Küste der Orangenblüte - Ira Fay - E-Book

Küste der Orangenblüte E-Book

Ira Fay

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Beschreibung

Um die Trennung von Ihren Freund Frank zu verarbeiten, fliegt Andrea nach Spanien. Dort verliebt sie sich in Ben, einen Schriftsteller. Sie verleben unbeschwerte Tage an der Küste der Orangenblüte. Als Andrea wieder in Deutschland ist, kommen ihr Zweifel, ob Ben der Richtige ist. Außerdem will Frank, dass Andrea zu ihm zurück kommt. Eine Achterbahn der Gefühle führt sie auf Umwegen in die richtige Richtung!

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Ich wuchtete den Einkaufskorb auf den Küchentisch und atmete schwer. Als ich wieder etwas besser Luft bekam, ging ich an den Kühlschrank und holte die Wasserflasche heraus. Ich hatte das Gefühl, mir klebte die Zunge am Gaumen fest. Ich trank hastig ein paar Schlucke aus der Flasche.

Ich war am Morgen schon in der Frühe aus Düsseldorf zurück gefahren. Dort war ich zwei Tage auf der Kindermode Messe gewesen. Mir gehörte eine kleine Boutique in der Kölner Innenstadt. Ich hatte mir vor drei Jahren meinen größten Wunsch erfüllt und sie übernommen, weil meine Vorgängerin mit ihrem Lebensgefährten nach Australien auswandern wollte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, lief der Laden jetzt richtig gut und ich konnte sogar eine Verkäuferin einstellen.

Auf dem Rückweg von der Messe war ich noch schnell im Supermarkt. Ich wollte für mich und Frank, meinen Freund, für das Abendessen einkaufen. Frank und ich kannten uns schon seit der Schule. Er war meine erste große Liebe. Jetzt mit Anfang Dreißig hoffte ich doch, dass er mir endlich einen Heiratsantrag machen würde.

Ich räumte den Einkaufskorb aus und verstaute die Lebensmittel im Kühlschrank und im Vorratsraum.

Wir waren vor einem halben Jahr in diese schöne Wohnung am Stadtrand gezogen. Sie lag in einer ruhigen Sackgasse, mit Blick in den Stadtwald.

Im Haus waren nur sechs Wohnungen und die Nachbarn allesamt sehr nett. Da hatten wir Glück gehabt. Direkt nebenan wohnte eine ältere Dame, mit der ich mich angefreundet hatte. Renate war Witwe. Ihr Mann war vor ein paar Jahren ganz plötzlich gestorben. Sie hatte keine Kinder und fuhr häufig nach Spanien, wo sie ein Haus besaß.

Ihr Mann war Spanier und die Beiden hatten vor, einmal ganz dorthin zu ziehen. Nun war es leider anders gekommen. Aber Renate konnte sich nicht von dem Haus trennen.

Ich ging auf den Balkon und setzte mich kurz in die Sonne, bevor ich anfangen wollte zu kochen. Renate saß ebenfalls draußen und las in einem Buch. Als sie mich sah, winkte sie und fragte:

„Wie war es auf der Messe, Andrea?“

„Anstrengend, aber interessant und erfolgreich. Ich habe ein paar schöne Sachen gekauft. Ich hoffe, ich treffe damit den Geschmack der Mütter!“ sagte ich und lächelte. Kindermode ist Frauensache. Da hatten die Väter wenig Mitspracherecht.

Renate nickte mir freundlich zu und steckte die Nase wieder in ihr Buch.

Es war so schön warm in der Sonne. Ich wurde müde und schlief ein. Als ich erwachte, war die Sonne schon hinter einem Baum verschwunden.

Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte tatsächlich eine ganze Stunde geschlafen und stand mühsam auf, denn meine Position im Gartenstuhl war alles andere als bequem gewesen.

In der Küche holte ich Tomaten, Zucchini und Paprika aus dem Vorratsraum und kochte ein leckeres mediterrane Gemüse. In einem anderen Topf war die Pasta auch fast fertig. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es fast neunzehn Uhr war. Frank müsste eigentlich längst zuhause sein. Vielleicht musste er mal wieder Überstunden machen. Als Polizist kam das häufig vor.

