Wenn Träume Tango tanzen - Ira Fay - E-Book

Wenn Träume Tango tanzen E-Book

Ira Fay

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Beschreibung

Stella lernt Tim in der Tanzschule kennen und verliebt sich in ihn. Doch Tim ist zwölf Jahre jünger als Stella. Kann eine Beziehung zwischen ihnen überhaupt funktionieren? Schon nach kurzer Zeit muss Stella feststellen, dass ihr Umfeld kritisch reagiert. Und dann ist Tim aus einmal verschwunden....

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Ich stand im Klassenzimmer und schrieb eine Matheaufgabe an die Tafel, als es plötzlich hinter mir schepperte.

Marvin war mal wieder mit dem Stuhl umgefallen, weil er sich mit ihm gegen die Heizung gelehnt hatte.

Er rappelte sich auf und sagte kleinlaut:

„Entschuldigung Frau Martin! Kommt nicht wieder vor!“

Ich musste grinsen.

„Ach Marvin, Du solltest lieber nicht wetten!“ antwortete ich. „Das war diese Woche schon das dritte Mal!“

Die Klasse lachte und war jetzt gar nicht mehr dazu zu bewegen, dem Unterricht zu folgen.

Es war heute unerträglich heiß. Wahrscheinlich würde es nach der ersten Pause ohnehin hitzefrei geben.

„So Kinder, ich habe Verständnis dafür, dass ihr keine Lust mehr auf Mathe habt. Bei diesen Temperaturen kann sich ja keiner richtig konzentrieren. Beschäftigt euch mit irgendwas, das keinen Krach macht. Es ist sowieso gleich Pause.“

„Danke Frau Martin!“ kam es aus dreißig Kehlen.

Ich lächelte und wedelte mir mit dem Klassenbuch etwas Luft zu.

Als es zur Pause klingelte, verließen die Schüler in Windeseile den Klassenraum. Ich schlenderte in Richtung Lehrerzimmer.

Im Raum saßen ein paar Kollegen und stöhnten, genau wie die Schüler, wegen der Hitze.

Michael Kaufmann, der Lehrer für Deutsch und Musik, hatte seine Krawatte gelöst und große Schwitzflecken unter den Armen.

Die Tür öffnete sich und Martin Sattler, der stellvertretende Rektor der Gesamtschule, an der wir unterrichteten, sagte laut:

„Feierabend für heute. Es sind fast dreißig Grad. Es gibt hitzefrei!“

Meine Kollegen und ich standen auf und packten unsere Sachen zusammen.

„Ich geh gleich ins Schwimmbad!“ sagte meine Kollegin Bettina Becker. „Kommst Du mit?“ fragte sie mich.

Ich schüttelte den Kopf.

„Heute nicht. Am späten Nachmittag kommt mein Bruder zu Besuch. Ich muss vorher noch einkaufen gehen.“

Bettina nickte verständnisvoll.

„Dann bis morgen Stella. Grüß Simon von mir!“ sagte sie.

Bettina und mein Bruder kannten sich durch ihre Kinder. Sie waren im gleichen Sportverein.

Ich nahm meine Handtasche und winkte den anderen zu.

Da ich ganz in der Nähe der Schule wohnte, fuhr ich im Sommer immer mit dem Fahrrad.

Heute trug ich ein Sommerkleid und musste aufpassen, dass es sich nicht in der Fahrradkette verhedderte.

Ich fuhr auf dem Weg nach Hause an einem Supermarkt vorbei. Das Fahrrad stellte ich an ein Verkehrsschild und schloss es ab.

Dann ging ich in den klimatisierten Verkaufsraum und atmete auf.

Hier konnte man es aushalten.

„Hallo Stella!“ hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme.

Es war mein Kollege Martin Sattler.

Er kam auf mich zu und schaute mich bewundernd an.

„Du siehst heute toll aus Stella. Ich wollte das vorhin nicht vor den Kollegen sagen. Du weißt ja, wie gleich getratscht wird.“

Dann sagte er leise. „Das Kleid ist sehr sexy.“

Martin und ich waren in den letzten Wochen ein paar Mal miteinander ausgegangen.

