9,99 €
Owen Mackenzie, Computeringenieur der ersten Generation, hat sein ganzes Leben in kleinen Orten verbracht. Seit er mit einem Partner eine Software-Firma gegründet und rechtzeitig an Apple verkauft hat, kennt er keine Geldsorgen mehr. Das Faszinierende am Leben des siebzigjährigen Owen ist seine erotische Biographie: Updike porträtiert dieses Middle America liebevoll und unsentimental, mit den fröhlich auf Männerjagd gehenden Fayes und Karens und Vanessas und Antoinettes und den Männern, die die Schönheit und das Erbarmen der Frauen nicht verdienen. "Ein wunderbarer erotischer wie sozialer Rückblick auf das Leben in kleinen Orten." (Fay Weldon)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 515
John Updike
Landleben
Roman
Aus dem Englischen von Susanne Höbel und Helmut Frielinghaus
Ihr Verlagsname
Owen Mackenzie, Computeringenieur der ersten Generation, hat sein ganzes Leben in kleinen Orten verbracht. Seit er mit einem Partner eine Software-Firma gegründet und rechtzeitig an Apple verkauft hat, kennt er keine Geldsorgen mehr. Das Faszinierende am Leben des siebzigjährigen Owen ist seine erotische Biographie: Updike porträtiert dieses Middle America liebevoll und unsentimental, mit den fröhlich auf Männerjagd gehenden Fayes und Karens und Vanessas und Antoinettes und den Männern, die die Schönheit und das Erbarmen der Frauen nicht verdienen.
«Ein wunderbarer erotischer wie sozialer Rückblick auf das Leben in kleinen Orten.» Fay Weldon
John Updike, 1932 in Shillington, Pennsylvania, geboren, studierte in Harvard, bevor er als Redakteur des «New Yorker», als Lyriker, Essayist und Romancier hervortrat. Er wurde unter anderem mit dem National Book Award, dem National Book Critics Circle Award, dem Prix Médicis und zweimal mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
John Updike starb am 27. Januar 2009 in Beverly Farms, Massachusetts. Sein gesamtes Werk ist auf Deutsch im Rowohlt Verlag erschienen.
Oh, Liebe, lass uns wahr sein
Miteinander! Denn in der Welt, die
Vor uns liegt gleich einem Land der Träume,
So mannigfaltig und so schön, so neu,
Gibt’s Freude nicht, noch sichere Gewissheit,
Nicht Liebe, Frieden, Licht, nichts gegen Leid …
Matthew Arnold, «Dover Beach»
Seit langem schon wacht seine Frau früh auf, um fünf oder um halb sechs. Aufgrund ihres inneren Rhythmus, manchmal nicht im Einklang mit dem Owens, erwacht Julia voller Zärtlichkeit für ihn, ihren Gefährten auf des Bettes regloser Reise durch die Nacht unvollkommenen Schlafs. Sie umarmt ihn und erklärt, ungeachtet seiner Proteste, dass er noch schlafe, mit leiser, aber unerbittlicher Stimme, wie sehr sie ihn liebe, wie froh sie sei über ihre Ehe. «Ich bin so glücklich mit dir.»
Und das nach fünfundzwanzig Jahren des Zusammenlebens. Er ist siebzig, sie fünfundsechzig; ihre Verkündigung, für sie selber von Neuigkeitswert, versetzt ihm einen kleinen Stich: Wie könnte es anders sein? Nach all den eigenen Kümmernissen und dem Schmerz, den sie anderen zugefügt haben. Sie haben die Furt durchquert, und jetzt sind sie hier, auf der anderen Seite. Sie zupft an ihm, sie dreht seinen Kopf, damit sie ihn auf den Mund küssen kann. Doch seine Lippen sind gedunsen und taub vom Schlaf, und in diesem anästhetisierten Zustand, die Nerven noch nicht wieder geordnet, hat er das Gefühl, sie wolle ihn ersticken; sie streichelt ihn, wie man früher sagte, gegen den Strich. Nach einigen weiteren Minuten liebesbetörten Gerangels, bei dem er sich starrköpfig verweigert und sich die Möglichkeit bewahrt, zu seinem kostbaren Traum zurückzukehren, gibt Julia nach und erhebt sich vom Bett, und Owen streckt sich dankbar auf der von ihr geräumten Seite aus und sinkt für ein, zwei weitere Stunden in Schlaf.