Als Frank eine Stunde später immer noch nicht da war, versuchte ich ihn auf dem Handy anzurufen. Es schaltete sich aber nur die Mailbox ein. Ich legte wieder auf. Im Flur fiel auf einmal mein Blick auf den Spiegel. Erst jetzt sah ich den Umschlag, der dort mit einem Klebestreifen befestigt war.

Ich nahm den Umschlag ab und öffnete ihn mit zitternden Fingern.

Ich zog einen handgeschriebenen Brief heraus.

Andrea, ich weiß es ist feige, aber ich kann Dir nicht in die Augen schauen bei dem, was ich Dir jetzt sagen muss. Ich will die Trennung. Ich habe eine andere Frau kennengelernt.

Wir Beiden haben uns doch schon lange auseinander gelebt. Ich habe einen Teil meiner persönlichen Sachen bereits mitgenommen. Den Rest hole ich in ein paar Tagen. Verzeih mir und lass mich gehen! Frank

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Hatte Frank mir doch noch vor zwei Tagen gesagt, dass er mich liebt und sich freut, wenn ich wieder Zuhause bin.

Jetzt hatte er meine Abwesenheit genutzt, um sich feige aus dem Staub zu machen. Ich ging ins Schlafzimmer und schaute in den Kleiderschrank. Hier hingen tatsächlich nur noch ein paar Wintersachen, die Frank zurück gelassen hatte. Ich musste mich auf das Bett setzen, weil mir schlecht wurde. Warum hatte ich nichts gemerkt? Wer war die andere Frau? Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Nach einer Weile versuchte ich nochmal Frank auf dem Handy zu erreichen. Aber wie erwartet meldete er sich nicht. Ich schaute in den Spiegel im Flur. Ich sah müde aus. In meinen braunen Augen konnte ich meine Verzweiflung sehen. Wie soll es jetzt weitergehen?

Ich war, seit ich denken konnte, immer nur mit Frank zusammen.

Wir haben alles zusammen gemacht. Ich war nie auf den Gedanken gekommen, dass ihm bei mir etwas fehlen könnte. Er hatte ja auch nie etwas gesagt. Ich war wütend, dass er mir keine Chance gegeben hatte. Er war einfach gegangen und ließ mich mit dem Schmerz allein.

Ich ging in die Küche, füllte das Gemüse in eine Schüssel und warf die verkochten Nudeln in den Mülleimer. Ich konnte nichts essen. Stattdessen nahm ich mir ein Glas Wein und setzte mich wieder auf den Balkon. Ich brauchte frische Luft.

Ich hatte gerade einen Schluck Weißwein getrunken, als ich Renates Stimme hörte:

„Ist alles in Ordnung bei Dir Andrea? Du bist unheimlich blass!“

Ich schaute zu ihr hinüber. Im gleichen Moment fing ich an zu weinen. Die Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich konnte mich gar nicht beruhigen.

„Um Gottes Willen. Was ist denn passiert Andrea?“ fragte Renate entsetzt. „Soll ich zu Dir kommen?“

Ich nickte nur und stand auf, um ihr die Tür zu öffnen.

Renate kam in den Flur und nahm mich in den Arm. Ich weinte und ließ mich von ihr in das Wohnzimmer führen.

Renate ging in die Küche und holte mir ein Glas Wasser. So langsam konnte ich mich wieder beruhigen.

„Geht es wieder?“ wollte Renate wissen.

„Frank hat mich verlassen!“ konnte ich jetzt nur mit Mühe stottern.

Renate schaute ungläubig. Dann nahm sie mich wieder in den Arm.

„Ich habe mich schon gewundert. Er hat gestern das Haus mit einem großen Koffer verlassen“, sagte Renate.

„Und er war nicht in der Lage mit mir zu sprechen. Ich habe einen Brief gefunden. Er hat ihn an den Spiegel geklebt! Er hat anscheinend eine andere Frau kennengelernt.“

„Das ist so schäbig und feige nach all den Jahren, die ihr zusammen wart. Das hätte ich nicht von ihm gedacht!“ Renate schüttelte immer wieder den Kopf.

„Ich kann ihn auch nicht telefonisch erreichen. Wahrscheinlich will er warten, bis ich mich wieder beruhigt habe.“ Mir kamen wieder die Tränen.

