Das Schicksal ist kurzsichtig - Ira Fay - E-Book

Das Schicksal ist kurzsichtig E-Book

Ira Fay

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Beschreibung

Bella verliebt sich während einer Reise nach Italien in den charmanten Luca. Bella muss schnell erkennen, dass Luca nur einen Urlaubsflirt gesucht hat und reist enttäuscht vorzeitig ab. Ein paar Jahre später trifft sie Luca unverhofft wieder und das Schicksal nimmt erneut seinen Lauf....

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Was ist geworden aus….

Damiano

Damiano wurde, nachdem Luca vor fünf Jahren einen leichten Herzinfarkt hatte, Geschäftsführer unserer Hotelkette. Er leitet sie sehr erfolgreich. Er hatte noch viele Freundinnen, bevor er seine Frau Tamina kennenlernte. Die Beiden haben mittlerweile vier Kinder.

Benny

Auch Benny hat die große Liebe gefunden. Er hat in alter Tradition eine Deutsche geheiratet. Er hatte sie während eines Besuches bei seinem Vater, in dessen Cocktail Bar kennengelernt. Mario hatte sich vor ein paar Jahren gemeinsam mit einem Freund selbstständig gemacht. Benny und Lena sind mittlerweile Eltern einer süßen Tochter. Sie heißt Emily. Benny hat Jura studiert. Er hat eine eigene Kanzlei in Sirmione, nur eine Stunde von uns entfernt.

Lilly

Unsere Tochter Lilly ist Luca wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur die blonden Haare hat sie von mir. Sie studiert in Mailand Modedesign.

Dort lebt sie mit ihrem Freund Ciro zusammen. Es ist schwer für uns gewesen, als unser Nesthäkchen das Haus verlassen hatte.

Aber alle Kinder und Enkelkinder kommen uns regelmäßig besuchen.

Svenja und Simon

Svenja und Simon haben, nachdem ihre Kinder aus dem Haus waren, hier ganz in der Nähe ein Ferienhaus gekauft. Die Beiden lieben sich wie am ersten Tag, obwohl Svenja mittlerweile kugelrund geworden ist. Sie hat es aufgegeben irgendwelche Diäten zu machen und genießt mit Simon das Leben. Wir treffen uns immer noch regelmäßig und erinnern uns sehr gerne an die alten Zeiten.

Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Das Schicksal ist kurzsichtig

Teil 2: 7 Jahre später

Teil 3: 8 Monate später

Teil 4: Ein Jahr später

Teil 5: Wieder ein Jahr später

Teil 6: 3 Jahre später

Teil 7: Ein Jahr später

Letzter Teil: 25 Jahre später

Das Schicksal ist kurzsichtig

Teil 1

„Hast Du auch Deine Badesachen eingepackt?“ fragte ich Svenja. Diese verdrehte die Augen und streckte mir dann die Zunge heraus.

„Pass lieber auf, dass Du nichts vergisst“, antwortete sie.

Sie deutete auf den Stapel T-Shirts, der noch auf meinem Bett lag. Den Koffer hatte ich allerdings schon geschlossen. Jetzt musste ich ihn wieder öffnen. Ich versuchte die T-Shirts irgendwie noch unterzubringen. Nach einigem Hin und Her gelang es mir endlich. Ich stöhnte und ließ mich auf das Bett fallen.

„Urlaub ist echt anstrengend!“ sagte ich.

„Komm Bella, das wird ein Riesenspaß! Du und ich in Italien! Wir werden uns köstlich amüsieren!“ Svenja lächelte und ließ sich neben mir nieder.

„Ich freue mich doch! Wirklich! Aber Koffer packen gehört nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten!“ antwortete ich.

„Ich kontrolliere noch mal unsere Liste!“ sagte Svenja. Sie stand auf und ging zu dem kleinen Tisch, auf dem noch die Dinge lagen, die in meinen Rucksack sollten.

