Winterliebe auf Umwegen - Jennifer Wellen - E-Book
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Winterliebe auf Umwegen E-Book

Jennifer Wellen

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Beschreibung

Wenn die schönsten Geschenke des Lebens manchmal mitten im Schnee zu finden sind
Eine winterliche Wholesome Romance über zweite Chancen und dem Loslassen der Vergangenheit

Alessa will einfach nur weg – weg von ihrem alten Leben und dem Schmerz ihrer gescheiterten Beziehung. Mit Minirock und HighHeels bekleidet macht sie sich Hals über Kopf auf den Weg, um Weihnachten bei ihrer Familie zu verbringen. Nur wie soll sie ohne Auto und Kreditkarte dorthin kommen? Durch Zufall trifft sie auf den gutaussehenden Soldaten Sandro, der ebenfalls auf dem Weg nach Hause ist und ihr anbietet, sie die Strecke mitzunehmen. Während der gemeinsamen Reise lernen sich die beiden besser kennen und merken, dass das alles nicht einfach nach der Autofahrt enden kann. Doch als sie schließlich am Ziel ankommen, wird Alessa mit einem schmerzhaften Geheimnis konfrontiert, das sie nicht länger ignorieren kann. Inmitten der winterlichen Kälte muss sie sich nun entscheiden, ob sie weiterhin vor ihren Problemen fliehen oder sich diesen endlich stellen will. Kann sie pünktlich zu Weihnachten der Liebe eine neue Chance geben?

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Wenn der Winter dich küsst.

Erste Leser:innenstimmen
„Sandro und Alessa haben mich mit ihrer berührenden Liebesgeschichte absolut verzaubert.“
„Eine wundervolle Mischung aus gefühlvoller Romantik, Drama und dem Zauber des Winters!“
„Ein Muss für alle Fans von Wholesome Romances, die Herz und Seele berühren!“
„Eine romantische Feelgood Romance, die Hoffnung und Wärme in die kalte Jahreszeit bringt!“

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Seitenzahl: 205

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Über dieses E-Book

Alessa will einfach nur weg – weg von ihrem alten Leben und dem Schmerz ihrer gescheiterten Beziehung. Mit Minirock und HighHeels bekleidet macht sie sich Hals über Kopf auf den Weg, um Weihnachten bei ihrer Familie zu verbringen. Nur wie soll sie ohne Auto und Kreditkarte dorthin kommen? Durch Zufall trifft sie auf den gutaussehenden Soldaten Sandro, der ebenfalls auf dem Weg nach Hause ist und ihr anbietet, sie die Strecke mitzunehmen. Während der gemeinsamen Reise lernen sich die beiden besser kennen und merken, dass das alles nicht einfach nach der Autofahrt enden kann. Doch als sie schließlich am Ziel ankommen, wird Alessa mit einem schmerzhaften Geheimnis konfrontiert, das sie nicht länger ignorieren kann. Inmitten der winterlichen Kälte muss sie sich nun entscheiden, ob sie weiterhin vor ihren Problemen fliehen oder sich diesen endlich stellen will. Kann sie pünktlich zu Weihnachten der Liebe eine neue Chance geben?Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen TitelsWenn der Winter dich küsst.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe November 2024

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-379-3 Hörbuch-ISBN: 978-3-98998-365-6

Copyright © 2018, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2018 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Wenn der Winter dich küsst (ISBN: 978-3-96087-584-0).

Copyright © 2022, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2022 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Wenn der Winter dich küsst (ISBN: 978-3-98637-765-6).

Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von Paar und Hintergrundbild generiert mit Adobe Firefly stock.adobe.com: Bildmaterial generiert mit Adobe Firefly 3 shutterstock.com: © Shutterstock AI elements.envato.com: © naulicrea, © designloverstudio Lektorat: Astrid Rahlfs

E-Book-Version 15.10.2024, 07:28:06.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Winterliebe auf Umwegen

Vorwort

Die Weihnachtszeit ist die schönste Zeit des Jahres. Aber ist es das wirklich? Für viele meiner Leser:innen sicherlich. Nur nicht für mich. Ich mag die winterliche Kälte nicht, es stresst mich Geschenke zu kaufen und Last Christmas von Wham verursacht mir Zahnschmerzen. Umso erstaunlicher – ich Grinch habe tatsächlich mehr als eine Weihnachtsgeschichte geschrieben. Winterliebe auf Umwegen ist eine davon. Allerdings geht es hier weniger um Weihnachten selbst, sondern eher darum, sich gerade in dieser Zeit bewusst zu machen, dass wir mit Geld nicht alles kaufen können und einige Geschenke besonders wertvoll und unbezahlbar sind.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine schöne Weihnachtszeit und viel Spaß beim Lesen meiner Geschichte.

Eure Jenni

Alessa

Herrgott! Da soll ich mich jetzt echt anstellen? Grob überschlage ich die Anzahl der Kunden in der Schlange beim Mietwagenverleih und komme geschätzt auf eine zweistellige Zahl. Das dauert sicher ewig. Und was, wenn die mir dann sagen, dass ich die Kaution nicht bar bezahlen kann? Dann hätte ich mindestens eine Stunde meines Lebens vergeudet … Ehrlich gesagt habe ich aber schon viel zu viel Zeit meines Lebens verschwendet.

Daher kämpfe ich mich an den Wartenden vorbei in Richtung Schalter. Leider ist mein Trolley, den ich hinter mir herziehe, ziemlich wackelig, sodass ich Schwierigkeiten habe, mit dem störrischen Koffer auf diesen Monster-High Heels überhaupt vernünftig geradeaus zu laufen. Ich kann noch nicht einmal in normalem Zustand auf den Dingern laufen, geschweige denn bei Schnee und Glätte. Aber Ben zuliebe hatte ich sie gestern Abend angezogen.

Ben.

Der Arsch.

War ja klar, dass so etwas mal wieder passieren musste. Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich es doch schon gespürt. Die Zeichen waren klar und deutlich gewesen, nur ich dumme Nuss hatte sie wie immer verdrängt.

Energisch setze ich meinen Weg fort, kann aber nicht ignorieren, dass ich auf den Pfennigabsätzen nicht nur wie ein Storch im Salat stakse, sondern auch, dass meine Zehen sich bereits so anfühlen, als seien sie abgestorben. Vielleicht war es wirklich nicht klug von mir, einfach so Hals über Kopf abzuhauen. Ich hätte mich zumindest umziehen sollen.

Entschlossen kämpfe ich mich an den Leuten vorbei und bemerke ungefähr auf der Hälfte der Strecke, wie mir der Trolley ausbricht. Dabei rempele ich aus Versehen einen älteren Herrn mit Zeitung an.

„Hey, passen Sie doch auf!“, knurrt er unwirsch.

Ich werfe einen besorgten Blick über die Schulter und zucke zusammen. Hinter ihm steht ein großer Typ in Bundeswehrklamotten. Abrupt bleibe ich stehen. Mein Blick huscht zu seinem Abzeichen – Hauptfeldwebel!

Mein Magen krampft sich zusammen. Wie immer, wenn ich an Mirko denke. Ich muss zudem schwer schlucken, weil plötzlich ein Kloß in meinem Hals steckt, den ich nicht einfach so ignorieren kann. Mirko. Mein Gott, ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt. Er fehlt mir. So sehr.

Bevor ich in Tränen ausbreche, dränge ich die Gedanken schnell beiseite. Ich muss zusehen, dass ich einen Mietwagen bekomme, egal wie. Und wenn nicht, werde ich schon einen anderen Weg finden, ins Ruhrgebiet zu kommen.

„Tschuldigung“, rufe ich schnell und wende hastig den Blick von dem Bild ab, das sich gerade schmerzhaft in meine Netzhaut frisst. Doch selbst dann noch, als ich mich bis zum Schalter vorgearbeitet habe, sehe ich den Soldaten in Tarnkleidung vor mir stehen. Allerdings ist es nicht das Gesicht des Hauptfeldwebels aus der Schlange, sondern das Gesicht von Mirko.