Renate stand jetzt auf und ging auf den Balkon. Sie holte mein Glas Wein und gab es mir.

„Kann ich auch einen Wein bekommen?“ fragte sie.

„Natürlich. Ich hole Dir schnell ein Glas!“ antwortete ich und holte den Wein aus dem Kühlschrank.

Wir saßen noch bis in die Nacht zusammen. Ich redete mir den Kummer von der Seele. Mittlerweile hatten wir schon die zweite Flasche geleert. Renate stand irgendwann leicht schwankend auf.

Sie drückte mich zum Abschied und sagte: „Ich muss jetzt ins Bett. Es ist schon spät. Aber wenn irgendetwas ist, dann klingele einfach bei mir. Ich bin für Dich da!“

Ich nickte und war froh, dass ich mich ihr anvertraut hatte. Sie war wie eine Mutter für mich.

Meine Eltern lebten nicht mehr. Mein Vater war schon sehr jung an einem Herzinfarkt gestorben. Meine Mutter ist ihm ein paar Jahre später gefolgt. Das war eine schlimme Zeit. Frank hatte mir damals immer beigestanden. Geschwister hatte ich leider keine.

Nach der Schule hatte ich eine kaufmännische Ausbildung gemacht und ein paar Jahre in einer Spedition gearbeitet. Als ich vor drei Jahren die Chance bekam, die Boutique zu übernehmen, nahm ich die Gelegenheit wahr. Mit viel Ausdauer, Überstunden und ein paar finanziellen Rückschlägen, war ich jetzt endlich eine erfolgreiche Geschäftsfrau.

Ich schloss die Tür hinter Renate und war wieder allein. Ich wollte nicht im Schlafzimmer schlafen.

Vielleicht hatte Frank die Andere dort geliebt, wenn ich nicht da war. Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich nicht zur Ruhe kam.

Ich nahm mir eine Wolldecke und legte mich auf die Couch. Um mich abzulenken, schaltete ich den Fernseher an. Als ich endlich einschlief, war es fast schon wieder hell.

Am nächsten Morgen war ich wie gerädert. Ich rief im Geschäft an und informierte Simone, meine Angestellte, dass ich an diesem Tag nicht in den Laden kommen würde. Ich war nicht in der Lage aus dem Haus zu gehen. Ich hatte dunkle Ränder unter den Augen und war vollkommen durcheinander. So wollte ich nicht ins Auto steigen.

Ich konnte irgendwie keinen klaren Gedanken fassen. Dass ich Frank nicht erreichen konnte, machte mich wahnsinnig. Ich wollte von ihm wissen, warum er diesen Schritt gemacht hatte und ob es nicht doch noch eine Chance für uns gab. Wieder versuchte ich ihn zu erreichen. Als er nicht an sein Handy ging, rief ich in seiner Dienststelle an.

Leo, sein Kollege sagte nur, dass Frank sich Urlaub genommen hätte. Er war sehr erstaunt, dass ich es nicht wusste.

Hier kam ich also auch nicht weiter. Abwarten zu müssen, bis Frank sich bei mir meldete, war unerträglich für mich.

Am Nachmittag klingelte es an der Tür. Es war Renate mit einem Kuchenpaket.

„Schokoladenkuchen ist gut gegen Traurigkeit!“ sagte sie und ging in meine Küche. Sie kochte uns einen Kaffee und verteilte den Kuchen auf zwei Teller.

Ich ließ sie einfach machen und genoss es, dass sie mich so bemutterte.

„Warst Du heute nicht im Geschäft?“ fragte sie mich.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich konnte nicht. Ich habe die ganze Nacht wach gelegen und war nicht in der Lage.“ Ich schniefte und setzte mich zu ihr an den Tisch.

„Du solltest Dich aber hier nicht vergraben. Lenk Dich ab. Das gelingt Dir am besten im Laden“, sagte Renate energisch.

Ich trank einen Schluck Kaffee und musste mir eingestehen, dass Sie Recht hatte. Es konnte noch lange dauern, bis Frank endlich den Mut aufbrachte sich zu melden.

„Ich gehe morgen wieder arbeiten“, antwortete ich.