Eines Morgens träumt er in dieser letzten, gestohlenen Stunde, dass er in einem Haus, das er nicht kennt (es wirkt schäbig, öffentlich, wie eine Pension oder ein Krankenhaus), von gesichtslosen Amtspersonen in einen Raum geführt wird, wo auf einem Bett wie dem ihren – zwei aneinander gekoppelte Einzelbetten, die ein großes Bett ergeben – ein Mann, ein junger Mann, der Glätte seines blonden Körpers mit dem straffen Hintern nach zu urteilen, auf dem Körper seiner Frau liegt, als bemühte er sich um Wiederbelebung oder (was keineswegs das Gleiche ist) um Verbergen. Als sich dieser Fremde auf die stumme Anweisung der begleitenden Amtspersonen hin erhebt, wird der Körper von Owens Frau, auch er nackt, auf dem Rücken liegend, sichtbar: der weiße entspannte Bauch, die Brüste, flach von der Schwerkraft, ihr teures, vertrautes Geschlecht im krausen Bart aus Fell. Sie ist tot, Suizid. Sie hat den Ausweg aus ihrem Schmerz gefunden. Owen denkt: Hätte ich mich nicht in ihr Leben eingemischt, wäre sie noch am Leben. Er sehnt sich danach, sie zu umarmen und ihr wieder Leben einzuhauchen und das Gift, als das seine Existenz auf die ihre gewirkt hat, wieder in sich hineinzusaugen.
Langsam, widerwillig, so wie man seine Aufmerksamkeit von einem noch ungelösten Rätsel abwendet, wacht er auf, und natürlich ist sie nicht tot; sie ist unten und verbreitet den Geruch von Kaffee und die Geräusche einer morgendlichen Nachrichtensendung: mehrere einander neckende Stimmen, männliche und weibliche. Verkehr und Wetter, beides mag Julia, nie versiegt ihr Interesse daran, an diesen chronischen täglichen Unwägbarkeiten, obwohl sie seit drei Jahren nicht mehr jeden Tag nach Boston fährt. Er kann ihre blauen Gummi-Flip-Flops hören, die zu tragen sie nicht aufgibt, als wäre sie auf immer jung und für den Strand gekleidet, sie klatschen in der Küche hin und her, vom Kühlschrank zur Arbeitsfläche zum Frühstückstisch, und dann zum Spülbecken und Abfallzerkleinerer und zur Spülmaschine, und weiter ins Esszimmer, wo sie ihre Pflanzen gießt. Sie liebt ihre Pflanzen, vielleicht mit demselben Gefühlsorgan, mit dem sie das Wetter liebt. Das Geräusch, das die Flip-Flops machen, und die Gefahr, die sie für ihre Trittsicherheit bedeuten – auf der Treppe rutscht sie immer wieder aus – , irritieren ihn, aber er mag den Anblick ihrer nackten Zehen, leicht gespreizt wie die Zehen an hart arbeitenden asiatischen Füßen, die kleinen Gelenke weiß von der Anstrengung, die Flip-Flops anzubehalten. Sie ist eine zierliche Brünette mit einem kompakten Körper, und ihre Haut nimmt, anders als bei seiner ersten Frau, eine gesunde, gleichmäßige Bräunung an.
An manchen Tagen findet er, halb erregt, nur wieder in den Schlaf, wenn er an eine der anderen Frauen denkt – Alissa oder Vanessa oder Karen oder Faye – , die wie er in den sechziger und siebziger Jahren in der Stadt Middle Falls, Connecticut, gelebt haben. Seine Hand umfasst seinen schlaftrunkenen Schwanz, und er erlebt wieder, wie er eine von ihnen unter sich, neben sich, über sich hat, wie sie sich das Haar zurückstreicht und das Gesicht über seinen geschwollenen Mittelpunkt beugt, dessen Nerven sich allesamt nach feuchter, wissender Berührung drängen; aber heute ist kein solcher Tag. Die kräftiger werdende weiße Frühlingssonne scheint schonungslos gleißend unter der Jalousie hervor. Die wirkliche Welt, ein von seinem Traum unverletzter Tiger, wartet. Es ist Zeit, aufzustehen und einen Tag anzugehen, der dem gestrigen Tag ähnelt, einen Tag, von dem sein animalischer Optimismus annimmt, dass er der erste einer Reihe sich endlos in die Zukunft erstreckender Tage ist, von dem jedoch sein – in der Gattung Homo sapiens hypertrophiertes – Zerebrum weiß, dass es ein weiterer Tag eines abnehmenden, begrenzten Vorrats ist.
Rings um ihrer beider private Anhöhe erwacht die so genannte Kleinstadt Haskells Crossing. Das gleich bleibende dumpfe Rauschen des Verkehrs dringt durch die Hauswände aus Holz und Gips und durch den isolierenden Wald dahinter. Die Zeitungen – der Boston Globe für ihn, die New York Times für sie – sind bereits zugestellt worden. Die Vögel sind schon seit langem im Gang, die Drosseln picken nach Würmern, die Krähen bohren ihren Schnabel in den Rasen, auf der Suche nach Larven von Getreidewanzen, die Schwalben schnappen sich Mücken aus der Luft, die verschiedenen Arten rufen einander zu, jede in ihrem eigenen jubilierenden, von ihrem erbsengroßen Hirn entwickelten Code. Auf dem Weg zum Badezimmer ruft er nach unten: «Guten Morgen, Julia!»
Ihr Ruf schallt zurück: «Owen! Du bist auf!»