Sandro

Seufzend rücke ich in der Schlange ein Stückchen auf. Eigentlich hätte ich schon vor Stunden auf dem Weg in Richtung Bochum sein sollen. Aber kurz hinter München hat es meinem Cherokee auf der Autobahn dank eines fetten Kiesels die Frontscheibe zerschlagen. In der Werkstatt hatten sie mir auch keine großen Hoffnungen gemacht, den Wagen noch am gleichen Tag wiederzubekommen. Schließlich sei Heiligabend. Deshalb blieb mir nur die Alternative eines Mietwagens.

Die andere Möglichkeit wäre, meine Mutter anzurufen und ihr zu sagen, dass ich nicht kommen würde. Doch da wäre es vermutlich angenehmer, mit bloßen Händen einem Alligator am Amazonas den Hals umzudrehen. Heute wird Mutter keine meiner sonstigen Ausreden gelten lassen. Sicherlich nicht einmal den Verlust beider Beine durch eine Tretmine. Vor allem, weil es dieses Weihnachten einen besonderen Anlass gibt, dem ich notgedrungen beiwohnen muss: der Hochzeit meines Stiefbruders Damian. Deshalb stehe ich mir hier bei der Autovermietung gerade seit einer gefühlten Ewigkeit die Beine in den Bauch, obwohl ich eigentlich viel lieber woanders wäre.

Unsanft werde ich plötzlich zur Seite geschubst. Eine junge Frau drängelt sich an mir vorbei. Ich weiß nicht, ob es ihr Haar ist, dessen Farbe irgendetwas zwischen honigfarben und rot gleicht. Es könnten aber auch die schmalen Schultern sein, die nur von einem dünnen Trenchcoat bedeckt sind und der knapp über ihren Knien endet. Jedenfalls zieht sie meinen Blick wie magisch an.

„Hey, passen Sie doch auf“, mault der ältere Herr vor mir.

Ich sehe, wie die Remplerin sich erschrocken zu ihm umdreht und ihm einen gehetzten Blick zuwirft. Ihre Augen sind so tiefblau wie der Ozean. Faszinierend. Fast meine ich, sogar das Meer rauschen zu hören.

Ihr Blick fällt nun von der Seite aus zu mir, kehrt dann aber hastig wieder zurück zu dem Meckerheini. „Tschuldigung“, ruft sie ihm laut zu und stöckelt energisch weiter. Dabei drängelt sie sich noch an den anderen Wartenden vorbei, sodass ein leises Raunen durch die Schlange geht.

In diesem Moment fällt mein Blick auf ihren schwarzen Minirock, aus dem von dünnen Nylonstrümpfen bedeckte schlanke Beine herausragen, an deren Ende sich wiederum knallrote High Heels befinden. Für die Wetterlage von zehn Zentimetern Neuschnee sicher alles andere als passend.

Der Kerl vor mir vergräbt sich murmelnd wieder hinter seiner Zeitung, während im selben Augenblick mein Handy in der Innentasche meiner Feldjacke vibriert. Seufzend hole ich es hervor und werfe einen Blick auf das Display – Mutter. Verdammt!

„Und Sandro? Wo bist du?“, vernehmen meine Ohren, gleich nachdem ich das Gespräch angenommen habe.

„Ich stehe noch in Kranzberg bei Sixt.“

„Junge. Was bitte machst du in Kranzberg bei Sixt? Und wo ist das Kaff überhaupt?“ Ihre Stimme hat einen schrillen Tonfall angenommen. Sicherlich glaubt sie, ich sage meinen Besuch ab, so wie jedes Mal in den letzten neun Monaten.

„Was man bei Sixt eben so macht Mutter, sich einen Mietwagen leihen.“

„Aber warum leihst du dir denn einen Mietwagen?“

Seufzend wechsele ich das Handy von rechts nach links und schiebe den Gurt meines Rucksacks zurück, der mir von der Schulter zu rutschen droht. Die Hübsche mit den Meeresaugen hat sich derweil bis ganz nach vorne zur Theke durchgekämpft.