Renate grinste und sagte: „Braves Mädchen!“

Wir aßen unseren Kuchen und ich wurde langsam ruhiger.

„Willst Du Frank denn zurück haben?“ fragte Renate mich plötzlich.

In diesem Moment merkte ich, dass ich das nicht in Frage gestellt hatte. Ich wollte, dass er zu mir zurückkommt. Aber was dann? Er hatte mich betrogen und war einfach heimlich zu einer anderen Frau gezogen. Er hatte mich tief verletzt.

Ich wollte auf jeden Fall eine Antwort auf meine Fragen. Aber Renate hatte auch eine wichtige Frage gestellt. War Frank es wert, um ihn zu kämpfen?

Renate tätschelte meine Hand und lächelte.

„Du solltest darüber nachdenken, dann fällt Dir die Entscheidung leichter. Ich hatte als junge Frau auch einen Freund, der mich betrogen hat. Ich habe ihn rausgeworfen. Das Vertrauen war weg und ich hätte immer wieder Angst gehabt, dass sich das wiederholt. Aber man kann nicht alles verallgemeinern. Du wirst schon das Richtige tun!“

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, ging ich hinunter zum Auto. Hier lagen immer noch die Kartons, mit der Ware von der Messe, im Kofferraum. Ich fuhr zum Geschäft und brachte die Sachen ins Lager. Simone Becker war schon gegangen. Ich ordnete noch ein paar Unterlagen und heftete angefallene Rechnungen ab. Morgen wollte ich das abarbeiten, was liegen geblieben war, während ich auf der Messe war.

Ich wollte noch nicht wieder nach Hause. Ich rief vom Geschäft aus meine beste Freundin Heike an. Ich musste mit Jemanden reden. Ich wollte Renate nicht überfordern.

Heike und ich hatten einige Jahre in einer Spedition zusammen gearbeitet. Wir hatten uns schnell angefreundet. Sie ist ein aufrichtiger und zuverlässiger Mensch. Leider hatte sie kein Glück in ihren Beziehungen. Irgendwie erwischte sie immer verheiratete Männer. Ich musste Sie ganz oft trösten, wenn sie wieder einmal verlassen wurde, weil die Ehefrauen hinter die Affären gekommen waren.

Heike war nicht zu erreichen. Ich entschloss mich bei ihr vorbei zu fahren. Vielleicht war sie doch zuhause.

Heike wohnte nur ein paar Straßen von meinem Geschäft entfernt. Ich fand einen Parkplatz in einer Nebenstraße. Als ich um die Ecke bog, konnte ich meinen Augen kaum glauben. Da stand Franks BMW direkt vor dem Eingang des Hauses, in dem Heike wohnte.

Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich klingelte. Niemand öffnete. Nach einer Weile kam ein Mann aus dem Haus und ließ mich hinein. Ich ging in den zweiten Stock und klingelte erneut an der Wohnungstür. Ich hörte durch die Tür leise Stimmen. Also war doch jemand zuhause. Ich klingelte nochmal, diesmal energischer.

Ich klopfte auch an die Tür und rief Heikes Namen. Erst jetzt hörte ich Schritte und dann öffnete mir Heike die Tür. Sie schaute auf den Boden und sagte:

„Mach nicht so einen Lärm im Treppenhaus. Komm rein Andrea.“

Sie ging zur Seite und ließ mich in die Wohnung. Im Wohnzimmer saß Frank auf der Couch und versuchte nervös den letzten Knopf seines Hemdes zu schließen.

Ich schaute von Frank zu Heike und konnte nur stottern: „Wer von Euch erklärt mir jetzt das hier?“

Heike stellte sich zwischen mich und Frank und antwortete kleinlaut: „Es tut mir wahnsinnig leid Andrea. Es ist einfach so passiert. Erst war es nur Sex, aber dann haben wir uns verliebt!“

„Wie lange geht das denn schon zwischen Euch Beiden?“ fragte ich entsetzt.

Jetzt sagte Frank, der mittlerweile aufgestanden war: „Seit fast einem Jahr. Ich hatte keinen Mut es Dir zu sagen. Aber jetzt bin ich froh, dass Du es endlich weißt!“

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich schwankte zwischen dem Gedanken Beide zu schlagen oder aus der Wohnung zu fliehen.