«Schätzchen, natürlich bin ich auf. Mein Güte, es ist schon nach sieben Uhr.»
Je älter sie werden, desto mehr reden sie wie Kinder. Julias Stimme dringt nach oben, ein wenig vorwurfsvoll, halb scherzhaft: «Du schläfst immer bis acht, seit du nicht mehr pünktlich am Zug sein musst.»
«Liebling, wie du lügst! Ich schlafe niemals länger als bis sieben. Ich wünschte, ich könnte es», redet er weiter, ist sich allerdings nicht sicher, ob sie nicht von der Treppe weggegangen ist und ihn gar nicht mehr hören kann, «aber das ist etwas, das mit dem Alter kommt, man steht mit den Vögeln auf. Warte nur, bis es dich trifft.»
Dies ist ehelicher Schwachsinn – siehe Codes erbsengroßer Hirne! Wenn der Tag ein Computer wäre, denkt er, dann ist dies das Boot-up, das Wiederladen des Main Memory. Julia schläft tatsächlich weniger als er (wie schon seine erste Frau, Phyllis), aber dass sie fünf Jahre jünger ist, ist ihm immer eine Quelle des Stolzes und des sexuellen Reizes gewesen, ähnlich wie der Anblick ihrer Zehen vorn in ihren blauen Flip-Flops. Was er auch gern sieht, sind unter ihrem Morgenmantel ihre rosa Fersen, wenn sie sich entfernen, die senkrechten Stränge ihrer Achillessehnen, ein schneller, fester Schritt nach dem andern, die Füße nach außen gedreht, wie Frauen es tun.
Sie führen dieses Gespräch, während er mit schmerzender Blase vor der Tür seines Badezimmers steht, bei der Treppe, die zur Küche hinunterführt. Das Bild seiner geliebten Julia, wie sie nackt und tot in seinem Traum dalag, und das Traumempfinden von Schuld, das ihren Suizid in Wirklichkeit zu einem von ihm begangenen Mord machte, sind noch lebendiger als die täglichen Fakten im Wachsein – die Tapete mit den sepia Rosen und dem stumpf metallischen Glanz, der neue Teppich im Flur mit den frischen beigefarbenen Noppen und der dicken, federnden Teppichunterlage, der bevorstehende Tag mit den Stunden, die es wie Sprossen auf einer alten, gefährlichen, splitternden Leiter zu erklimmen gilt.
Während Owen sich vor dem am Fenster angebrachten Spiegel rasiert, wo sein lappiges und von der Sonne beschädigtes Gesicht, grausam vergrößert, das mitleidlose Licht frontal entgegennimmt, hört er die Spottdrossel, wie sie auf ihrem Lieblingszweig ganz oben in der höchsten Zeder eine aufregende, endlose Schimpftirade gegen irgendetwas, eine nebensächliche, chronische Routineangelegenheit von sich gibt. Alles Leben da draußen – die Vögel, die Insekten, die Blumen, die verstohlene Tierwelt der Streifenhörnchen und Waldmurmeltiere, die aus ihren Schlupflöchern huschen und wieder darin verschwinden, als könnte im nächsten Moment eine Schrotflinte sie zerfetzen – hat sein eigenes Netzwerk für gemeinsame Kümmernisse und Kommunikation; für sie ist die Menschenwelt kaum mehr als eine flirrende Randerscheinung, ein unerforschliches Knistern, eine intermittierende Interferenz, die selten todbringend ist und keine Beziehung zu dem organischen Überfluss (dem Abfall, den Gärten) erkennen lässt, den die menschliche Spezies an den Tisch der Natur bringt. Sie beachten uns nicht, denkt Owen. Wir sollten Götter für sie sein, aber sie haben nicht unsere Fähigkeit zur Verehrung – zur Voraussicht und zu den Schrecken und der verqueren geistigen Kriecherei, wie sie die Voraussicht mit sich bringt, die Erfindung eines Lebens nach dem Tod eingeschlossen. Tiere unterscheiden nicht zwischen uns und den anderen Geschöpfen oder zwischen uns und den Steinen und den Bäumen, alle mit ihrem eigenen Geruch und ihrer eigenen Bedeutung für den Existenzkampf. Die Erde bietet Skorpionen und Waldmurmeltieren und Quintillionen von Ameisen Zuflucht, die Sterne leiten die kanadischen Wildgänse und arktischen Seeschwalben, die Rauchschwalben und die Chrysippusfalter bei ihren immensen jährlichen Migrationen. Wir sind nicht mehr als Punkte unter ihren Flügeln, unsere Städte sind übel riechende und unfruchtbare Unterbrechungen in dem Diskurs von Raubtier und Beute. Nein, keine Unterbrechungen, denn viele Gattungen akzeptieren unsere Städte als Habitat, nicht nur die Ratten im Keller und die Fledermäuse im Dachgestühl, sondern auch die Mäusebussarde und Tauben auf den Kanten der Wolkenkratzer, und neuerdings die Rehe, die unverfroren und hilflos durch unsere Vorortgärten staksen, gehätschelt und gehasst.