Sie las der Reihe nach noch einmal vor, was ich aufgeschrieben hatte. Anscheinend hatte ich an alles gedacht.

Ich schaute mich in meinem kleinen Appartement um. Anfang des Jahres hatte ich meinen Eltern gesagt, dass ich endlich auf eigenen Füßen stehen wollte. Ich war jetzt Anfang zwanzig und es wurde Zeit das Kinderzimmer zu verlassen.

Jetzt, wo ich die Ausbildung zur Physiotherapeutin abgeschlossen hatte, konnte ich mir eine eigene Wohnung leisten. Svenja hatte mir bei der Suche geholfen und mich bei der Einrichtung beraten. Als Innenarchitektin hatte sie dafür das richtige Händchen.

„Dann kann der Urlaub ja beginnen!“ sagte Svenja vergnügt. „Bella, ich bin mal gespannt wie die Italiener auf Deinen Namen reagieren.“

„Dann sag doch einfach Isabell, so heiße ich ja eigentlich!“ antwortete ich und zwinkerte Svenja zu.

Seitdem ich mich erinnern konnte, nannten mich alle nur Bella. In Italien heißt der Name übersetzt „die Schöne“, aber schön fühlte ich mich heute wirklich nicht.

Ich war gestresst und hatte den Urlaub mehr als nötig. Die letzten Wochen waren sehr anstrengend gewesen. Nach der Ausbildung hatte ich mir einen neuen Job in einer großen Praxis gesucht. Dort verdiente ich gut, musste aber auch eng getaktete Termine in Kauf nehmen. Aber die Arbeit machte mir Spaß und die Kollegen waren nett.

Zu dem Urlaub in Italien hatte mich Svenja überredet. Sie wollte schon lange einmal dort Ferien machen. Sie hatte uns in dem Badeort Riccione eine schöne Pension, ganz in der Nähe des Strandes gebucht. Morgen sollte es losgehen. Wir wollten mit meinem alten VW Golf in aller Frühe starten und uns beim Fahren abwechseln.

Ich schaute zu Svenja hinüber und konnte mir lebhaft vorstellen, wie die italienischen Männer sich nach ihr die Hälse verdrehen würden. Sie ist groß und schlank und hat einen dunklen Lockenkopf. Ich bin klein und zierlich und habe lange blonde Haare. Weil wir so unterschiedlich sind, nannte meine Mutter uns immer Schneeweißchen und Rosenrot, nach dem Märchen der Gebrüder Grimm.

„Ich fahre jetzt nach Hause!“ sagte Svenja und griff nach ihrer Tasche. „Meine Sachen sind auch gepackt und ich bin morgen früh pünktlich um sechs Uhr wieder hier!“

Wir nahmen uns in die Arme. Svenja gab mir einen Kuss auf die Wange und schloss die Tür hinter sich.

Nachdem sie gegangen war, räumte ich meine Sachen in den Rucksack und kontrollierte zum wiederholten Mal, ob ich an alles gedacht hatte.

Zufrieden und leicht aufgeregt ging ich in die Küche und holte die Flasche Wein aus dem Kühlschrank, die ich heute Vormittag schon geöffnet hatte, um mit Svenja auf den Urlaub anzustoßen. Den Rest schüttete ich jetzt in mein Glas und ging auf den Balkon.

Die Abendsonne verschwand gerade gegenüber hinter den Hausdächern und ließ alles in einem wunderschönen Farbton erscheinen. Ich seufzte und setzte mich in einen der Lounge Sessel. Die Füße legte ich auf einen kleinen Schemel und trank dann den kühlen Wein.

Ich freute mich auf den Urlaub mit Svenja, aber ich war auch angespannt, weil ich bisher noch nie allein im Ausland war.

Ich wäre gern so unternehmungslustig und draufgängerisch wie Svenja gewesen. Aber leider bin ich zurückhaltend und schüchtern. Da konnte ich nicht aus meiner Haut.