Bei mir hatten sich aber keine Gefühle ihm gegenüber eingestellt. Martin war aber offensichtlich in mich verliebt.

Er nahm meine Hand und flüsterte:

„Wann hast Du mal wieder Zeit für mich? Du fehlst mir!“

Ich schaute auf den Boden und wusste nicht, wie ich Martin beibringen sollte, dass ich kein Interesse hatte. Er war ein lieber Kerl, aber nicht der Typ Mann, mit dem ich mir eine Beziehung vorstellen konnte.

Martin seufzte. Er hatte mein Schweigen richtig gedeutet. Er nahm mich kurz in den Arm und drückte mich.

„Ich muss dann mal wieder los!“ sagte er enttäuscht. „Wir sehen uns morgen!“

Dann ging er in Richtung Ausgang.

Mein Blick fiel auf mein Spiegelbild in einer Glasvitrine.

Nächsten Monat würde ich vierzig Jahre alt werden. Man sah es mir nicht an. Ich wurde regelmäßig jünger geschätzt. Vielleicht lag es an meiner sportlichen Figur oder dem dunklen Lockenkopf.

Aber mit Männern hatte ich leider bisher kein Glück. Ich hatte immer mal wieder eine Beziehung, aber keine, die länger als ein paar Monate gedauert hatte.

Mein Bruder Simon schleppte in regelmäßigen Abständen irgendwelche Kollegen oder frisch getrennte Freunde an, mit denen er mich dann verkuppeln wollte.

Ich war gespannt, was er heute wieder geplant hatte. Er lud sich immer gern bei mir ein, um seine Hilfe anzubieten.

Ich reckte mich, um ein Paket Mehl aus dem oberen Regal zu angeln. Leider konnte ich es nicht erreichen.

In diesem Moment griff Jemand an mir vorbei, nahm das Mehl und hielt es mir vor die Nase.

„War es das, was Sie wollten?“ fragte ein junger Mann.

Mein Herz klopfte plötzlich wie wild, denn er sah aus unverschämt gut aus.

Er hatte ein markantes Gesicht und ein Lächeln, mit dem er in jeder Werbung für Zahnpaste mitwirken konnte. Seine Haare trug er etwas länger. Sie fielen ihm lässig vor seine wunderschönen dunklen Augen.

Ich wollte etwas erwidern, aber der junge Mann hatte das Mehl schon in meinen Einkaufswagen gelegt und war weiter gegangen.

Ich sah ihm nach. In diesem Moment drehte er sich nochmal um und lächelte.

Was war das denn? Das war mir ja noch nie passiert. Das mir die Worten fehlten, kam eigentlich nie vor. Ich war so durcheinander, dass ich nicht mehr wusste, was ich sonst noch einkaufen wollte.

Ich warf wahllos ein paar Lebensmittel in den Einkaufswagen und packte alles an der Kasse in meinen Rucksack.

Als ich mein Fahrrad aufschloss, ertappte ich mich dabei, dass ich mich nach dem jungen Mann umschaute.

„Was ist los mit Dir Stella?“ sagte ich zu mir selbst. „Du bist mindestens zehn Jahre älter als er. Mach Dich nicht lächerlich!“

Als ich zuhause die Haustür aufschloss, war ich total durchgeschwitzt. Ich räumte die Lebensmittel in den Kühlschrank und ging erstmal unter die Dusche.

Mit einem Handtuch bekleidet ging ich in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen.

In einer Stunde würde Simon hier sein. Ich wollte uns einen Salat mit Hühnchen zubereiten. Das war bei den heißen Temperaturen am besten.

Ich zog Shorts und eine leichte Bluse an und ließ meine Locken an der Luft trocknen.

Alles andere war bei meiner Mähne sowieso unnötig.

Ich wollte gerade anfangen den Salat zuzubereiten, als es klingelte.

Simon stand mit hochrotem Kopf vor der Tür und schaute schuldbewusst.

„Ich weiß, ich bin zu früh, aber wir haben in der Firma vorzeitig Schluss gemacht. Die Hitze ist heute unerträglich“, sagte er.

