schließlich. »Beim Pendeln zum Beispiel fließt dein eigener Puls der Finger, die das Pendel halten, mit ein. Das bewegt das Ding und nicht irgendwelche Geister.« Vielleicht konnte ich sie endlich mal mit vernünftigen Argumenten in ihre Schranken weisen.

Aufgeregt griff ich zu meinem Zopf und zupfte an den Haarspitzen herum. Das tue ich immer, wenn ich angespannt bin.

»Oder beim Kartenlegen – Herrgott, die Aussagen sind so wischiwaschi, das könnte auf jeden Menschen der Welt zutreffen.« Padme zog augenblicklich einen Flunsch und setzte sich auf mein Bett.

»Oder bei Geisterbeschwörungen, da sind immer Leute dabei, die das Glas oder den Zeiger bewegen. Vielleicht nicht mit Absicht, aber unbewusst. In vielen esoterischen Dingen spielt das Unterbewusstsein eine große Rolle, aber das hat nix mit Übersinnlichem zu tun. Die meisten Sachen kommen sogar durch wissenschaftliche Phänomene zustande.«

Meine Freundin schürzte die Lippen. »Ach, und was ist dann mit den tatsächlich erfüllten Wünschen?«

Ich schüttelte so vehement den Kopf, dass sogar meine Halswirbel knackten. »Schlichte Verhaltensforschung, meine Liebe. Die Erwartungshaltung ist der Trick. Das ist genauso wie mit deinen blöden Bestellungen beim Universum oder den Sternschnuppenwünschen, mit denen du dich ständig beschäftigst. Wenn sich jemand wünscht, erfolgreich zu sein oder etwas zu bekommen, dann kann er das auch. Das hat rein gar nichts mit dem Universum oder irgendwelchen in der Atmosphäre verglühenden Sternen zu tun.«

Padme straffte ihre Schultern, reckte das Kinn vor und holte zum Angriff aus. »Also Agneta bestellt sich immer einen Parkplatz direkt bei mir vorm Laden. Es klappt jedes Mal. Du weißt, wie die Parksituation in der Düsseldorfer Innenstadt ist, oder?«

Meine Finger zwirbelten heftig an den Haarspitzen, die sich mittlerweile strohig anfühlten. »Wahrscheinlich hat sie eine andere Erwartungshaltung an die Parkplatzsuche, wodurch sie das Gefühl hat, schneller einen zu finden. Also reine Psychologie, nix Universum.«

Umgehend sprang Padme vom Bett auf. »Aber was ist mit Julia? Die hat sich, als sie die Sternschnuppe gesehen hat, doch einen neuen Job gewünscht. Prompt hat sie eine Stelle gefunden.«

Ich zuckte nur mit den Schultern. »Auch Zufall, sie wollte eh einen neuen Job und hat gesucht.«

Meine Freundin rollte nun so heftig mit den Augen, dass ich befürchtete, sie würden jeden Moment stehen bleiben. »Und ich, ich habe mir eine tolle Überraschungsparty für dich beim Universum gewünscht.«

Verächtlich rümpfte ich die Nase. »Pfft. Du hättest dir beim Universum lieber mal wünschen sollen, dass ich mich über die Party auch freue.« Der Sarkasmus in meiner Stimme war nun mehr als deutlich herauszuhören.

Augenblicklich begannen Padmes Augen zu glänzen. Sie sackte mit hängenden Schultern zurück aufs Bett. Insgeheim taten mir meine harschen Worte leid. Seit dem Tod ihrer Mutter war sie empfänglicher für alles Übersinnliche, insbesondere für Geister. Ich vermutete, dass sie sich ihr so näher fühlte. Deshalb sicher auch die Séance in meinem Schlafzimmer.

Trotzdem, in den letzten Monaten hatte sich einiger esoterischer Frust in mir angestaut. Ihr ständiges Gerede über mein Horoskop, oder ob die schwarze Katze von rechts nun was Schlechtes bedeutete oder dass das Zerdeppern eines Spiegels der medialen Atombombe gleichkam, konnte ich einfach nicht mehr ertragen. Ich musste ihr endlich zu verstehen geben, wie sehr es mich nervte. Egal, ob sie nachher sauer auf mich war oder nicht. Immerhin war sie meine beste Freundin.

»Tut mir leid, Padme.« Schwungvoll warf ich meinen Zopf nach hinten und setzte mich seufzend neben sie aufs Bett. »Ich bin halt anders als du. Du magst Überraschungen und alles, wo viele Leute am Start sind. Ich bin da eher zurückhaltend. Zum Beispiel hatte ich dir deutlich gesagt, dass ich keine Party möchte.«

Sie schniefte laut auf. »Aber Gegensätze ziehen sich doch bekanntlich an, oder etwa nicht?«

Genervt stöhnte ich auf. »Grundsätzlich habe ich ja auch kein Problem damit, dass du anders bist als ich. Aber du sollst mir nicht ständig deine Art aufdrängen.«

Padme hob den Kopf. »Meinst du die Überraschungsparty?«

Ich sah sie ernst an. »Nicht nur die, auch deine ganzen Symbole und Rituale. Wie lange kennen wir uns jetzt?«

»23 Jahre«, gab sie prompt zurück.

»Siehst du, und schon vom ersten Tag an hast du versucht, mich zu bekehren.«

Vor Verblüffung öffnete sie ihren Mund. »Ich … ich … ich«, stotterte sie los. »Ich habe nicht versucht, dich zu bekehren, sondern wollte mit dir zusammen den Frühlingsanfang feiern.«

Ich lachte trocken auf. »Was für mich aber dann im Krankenhaus endete.« Padme zog den Kopf ein.

An unsere erste Begegnung erinnerte ich mich nur allzu gut. Tage zuvor war Padme mit ihren Eltern in unsere Siedlung gezogen. Sie fielen unter all den Deutschen auf wie bunte Hunde, weil Padme und ihre Mutter Benita immer diese farbenfrohen Saris trugen. An einem schönen Frühlingssonntag saß ich allein auf der Schaukel des Gemeinschaftsspielplatzes, als Familie Srivastava aus dem Haus trat. Neugierig wie ich war, beobachtete ich sie. Sie bewarfen sich mit buntem Pulver und riefen dabei irgendetwas auf Indisch. Heute weiß ich, dass es sich dabei um das Holi-Ritual handelte. Als Padme mich auf der Schaukel bemerkte, kam sie lachend auf mich zugerannt. Sie warf eine Handvoll rotes Pulver über meinen Kopf. Aber da ich erschrocken von der Schaukel aufgesprungen war, bekam ich etwas davon in die Augen. Eine Stunde lang musste ich das Pulver im Krankenhaus mit einer Augendusche ausspülen. Padme war untröstlich über diesen Vorfall und besuchte mich am nächsten Tag, um sich bei mir zu entschuldigen. Dies war der Beginn unserer langjährigen Freundschaft.