In der Nacht schlief ich schlecht, weil ich zu nervös war. So eine lange Strecke, wie die von Wiesbaden nach Italien, war ich noch nie gefahren. Ich war froh, dass Svenja und ich uns abwechseln wollten.

Als es hell wurde, hielt mich nichts mehr im Bett. Es war gerade fünf Uhr, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken.

Ich kochte mir einen Kaffee und dann leerte ich den Kühlschrank. Alles was verderben konnte, warf ich in den Müll. Im Treppenhaus kam mir mein Nachbar Herr Brucker entgegen und schaute mich erstaunt an.

„Hallo Frau Zimmermann, schon so früh auf den Beinen?“ fragte er.

„Ich fahre heute in Urlaub. Ich habe etwas Reisefieber!“ antwortete ich.

Herr Brucker lachte. „Das kann ich gut verstehen. Das geht mir auch so. Dann erholen Sie sich gut und kommen Sie gesund wieder!“

Ich bedankte mich und ging zurück in meine Wohnung. Mit einem Becher Kaffee und ein paar Keksen, die ich noch im Schrank gefunden hatte, setzte ich mich an meinen kleinen Küchentisch.

Ich hatte großes Glück, dass ich dieses wunderschöne Appartement in der Innenstadt von Wiesbaden gefunden hatte. Eine Patientin, die regelmäßig in meiner Behandlung war, hatte mir den Tipp gegeben. Die Wohnung gehörte ihrer Freundin.

Neben der kleinen Küche gab es einen großen Wohnraum, der im hinteren Bereich eine Nische hatte. Da es dort ein Fenster gab, bot es sich ideal als Schlafbereich an. Ich hatte ein schönes Badezimmer und einen Balkon, den ich mir immer sehr gewünscht hatte. Von dort aus konnte ich in den Innenhof und einen kleinen Park schauen. Die Praxis, in der ich arbeitete, war nur einen Katzensprung entfernt, sodass ich, wenn das Wetter es zuließ, mit dem Fahrrad fahren konnte.

Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass Svenja bald hier sein musste. Ich spülte gerade meine Kaffeetasse, als es klingelte.

„Guten Morgen Bella!“ sagte Svenja außer Atem. „Ich habe meinen Koffer unten im Treppenhaus gelassen. Bist Du fertig?“

Ich nickte und holte mein Gepäck aus dem Wohnzimmer. Nachdem ich noch einmal alles kontrolliert hatte, konnte die Reise losgehen.

Svenja half mir mit dem Rucksack und ich schleppte meinen Koffer die Stufen hinunter. Mein Auto stand in einer Seitenstraße in der Nähe der Wohnung.

Wir verstauten unser Gepäck im Kofferraum und umarmten uns. Wir sagten fast gleichzeitig: „Gute Reise und einen schönen Urlaub!“

Ich wollte im ersten Abschnitt das Steuer übernehmen. In Italien sollte dann Svenja fahren. Also ließ ich den Motor an, zwinkerte Svenja zu und steuerte Emil, so nannte ich meinen alten Golf, in Richtung Autobahn.

Wir kamen gut voran. Nach drei Stunden Fahrt machten wir eine Pause an einem Rastplatz, um einen Kaffee zu trinken. Als Svenja und ich zur Autobahngaststätte gingen, hupten und winkten uns mehrere Fernfahrer zu.

„Das kann ja heiter werden!“ dachte ich. Svenja grinste und winkte fröhlich zurück.

Mit unseren Kaffeebechern setzten wir uns auf eine Bank in die Sonne. Langsam fiel die Anspannung von mir ab und ich begann mich wirklich auf den Urlaub zu freuen.

„Bella, Du bist nach all der Zeit immer noch ein Rätsel für mich!“ sagte Svenja und stupste mich an. „Du bist so schön und ziehst alle Blicke auf Dich und Du registrierst es nicht einmal.“

„Quatsch! Die glotzen doch alle Dir hinterher!“ antwortete ich.