„Komm rein!“ sagte ich und musste lächeln.

Simon war sechs Jahre älter als ich und niemand hätte geahnt, dass wir Geschwister sind.

Simon war schon als Kind etwas pummelig. Mittlerweile hatte er einen dicken Wohlstandsbauch. Er hatte eine Stirnglatze und trug eine dicke Brille.

Er war aber schon immer mein bester Freund. Wenn es früher Ärger mit unseren Eltern oder in der Schule gab, war Simon immer für mich da. Er war der typische große Bruder.

In der letzten Zeit hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, den Mann fürs Leben für mich zu finden.

Ich bin Simon zu Liebe, ab und zu mit den Männern, die er mir ausgesucht hatte, ausgegangen. Aber die meisten waren langweilig oder planten schon eine Hochzeit.

Mit anderen Worten: Fehlgriffe!

Jetzt warf Simon sich stöhnend auf meine Couch und zückte einen Flyer aus seiner Hosentasche.

„Möchtest Du ein Bier?“ fragte ich.

„Unbedingt!“ antwortete Simon und grinste voller Vorfreude.

Ich ging zum Kühlschrank und holte eine Flasche Bier für Simon und eine Flasche Weißwein für mich heraus.

Ich reichte Simon die Flasche und ein Glas und schüttete mir den Weißwein ein. Ich mochte lieber Wein als Bier.

Dann setzte ich mich zu Simon auf die Couch und wir stießen erstmal an.

„Ich mache uns gleich einen Salat mit Hühnchen. Ist das okay?“ fragte ich.

„Es tut mir leid Stella, aber ich kann gar nicht lange bleiben. Martina kann die Kinder heute nicht vom Sport abholen. Sie hat einen Arzttermin. Also bleibt es wieder an mir hängen!“ antwortete Simon.

„Das macht nichts!“ sagte ich. „Aber was hat Martina denn? Ist sie krank?“ wollte ich wissen.

Simon schaute unglücklich.

„Sie kommt so langsam in die Wechseljahren und hat jede Woche etwas anderes!“ sagte er genervt.

„Sei nicht ungerecht. Frauen in ihrem Alter haben da oft richtige Probleme!“ sagte ich.

„Du auch?“ fragte Simon erstaunt.

„Werde nicht frech!“ antwortete ich und musste lachen. „Ich sage Bescheid, wenn es bei mir soweit ist!“

Simon grinste, dann schob er mir den Flyer rüber.

Ich war erstaunt, als ich sah, dass es ein Faltblatt einer neuen Tanzschule war, die bei mir um die Ecke eröffnet hatte.

„Was soll ich damit?“ fragte ich.

„Du hast doch schon immer so gern getanzt. Die bieten auch Kurse für Singles an. Vielleicht lernst Du dort Jemanden kennen!“ sagte Simon. „Meinen Freundeskreis hast Du ja schon durch!“

Ich musste laut lachen.

„Du gibst nicht auf, hab ich recht?“ fragte ich.

Simon zwinkerte mir zu und deutete auf den Flyer.

„Komm, trau Dich. Das hört sich alles ganz gut an. Außerdem ist es wirklich nicht weit von hier entfernt!“

„Ich überlege es mir!“ sagte ich.

Simon trank sein Bier aus und stand dann auf.

Ich brachte ihn noch zur Tür und sagte:

„Grüß Martina und die Mädchen!“

Simon nickte und nahm mich zum Abschied in den Arm.

„Mache ich!“ sagte er und drückte den Knopf am Fahrstuhl.

„Ich weiß! Ich sollte lieber laufen. Aber heute ist es zu heiß!“ sagte er schuldbewusst.

Ich musste grinsen, denn Simon fuhr immer mit dem Fahrstuhl. Egal bei welchem Wetter.

Nachdem ich wieder allein in der Wohnung war, ging ich in die Küche um den Salat zuzubereiten.

Das Hühnchen ließ ich im Kühlschrank. Es war zu heiß um den Herd anzuschalten.