„Sagen wir so, es gab einen kleinen Zwischenfall.“ Vorsorglich erspare ich ihr nähere Details, die sie eh nur aufregen würden.

Am anderen Ende stöhnt Mutter leise auf. „Wirst du dann überhaupt noch pünktlich zum Mittagessen da sein?“

Schnell unterdrücke ich ein weiteres tiefes Aufseufzen. Am liebsten würde ich ihr gerne sagen, dass mir das Mittagessen eigentlich schnurzpiepegal ist. Ich werde in Gegenwart meines Stiefbruders und seiner Verlobten ohnehin keinen Bissen herunterbekommen.

„Sobald ich den Mietwagen habe, fahre ich gleich los und bin vermutlich …“, ich werfe schnell einen Blick auf meine Striker am Handgelenk, „… so gegen achtzehnhundert bei euch. Zwar schaffe ich es dann nicht mehr zum Mittagessen, aber zumindest noch pünktlich zum Abendessen.“

Mein Blick gleitet über die Schlange, die nur unwesentlich kürzer geworden ist. Die Hübsche hält den Betrieb nun durch eine hitzige Diskussion mit der Dame vom Auto-Verleih zusätzlich auf.

Vielleicht drehe ich doch besser wieder um. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich doch sowieso keinen Bock auf diese geschauspielerte Ringelpitz-mit-Anfassen-Familienharmonie-Scheiße. Da würde ich mir schon lieber einen Fünfzig- Kilometer-Marsch durch die Wüste ohne Wasser antun.

Just ändert sich der Tonfall in Mutters Stimme, so, als habe sie meine Gedanken erraten. Sie klingt flehend. „Aber du kommst doch noch, oder? Sandro, bitte, ich habe dich eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.“

Mit meiner bettelnden Mutter ist es wie mit diesen netten Vertretern, die einem so sympathisch sind, dass man es nicht fertigbringt, sie einfach abzuwürgen.

„Keine Sorge“, räuspere ich mich, weil ich bereits einen Kloß in meinem Hals verspüre. Meine Mutter kann ja nichts dafür, dass Damian ein Arsch und Nadja ein Miststück ist. „Ich werde der Hinrichtung schon beiwohnen. Aber erwarte nicht, dass ich die beiden auch noch beglückwünsche.“

Schnell drücke ich das Gespräch weg, um jede weitere Frage im Keim zu ersticken. Wenn ich nachher in Bochum bin, muss ich sicher noch genügend unangenehme Fragen über mich ergehen lassen. Wie zum Beispiel, warum ich mich einfach vor neun Monaten nach München habe versetzen lassen, ohne jemandem davon zu erzählen.

Alessa

Eigentlich hätte ich es mir denken können. Keine Kreditkarte – kein Mietwagen. Auf Barzahlung wollte die blöde Schnepfe vom Verleih sich leider auch nicht einlassen. Egal. Fahre ich halt mit dem Zug.

Wütend lasse ich Mietwagen Mietwagen sein und verlasse den Laden. Den Koffer hinter mir herziehend, überquere ich die Straße, um mich nur wenige Sekunden später seufzend auf die Metallbank an der Bushaltestelle sinken zu lassen. Dann stelle ich meine Füße auf den Trolley, damit die Kälte des Bodens nicht noch weiter durch meine Schuhe dringt. Ich schlinge die Arme um meinen Oberkörper, doch es nützt nichts. Kalt ist mir trotzdem. Am Hintern wie an den Füßen.

Meine Gedanken schweifen während des stumpfsinnigen Wartens unweigerlich ab. Dabei durchströmt mich plötzlich eine innere Wärme, die mich sogar die Kälte für einen Moment vergessen lässt. Heute ist Heiligabend – Weihnachten!