Owen spannt die Unterlippe, um mit dem Rasierer den kitzligen seitlichen Strich zu machen. Er versucht sich zu rasieren, ohne sein Gesicht zu sehen, das niemals das Gesicht gewesen ist, das er sich gewünscht hätte – zu viel Nase, nicht genug Kinn. Eine einladende Schwäche und dennoch eine scharfäugige Wachsamkeit. In letzter Zeit ziehen Falten die Mundwinkel herunter, und die Augenlider sind schrumplig wie bei einem Wüstenreptil, sodass sich morgens die Falten verfangen und an den Wimpern hängen bleiben. Er hasst das ihm vertraute Gefühl, etwas im Auge zu haben, das sich nicht fassen lässt, aber stört. Pollen. Eine Wimper. Ein geplatztes Äderchen. Hinter ihm, durch die isolierende Wand des Waldes, künden Motorengeräusche, Fehlzündungen und das Piepen rückwärts fahrender Lastwagen von dem kümmerlichen, ein oder zwei Blöcke umfassenden Geschäftsviertel von Haskells Crossing; es ist hörbar, aber nicht sichtbar von seinem Haus in der grünen Verschwiegenheit auf der Anhöhe. Obwohl er die Lichter der Stadt von den oberen Fenstern im Haus deutlich sehen kann, hat er in der Stadt nie einen Punkt gefunden, von dem aus sein Haus sichtbar wäre. Das gefällt ihm, es ist wie sein Bewusstsein – unsichtbar, aber im Mittelpunkt.
Als Kind hatte er angenommen, dass die Welt irgendwie durch sein Erwachen in Bewegung gesetzt wurde. Was passierte, ehe er aufwachte, war wie die Zeit vor seiner Geburt, eine Leere, über die er nicht nachdenken konnte. Es überrascht ihn immer, wie früh in kleinen und ebenso in großen Städten die Morgenaktivitäten beginnen, nicht nur bei den sprichwörtlichen, Würmer pickenden Vögeln, sondern auch bei den Menschen – die Pendler, die den Zug um 6.11 Uhr erreichen müssen, der Besitzer der Obsthandlung in der Stadt, schon zurück vom Großmarkt beim Callahan-Tunnel mit seinem Lastwagen, die jungen joggenden Mütter, die ihre Meilen schon hinter sich haben, wenn sie mit ihren Kindern an der Bushaltestelle stehen, die Taugenichtse der Stadt, die schon auf der Bank am Kriegerdenkmal Posten bezogen haben, dort, neben dem alten Backsteinbau der Feuerwache, auf der anderen Seite der Hauptstraße und gegenüber der Bäckerei. Der Bäcker, ein schlecht rasierter Frankokanadier mit seiner von zu vielen Zigaretten eingesunkenen Brust, ist schon seit vier Uhr auf und verbreitet in der kalten Luft das Aroma von backenden Croissants, Zimtbrötchen und Blaubeer-Muffins.
Owen sieht das alles vor seinem geistigen Auge, während er den Rest der Rasierseife abschabt und dabei sein zu kleines Kinn vorstreckt, um die schlaffen Falten darunter zu straffen. Die Feuerwache, wenn Sie es wissen wollen, ist ein mit Ornamenten versehenes Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert und fast zu schmal für den modernen Feuerwehrwagen, den die Stadtältesten von Cabot City, wovon Haskells Crossing ein Außenbezirk ist, kürzlich erworben haben. Nach jedem Notruf, der sich gewöhnlich als falscher Alarm entpuppt, stößt der Wagen unter aufgeregtem Piepen rückwärts in seine Bucht, von der an den Seiten nur wenige Zentimeter übrig bleiben. Das Kriegerdenkmal ist eine verlängerbare Reihe von Namen in beweglichen weißen Lettern auf einer schwarzen, mit Schlitzen versehenen Tafel hinter Glas: die Toten von Haskells Crossing bis zurück zu den Kriegen gegen die Franzosen und die Indianer. Die größte Gruppe fiel im Bürgerkrieg, die nächstgrößte im Zweiten Weltkrieg. Unter dem Koreakrieg (zwei Namen) und der Intervention in Vietnam (vier) und der Aktion gegen den Irak 1991(ein einziger Name, ein gemeiner Soldat, der durch ein Versehen erdrückt wurde, als er half, auf dem saudi-arabischen Militärflughafen Jabayl einen schweren M1A1 Abrams-Kampfpanzer von siebenundsechzig Tonnen aus dem Rumpf eines Cargo-Flugzeuges vom Typ C-5 Galaxy zu entladen) ist noch reichlich Platz für künftige Opfer künftiger Konflikte – vernünftige neuenglische Sparsamkeit: Owen schätzt sie. Er hat hier seine endgültige Kleinstadt gefunden.