»Natürlich war das damals keine Absicht von dir. Aber wenn du mich nicht in dein Ritual miteinbezogen hättest, wäre mir vielleicht nichts passiert.«

Stirnrunzelnd zupfte sie an ihrem Sari herum. »Heißt das, ich soll dich nicht mehr mit unseren Bräuchen nerven?«

Ich stöhnte auf. »Das meine ich gar nicht. Aber du mixt einfach Aberglaube und Religion zusammen, bastelst dir deine eigene esoterische Welt, die du dann allen aufs Auge drücken willst. Du bist eigentlich Hindu, glaubst aber auch an Buddha und die Sternschnuppewünsche.« Padme schwieg betreten. Deshalb sprach ich einfach weiter. »Ich will mir aber nicht mehr ständig die Karten legen lassen müssen oder Angst haben, wenn ich Salz verschüttet habe, würde mich tagelang das Pech verfolgen. Ich glaube nämlich nicht an diesen ganzen Quatsch, weil es das sowieso nicht gibt.«

Padme schnaufte. »Gibt es doch.«

Ich rammte ihr meinen Ellenbogen in die Seite. »Mensch, Padme, hast du überhaupt kapiert, was ich dir damit sagen wollte? Nicht für jeden sind Riten und Esoterik der Nabel der Welt. Oder verlange ich von dir, dass du mich an Weihnachten in die Kirche begleitest?«

Meine Freundin schob schmollend ihre Unterlippe vor. In diesem Moment kam mir eine Idee. Vielleicht könnte ich sie überzeugen oder zumindest ein wenig in ihre Schranken weisen.

Ich sprang vom Bett auf. »Weißt du was? Ich werde es dir einfach beweisen.«

Padme sah mich skeptisch an. »Was?«

»Die Sache mit der Esoterik. Dass es nicht funktioniert.«

»Und wie bitte willst du das anstellen?«, fragte meine beste Freundin zweifelnd.

Stimmt. Wie könnte ich es ihr beweisen? Und zwar so, dass sie mir endlich Glauben schenken würde? Fieberhaft dachte ich nach, und es war, als hätte die Idee nur darauf gewartet, aus einem Winkel meines Gehirns hervorgekramt zu werden. »Ich glaube, ich stelle mal eine Liste mit Bestellungen beim Universum auf, und wir gucken, wie viele davon wirklich in Erfüllung gehen.« Sternschnuppen waren ja gerade nicht greifbar.

Padme riss die Augen auf. »Bist du verrückt? Die Geister fordert man nicht heraus.«

Ich lächelte ihr zu. »Da es Geister nicht gibt, kann ich sie auch nicht herausfordern«, erklärte ich ihr im Brustton der Überzeugung und drehte mich auf dem Absatz um. Die Idee war schlichtweg genial. Mit den Bestellungen, die folglich nicht eintreffen würden, könnte ich ihr zeigen, dass dieser ganze Esoterikkram absoluter Blödsinn war.

Aufgeregt öffnete ich die Schlafzimmertür und hastete in die Diele. Neben meinem Festnetztelefon auf dem Dielenschränkchen thronte ein dicker Notizblock. Ich riss ein Blatt ab und griff zu dem Kuli, der in der Krimskramsschale daneben lag. Anschließend gesellte ich mich wieder zu meiner Freundin.

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, flüsterte sie.

Ich ließ mich neben sie aufs Bett plumpsen und angelte nach dem Buch vom Nachttisch, um es als Unterlage zu benutzen.

Padme griff nach meinem Arm. »Ria, bitte nicht. Du weißt nicht, was du damit anrichtest.« Sie versuchte, mir den Kuli aus der Hand zu reißen.

Mit dem Arm wehrte ich sie ab. »Quatsch, was soll denn schon groß passieren?«

»Deine Bestellungen könnten in Erfüllung gehen.« Ihre Stimme vibrierte.

Ich grinste. »Guter Einwand. Deswegen wünsche ich mir nur Sachen, die ich sowieso gebrauchen kann. Wenn sie dann in Erfüllung gehen, ist es ja nicht so schlimm.« Während Padme mir zusah, japste sie aufgeregt nach Luft.

Was wünscht man sich denn so für gewöhnlich? »Oha, ich weiß«, rief ich laut aus. »Ich wünsche mir freien Eintritt für den Zoo morgen.«

Padme runzelte die Stirn. »Du willst morgen in den Zoo?«

Ich nickte verhalten. »Habe meiner Schwester versprochen, ihr das Kind abzunehmen, damit sie endlich mal wieder zum Friseur gehen kann.«

»Aber für morgen haben sie heftige Gewitter angesagt.«

Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. »Perfekt, dann wünsche ich mir gleich noch Sonnenschein dazu.«

Über eine halbe Stunde zerbrach ich mir den Kopf. Am Ende hatte ich zehn Wünsche zusammenkratzen können, bei denen ich mir sicher war, dass das Universum da ordentlich dran zu knabbern hätte. Padme hatte die ganze Zeit sämtliche indische Gottheiten um Hilfe angefleht.

»So, dann wollen wir mal gucken, was das Universum so draufhat, was?« Stolz besah ich mir meine Liste ein letztes Mal.

Bestellliste ans Universum

1. Ich wünsche mir für morgen Sonnenschein und freien Eintritt in den Zoo.

2. Ich wünsche mir, dass mein Arbeitskollege Daniel endlich meine Vorzüge erkennt.

3. Ich wünsche mir, dass meine Nachbarin Frau Obermeier am Sonntag Halsschmerzen bekommt, damit sie nicht singen und ich endlich mal ausschlafen kann.

4. Ich wünsche mir, dass mir jemand meine Termine am Montag in der Praxis abnimmt, damit ich nicht bis 17 Uhr arbeiten muss.

5. Ich wünsche mir, dass meine Wohnung einen neuen Look erhält, den ich nicht selbst bezahlen muss.

6. Ich wünsche mir, eine kostenlose Reise in ein weit entferntes Land zu machen.

7. Ich wünsche mir, dass meine Mutter endlich mit dem Jammern aufhört und sich einen Partner sucht.

8. Ich wünsche mir ein neues Auto, das ich nicht selbst bezahlen muss.

9. Ich wünsche mir eine neue berufliche Perspektive.

10. Ich wünsche mir, endlich meinem Traummann zu begegnen und ihn zu heiraten (nicht dass es wichtig wäre, aber immerhin bin ich seit heute 30!).

Es gab da einige Wünsche auf der Liste, die umsonst sein sollten. Nun gut, als Physiotherapeutin verdiente ich eben nicht so viel Geld. Außerdem fand ich dies eine weitere Herausforderung für das liebe Universum. Denn wer würde mir schon freiwillig eine Reise, ein Auto oder einen neuen Wohnungsanstrich spendieren?

»Ob das so gut ist«, jammerte Padmaja in einer Tour.

Mit der Liste in der Hand stand ich vom Bett auf und zog meine Freundin mit hoch. »Warum malst du den Teufel an die Wand, wenn es ihn doch gar nicht gibt?« Just in diesem Moment fiel das Bücherregal über meinem Nachttisch mit einem lauten Rumms herunter und zerdepperte den Porzellanschutzengel, den Padme mir letztes Jahr zum Nikolaus geschenkt hatte. Sie zuckte zusammen. »Siehst du, ich habe dir gleich gesagt, du darfst die Geister nicht verärgern.«

Ich griff zu einer der Schrauben, mit denen ich das Regal bei meinem Einzug an der Wand befestigt hatte. Sie war in der Mitte durchgebrochen. »Das waren keine Geister, sondern schlichtweg ein Materialfehler.«

Meine Freundin nahm mir die Liste aus der Hand und überflog sie. »Oh nein. Du musst echt vorsichtig sein.«

Ich verdrehte die Augen. »Warum regst du dich so auf?«

»Na, weil man sich nicht gleich so viele Sachen auf einmal wünschen sollte.«

»Ach was.« Hastig riss ich ihr die Liste aus der Hand, sah mir jeden Punkt noch mal genau an, dann faltete ich sie zusammen, hielt sie an mein Herz und murmelte leise: »Liebes Universum, ich bestelle mir, dass alle Wünsche auf meiner Liste in Erfüllung gehen.«

Das Einzige, was Padme dazu sagte, war »Merimaffikaaroschi«.