„Na ja, der ein oder andere schon. Aber nicht ausschließlich. Warum ignorierst Du denn alle Männer? In Italien musst Du schon etwas flirten. Das gehört dazu. Vielleicht findest Du ja dort endlich einen Mann, der Deinen Ansprüchen genügt!“ sagte Svenja. Sie lächelte und schaute mich aufmunternd an.

„Ich habe es nicht eilig. Bisher war eben noch nicht der Richtige dabei!“ antwortete ich. „Außerdem hast Du ja mit Deinen Auserwählten bisher auch nicht das große Los gezogen!“

Svenja stöhnte. Sie zog die Augenbrauen hoch und nickte dann etwas zerknirscht.

„Das stimmt allerdings, aber ich hatte trotzdem Spaß und weiß jetzt, was ich nicht will!“ Sie fuhr sich durch die Locken und warf einem jungen Mann in einem vorbeifahrenden Sportwagen einen heißen Blick zu.

Ich schüttelte den Kopf und musste mir eingestehen, dass Svenja unverbesserlich war.

Ich trank den Rest Kaffee und warf den leeren Becher in einen Mülleimer.

„Komm Svenja, auf geht’s! Sonst kommen wir nie an!“ sagte ich.

Svenja nickte und trollte hinter mir her.

Die nächsten Kilometer verliefen ohne besondere Vorkommnisse und schon bald zeigten die Schilder an, dass es nicht mehr weit bis zur Grenze war.

Auf einem kleinen Rastplatz machten wir dann den Fahrerwechsel.

Je weiter wir Richtung Süden kamen, umso wärmer wurde es. Ich öffnete das Seitenfenster und hielt mein Gesicht in die Sonne.

„Sollen wir unterwegs anhalten und etwas essen?“ fragte ich.

Svenja nickte. „Sehr gern. Ich habe einen Riesenhunger!“ antwortete sie.

„Wir müssten auch bald tanken. Vielleicht fahren wir von der Autobahn ab und suchen uns dann ein schönes Restaurant!“ Ich schaute skeptisch auf die Tankanzeige.

Wir verließen bei der nächsten Abfahrt die Autobahn und fuhren durch eine wunderschöne mediterrane Landschaft zu der nächsten Ortschaft. Dort tankten wir und suchten nach einem Restaurant.

Nach einer Weile entdeckten wir eine Osteria, die geöffnet hatte. Mein Magen knurrte mittlerweile laut.

Es gab eine kleine Außenterrasse. Wir setzten uns in den Schatten und winkten dem Kellner, der gähnend auf uns zukam.

Er sagte etwas auf Italienisch, was wir nicht verstanden. Svenja und ich sahen uns irritiert an. Dann sagte ich: „Pizza, Pasta? Vino?“

Der Kellner grinste und gab uns eine Speisekarte. Es gab eine große Auswahl an Pasta Gerichten und die verschiedensten Pizzas. Wir zeigten mit dem Finger auf die Speisen, die wir ausgesucht hatten und bestellten außerdem eine Flasche Wasser.

Der Keller entfernte sich mit schlurfenden Schritten und kam nach kurzer Zeit mit dem Wasser wieder zurück.

Er legte das Besteck auf den Tisch und sagte dann an mich gewandt: „Bella Bionda!“

„Woher weiß der denn wie ich heiße?“ fragte ich Svenja. Die bog sich vor Lachen und meinte dann: „Das heißt: Hübsche Blondine!“

Ich schaute zu dem Keller hoch und sagte: „Grazie“. Das war das einzige italienische Wort das ich kannte.

Der Keller lächelte und entfernte sich wieder in Richtung Hintereingang des Restaurants.

„Daran musst Du aber noch arbeiten!“ sagte Svenja. Sie goss das Wasser in unsere Gläser und lehnte sich dann zurück. „Hab ich Dir nicht gesagt, dass Du den Männern sofort auffällst?“

„Der Kellner soll lieber mal das Essen bringen. Ich habe einen Bärenhunger!“ antwortete ich.