Die erste lag in Pennsylvania: die Gemeinde Willow, viertausend Einwohner, ein «Straßendorf», das beim Übergang vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert aus einem am Weg gelegenen Gasthaus hervorging, umgeben von Feldern, auf denen Mais und Tabak angebaut wurden. Die Straße, die über fünfundvierzig Meilen einem in südöstlicher Richtung fließenden Fluss folgte, erreichte schließlich Philadelphia, aber hier hieß sie Mifflin Avenue, nach dem streitsüchtigen ersten Gouverneur des Keystone-Staats. Drei Meilen in die andere Richtung lag Alton, eine Stadt mittlerer Größe – Alton mit seinen Fabriken aus schwarz gewordenen Backsteinen unmittelbar zwischen den Reihenhäusern, seinen Eisenbahngleisen, die das Stadtzentrum zerschnitten, seinem Rotlichtviertel, Pussy Alley genannt, seinen mit Eternit verkleideten Eckbars, seinen Lichtspielpalästen von pseudoislamischer Pracht und seinen lauten, miesen Restaurants. Sein Vater nannte sie «Wucherlokale». Sein Vater mochte es gar nicht, wenn er auswärts essen musste, er mochte es nicht, bedient zu werden, vor allem nicht von Männern, die in der Regel, so empfand er es, besser bezahlt und aggressiver waren als Kellnerinnen, er mochte kein aufwendiges Restaurant essen, das er manchmal, als Zeichen seiner Verachtung, wieder von sich gab, er mochte keine Nachspeisen, keine Mehrwertsteuer, keine Trinkgelder. Owens Mutter, immer übergewichtig, außer in den frühesten Erinnerungen ihres Sohnes, liebte gutes Essen und saß verschüchtert und aufbegehrend am Tisch, während ihr Mann ihr systematisch die Freude verdarb. So wenigstens schien es ihrem einzigen Kind, das das Ehedrama aus beschränktem Blickwinkel betrachtete: Obwohl sein Haar so stumpf und unaufregend braun war wie das seines Vaters – und so fein, dass es sich aufrichtete, wenn sie die Mütze abnahmen oder in der Nähe eines Ventilators saßen – , galt seine Sympathie immer der Mutter mit ihrem kastanienroten Haar. Doch seines Vaters Angst, plötzlich kein Geld mehr zu haben, nistete sich tief in ihm ein und nagte an ihm. Vielleicht war es kein Zufall, dass die Wanderung seines Lebens ihn in nordöstliche Regionen führte, in ein Gebiet steinigen, kargen Bodens und des knauserigen Umgangs mit Geld.
In Pennsylvania lagen die aus Sandstein gebauten Gasthäuser – Keime von Ortschaften, von denen manche gediehen und sich ausdehnten, während andere zu einem armseligen Häufchen verkamen – in einem Abstand von etwa drei Meilen, die Entfernung, die man in einer Stunde zu Fuß zurücklegen oder die ein Pferdegespann an einem Sommertag einen beladenen Wagen ziehen konnte, bevor die Pferde getränkt werden mussten. Das Leben auf den Farmen bestimmte noch die Zeit. Die alten Leute machten in der Mitte des Tages ein Nickerchen. Auf der Straße verkauften die Nachbarn einander Spargel, Bohnen und Tomaten, die sie in ihren Gärten gezogen hatten, und die Mifflin Avenue mit ihrer hohen Kuppe, die bewirkte, dass das Regenwasser im Rinnstein rauschte, hallte morgens wider von dem trägen Hufeklappern der Pferde, die Wagen zu dem eine halbe Meile entfernten Markt jenseits der Durchgangsstraße, der Alton Pike, zogen; die hatte in der Mitte Straßenbahnschienen. Als Owen 1933zur Welt kam und, in Ermangelung eines anderen Zuhauses, in das Haus seines Großvaters in Willow gebracht wurde, war Roosevelt noch frisch im Amt, und der Ort, benannt nach einem riesigen alten Baum direkt neben dem Gasthaus, dessen Wurzeln ihr Wasser aus dem Creek bezogen, der sich in Richtung Philadelphia schlängelte, war als Bezirk eingemeindet worden. Neue Straßen, parallel zur Mifflin Avenue, waren entstanden – Second Street, dann Third Street und Fourth Street kletterten einen Hügel hinauf, den die Kinder im Winter auf fest gepresstem Schnee mit Schlitten hinunterfuhren, um dann über die abgesperrten Kreuzungen zu donnern, bis die Fahrt unter flirrenden Funken auf einem Bett aus Asche endete – städtische Arbeiter hatten sie von einem Lastwagen geschaufelt. Die Funken, der feste Schnee, die Weihnachtsbäume in den Wohnzimmern den ganzen Weg zur Schule hin – all dies dauerte nur ein paar Tage, eine Unterbrechung des trüben, nasskalten Winters, aber es begründete Erinnerungen, die das ganze Jahr hindurch anhielten und in der virtuellen Ewigkeit eines Kindes die Zeit vorantrieben.