Kapitel 2Küssen im Delfinarium verboten

»Ich habe Durst«, nörgelte Mia. Wir standen am Duisburger Zoo in der Schlange vor der Kasse. Die Sonne schien prall auf uns herunter, wie es sich für einen Tag im Juni gehörte, weshalb das Kind scheinbar kurz vor dem Austrocknen war.

»Dann geh zu Frau Wurst«, gab ich zurück.

»Ja ja, ich weiß, die hat ein kleines Hündchen, das kackt dir ins Mündchen«, erwiderte die Kleine vorwurfsvoll.

»Pinkelt, nicht kackt.«

Das junge Pärchen vor mir drehte sich verwundert um.

»Ich hab aber immer noch Durst.«

»Du musst warten, bis wir drin sind, dann kaufe ich dir sofort was zu trinken, in Ordnung?«, versuchte ich es nun etwas diplomatischer.

»Mami hat aber immer was dabei.« Die Kleine hatte ja recht. Meine Schwester hätte sicherlich an alles gedacht.

»Beim nächsten Mal nehme ich auch was mit, okay?«, gab ich seufzend zurück.

Mia verstummte. Aber nur kurz. »Wann sind wir denn endlich drin?« Langsam zählte ich bis zehn.

»Gleich.«

»Wann ist gleich?«

Mittlerweile bereute ich mein Angebot, meiner Schwester das Kind für ein paar Stunden abzunehmen. Fünfjährige sind doch weitaus Nerven sägender, als ich es mir vorgestellt hatte, und Mia sägte gerade mit einer Diamantflex an meinen zahnseidestarken Nerven. Erschöpft verdrehte ich die Augen, konnte das Kind aber auch irgendwie verstehen. Die Fahrt von Düsseldorf nach Duisburg hatte nur 20 Minuten in Anspruch genommen, also fast die gleiche Zeit, die wir hier in der Schlange anstanden. Kann doch nicht so schwer sein, die paar Leute abzukassieren, oder?

»Herrgott, in der Zeit hätte Casanova vermutlich ein halbes Nonnenkloster befruchtet«, machte ich meinem Ärger laut Luft. Jemand tippte mir von hinten auf die Schulter. Ich drehte mich um. Vor mir stand eine Mami mit einem Jungen an der Hand, der in Mias Alter schien. »Junge Frau, hier hören auch Kinder zu. Können Sie Ihren Ton vielleicht etwas mäßigen?« Verlegen nickend drehte ich mich wieder nach vorne. Der Nachwuchs der Frau begann noch im selben Augenblick laut zu plärren, wie hungrig er denn sei.

»Und ich verdurste«, maulte Mia solidarisch mit.

Sind eigentlich alle Kinder Nörgler? Kriegen die womöglich mit der Muttermilch ein Protein eingeflößt, das sich an den Zellen des zentralen Nervensystems festsetzt? Vielleicht hätte ich mir besser keinen Sonnenschein für heute gewünscht. Zugegeben, ich war schon ein wenig überrascht gewesen, als ich morgens das herrliche Wetter gesehen hatte. Ich war aber schlichtweg davon überzeugt, es müsse Zufall sein.

Wir zwei rückten in der Schlange weiter auf. »Gleich haben wir es geschafft, okay?«

»Aber mir tun die Beine weh, und ich habe Riesendurst.«

Dann eben Plan B, wenn die Beruhigungstaktik nicht funktionierte ‒ Ablenkung. »Magst du nicht solange da hinten in den Souvenirshop gehen? Vielleicht findest du was Schönes.«

Mia zog grinsend von dannen, und mir kam so eine Ahnung, dass dies vielleicht kein besonders cleverer Schachzug war.

Zehn Minuten später war ich endlich an der Reihe und bestellte hastig »ein Erwachsener und ein Kind«, da Mia sich mit einem riesigen Plüschdelfin anfreundete, der sicher nicht weniger als 50 Euro kosten würde.

Die Kassiererin, eine ältere grauhaarige Omi mit Nickelbrille, tippte stoisch meine Bestellung ein. »Dat macht dann einundzwanzich fuffzich.« Na, sieh an. Und schon konnte ich den ersten nicht erfüllten Wunsch auf meiner Liste verbuchen. Sag ich doch, alles blanker Blödsinn.

Ich zückte den 50-Euro-Schein und legte ihn auf das Ablagebrett des Kassenhäuschens. Omi griff danach und tippte wieder etwas ein. Kurz darauf piepte die Kasse. Über den Rand ihrer Brille hinweg sah sie mich an. »Da hamse abba Schwein, junge Frau, da sinnse doch glatt de 10.000 Kundin in diesem Monat.« Sie legte mir zwei Karten hin, auf denen dick Gratis stand. »Außerdem müssense auf den Fotografen warten, der macht ein Bild von all unseren Jewinnern.«

»Oh … äh … okay«, stammelte ich, griff mir die Tickets sowie meinen Fünfziger und stellte mich etwas beiseite.

Ehrlich gesagt konnte ich es immer noch nicht fassen. Ich fand es merkwürdig. Ob ich womöglich in der Zeitung von der Aktion gelesen hatte? Aber ich konnte mich nicht daran erinnern.

Als der Fotograf schließlich angetrabt kam, tat ich letztlich alles als einen Zufall ab. Nur weil der erste Wunsch auf meiner Liste in Erfüllung gegangen war, hieß das noch lange nicht, dass das mit den Bestellungen auch wirklich funktionierte.

»Tante Ria?«

»Jepp?«

»Guck mal da vorne.«

Ich sah von meinem Prospekt über das Delfinarium auf und folgte dem Finger meiner kleinen Nichte. Drei Reihen weiter vor uns saß ein Pärchen, das sich gerade innig in die Köpfe biss.

»Die machen sexy. Einfach so hier«, entrüstete sich das Kind.

Verdutzt sah ich sie an. »Was machen die?«

»Sexy. Weißt du nicht, was das ist? Annika sagt immer, Leute, die sich küssen, machen sexy.«

»Wer bitte ist Annika? Und woher hat sie das?« Mein Blick glitt zurück zu dem knutschenden Pärchen.

»Annika ist meine Freundin aus der Kita. Sie weiß sehr, sehr viel, zum Beispiel auch das man vom Sexymachen Babys kriegt.« Mia kicherte. »Kriegen die jetzt eins?«

Hinter vorgehaltener Hand musste ich mir ein Grinsen verkneifen und dachte wieder an die Mutti, die mir vorhin auf die Schulter getippt hatte. Gegen die beiden Knutschkugeln vor uns war ich mit meinem Spruch doch eher ein Waisenknabe gewesen.

»Hey, ihr da vorne«, rief ich deshalb dem Pärchen zu, »im Delfinarium ist küssen verboten.« Und während ich noch ein »Immerhin sitzen hier auch Kinder« hinterherschob, drehte sich der Kerl zu mir um. Und in diesem Moment erkannte ich ihn. Es durchzuckte mich wie Zahnschmerzen. Mist. Der Typ war Matthias, mein ehemaliger Arbeitskollege. Wir hatten uns noch nie leiden können.