Ich entschied mich für die zweite Variante und drehte mich auf dem Absatz um. Ich knallte die Tür hinter mir zu.

Ich war so enttäuscht. Meine beste Freundin und mein Freund hatten mich schon seit Monaten hintergangen. Jetzt hatte ich sie Beide gleichzeitig verloren. Ich lief die Treppen hinunter und konnte die Tränen nicht zurück halten. Wie dumm und ahnungslos ich gewesen war. Ich ging zum Auto zurück und brauchte erst einmal ein paar Minuten um mich zu beruhigen.

So etwas las man sonst immer nur in irgendwelchen Romanen. Jetzt war es mir selbst passiert. Ich war maßlos enttäuscht, dass weder Frank noch Heike so ehrlich waren und es mir gesagt hatten.

Nach einer ganzen Weile war ich endlich wieder in der Lage nach Hause zu fahren.

In der Wohnung angekommen, machte ich mir einen Tee und setzte mich ins Wohnzimmer. Ich konnte mich aber nicht beruhigen. Die Enttäuschung und die Wut waren zu groß.

Nach ein paar Minuten ging ich ins Schlafzimmer und holte Franks Kleidung aus dem Schrank. Seine anderen persönlichen Dinge schmiss ich auf das Bett. Aus dem Keller holte ich einen Umzugskarton und warf alles wahllos hinein. Ich wollte nichts mehr von Frank in meiner Wohnung haben.

Als ich nichts mehr fand, was mich an ihn erinnern konnte, rief ich ihn auf dem Handy an. Ich wollte ihm auf den Anrufbeantworter sprechen und war erstaunt, dass er selber dran ging.

„Im Treppenhaus stehen Deine restlichen Klamotten. Wenn Du sie morgen nicht abholst, wandern sie in den Müll!“ sagte ich. „Ich will Dich und Heike nie wiedersehen und mit Euch kein weiteres Wort mehr reden!“

Danach legte ich schnell auf. Ich fühlte mich etwas besser. Kurze Zeit später rief ich einen Schlüsselnotdienst an und ließ noch in der Nacht das Schloss auswechseln. Dem jungen Mann, der nach Mitternacht kam, erzählte ich, dass ich einen Schlüssel verloren hatte und jetzt befürchtete, dass Jemand bei mir einbrechen könnte.

Ihm war es egal, es gab ein gutes Trinkgeld. Er grinste, als er sich nach einer Stunde verabschiedete. Er drückte mir die neuen Schlüssel in die Hand und zwinkerte mir zu.

Ich atmete auf. Jetzt konnte Frank nicht mehr in die Wohnung. Der Gedanke, dass ich ihn noch einmal sehen würde, war mir unerträglich. Es war vorbei.

Am nächsten Abend, nachdem ich aus dem Geschäft wieder in der Wohnung angekommen war, war der Umzugskarton weg. Frank hatte seine Sachen abgeholt.

Ich klingelte bei Renate. Als sie öffnete, drückte ich ihr einen meiner neuen Wohnungsschlüssel in die Hand. Wir hatten Beide einen Schlüssel von der Anderen. Immer wenn einer von uns in Urlaub war, gossen wir die Blumen und kümmerten uns um die Post.

Renate sah mich erstaunt an.

„Ich habe ein neues Türschloss. Den alten Schlüssel kannst Du wegwerfen!“ sagte ich.

„Ich verstehe!“ antwortete sie und zog mich in ihre Wohnung.

„Du willst Frank aussperren, stimmt’s?“ sagte sie.

Ich nickte und lehnte mich an ihre Schulter. Mir kamen die Tränen. Ich erzählte ihr unter Schluchzen, was ich in der letzten Nacht erfahren hatte.

„Oh nein. Das ist ja wirklich ein starkes Stück. Wie feige und hinterhältig von den Beiden!“ sagte Renate und streichelte mir über den Rücken.

„Setz Dich mal auf die Couch.“ Sie ging an den Wohnzimmerschrank und holte aus einer kleinen Bar eine Flasche Eierlikör.

Ich musste lächeln. Eierlikör hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr getrunken. Aber meine Oma liebte ihn auch und hatte immer einen Vorrat im Haus.