Ich sehe, wie Mirko und ich uns als Kinder immer gegenseitig geschubst haben, weil jeder der Erste bei den Geschenken sein wollte. Sehe den Haufen zerfetzten Weihnachtspapiers, der nach dem Auspacken unter dem geschmückten Tannenbaum lag. Meine Eltern, die gemeinsam Händchen haltend auf der Couch gesessen und uns beim Spielen beobachtet haben. Warum auch immer rieche ich in diesem Moment sogar einen Hauch von Zimt. Das ist der Duft von Muttis selbst gebackenen Zimtsternen, die Mirko und ich so lieben. Ich bin mir sicher, es muss eine Halluzination meiner unterkühlten Riechzellen sein.

Unvermittelt überfällt mich die Sehnsucht nach meiner Familie wie ein Angreifer. Sticht mir das Messer voll ins Herz, sodass ich einen heftigen Schmerz verspüre. Den letzten Heiligabend haben wir gemeinsam gefeiert. Mama, Papa, Mirko und ich. Doch so wie damals wird es nie wieder sein. Das ist schon schlimm genug. Aber schlimmer noch ist – ich bin schuld daran.

Tränen steigen mir in die Augen, aber ich versuche, sie mir tunlichst zu verkneifen. Bei diesen Temperaturen würden sie vermutlich nur auf der Haut meiner Wange gefrieren und es reicht doch, dass bereits mein Hintern und die Füße gefühllos sind.

Sandro

Als ich endlich an der Reihe bin, dauert es auch nicht lange, bis alle Formalitäten erledigt sind und ich mein Gepäck im Kofferraum eines gemieteten SUVs verfrachtet habe. Ich entledige mich meines Bundeswehrparkas, steige ein, programmiere das Navi und rolle im Schritttempo vom Parkplatz herunter.

Als ich an der Kreuzung stehe und links in Richtung Autobahn abbiegen will, fällt mein Blick unvermittelt auf die Bushaltestelle ein paar Meter weiter. Ich bin überrascht. Dort sitzt unverkennbar die Hübsche mit den Meeresaugen.

Vorhin hat sie noch für einen kleinen Tumult am Tresen gesorgt, worum es ging, habe ich aber nicht mitbekommen. Schließlich war sie wütend mit ihrem Koffer im Schlepptau wieder abgerauscht.

Nun sitzt sie dort zusammengekauert auf der Bank. Ihre Füße mit den roten High Heels hat sie auf den Trolley gestellt und die Arme eng um ihren zierlichen Körper geschlungen.

Hinter mir hupt jemand. Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel und sehe den Fahrer des Wagens wild gestikulieren. Es ist der mürrische Alte mit der Zeitung, der scheinbar will, dass ich weiterfahre.

Also biege ich links ab, beschleunige den Wagen und werfe im Vorbeifahren einen letzten Blick auf die zusammengekauerte Gestalt auf der Bank. Ich hoffe für sie, dass gleich der Bus kommt.

Alessa

Mittlerweile zittere ich am ganzen Körper so sehr, dass sogar meine Zähne aufeinander klappern. Ach hätte ich mir zumindest noch die Zeit genommen, mich umzuziehen. Aber dann wäre ich womöglich noch Ben über den Weg gelaufen.

Ben.

Der Riesenbaustelle in meinem Leben.

Wenn man das überhaupt noch Leben nennen darf. Ich wohne bei einem Typen, der Fremdgehen für so normal hält wie schlafen oder essen, habe keinen Kontakt mehr zu meiner Familie und halte mich dazu mit einem schlecht bezahlten Job über Wasser. Was ist bloß aus meinem Traum geworden, Medizin zu studieren und die Welt zu retten?

Ich hatte ihn über Bord geworfen. Weil ich meine Schuld begleichen wollte. Dabei habe ich kläglich versagt. Wieder schießen mir die Tränen in die Augen.

Verdammt. Ich muss endlich hier weg.

Sandro

Die Anzeige meines Mietwagens zeigt mittlerweile minus sieben Grad und wenn ich eines in meiner Ausbildung gelernt habe, dann das, dass der Körper nicht allzu lange in der Lage ist, die Körperkerntemperatur bei Minusgraden aufrechtzuerhalten. Schon gar nicht in Minirock und Nylonstrumpfhose.