Matthias verdrehte auch gleich die Augen, als er mich sah, was ihn dennoch nicht davon abhielt, sich behäbig von seinem Sitz zu erheben. Kopfschüttelnd kam er die drei Reihen zu mir hochgekraxelt. Auch das noch. Ich stöhnte auf und vergrub meinen Kopf wieder demonstrativ im Prospekt.

Der dunkelhaarige Schlacks mit dem braunäugigen Dackelblick hatte lange Zeit bei uns in der Praxis gearbeitet und reihenweise die gutaussehenden Patientinnen abgegraben. Bis sein Vater bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war. Daraufhin hatte er gekündigt und sich eine Auszeit genommen. Sicherlich musste der arme Kerl sich seinen Kummer aus der Seele vögeln.

»Hey Ria, was machst du denn hier?«, wollte er wissen, als er vor mir stand. Seine Hände steckten lässig in den Hosentaschen.

Ich hob den Blick. »So wie es aussieht, ungewollt anderen Leuten beim Austausch von Körperflüssigkeiten zugucken.«

Matthias runzelte die Stirn. »Kannst ja auch woanders hingucken.«

Boah, dieser Blödmann. Solche Leute liebe ich ja. »Ich habe gar nicht geguckt«, verteidigte ich mich, »sondern das Kind hier.« Ich bemühte mich, meiner Stimme einen sarkastischen Ton zu verleihen. »Aber tut mir leid, vorne stand nicht dran, dass die Vorstellung erst ab 18 ist.«

Matthias maß erst mich abschätzig, dann sah er zu Mia rüber, die uns stillschweigend beim Schlagabtausch beobachtet hatte. »Okay. Hast recht. Mea culpa.«

Meine Nichte zupfte an meinem Ärmel, und ich beugte mich zu ihr herab. »Tante Ria, wer ist das?«, flüsterte sie mir ins Ohr.

»Das ist Matthias, ein ehemaliger Arbeitskollege.« Mit einer Handbewegung zeigte ich auf Mia und sagte: »Matthias, das ist meine Nichte.«

Matthias grinste und hielt ihr die Hand hin. »Hallo, Adlerauge. Schön, dich kennenzulernen.«

Sie lächelte verschüchtert und schüttelte seine Hand. »Annika hat gesagt, dass man vom Sexymachen Babys kriegt. Kriegt ihr jetzt eins?«

Mein Ex-Arbeitskollege wurde schlagartig ernst. »Sexymachen?«

Er enttäuschte mich. Wenn einer wissen müsste, was sexymachen bedeutete, dann doch wohl der Weiberfachmann hier. »Küssen«, klärte ich ihn auf.

Matthias verzog keine Miene.

»Annika hat auch gesagt, dass nur verheiratete Menschen sexymachen dürfen. Seid ihr verheiratet?«

Matthias schaute zu seiner Auserwählten, die zwei Reihen unter uns saß. Wie ich sehen konnte, passte sie voll in sein Barbie-reloaded-Beuteschema. Gertenschlank mit blonden glatten Haaren, das Gesicht durch hohen Wangenknochen aristokratisch, während die Nase stupsig und die Lippen voll waren. Von der Oberweite her tippte ich bei ihr auf ein pralles C-Körbchen.

»Genau, Matthias, seid ihr verheiratet?«, stichelte ich.

Er hüstelte verlegen. »Äh … nein. Ekaterina ist eine gute Bekannte.«

»Und warum nicht? Ist sie dir nicht hübsch genug?«, wollte Mia wissen.

»Oh … äh … uh … tja … nein, das ist es sicher nicht.« Er warf mir schnell einen Blick zu, den man wohl als Hilfe suchend interpretieren könnte.

Ich grinste. Mister LoverLover in dieser misslichen Lage zu sehen, gefiel mir ganz gut. »Mia, nicht alle Männer heiraten gleich. Dann können sie auch öfter mal mit unterschiedlichen Frauen sexymachen, verstehst du?«

Matthias sah mich bitterböse an. »Und deine Tante macht jahrelang nur mit einer einzigen Person namens Alex sexy, was in meinen Augen total langweilig ist.«

Mia guckte skeptisch. »Tante Ria, wen meint er damit?«

Matthias wusste ja nicht, dass ich nicht mehr mit Alex zusammen war. Ehrlich gesagt wollte ich es ihm auch nicht erzählen, um nicht Zielscheibe seines Gespötts zu werden.

»Okay, können wir aus Jugendschutzgründen jetzt das Thema wechseln? Sonst kriege ich noch Ärger mit meiner Schwester.«

Mein ehemaliger Arbeitskollege nickte. »Klar! Und sonst so? Arbeitest du immer noch in Gittas Praxis?« Wir tauschten schließlich ein paar knappe Infos aus, und Matthias berichtete mir, dass er sich vor Kurzem selbstständig gemacht hatte. Dank der großzügigen Risikolebensversicherung seines Vaters wurde ihm etwas Geld zuteil, das er in eine eigene Privatpraxis mitten auf der Kö in Düsseldorf investiert hatte.

Mittlerweile strömten immer mehr Menschen ins Delfinarium. Neben mir rutschte Mia unruhig auf der Holzbank herum, und Matthias’ Barbie schaute immer öfter strafend zu uns hoch.

»Tante Ria, wann kommen denn endlich die Wale?«

Ich schüttelte den Kopf. »Der Duisburger Zoo hat keine Wale mehr, Schatzi.«

Matthias runzelte die Stirn. »Und was bitte sind Delfine?«

Schnell warf ich ihm einen ungehaltenen Blick zu. »Delfine eben.«

»Delfine sind aber auch Wale, genauso wie Killer- oder Blauwale«, klärte er mich auf.

»Was denn nun?«, quengelte meine Nichte dazwischen.

Ich seufzte. »Delfine sind jedenfalls viel kleiner als Wale«, versuchte ich aus der Sache wieder herauszukommen.

»Also auf die Größe kommt es hier nun wirklich nicht an, sondern eher auf die Zugehörigkeit zu einer Familie«, nervte mein Ex-Kollege weiter.

»Klugscheißer«, murmelte ich leise.

»Moralapostel«, parierte er zischend.

Matthias’ Barbie sah schließlich so stechend zu uns hoch, dass ich das Pieksen auf meiner Haut förmlich spüren konnte. »Du solltest langsam gehen.« In diesem Moment rief sie auch schon: »Daragoij?«

Er räusperte sich. »War trotzdem schön, dich mal wiederzusehen. Vielleicht kommst du mich mal in meiner Praxis besuchen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht«. Natürlich würde ich das nicht tun. Ich hatte gelinde gesagt bessere Ideen, meine Zeit zu verbringen, als Matthias’ Penisverlängerung in Praxisformat zu begutachten.

Die Trainerin der Delfine erschien am Beckenrand, weshalb Mia johlend aufsprang und mir ins Ohr schrie. »Da, Tante Ria, guck mal …«

Matthias erhob sich. »Also bis dann, Ria. Man sieht sich.« Einer der Delfine legte einen dreifachen Salto hin und platschte ins Wasser. Die Leute kreischten laut auf.

Ich nickte ihm beiläufig zu und sagte: »Alles klar. Bis dann.«

»Also den Delfin hättest du Mia wirklich nicht kaufen müssen. Der war doch bestimmt schweineteuer«, bedankte sich meine Schwester. Wenn Sandra bloß wüsste, wie teuer der lila Tümmler wirklich gewesen war. Aber das riesige Stofftier war mein erfolgreiches Druckmittel, das Kind endlich aus dem Zoo zu bekommen.