Das warme Wetter dauerte von März bis Oktober. Dunst legte sich über Willow. Von Owens kleinem Zimmer mit den holzgetäfelten Wänden und dem einen Bücherbord blickte man auf ein unbebautes Grundstück, wo er oft mit den anderen Kindern aus der Nachbarschaft spielte, in der Stunde nach dem Abendessen im Sommer, in milchigem Zwielicht; das lange Gras war stachlig, drauf und dran, sich auszusäen. Fungo, Dosenwerfen, Touch Football: Die Mädchen spielten alles mit, denn in der Nachbarschaft gab es mehr Mädchen als Jungen. Einmal fand Owen in dem struppigen, flachen, vom Tau nassen Gras – denn es war Herbst, und die Schule hatte wieder begonnen – seine Brille in dem braunen Etui mit dem Schnappverschluss, die ein paar Tage vorher verschwunden war. Gefunden! Er hatte überall im Haus gesucht, und seine Mutter hatte ihm anvertraut, welch ein Kummer es für seinen armen Vater wäre, wenn er eine Ersatzbrille bezahlen müsste. Es war ein Wunder, so kam es dem Kind vor, als es sich bückte und das Etui in die Hand nahm, feucht von den Tagen und Nächten, in denen es geduldig darauf gewartet hatte, dass der Junge es fände. Drinnen, ja, da war die Goldrandbrille, die sein Sehvermögen schärfte, mit den kleinen bohnenförmigen Plättchen, die Abdrücke auf seiner Nase hinterließen, und den gebogenen Metallbügeln, die hinter seinen Ohren drückten. Als man ihm in der zweiten Klasse gesagt hatte, dass er zum Lesen und im Kino eine Brille tragen müsse, hatte er geweint. Eines Tages, so tröstete er sich, würde er aus der Brille herauswachsen. Vielleicht war es kein ganz richtiges Wunder, dass er sie gefunden hatte, denn er benutzte den diagonalen Weg durch das Unkraut jeden Tag, wenn er zu Buddy Rourke ging, seinem Freund aus der Klasse über ihm, damit sie zusammen zur Schule gingen, abseits von dem Mädchenschwarm aus der Second Street. Buddy hatte keinen Vater, wodurch er merkwürdig und etwas beängstigend war. Er war launisch, und seine Augenbrauen wuchsen in der Mitte zusammen. Er hatte glattes, borstiges Haar, das nach vorn abstand, und einen Mund, der nie lächelte, wegen der Zahnspange, einem glänzenden Metallbügel mit einem Silberviereck in der Mitte eines jeden Zahns. Owen wollte zurücklaufen und seiner Mutter sagen, dass er seine Brille gefunden habe und dass sein Vater nicht für eine neue bezahlen müsse, aber er wollte auch nicht zu spät zu Buddy kommen, und so hastete er weiter, und das gefundene Etui machte die Tasche seiner Knickerbocker feucht, sodass die Haut an seinem Oberschenkel kribbelte.
Von derselben Seite des Hauses, jenseits des unbebauten Grundstücks, hörte Owen an einem anderen Morgen den Knall eines Schusses. Er hatte noch geschlafen. Es war, als wäre er in dem Moment aufgewacht, bevor er wie in einem Traum den Knall, der ihn weckte, gehört hatte. Er hatte genügend Gangsterfilme gesehen, um das Geräusch explodierenden Schießpulvers zu kennen, aber im Film hörte man es in Wellen von Maschinengewehrfeuer, während dies ein einzelner, einsamer Knall war.
Auch seine Eltern hatten es gehört, denn sie regten sich in ihrem Schlafzimmer, hinter der geschlossenen Tür, und die beiden Stimmen, männlich und weiblich, verwoben sich und verstummten dann wieder. Es war draußen nicht mehr ganz dunkel, die Bäume im Garten waren als Silhouetten erkennbar, ihre Formen ragten in das gleichmäßig graue, zum Himmel hin leicht gelblich braune Licht, bevor die Vögel zu zwitschern anfingen. Die Straßen waren still, kein Verkehr, nicht einmal ein Farmfahrzeug. Später hörte er eine Sirene, und noch später die Nachricht, von seinem Vater beim Frühstück berichtet – er hatte auf der Straße schon die Neuigkeit in Erfahrung gebracht – , dass ein junger Mann im Haus der Hoffmans, zwei Häuser hinter dem Haus neben dem unbebauten Grundstück, sich mit einem Armeerevolver, einem Colt .38, den Wes Hoffman aus seiner Zeit im Großen Krieg aufbewahrte, erschossen hatte. Danny Hoffman war noch nicht zwanzig, aber bei einem Sommerlager hatte ein Kind, das unter seiner Aufsicht stand, einen Kopfsprung ins flache Wasser gemacht und sich das Genick gebrochen, und das Verantwortungsgefühl hatte Danny verfolgt, obwohl es schon im vorigen Sommer passiert war. Er war nie wieder derselbe gewesen, er blieb im Haus und hörte sich Hörspielserien im Radio an und hatte aufgehört, sich Arbeit zu suchen.