Ich bin schon kurz vor der Auffahrt auf die A9 Richtung Ingolstadt, als mich die Sorge übermannt und ich in einem günstigen Augenblick den Wagen wende.

Kurze Zeit später stoppe ich direkt vor der Bushaltestelle. Dann lasse ich die Scheibe auf der Beifahrerseite herunter. „Soll ich Sie vielleicht ein Stück mitnehmen?“

Die Hübsche wirft mir einen aufbrausenden Blick zu. Das Meer in ihren Augen tost.

„Ich bin keine Nutte, auch wenn ich vielleicht so aussehe. Also fahr einfach weiter, okay?“

Daran habe ich gar nicht gedacht. Ein großer, muskelbepackter Kerl mit kurz geschorenen Haaren in einem SUV könnte wirklich gut als Zuhälter durchgehen. „Ich wollte eigentlich nur nett sein.“

Ihr Blick ist nun mehr skeptisch, die See nicht mehr ganz so rau. „Anbaggern brauchst du mich aber auch nicht. Ich bin schon vergeben.“

Ihre Aussage versetzt mir einen kleinen Stich. Was habe ich auch erwartet? Natürlich ist so eine attraktive Frau wie sie nicht mehr solo. Klar.

„Ich will dich nicht anbaggern. Aber du siehst so aus, als bräuchtest du Hilfe. Hast du vorhin keinen Mietwagen mehr bekommen?“

Ihre Augen verengen sich augenblicklich zu schmalen Schlitzen. Sie fixiert mich.

„Stimmt, jetzt erinnere ich mich, du hast hinter dem Kerl mit der Zeitung gestanden. Der Soldat, richtig?“

Sie steht zögerlich auf und kommt ein Stück auf den Wagen zu. Mit ihren Händen rubbelt sie sich über ihre dünnen Ärmchen.

„Du bist Hauptfeldwebel. Bei welcher Einheit?“

Überrascht reiße ich die Augen auf. Eigentlich habe ich gedacht, sie hätte mich überhaupt nicht registriert, geschweige denn meinen Dienstgrad erkannt.

Die Hübsche bemerkt scheinbar meine verblüffte Reaktion. Sie lächelt verhalten. „Mein kleiner Bruder war auch Soldat. Stabsunteroffizier bei der Bodentruppe.“ Ihr Lächeln wird breiter und lässt zwei süße Grübchen neben ihren Mundwinkeln in Erscheinung treten.

In diesem Moment kann ich nicht verhindern, dass mein Herz einen kleinen Salto schlägt. Verdammt, ich hätte vielleicht doch besser weiterfahren sollen. Bei der Frau kann ich definitiv für nichts garantieren. Und das kann ich im Moment eigentlich überhaupt nicht gebrauchen.

Alessa

Der Soldat war mir vorhin schon aufgefallen. Er hatte in meinen Augen etwas zu lange an der Kreuzung gegenüber der Bushaltestelle gestanden. Erst als hinter ihm jemand gehupt hatte, war er mit dem Luxusschlitten davongebraust. Was bitte macht er dann aber jetzt wieder hier?

„Ich habe keine Kreditkarte, nur Bargeld, deswegen wollten die mir bei Sixt kein Fahrzeug geben, wegen der Kaution, weißt du? Nun muss ich mit dem Zug fahren. Also warte ich auf den Bus, der mich zum Bahnhof bringt“, erkläre ich ihm.

Er nickt mir zu. „Wenn du magst, bringe ich dich hin, danach kann ich mich immer noch auf die Autobahn schwingen.“

Für einen Moment zögere ich. Mir ist es peinlich, im Minirock und High Heels vor ihm zu stehen. Was muss er bloß von mir denken? Solche Sachen trage ich doch sonst nicht. Und wenn, immer nur für Ben. Den notgeilen Bock! Aber in einem warmen Auto zu sitzen, klingt ebenfalls verlockend.

„Keine Angst, ich beiße auch nicht.“ Ihm ist meine Skepsis scheinbar aufgefallen. Nun grinst er mich an.