Nach vier Stunden war ich gewissermaßen am Ende meiner Kräfte. Mia war im Zickzackmuster von einem Gehege zum anderen gerannt, und obwohl ich ziemlich sportlich bin, hatte ich Mühe, mit ihr mitzuhalten. Und als ich andeutete, nach Hause zu wollen, fing das Geplärre an. Nachdem sich schließlich der Himmel zugezogen hatte und es so aussah, als würde jeden Moment die Welt untergehen, hatte ich Mia mit dem Delfin geködert, den sie im Souvenirshop als Andenken an den Tante-Ria-Tag auserkoren hatte.

»Schön, deine neue Frisur«, lenkte ich geschickt ab und musterte meine Schwester. Sie hatte sich einen frechen Bob schneiden lassen, der sie um einiges jünger aussehen ließ.

Sandra war vier Jahre älter als ich und das genaue Gegenteil von mir. Während ich mit den blonden langen Haaren, der schlanken Figur und den blauen Augen absolut nach unserem Vater kam, dominierten bei Sandra die mütterlichen Gene. Sie war dunkelhaarig, klein und etwas moppelig. Auch charakterlich unterschieden wir uns. Meine Schwester war mehr der familiäre Typ, ich dagegen das Paradebeispiel für einen Single. Ich konnte nicht kochen, war ein Workaholic und gerne mit mir allein. Trotzdem verstanden wir uns und waren seit der Trennung unserer Eltern näher zusammengerückt.

»Danke«, gab Sandra lächelnd zurück. »Bin mal gespannt, was Nobbi dazu sagt.« Nobbi alias Sandras Mann war immer dagegen, dass sie sich die langen Haare abschneiden ließ. Da war er eben ein typischer Kerl.

Sandra drehte sich um und lief in die Küche. Ich trabte ihr hinterher. Augenblicklich stürmte Mia durch die Tür. »Mama, ich hab Durst.«

»Dann geh zu Frau Wurst«, ärgerte ich sie mit meinem Standardspruch.

Mia verdrehte die Augen. »Boah, Tante Ria.«

Sandra griff zu einer Flasche Wasser. »Und wenn’s Nobbi nicht gefällt, kann er ja ausziehen.« Sie zwinkerte mir zu.

Seit ich denken kann, war Sandra mit Nobbi verheiratet. Dazu war er auch ihr erster Freund. Bisher waren die beiden immer ein Herz und eine Seele gewesen. »Gibt’s etwa Ärger im Paradies?«

Sandra schüttelte den Kopf. »Quatsch, alles okay. Das Übliche eben.« Sie drückte Mia ein Glas Wasser in die Hand. Die Kleine nippte daran und verschwand wieder.

»Ich muss los, ich habe gleich noch einen Termin zur Behandlung.« Schnell drückte ich meine Schwester zum Abschied und lief Richtung Wohnungstür.

»Ach, Moment«, rief mir Sandra hinterher. »Kannst du die Unterlagen für Mutti mitnehmen? Sie wollte unsere Steuern machen.« Meine Mutter war gelernte Sekretärin und unser aller Steuerberater. Da ich sonntags immer bei ihr aß, war es kein Problem für mich, ihr die Unterlagen zu geben.

Ich nahm meiner Schwester den Aktenordner ab. »Mach ich. Halt die Ohren steif, ja?«

Sandra grinste. »Aber sicher doch.«

Von Sandra aus fuhr ich direkt zu meinem Termin, der nur eine Etage unter mir wohnte. Während ich im Hausflur stand und darauf wartete, dass Frau Angström mich hereinließ, vernahm ich ein heiseres Kläffen draußen im Hof. Der Mops von der Obermeier.

Frau Obermeier und ihr Bürgersteig-Tretminen-Leger bewohnten die Wohnung direkt über mir, was mich immer wieder zutiefst bereuen ließ, vor einem Jahr in dieses Haus, das ich auch gerne als Altersheim bezeichne, überhaupt eingezogen zu sein. Insbesondere sonntagmorgens um kurz nach acht, wenn die alte Dame der Meinung war, die Nacht sei zu Ende. Sie legte dann Opernplatten auf und trällerte eine Arie nach der anderen herunter. Am Rande hatte ich mal aufgeschnappt, dass sie eine gefeierte Operndiva gewesen sein soll. Ihr Flohzirkus mit dem bekloppten Namen Schrödinger jaulte immer solidarisch mit, was mich am meisten nervte.

Leider konnte ich gegen die Lärmbelästigung nicht viel ausrichten. Mit meinen 30 Jahren riss ich den Altersdurchschnitt in diesem Haus dramatisch nach unten, und alle anderen Parteien fanden nicht nur Frau Obermeiers Operngesang, sondern auch Schrödingers Gejaule äußerst herzergreifend.

Plötzlich fiel mir Wunsch Nummer drei auf meiner Liste ein. Ich hatte mir einen Sonntagmorgen ohne Gedudel gewünscht, damit ich mal ausschlafen konnte. Aber obwohl ich an diesem Tag schon freien Eintritt in den Zoo und Sonnenschein statt Gewitter hatte, war ich fest davon überzeugt, an Frau Obermeier und ihrem Mops würde sich das Universum die Zähne ausbeißen.

30 Minuten später war ich mit der Behandlung fertig und deckte Frau Angström mit einem Handtuch den Rücken für die Nachruhephase ab. Sie seufzte auf. »Kindchen, es war wie immer wundervoll, du hast wirklich magische Hände.«

»Ach was«, gab ich zurück, »mit Magie hat das nun gar nichts zu tun.«

»Nein, nein, nein, ich habe wirklich das Gefühl, du löst in mir angestaute Energieströme, und wenn es um so etwas geht, da kenne ich mich aus, glaube mir.« Frau Angström war genauso eine Esoterikqueen wie Padme. Sie konnte angeblich sogar als Madame Thiara hellsehen und scheute auch nicht davor zurück, ihre magere Rente seit dem Tod ihres Mannes damit aufzupeppen. Aber aufgrund ihres stolzen Alters von 78 Jahren sowie der gebückten Haltung über ihrer Kristallkugel tendierte sie zu Problemen im Lendenwirbelbereich. An mir lag es dann, ihre Verspannungen wieder zu lösen.

»Vielleicht sollten Sie sich wirklich langsam einen Pezziball anschaffen und gegen den Holzstuhl tauschen.«

Sie schnaufte auf. »Da nützt einem der Ball auch nix, wenn die Knochen nicht mehr wollen.«

Ich verdrehte die Augen. »Natürlich sind Sie nicht mehr die Jüngste, aber trotzdem können Sie Ihren Rücken unterstützen. Ein Pezziball zwingt Sie dazu, gerade zu sitzen und die Rückenmuskulatur zu trainieren.« Mein Handy surrte los und erstickte den Rest meiner Predigt im Keim. Ich griff hastig zu einem Handtuch, um mir die Finger abzuwischen. Dann nahm ich das Gespräch an.

»Und? Hattest du freien Eintritt?« Padme ließ also nichts anbrennen. Schon als ich den 50-Euro-Schein an der Zookasse wieder einpacken musste, war mir klar, dass sie sich genau deswegen auf die Funktionsfähigkeit von Bestellungen beim Universum berufen würde. Doch in meinen Augen gab es nur eine einzig wahre Erklärung. »Das war Zufall. Vielleicht …«

»Ganz bestimmt nicht«, unterbrach sie mich. »Siehst du, ich hab’s dir gleich gesagt, oh mein Gott, wenn ich bloß an die Liste denke …« Meine Freundin und ihre esoterische Panikschieberei.