Kaum hatte ich das ausgesprochen, kam er mit einem Tablett an unseren Tisch.

„Buon Appetito!“ sagte er und schaute mir in den Ausschnitt. Ich ignorierte ihn und widmete mich meiner Pizza. Auch Svenja aß mit Heißhunger. Es war wirklich lecker.

Später lehnten wir uns satt und zufrieden zurück.

„Jetzt habe ich gar keine Lust mehr weiter zu fahren!“ sagte Svenja. Sie streichelte über ihren Bauch. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht fett werde. Du hast da ja weniger Probleme!“ Sie schaute neidisch zu mir hinüber.

Sie hatte Recht. Ich konnte essen was ich wollte, ich hielt immer mein Gewicht. Meine Mutter war auch immer noch gertenschlank. Das hatte ich bestimmt von ihr geerbt.

„Du hast doch auch eine tolle Figur. Jetzt mach mal nicht so einen Wind!“ antwortete ich.

Svenja lachte. „Na ja, dafür mache ich ja auch jede Menge Sport. Ich bin bestimmt schon dreimal um die Erde gejoggt!“

Wir mussten beide grinsen.

Als der Kellner mal wieder um unseren Tisch schlich, fragten wir nach der Rechnung.

Er machte eine dramatische Geste und schaute traurig wie ein Dackel. Ich musste mir das Lachen verkneifen.

Er brachte nach einer Weile das Wechselgeld und steckte mir doch tatsächlich einen kleinen Zettel mit seiner Telefonnummer zu.

Ich warf das Stück Papier auf dem Weg zum Auto in den Papierkorb.

Svenja stieß mich in die Seite und fragte: „Warum sammelst Du nicht die Telefonnummern. Am Ende des Urlaubs wirfst Du sie alle in einen Topf und machst dann eine Tombola!“

Sie konnte sich bei der Vorstellung vor Lachen kaum halten. Das verging ihr aber kurze Zeit später, denn als wir auf die Autobahn fuhren, standen wir direkt im Stau.

Es ging überhaupt nicht mehr weiter. Ich kurbelte das Fenster hinunter und versuchte weiter nach vorne zu schauen. Aber außer weiteren Autofahrern, die das Gleiche versuchten, konnte ich nichts erkennen.

„Das hat uns gerade noch gefehlt! Hoffentlich geht es bald weiter!“ Svenja stöhnte.

„Da ist bestimmt etwas passiert. Ich höre ein Martinshorn!“ antwortete ich. Kurze Zeit später fuhr die italienische Polizei und dann die Feuerwehr an uns vorbei. Dann folgte auch ein Krankenwagen.

„Das kann länger dauern!“ Ich öffnete die Autotür und stieg aus. Viele andere Reisende standen ebenfalls schon neben ihren Autos.

Aus einem Cabrio, das neben uns hielt, stieg Jemand aus und streckte sich. Ich drehte mich um und schaute in zwei bernsteinfarbene Augen, von denen ich mich gar nicht losreißen konnte. Die Augen gehörten zu einem wahnsinnig gut aussehenden Italiener. Jedenfalls hatte das Auto ein italienisches Kennzeichen.

„Erde an Bella! Bist Du noch ansprechbar?“ fragte Svenja, die plötzlich neben mir stand.

Danach war auch sie still, denn sie hatte den Grund entdeckt, warum ich abgelenkt war.

„Was ist das denn für ein Sahneschnittchen!“ Svenja schaute fasziniert zu dem jungen Mann aus dem Auto neben uns.

Dieser beugte sich gerade auf den Rücksitz des Autos und holte eine Flasche Wasser hervor.

„Darf das Sahneschnittchen euch einen Schluck Wasser anbieten?“ fragte der junge Mann und reichte Svenja die Flasche.

Diese wurde rot wie eine Tomate. Sie schaute erschrocken und mir rutschte heraus: „Das hast Du jetzt von Deiner großen Klappe!“

Der junge Mann lachte laut.