Das war also die Erklärung. In den zwölf Jahren der Depression und des Zweiten Weltkriegs, also von 1933bis 1945, war es das dramatischste Ereignis in Owens Nachbarschaft. Die Frau auf der anderen Straßenseite, Mrs. Yost, hatte in ihrem vorderen Fenster eine Flagge mit fünf Sternen, aber alle fünf Soldatensöhne kehrten in bester Verfassung zurück. Skip Potteiger schwängerte Mary Lou Brumbach von nebenan, als sie erst siebzehn war, aber dann heiratete er sie, und somit war alles wieder in Ordnung – und am D-Day war das Baby schon in einem Wagen, den Mary Lou auf dem Weg zum Acme-Supermarkt und zurück, über die flachen Rinnen, in denen das Wasser von den Dächern zum Rinnstein floss, und über die Gehwegplatten schob, die von den Wurzeln der Rosskastanien angehoben wurden und einen stolpern ließen, wenn man mit Rollschuhen darüber fuhr. An heißen Sommerabenden drang der Lärm von Familienstreitigkeiten aus den mit Fliegengittern versehenen Fenstern der überfüllten Reihenhäuser auf der anderen Straßenseite herüber – der erhöhten Seite, zu der Zementstufen in den gefährlich nach außen geneigten Stützmauern führten. Aber es gab keine Scheidungen, soweit Owen sich erinnern konnte. Die Stimmen wurden erhoben, Geschrei und Türenschlagen hallten durch die Nachbarschaft, aber Scheidungen gab es anderswo, in Hollywood und in New York, und sie waren tragische Skandale, denn sie führten zu dem, was niemand und mit Sicherheit kein Kind wollte: ein kaputtes Zuhause. Schon der Ausdruck hatte einen sündigen, schrecklichen Klang und den aschenen Geschmack des Unglücks, wie die zerbombten und rauchenden Häuser, die in den Wochenschauen von Fox Movietone im Scheherazade, dem Lichtspieltheater im Ort, gezeigt wurden. Die Welt war voller Zerstörung und Übel, und allein die Vereinigten Staaten, so schien es, konnten sie wieder in Ordnung bringen. Das Land war im Krieg, und in Owens Phantasie war das unbebaute Grundstück vor seinem Fenster ein von Unkraut überwucherter Bombenkrater.
Die ursprüngliche Weide, von der Willow den Namen hatte, lebte noch und wurde wie ein alter Würdenträger umhegt, mit Injektionen von Pestiziden und Düngemitteln, die in ihre Wurzeln gegeben wurden, nachdem man mit einer Brechstange Löcher hineingetrieben hatte; sie stammte aus der Zeit, als dort eine Papiermühle mit einem Wasserrad gewesen war, und ein Teich mit Forellen und eine Rennbahn, auf der Trabrennen stattgefunden hatten, bevor auf dem ebenen, niedrig liegenden Gelände nördlich des Pike ein Netz von Straßen angelegt wurde. Owens Haus – eigentlich nicht Owens Haus, auch nicht das seiner Eltern, sondern es gehörte den Eltern seiner Mutter, Isaac und Anna Rausch – war eines der älteren und größeren an der Mifflin Avenue; sein Großvater hatte es gekauft, als er gedacht hatte, er sei reich vom Tabakanbau im Ersten Weltkrieg. Er verkaufte seine Farm und zog in die zehn Meilen entfernte neue, beliebte Gemeinde Willow. Als dann die Depression kam, schrumpften seine Ersparnisse zusammen, und seine Tochter zog mit ihrem Mann und ihrem Kind ein. Das eine Paar hatte ein Haus, das andere die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Owens Vater war Buchhalter bei einer der Strickwarenfabriken in Alton. Owens damals noch schlanke Mutter mit dem kastanienroten Haar arbeitete in einem Kaufhaus in Alton in der Stoffabteilung, bis ihr kleiner Sohn ihr ein schlechtes Gewissen verursachte: Schluchzend lief er auf der Mifflin Avenue hinter ihr her, als sie zur Straßenbahn ging; sie gab die Stelle auf, um mehr Zeit für ihn zu haben. Sein Vater, Floyd Mackenzie, kam aus Maryland. Owen war nach einem kränklichen Großvater genannt worden, der vor seiner Geburt gestorben war, aber, Familiengeschichten zufolge, etwas Funkelndes gehabt hatte und einen erfinderischen Kopf, was sie für schottisch hielten. Er besaß in Mt. Airy eine Eisenwarenhandlung, dieser ursprüngliche Owen, und hatte in seiner Freizeit Erfindungen gemacht, Verbesserungen an den Geräten, die er verkaufte – einen Unkrautjäter, den man bedienen konnte, ohne sich zu bücken, eine Heckenschere, die so konstruiert war, dass sich das Gelenk sehr viel leichter bewegen ließ – , aber keine Firma hatte je die Herstellung dieser Erfindungen übernommen und ihn reich gemacht. Er starb bankrott und tuberkulosekrank. Doch ein Funke seiner Hoffnungen, die harte Welt überlisten zu können, ging auf seinen Enkel über. Die Mackenzies waren nicht reich, aber sie waren schlau, findig. Owens Vater sagte zu ihm: «Du schlägst meinem Vater nach. Du hast seine intellektuelle Neugier. Er saß gern da und dachte darüber nach, wie bestimmte Dinge funktionieren. Ich habe mich so etwas nie gefragt, nur, wo mein nächster Dollar herkäme.» Daddy sagte das etwas bedrückt, als sei das Mackenzie- Erbe kein ungetrübtes Vergnügen – eine hoffnungsfrohe Phantasie, gemischt mit einer gewissen Zartheit der Konstitution, und eine wesentliche Unkenntnis davon, wie die Welt funktionierte und sich Tag für Tag weiterdrehte und einem das Geld aus der Tasche zog.