»Jetzt mach mal halblang. Es war nur ein Wunsch ans Universum, und es heißt doch nicht …«

Padme unterbrach mich erneut. »Und ob das funktioniert. Nur du bist die Einzige, die nicht daran glauben will.«

Langsam begann ich, meine Sachen einzuräumen. »Ich denke, das ist alles bloß Zufall, sonst nichts.«

»Dein hoffnungsvolles Wort in Ganeshas Ohr!«, predigte sie am anderen Ende der Leitung. »Aber wir werden ja sehen. Neun Wünsche bleiben noch.« Und ehe ich mich versah, würgte sie mich ab. Padme arbeitete in einer Buchhandlung. »Ria, ich bekomme hier gerade Kundschaft. Ich melde mich später noch mal, in Ordnung?« Kurz darauf knackte es in der Leitung.

Nachdenklich sah ich erst mein stummes Telefon, dann Frau Angström an, die mich wiederum skeptisch musterte.

Abrupt setzte sie sich auf und griff zum Handtuch, um ihre Vorderseite damit zu bedecken. »Es tut mir leid, Kindchen, eigentlich ist es nicht meine Art zu lauschen, aber Wünsche ans Universum?«

Ich legte das Handy weg und räumte weiter auf. Frau Angström würde nun sicher auch mit dem esoterischen Zeigefinger wedeln. »Bevor Sie gleich losschimpfen, ich wollte meiner Freundin damit nur zeigen, dass dies alles absoluter Humbug ist.« Ich warf die gebrauchten Papiertücher in die Klappkiste.

Die alte Dame unterbrach mich. »Das ist aber kein Humbug, Kindchen. Da musst du sogar höllisch aufpassen.«

Mir fehlten die Worte. Ehrlich gesagt konnte ich nicht verstehen, warum alle so den Teufel an die Wand malten. »Nur weil zwei Sachen auf meiner Liste eingetreten sind, heißt es doch nicht, dass es auch funktioniert.«

»Sagst du. Und was, wenn es doch funktioniert?«

»Ich bitte Sie, das ist doch alles Blödsinn. Pendeln, Astrologie, Bestellungen beim Universum. Dafür gibt es immer auch eine wissenschaftliche Erklärung.«

Langsam rutschte sie von der Liege und zog sich wieder an. »Kindchen, damit unterstellst du mir gerade, dass Hellsehen und Kartenlegen auch nicht funktionieren.«

Ich zuckte zusammen. Damit hatte sie natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Für übernatürliche Phänomene gab es für mich stets wissenschaftliche Erklärungen. Angebliche Geistererscheinungen waren durch Neurotransmitter ausgelöste Halluzinationen, wie ich irgendwo gelesen hatte. Trotzdem war es mir peinlich. Denn eigentlich wollte ich damit ja niemanden verletzen, sondern nur meine Freundin in ihre Schranken weisen.

»Deswegen habe ich eine Liste mit Wünschen aufgestellt. Wenn das mit der Esoterik stimmt, wird mir das Universum diese Wünsche erfüllen. Wenn nicht, dann ist es doch der Beweis.«

Frau Angström seufzte auf. »Jeder Mensch hat Wünsche. Aber nicht alle sollten auch direkt ans Universum gerichtet werden. Das kann nämlich ungeahnte Folgen haben.«

Ich winkte ab. »Ach was, wenn sie erfüllt werden, kann ich das alles gut gebrauchen.«

Urplötzlich griff Madame Thiara zu meinem Arm. Ihre Augen begannen zu funkeln. »Versteh doch, Kindchen. Es ist entscheidend, wie du deinen Wunsch formulierst.« Die Art und Weise, wie sie mich nun anstarrte, versetzte mir einen kleinen Schock, der mein Herz schneller schlagen ließ. »Schließlich muss das Universum diese Wünsche interpretieren. Und vielleicht interpretiert es sie ganz anders als du.« Ihr Griff zog sich noch etwas fester zu, während ihre Augen nun nahezu schwarz erschienen. Zusammen mit dem leisen Donnergrummeln des Gewitterausläufers von vorhin klang es bedrohlich. Mir lief ein Schauer über den Rücken.

Sie ließ mich wieder los und eilte schließlich durch den Perlenvorhang in die Küche. »Hoffen wir nur, dass du deine Wünsche auch gut formuliert hast«, rief sie mir über die Schulter zu. Aus einer Plastikdose oben auf dem Schrank holte sie zwei Geldscheine hervor. Sie kam damit zurück und lächelte. »Das Universum kennt nämlich kein 100-tägiges Umtauschrecht wie Zalando.«

Mit einem eleganten Hüftschwung schubste ich die Tür ins Schloss und stellte meine tragbare Liege ab. Das Geld warf ich mit zitternden Händen einfach in meine Krimskramsschale.

Frau Angströms Warnung hatte mir tatsächlich Angst eingejagt. Trotz allem verspürte ich nach wie vor den heftigen Drang, Padme mit meiner Bestellliste in ihre Schranken zu weisen. Wenn ich auch weiterhin mit ihr befreundet bleiben wollte, musste sich etwas ändern.

Nachdenklich lief ich ins Wohnzimmer, um zuerst Chucky zu versorgen. Chucky, mein Mördergoldfisch, der jedem anderen Fisch erfolgreich nach dem Leben getrachtet hatte, fristete sein Dasein ganz alleine in einem 80-Liter-Becken. Da Chucky auch keine Pflanzen mochte, gab es im Aquarium nur eine karge Unterwasserlandschaft auf buntem Kies. Ich gab meinem Mitbewohner etwas Futter.

Anschließend zog ich meine Schuhe aus und ließ mich matt auf die Couch sinken. Mein Blick streifte dabei den kleinen weißen Zettel auf dem Tisch. Es war diese vermaledeite Wunschliste. Nachdenklich griff ich danach und faltete sie auseinander. Ich nahm meinen Zopf zwischen die Finger.

Kann man an Wünschen wirklich etwas falsch formulieren? Ich wünsche mir für morgen Sonnenschein und freien Eintritt in den Zoo. Also hatte das Universum anscheinend kein Problem damit gehabt, meinen Wunsch richtig zu interpretieren. Aber was wäre hiermit: Ich wünsche mir, dass meine Wohnung einen neuen Look erhält. Vielleicht hätte ich Look genauer definieren sollen.

Weiterhin ging ich jeden einzelnen Wunsch durch und fragte mich, was ich hätte deutlicher formulieren können. Schließlich kam ich aber immer zu dem gleichen Ergebnis ‒ es war zu spät für Bedenken. Immerhin hatte ich meine Liste bereits in den Universums-Orkus geflüstert.

Das unerwartete Klingeln an meiner Haustür riss mich aus meinen Überlegungen. Eigentlich erwartete ich keinen Besuch mehr, weshalb ich stur sitzen blieb. Ab und an kamen hier Hausierer vorbei, die den alten Leutchen im Haus gerne etwas aufschwatzen wollten. Kurz darauf klingelte es jedoch erneut. Diesmal sogar Sturm.