Renate goss uns ein Gläschen ein und prostete mir zu: „Auf einen neuen Lebensabschnitt. Du bist so jung und hübsch. Frank hat Dich gar nicht verdient! Prost!“

Ich trank einen Schluck.

„Es tut aber so weh!“ antwortete ich. Ich war ja seit dem ich ein Teenager war, immer nur mit Frank zusammen. Ich hatte Angst davor, jetzt allein zu sein.

„Ich weiß, wie Du Dich jetzt fühlst. Es ist schlimm, so betrogen worden zu werden. Aber sieh es doch als Chance. Du wirst nicht lange allein sein. Da bin ich sicher!“ sagte Renate und lächelte.

Wenn ich da auch so sicher gewesen wäre. Ich hatte das Gefühl in einen Strudel geraten zu sein, der mich immer tiefer zog. Aber Renates Worte trösteten mich etwas.

Das änderte sich aber, als ich abends wieder allein in der Wohnung saß. Ich schwankte zwischen dem Wunsch, dass Frank zu mir zurück kommt und dem Gefühl ihn für seinen Betrug bestrafen zu wollen.

Ich kam einfach nicht zur Ruhe.

Als das Telefon klingelte, hatte ich dann doch die Hoffnung, dass es Frank sein würde. Leider war es nur eine gute Kundin, die wissen wollte, wann Kleidung einer bestimmten Kollektion im Geschäft eintreffen würde.

Ich schlief schlecht und war am nächsten Tag schlecht gelaunt. Trotzdem fuhr ich in den Laden, erledigte die Buchhaltung und wechselte mich mit Simone beim Verkauf ab. Ich war froh, eine so gute und freundliche Verkäuferin gefunden zu haben. Simone war zuverlässig und ging sehr liebevoll mit den Eltern und Kindern um.

In der Mittagspause gingen wir gemeinsam in ein kleines Restaurant.

Ich hatte mich mit Simone angefreundet. Sie war Mitte zwanzig und hatte erst Anfang des Jahres geheiratet. Ihr Mann war Pilot und sehr oft unterwegs. Simone litt sehr darunter. Als unsere Speisen gebracht wurden, fragte sie mich:

„Andrea, ist alles in Ordnung bei Dir? Du machst so einen niedergeschlagenen Eindruck.“

Ich schluckte und nippte erst einmal an meinem Mineralwasser.

„Ich habe mich von meinem Freund getrennt. Es ist erst ein paar Tage her. Deshalb bin ich im Moment etwas durch den Wind!“ antwortete ich.

Simone nickte und sagte dann: „Ich habe mir schon so etwas gedacht. Ich habe Deinen Freund letzte Woche Hand in Hand mit einer anderen Frau gesehen. Ich wollte Dich schon darauf ansprechen. Ich wusste aber nicht, wie ich es Dir sagen soll.“

Sie schaute mich zerknirscht an.

Simone kannte Frank, weil er mich öfter abgeholt hatte. Sie war in einer Zwickmühle. Ich war ihre Chefin und sie wollte sich nicht in mein Privatleben einmischen. Ich rechnete ihr das hoch an.

Wir aßen schweigend. Nach einer Weile sagte sie: „Ich habe auch manchmal Angst, dass Micha mich betrügen könnte. Er hat so viele hübsche Frauen um sich herum und ist so oft weit weg!“

„Man kann nie wissen was einmal passiert. Ich glaube aber nicht an das Klischee, das Piloten überall Freundinnen haben. Es kommt auf jeden einzelnen Mann an. Ich glaube Dein Michael liebt Dich viel zu sehr um Eure Liebe aufs Spiel zu setzen“, sagte ich. Aber in meinem Hinterkopf sagte eine böse Stimme: „Das hast Du von Frank auch gedacht!“

Simone jedenfalls lächelte jetzt und schien beruhigt zu sein.

Die nächsten Wochen vergingen, ohne dass ich etwas von Frank hörte. Er war sang- und klanglos verschwunden. Ich ging arbeiten, traf mich ab und zu mit Freundinnen und versuchte, mich so oft es ging abzulenken. Aber in den Nächten, wo ich allein im Bett lag, überkamen mich Trauer und Ängste.