„Das macht doch nichts. Danke für das Kompliment!“ sagte er an Svenja gewandt.

„Ich heiße übrigens Luca!“ Er reichte uns beiden die Hand. „Wir werden hier sicher noch eine Weile stehen. Wir sind jetzt Nachbarn auf Zeit!“

Er hatte einen umwerfenden Akzent und ich bekam noch weichere Knie, als ich ohnehin schon hatte.

Wir stellten uns ebenfalls vor. Als Luca meinen Namen hörte, schmunzelte er kurz, sagte aber nichts dazu.

„Woher kannst Du so gut Deutsch?“ wollte Svenja wissen. Sie schaute neugierig.

„Meine Großmutter ist Deutsche. Sie hat sich in den sechziger Jahren einen italienischen Gastarbeiter geangelt! Mein Opa kommt aus Sizilien.“

„Wenn er auch so aussah wie Du, dann hat sie alles richtig gemacht!“ Svenja warf Luca einen schmachtenden Blick zu.

In diesem Moment wünschte ich mir wirklich, dass ich auch so flirten konnte wie Svenja. Ich schaute nervös auf den Boden, als Luca sich an mich wandte.

„Woher kommt ihr? Wofür steht das WI auf dem Kennzeichen?“

Ich stotterte nervös: „Wir sind aus Wiesbaden! Das ist in Hessen!“

Luca nickte mir freundlich zu.

„Und wo wollt ihr hin?“

„Wir wollen nach Riccione. Dort haben wir zwei Wochen Urlaub gebucht!“ kam mir Svenja zuvor.

In diesem Moment rief ein hektisch winkender Mann: „Es geht weiter!“

Schnell stiegen wir wieder in unser Auto. Auch Luca setzte sich auch hinters Steuer.

Wir fuhren noch eine Weile langsam nebeneinander her. Dann erreichten wir die Unfallstelle. Es standen zwei ziemlich verbeulte Autos nebeneinander. Die Insassen waren aber augenscheinlich unverletzt. Sie saßen, sichtlich geschockt, auf der Leitplanke. Rettungssanitäter kümmerten sich um sie.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Stau löste sich unvermittelt auf. Ich schaute noch einmal aus dem Fenster. Ich wollte Luca zum Abschied zuwinken. Aber sein Cabrio war schon weit vor uns. Enttäuscht schaute ich zu Svenja.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Nachbarn auf Zeit hat er gesagt. Schade, dass die Zeit so kurz war. Das war ja mal ein toller Mann“, sagte sie leise.

Ich nickte traurig.

„Ich gebe Dir ja nur ungern Recht. Aber dieser Luca ist wirklich nett“, antwortete ich.

„Nett? Er ist ein Träumchen!“ schwärmte Svenja. Ihre Begeisterung war echt. Das hielt sie aber nicht davon ab, gleich wieder in den nächsten Wagen zu schielen, der an uns vorbeifuhr.

Ich musste noch eine ganze Weile an Luca denken.

Nach einer weiteren Stunde sahen wir endlich das Schild, das uns anzeigte, dass wir die nächste Ausfahrt nehmen mussten.

„Endlich!“ stöhnte Svenja. „So langsam tut mir der Hintern vom Sitzen weh!“

Wir fuhren noch ein paar Kilometer auf einer Straße, die irgendwann den Blick auf das Mittelmeer zuließ.

„Schau mal Svenja! Das ist ja ein wunderschöner Anblick! Und dieses Blau! So schön habe ich es mir gar nicht vorgestellt!“ Ich war begeistert.

Svenja hielt bei nächster Gelegenheit am Straßenrand.

Wir konnten uns gar nicht sattsehen an der wunderschönen Küste. Es roch nach Salz und Sonne. Ein leichter Wind wehte über die Dünen. Aus der Ferne hörten wir das Lachen der Kinder, die in den Wellen tobten.

„Komm, die letzten Meter packen wir auch noch. Ich fahre jetzt bis zum Hotel!“ forderte ich Svenja auf.