Ich warf die Liste zurück auf den Tisch und lief zur Tür. Dort hob ich den Hörer der Gegensprechanlage ab. »Ja, bitte?«

»Hi, ich bin’s, Daniel!«

Die vier Worte reichten vollkommen aus, um meine Knie augenblicklich in Butter zu verwandeln. Selbst mein Herz setzte für einen Schlag lang aus. Ich kannte nur einen Daniel, meinen Arbeitskollegen aus der Praxis. Der Daniel von Wunsch Nummer zwei. »Äh … was … was machst du hier?«, stammelte ich mit einem seltsamen Kieksen in der Stimme.

Er lachte auf. »Habe gedacht, ich komm dich besuchen.«

Mein Gehirn ratterte los. Daniel hatte sich bis dato kaum für mich interessiert. Was also wollte er jetzt von mir?

Ich wünsche mir, dass mein Arbeitskollege Daniel endlich meine Vorzüge erkennt. Sollte er vielleicht deswegen …?

Quatsch. Sicher gab es auch für Daniels Besuch einen guten Grund. Klar, es gibt doch für alles immer eine natürliche Erklärung. Im Zweifel der Zufall.

»Ähm … ach was. Seit wann kommst du mich denn freiwillig besuchen?«

Er räusperte sich. »Okay, hast mich erwischt. Ich wollte dir etwas bringen«, kam es durch den Hörer zurück, »und ich war gerade in der Nähe.« Wusste ich es doch.

»Woher kennst du überhaupt meine Adresse?«

»Von Gitta natürlich.« Nach der Ausbildung hatte ich einige Zeit im Krankenhaus gearbeitet, mich aber letztlich dazu entschieden, in eine Physiotherapiepraxis zu gehen. Und so war Gitta meine neue Chefin geworden. »Sie hat mir die Flaschen Massagelotion mitgegeben, die du bestellt hast. Gestern warst du nicht da, und sie meinte, du bräuchtest sie dringend.« Stimmt. Ich hatte Gitta vorgestern was von höchster Eisenbahn gesagt. Bei Frau Angström musste ich die Flasche schon auswringen.

»Warst du krank? Du warst nicht auf der Arbeit.«

»Ne, ich hatte Geburtstag«, gab ich verlegen zurück. Für meinen Dreißigsten hatte ich mir extra einen Tag Urlaub gegönnt, um mit Sandra und meiner Mutter frühstücken und anschließend shoppen zu gehen. Wie ich dann später erfahren musste, war das alles nur Ablenkung wegen der Überraschungsparty gewesen.

»Ich habe mir vorhin eine Flasche Rotwein gekauft, dann können wir ja zusammen noch mal anstoßen. Also machst du endlich auf?«

Nachdenklich drückte ich schließlich auf den Summer. Ob das mit den Bestellungen vielleicht doch irgendwie funktionierte? Immerhin hatte ich mir gewünscht, dass er meine Vorzüge erkennt, oder etwa nicht? Hatte er sich deshalb vielleicht die Mühe gemacht, mir die Flaschen mit Massagelotion höchstpersönlich vorbeizubringen?

Als Daniels blonder Schopf schließlich unten am Treppenabsatz auftauchte, hüpfte mein Herz auf und ab, und es war mir egal, wer dafür verantwortlich war. Daniel stand auf meiner Fußmatte. Also was wollte ich mehr?

Daniel grinste frech. Seine Augen strahlten, und einige Strähnen seines kurzen Haares standen hoch, als hätte er es sich eben noch aus dem Gesicht gestrichen. Er hielt einen Karton in der Hand. »Happy Birthday«, sagte er und drückte mir dazu die Flasche Rotwein an die Brust.

Hastig trat ich einen Schritt beiseite. Mein Kollege lief an mir vorbei. Unaufgefordert nahm er auf meinem Dreisitzer im Wohnzimmer Platz. Verwirrt schloss ich die Tür.

»Gemütlich hast du es«, murmelte er und ließ seinen Blick fachmännisch durch mein Wohnzimmer schweifen. Kurz darauf blieb er bei der Filly-Pferdchen-Sammlung in meiner Vitrine hängen. Irgendwann hatte ich damit angefangen und kann seitdem an keinem Kiosk oder Schreibwarenladen vorbeigehen, ohne mir eines zu kaufen. Dass Filly immer neue Ideen ausbrütet, wie die Filly Babys oder Filly Witches, macht die Sache wirklich nicht einfacher.

»Sag nicht, du sammelst diese Dinger.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Dinger? Das sind kleine Fantasiepferde.«

Kritisch musterte er meine Sammlung. »Aus billigem Kunststoff für viel zu viel Geld. In der Herstellung kosten die vermutlich zehn Cent oder so. Und was zahlst du für eine Tüte? Ein oder zwei Euro?«

Seine Aussage versetzte mir einen Stich. Ich versuchte es einfach zu ignorieren und ging in die Küche. Mit zwei Gläsern kehrte ich zurück. Daniel stand nun in der Diele und begutachtete das Foto an der Wand. Es handelte sich um eine Schwarz-Weiß-Aufnahme in einem verschnörkelten, edlen Metallrahmen.

»Wer ist das?«

»Meine Eltern.«

»Warum hängt hier ein Bild von der Hochzeit deiner Eltern?« Daniel musterte mich.

»Weil ich meine Eltern liebe.« Tatsächlich hatte ich das Bild erst am Tag ihrer Scheidung hingehängt, da ich einfach nicht glauben konnte, dass sie geschiedene Leute waren. Für mich hatten sie immer den Inbegriff des perfekten Paares dargestellt, bis eines Tages Elsa aufgetaucht war und die Familie auseinanderbrach.

Ehrlich gesagt wollte ich mit Daniel nicht darüber reden. Das war sowieso ein Thema, das ich nur zu gerne mied.

Ich drehte mich um und lief ins Wohnzimmer. Daniel folgte mir und nahm neben mir auf der Couch Platz. Geschickt entkorkte er die Flasche mit dem Öffner.

Als er mir den Wein einschenkte, sah er mir über den Rand des Glases hinweg tief in die Augen. »Okay, jetzt erzähl doch mal, hast du eigentlich einen Freund?« Ich bemerkte, wie ich mit der freien Hand zu meinem Zopf griff.

Kapitel 3Zweifelst du noch, oder bestellst du schon?

Gerädert schlug ich die Augen auf. Die Sonne schien durch die schmalen Ritzen an den Seiten des Rollos herein, und das Pochen in meinem Kopf erinnerte mich daran, dass Daniel und ich die Flasche Rotwein geleert hatten. Ehrlich gesagt konnte ich es immer noch nicht fassen. Bis kurz vor Mitternacht hatten wir auf der Couch rumgelümmelt und über alles Mögliche gequatscht.

Beschwingt warf ich die Bettdecke zur Seite, stand auf und streckte mich. Anschließend lief ich in die Küche. Während ich einen Pad in die Kaffeemaschine einlegte, fiel mein Blick auf die Uhr an der Wand. Es war bereits neun durch.

Seltsamerweise beschlich mich in diesem Moment die Befürchtung, etwas würde nicht stimmen. Ich wusste nur nicht was. Es war Sonntag, das Wetter schön, und ich musste nicht arbeiten. Trotz allem war da dieses komische Gefühl in meinem Bauch.