Ich hatte keinen Hunger und nahm stark ab. Meine dunklen langen Haare umrahmten mein blasses Gesicht und meine braunen Augen blickten mir traurig aus dem Spiegel entgegen.

Als ich ein paar Tage später Renate im Treppenhaus traf, schaute sie mich erschrocken an.

„Mädchen Du wirst ja immer dünner!“ sagte sie. „Ich mache mir große Sorgen. Komm doch heute Abend zu mir zum Essen. Ich würde mich sehr freuen.“

Eigentlich hatte ich keine Lust, aber Renate duldete keine Wiederrede. Wir verabredeten uns für zwanzig Uhr.

Ich holte eine Flasche Wein aus dem Keller und klingelte pünktlich an Renates Tür.

Als sie die Tür öffnete, duftete es schon herrlich nach den Speisen, die Renate zubereitet hatte. Es gab einen Rinderbraten mit selbstgemachten Klößen und Rotkohl.

Renate häufte mir eine große Portion auf den Teller und goss uns ein Glas von dem Rotwein ein, den ich mitgebracht hatte.

Ich aß mit großem Appetit. Renate hatte Recht. Allein zu kochen und zu essen machte wirklich keinen Spaß. Ich hatte mir in den letzten Wochen nur sporadisch etwas gegessen.

Später, als Renate schon den Tisch abgeräumt hatte, saßen wir noch eine Weile im Wohnzimmer zusammen.

Renate zeigte mir Fotos von Juan, ihrem verstorbenen Mann, den ich leider nicht mehr kennengelernt hatte.

Die Fotos zeigten einen sympathischen Mann mit vielen Lachfalten. Renate und er waren viele Jahre sehr glücklich miteinander gewesen. Das zeigten die Fotos ganz deutlich.

Jetzt holte Renate ein großes Foto aus einem Umschlag. Er lag lose mitten in einem Album.

„Das ist unser Haus in Spanien. Es liegt an der Costa del Azahar. Das heißt „Küste der Orangenblüte“, sagte Renate und strahlte.

Man sah ein wunderschönes Haus mit einer großen Terrasse, inmitten von Orangen-und Olivenbäumen. Es gab sogar einen kleinen Pool, der versteckt hinter dem Haus zu erkennen war.

„Das ist ja wunderschön! Ein Traum!“ antwortete ich und schaute mir das Foto noch einmal genau an.

„Ich kann mich auch nicht davon trennen, auch wenn ich nicht mehr so oft hinfahren kann. Ich vermiete die beiden Wohnungen gelegentlich an Freunde und Bekannte. Zurzeit wohnt dort ein junger Mann. Er ist Schriftsteller. Er kann dort am besten in der Abgeschiedenheit schreiben.“

„Du vermietest?“ fragte ich. Mir kam in diesem Moment ein Gedanke in den Kopf, der mich nicht mehr los ließ.

„Ja, es gibt dort zwei abgeschlossene Wohnungen.

Manchmal wohnen dort auch in den Sommermonaten spanische Freunde. Das Haus liegt nicht weit vom Strand entfernt.“

„Renate, würdest Du mir die andere Wohnung für eine Weile vermieten? Ich muss mal raus hier. Ich komme sonst nicht zur Ruhe. Ich kann Frank hier nicht vergessen!“ sagte ich und schaute sie hoffnungsvoll an.

„Liebend gerne!“ sagte Renate. „Das ist eine gute Idee. Du wirst Dich dort wohlfühlen und mit dem Abstand besser mit der Situation umgehen können!“

„Ich habe nur eine Sorge. Meiner Verkäuferin Simone kann ich die Buchhaltung nicht zumuten. Sie hat mit dem Verkauf schon genug zu tun.“ Ich seufzte.

„Darf ich Dir helfen?“ fragte Renate. „Ich war doch früher in der Bilanzbuchhaltung tätig. Ich kenne mich aus!“ Sie lachte und zwinkerte mir zu.

„Würdest Du das machen? Ich vertraue Dir voll und ganz und habe keine Geheimnisse vor Dir! Du müsstest vielleicht zweimal pro Woche ins Geschäft!“ sagte ich.

„Kein Problem, endlich hätte ich mal wieder etwas zu tun! Ich mache das sehr gerne für Dich!“

Ich stand auf und nahm sie in den Arm.