Ich grinse zurück. „Angst? Du Scherzkeks! Ich habe schließlich Pfefferspray dabei.“ Sicher hat er eine spezielle Nahkampfausbildung gemacht, gegen die jedes Pfefferspray absoluter Dreck ist.

Er lacht auf. „Dann hole ich schnell meine Gasmaske aus dem Kofferraum.“

Der Kerl ist mir tatsächlich sympathisch. Auch wenn seine Dwayne the Rock Johnson-Statur absolut furchteinflößend wirkt.

Er steigt schließlich entschlossen aus dem Wagen und hilft mir mit dem Gepäck. Nun kann ich ihn zum ersten Mal richtig betrachten. Vorhin in der Schlange habe ich mich ja sehr von seinem Abzeichen ablenken lassen. Der Kerl ist wirklich groß, ich schätze, um die einsneunzig. Er überragt mich trotz meiner High Heels um gut einen Kopf. Die dunkelbraunen Haare trägt er ziemlich kurz, aber nicht zu kurz. Sie sind etwas verwuschelt. Sicher wegen des Baretts.

Ehe ich etwas sagen kann, hat er sich einfach meinen Trolley geschnappt und ihn in den Kofferraum gehoben. Schließlich öffnet er mir sogar die Tür – wie ein wahrer Gentleman. Dabei kann ich in seine Augen sehen. Sie sind grün-grau mit lauter braunen Sprenkeln. Interessant …

Als ich auf den beheizten Beifahrersitz gleite, spüre ich die wohlige Wärme, die meinen kalten, gefühllosen Hintern umgehend aufheizt.

„Danke“, flüstere ich, weil mir ein angenehmer Schauer über den ganzen Körper läuft. „Du bist echt mein persönlicher Held für heute.“

Und das ist er – in der Tat.

Sandro

„Wo willst du eigentlich hin?“, versuche ich etwas lockere Konversation zu betreiben, während ich das Navi umprogrammiere. Es sagt mir, dass der nächste große Bahnhof in Langenbach gut eine halbe Stunde von hier entfernt ist.

„Nach Hause. Schließlich ist Weihnachten“, erklärt mir meine Beifahrerin.

„Leider“, murmele ich und tippe beiläufig weiter auf dem Display herum.

„Wieso leider? Bist du etwa ein Weihnachtsmuffel?“

Schnell werfe ich ihr einen Blick zu. Sie mustert mich aufmerksam, was mich verwirrt. Hastig versuche ich, mich wieder auf das Navi zu konzentrieren, treffe jedoch die Tasten nicht immer. „Nee, aber Weihnachten und ich sind nicht so richtig kompatibel.“

Sie lacht auf. „Nicht kompatibel? Was heißt das denn?“

„Ach du weißt schon … volle Läden, Geschenkestress, Weihnachtsschnulzen im Radio. All das ist nicht so mein Ding“, sage ich kopfschüttelnd, während ich den Wagen starte. Von meinen familiären Differenzen erzähle ich lieber nichts. Schließlich will ich sie nicht gleich wieder verschrecken.

Im Rückspiegel sehe ich die Lichter eines Busses näherkommen. Ich trete hastig aufs Gas, sodass der Wagen nach vorne schießt und wir in die Sitze gepresst werden.

„Wieso, weil du ein harter Kerl bist, der nichts mit Romantik am Hut hat? Lass mich raten, du magst bestimmt auch keine Liebesfilme oder Candle-Light-Dinner“, fragt sie weiter.

Ich schweige, weil sie damit leider genau ins Schwarze getroffen hat. Früher war das tatsächlich anders gewesen, bevor Damian und Nadja zusammengekommen sind. Vor meiner Flucht nach München.

Die Hübsche grinst spitzbübisch und mir fällt es schwer, stur geradeaus auf die Fahrbahn zu sehen. „Wusste ich es doch.“

Ich lächele nur verhalten und reiche ihr die Hand. „Übrigens, ich heiße Sandro.“ Sie schüttelt sie. Ihr Händedruck ist fest. Das mag ich.