Ich drückte den Knopf des Kaffeeautomaten. Er ratterte los. Mit der Tasse in der Hand lief ich anschließend ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch setzte und den Fernseher einschaltete. Wie jeden Sonntagmorgen stellte ich ihn auf ganz laut, da das Operngedudel aus der Wohnung über mir mich bei Zimmerlautstärke meist eh kein Wort verstehen ließ. Aber just in dem Moment, wo der Fernseher wie die Turbine einer Boeing 737 losbrüllte, ging mir auf, was nicht stimmte. Mit der Stummtaste drückte ich den Ton weg und lauschte. Da musste doch was sein, vielleicht ein bisschen Gejaule, Gekläffe oder ein Rumoren, irgendwas. Aber ich hörte ‒ nichts. Ich wünsche mir, dass meine Nachbarin Frau Obermeier am Sonntag Halsschmerzen bekommt …

Mein Herz wummerte los. Erst Sonnenschein statt Gewitter, freier Eintritt in den Zoo, Daniel, der mich wahrgenommen hatte, und jetzt auch noch die gewünschte Stille am Sonntagmorgen. Der Zufall musste es ausgerechnet mit mir wirklich gut gemeint haben. Oder war an den Bestellungen doch was dran?

Ach Quatsch. Dann waren halt einige Punkte eingetroffen. Sonnenschein statt Gewitter war nichts Ungewöhnliches. Und was den freien Eintritt betraf, da war ich mir sicher, dass ich irgendwo davon gelesen hatte – dadurch war ich erst auf die Idee zu diesem Wunsch gekommen. Unterbewusstsein! Bei Daniel war es Gitta. Aber was die Stille in der Obermeierwohnung betraf, da war ich schlichtweg ratlos.

Nun zeigte die Uhr bereits kurz vor halb zehn. Um diese Zeit war meist das ganze Haus von Opernklängen nebst Hundegejaule erfüllt. Nur heute nicht. »Alles bloß Zufall«, beruhigte ich mich selbst. Wahrscheinlich war die Obermeier gerade mit dem Hund draußen.

Ich sprang von der Couch auf und lief ins Schlafzimmer.

Entschlossen, nicht weiter darüber nachzugrübeln, wollte ich stattdessen einfach eine Runde durch den Park drehen. Sport würde mich auf andere Gedanken bringen.

Langsam lief ich aus und überquerte keuchend die Sternwartstraße. Als ich rechts in die Volmerswertherstraße einbog, bemerkte ich den Krankenwagen. Zwei Sanitäter hantierten an einer Trage herum, auf der unverkennbar die verkappte Operndiva lag. Ringsherum hatte sich ein Grüppchen mit Hausbewohnern versammelt, die wild durcheinander gestikulierten. Darunter erkannte ich auch Frau Angström, die den Mops der Obermeier an der Leine hielt.

»Kindchen, gut, dass du kommst.« Frau Angström lief mir entgegen. Den Hund zog sie an der Leine hinter sich her.

»Was ist los?« Skeptisch versuchte ich, das aufgeregte Schauspiel vor unserer Haustür zu überblicken.

»Inge ist in der Dusche ausgerutscht und kam nicht mehr hoch«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich habe mir Sorgen gemacht, weil alles so ruhig war.« Demnach war die Stille vorhin nicht nur mir aufgefallen. »Also bin ich mit dem Zweitschlüssel in ihre Wohnung. Da lag sie bewusstlos im Badezimmer, und ich habe gleich den Notdienst gerufen.« Frau Angström hielt sich kurz die Hand vor den Mund. »Sie hat starke Schmerzen an der Hüfte.«

Erleichtert atmete ich auf. Schmerzen am Becken waren gut. Damit meinte ich keinesfalls, dass Schmerzen generell gut wären, aber Schmerzen am Becken waren deshalb gut, weil es keine Halsschmerzen waren, so wie ich sie mir bestellt hatte. Womit der Sturz absolut nichts mit meinem Wunsch ans Universum zu tun haben konnte.

Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, wie die Trage im Rettungswagen arretiert wurde. Frau Obermeier rührte sich nicht. »Kommt sie in die Uniklinik?«

Frau Angström nickte. Einige Strähnen ihres grauen Haares lösten sich dabei aus dem Dutt, den sie behelfsmäßig mit Haarklammern festgesteckt hatte. »Der Arzt meint, sie habe sich bei dem Sturz womöglich den Oberschenkelhals gebrochen, aber das könne er erst nach dem Röntgen genau sagen.«

Mich durchzuckte es. »Was hat sie sich gebrochen?«

»Den Oberschenkelhals oder so. Aber du müsstest dich da doch besser auskennen, Kindchen.«

Ich wünsche mir, dass meine Nachbarin Frau Obermeier am Sonntag Halsschmerzen bekommt … Prompt erinnerte ich mich an Frau Angströms Worte gestern. Das Universum muss diesen Wunsch für dich interpretieren. Oberschenkelhals und starke Schmerzen gleich Halsschmerzen. Hatte das vielleicht doch etwas mit dem Wunsch zu tun? Hatte das Universum Halsschmerzen eben auf seine Art interpretiert und meine Bestellung mit dem Sturz ausgeliefert?

Der Notarzt kletterte aus dem Krankenwagen heraus. »Könnte jemand nachher ein paar Sachen vorbeibringen?«

Frau Angström sah fragend zu mir herüber. »Kannst du das übernehmen? Du hast doch ein Auto.«

Prompt unterdrückte ich ein gequältes Stöhnen. Zum Laufburschen verdonnert zu werden für eine Person, die ich nicht einmal wirklich gut kannte, dazu hatte ich eigentlich keine Lust. Aber an mir nagte immer noch der Zweifel. Halsschmerzen, Oberschenkelhals, Bestellliste …

Seufzend nickte ich. »Okay, ich kümmere mich darum.«

»Sie sind bestimmt die Enkelin.« Der junge Arzt mit dem roten Haarschopf, der das Krankenzimmer betrat, strahlte mich an.

Verdutzt starrte ich zurück. »Äh … nein, ich bin nur die Nachbarin und habe ein paar Sachen mitgebracht.« Und das auch nur, weil mich die ganze Zeit das schlechte Gewissen plagte. Denn mal ganz ehrlich, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass drei Wünsche in kürzester Zeit in Erfüllung gehen und es lediglich dem puren Zufall zugeschrieben werden kann? So langsam glaubte ich nicht mehr an Zufälle. Ich bekam in diesem Moment sogar ein klein wenig Panik, als ich an all die anderen Wünsche auf meiner Liste dachte. Wenn das Universum schon Halsschmerzen so fehlinterpretierte, dann wollte ich nicht wissen, was es aus dem neuen Auto oder der Reise in ein fernes Land machen würde.

Verlegen räumte ich weiter Frau Obermeiers Sachen in den Schrank. Frau Angström hatte mich mit dem Zweitschlüssel in die Wohnung gelassen, wo ich das Nötigste zusammensuchen musste. Sie war ebenfalls zugegen gewesen, um alles für den Hund einzupacken, der in der Zwischenzeit bei ihr bleiben sollte.

»Schade«, der Arzt zog einen Flunsch. »Ich hatte gehofft, Sie sind jemand von der Familie. Wir bräuchten nämlich einige Informationen. Zum Beispiel ob sie Medikamente nimmt oder gesundheitliche Probleme bestehen.« Fragend hob er seine Augenbrauen.

»Keine Ahnung«, stammelte ich und verharrte. »Ist denn schon jemand von ihrer Familie informiert worden?«

»Hat sie denn überhaupt Angehörige? Oder gibt es jemanden, zu dem sie vielleicht engeren Kontakt pflegt?«