Mit dem Teller und einem weiteren Glas Wein ging ich auf den Balkon.

Ich lebte schon immer in Berlin. Seit fünf Jahren hier in Pankow. Der Kiez, wie man es hier nennt, hatte mir direkt gut gefallen.

Hier gab es viele Künstler, kreative Köpfe und eine Multikulti-Gesellschaft. Das mochte ich sehr.

Ich wohnte in einem Hinterhaus mit Blick in den grün bepflanzten Hof.

Vom Balkon aus schaute ich in die Baumkronen und konnte die Vögel beobachten. Eine Idylle mitten in der Stadt.

Ich seufzte und trank einen Schluck von dem eiskalten Wein.

Eigentlich ging es mir sehr gut. Mein Job machte mir sehr viel Spaß, ich hatte nicht viele, aber gute Freunde und war gesund.

Doch manchmal wünschte ich mir doch einen Partner an meiner Seite.

Ich ging ins Wohnzimmer und holte den Flyer der Tanzschule, der auf dem Tisch lag.

Ich blätterte darin herum und fand dann einen Kurs, der sich interessant anhörte.

Es war ein Tangokurs für Anfänger und Singles.

Ich hatte schon vor zwanzig Jahren mit meinem damaligen Freund Paul eine Tanzschule besucht und viel Freude daran gehabt. Sogar die Tanzschuhe aus dieser Zeit hatte ich aufgehoben, in der Hoffnung, dass ich sie nochmal gebrauchen konnte.

Kurzentschlossen nahm ich das Handy und wählte die Nummer der Tanzschule.

„Tanzschule Breuer!“ meldete sich eine angenehme männliche Stimme.

„Guten Tag, mein Name ist Stella Martin!“ sagte ich. „Ich interessiere mich für den Tangokurs für Single!“

„Das freut mich sehr. Sie wissen, dass der Kurs schon nächste Woche beginnt?“ sagte der Mann.

„Ja, das weiß ich!“ antwortete ich.

„Dann kommen Sie doch heute Abend mal vorbei und schauen sich alles an. Sie können dann auch direkt die Anmeldung unterschreiben!“

Ich sagte zu und verabschiedete mich.

Nachdem ich aufgelegt hatte, kamen mir dann aber doch Zweifel.

Ein Tanzkurs für Single! Was würde mich da erwarten? Hoffentlich gab es dort nicht nur frustrierte einsame Herzen!

Trotzdem ging ich an meinen Schuhschrank und kramte die alten Tanzschuhe heraus.

Zwei Stunden später holte ich das Fahrrad aus dem Hof und fuhr zu der Tanzschule.

Als ich die Eingangstür öffnete, hörte ich schon flotte Tanzmusik und einen Mann der den Schülern freundliche Anweisungen gab.

Ich schaute um die Ecke in den großen Tanzsaal und entdeckte einen gutaussehenden Mann in meinem Alter, der jetzt zu mir herüber sah.

Er deutete mir an, dass er gleich Zeit für mich hatte.

Kurze Zeit später kam er dann zu mir in den Empfangsbereich.

„Guten Tag! Frau Martin?“ fragte er lächelnd.

„Ja, genau. Ich möchte mich heute für den Tangokurs anmelden!" antwortete ich.

„Sehr gern! Ich bin übrigens Andreas Breuer! Ich bin der Eigentümer der Tanzschule.“

Er ging um die Anmeldung herum und holte ein Formular hervor. Ich beobachtete ihn heimlich.

Andreas Breuer sah nicht wie ein typischer Tanzlehrer aus. Er war groß und kräftig. Er hatte einen gepflegten Dreitagebart und eine sehr angenehme Stimme. Er reichte mir das Formular und sagte: „Den Bereich, den ich angekreuzt habe, müssten Sie ausfüllen und unterschreiben.“

Ich nahm den Kugelschreiber, der auf dem Tisch lag und machte meine Angaben auf dem Formular.

Dann unterschrieb ich schwungvoll.

„Herzlich Willkommen zum Tanzkurs!“ sagte Andreas Breuer. „Wir duzen uns übrigens hier alle. Ist das okay?“