„Hi Sandro, ich bin Alessa. Danke fürs Mitnehmen.“

Alessa

Seufzend kuschele ich mich in den Sitz. Sauge jeden Partikel Wärme in meinen durchgefrorenen Körper auf. Versuche, möglichst viel davon in meinen Zellen abzuspeichern, damit ich nachher genug Hitzepolster habe, wenn ich wieder in die Kälte muss …

Wir beide schweigen einträchtig, während der Motor wie ein Kätzchen schnurrt. Sandro – ein schöner Name – lenkt den SUV zügig und sicher durch die Straßen Richtung Langenbach. Dort ist ein großer Bahnhof, wo er mich absetzen will. Von da aus werde ich dann einfach mit dem ICE weiterfahren und mir ausnahmsweise die erste Klasse gönnen.

Ich ertappe mich dabei, wie ich mich frage, ob Sandro wohl eine Freundin hat?

Stop – ermahne ich mich selbst im gleichen Augenblick. Nachdem Ben mich mal wieder nach Strich und Faden betrogen hatte, hatte ich mir geschworen, zukünftig die Finger von den Kerlen zu lassen und mich auf mein eigenes Leben zu konzentrieren. Es wieder auf die Reihe zu bekommen, ohne von jemandem abhängig sein zu müssen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass so ein hübscher Kerl eine Freundin hat. Schade eigentlich, Sandro ist wirklich attraktiv, nett und dazu noch Soldat. Meine Familie hätte ihn sicher gemocht.

Verdammt! Warum lerne eigentlich immer nur ich die blödesten Nüsse wie Ben, Nick oder Tim kennen? Notorische Fremdgänger oder Egoisten, denen niemals eingefallen wäre, mir die Beifahrertür zu öffnen, geschweige denn meinen Koffer zu tragen oder zu fragen, ob ich Hilfe benötige.

Ich verdränge die unschönen Gedanken und sehe aus dem Fenster. Die Bäume entlang der Landstraße fliegen nur so an mir vorbei. Wie mein Leben.

Es ist seit dem Unfall von Mirko nicht mehr so, wie es sein sollte. Von dem Zeitpunkt an ist doch alles irgendwie schiefgelaufen. Eigentlich schon vorher. Warum hatte ich nicht einfach an Mirkos Stelle sein können? Dann müsste ich mich jetzt nicht mehr rumquälen. Mit mir, meinem verkorksten Leben und meinen Schuldgefühlen …

Sandro

Kurz vor Langenbach breche ich das Schweigen. „Wie kommt es, dass du dich bei dem Wetter nur in High Heels und Minirock auf den Weg machst?“

Alessa nickt. „Hast recht, warm angezogen sieht anders aus. Aber die Umstände haben es einfach nicht zugelassen, dass ich mich noch umziehe.“

Sehnsüchtig sieht sie aus dem Fenster und schluckt. „Ich habe meinen …“, sie stockt kurz, „… Ex mit einer Anderen erwischt. Da habe ich zu Hause nur schnell das Nötigste in den Trolley geworfen und mich erst einmal abgeseilt.“

Seufzend haucht sie an die Autoscheibe. Malt gedankenverloren ein Herz, streicht es durch und wischt es wieder weg. „Schwamm drüber. Er war eh ein Arsch. Schon immer. Jedenfalls wollte ich nur noch weg. Weihnachten sollte man sich besser mit liebevollen Menschen umgeben.“

In diesem Moment muss ich an meine Familie denken. Mein Stiefvater und ich konnten noch nie so gut miteinander, Damian war schon immer ein arroganter, selbstgefälliger Arsch und Mutter saß stets zwischen den Stühlen, wenn es um mich ging. Meine Familie ist also alles andere als liebevoll.

„Wo wohnt denn deine Familie?“, will ich wissen.

„In Essen“, antwortet sie. „Und deine? Du fährst doch sicher auch nach Hause oder?“

Es durchzuckt mich wie ein Stromschlag. Unsere Reiseziele sind nur gut zwanzig Minuten voneinander entfernt. „Äh …“, stottere ich. „Meine Familie wohnt in …“, ich mache eine bedeutungsschwangere Pause, „… Bochum.“