Auch der Großvater, in dessen Haus Owen wohnte, hatte etwas von einem Träumer; er hatte seine Farm verkauft und sein Geld in Aktien angelegt, die wertlos wurden. Er war ein Pennsylvania-Deutscher, aber von einem anpassungsfähigen Schlag: Er sprach perfekt Englisch, las getreulich die Nachmittagszeitung und schmückte sein Nichtstun mit großen Gedanken und eindrucksvollen Sprüchen aus. In dem alten Mann mit dem gelbstichigen Schnurrbart, dem weißen Haar und den anmutig gestikulierenden Händen erkannte Owen die Schwermut des partiellen Außenseiters, der in der einzigen Umgebung, die er kannte, seinen Weg zu den Quellen der Macht, zu den entscheidenden Geheimnissen nicht richtig gefunden hatte.
«Pop hätte Politiker werden sollen, er redet wie ein Wasserfall», sagte sein Schwiegersohn öfter, doch selbst Owen sah, dass sein Großvater zu penibel für die Politik war, zu passiv im Denken, so wie er sich durch den Tag bewegte, vom Gemüsegarten, wo er hackte und Unkraut jätete und seine Zigarre rauchen konnte, in sein Schlafzimmer oben, wo er ein Nickerchen machte, zu dem Sofa mit der aus Rohr geflochtenen Lehne im Wohnzimmer, wo er saß und darauf wartete, dass Grammy das Abendessen zubereitete. Sein Haus stand zwar in Willow, gehörte aber, abgesehen von dem einzelnen Kind darin und Grammy, nicht richtig dazu. Grammy war eine Yoder, die Jüngste von zehn Geschwistern, Angehörige einer großen Sippschaft, die über das ganze County verteilt lebte. In Willow wohnten viele ihrer Verwandten, Cousinen und Nichten und Neffen; manchmal verdiente sie sich ein bisschen Geld, indem sie ihnen beim Frühjahrsputz half oder das Essen für eine große Zusammenkunft mit zubereitete und servierte. Diese Verwandten hatten Geld: Sie besaßen kleine Geschäfte oder hatten gute Stellungen in den Strumpffabriken; sie trugen schöne Kleider und machten Ferien in den Poconos oder an der Küste von Jersey. Als Owen einmal hörte, wie sie liebevoll von «Aunt Annie» sprachen, in dem schleppenden sentimentalen Ton, in den Leute vom Lande einst so schnell hineingerieten, fiel es ihm im ersten Moment schwer zu begreifen, dass sie Grammy meinten. Für andere Menschen, so wurde ihm bewusst, sind wir andere Menschen.
Seit Owen nicht mehr dort wohnte, kam ihm seine Heimatstadt wie ein unschuldiger, kostbarer Ort vor; doch das war ihm nicht aufgegangen, als er dort lebte. Es war die Welt, mit einer unergründlichen Vergangenheit und mit Grenzen, die seinen Horizont überstiegen. Es gab Schlangen im Gras und in den Steinhaufen, die von der Sonne erwärmt wurden. Sex und Religion hatten einen deutlichen, uralten Geruch; Familien klebten wie unsichere Nester auf den verworrenen Zweigen vorausgegangener Geschichte, und der Tod konnte mitten in der Nacht zuschlagen. In der Zeit, als der junge Danny Hoffman Selbstmord beging und als Owen noch ein Kind war und unter einem Bücherbord schlief, auf dem seine zwei Dutzend Big Little Books neben einem einäugigen Teddybären namens Bruno und einer Mickey Mouse aus Gummi mit nackter schwarzer Brust und gelben Schuhen standen, brannte am Ortsrand von Willow ein großer Pferdestall nieder – er gehörte zur Blake Farm, dem Besitz abwesender reicher Leute aus Delaware – , und sein Vater, der wie ein Junge hinter Unglücksgeschichten her war, berichtete, wie die Pferde, nach draußen in Sicherheit gebracht, in ihrer Panik wieder hineinrannten und wie schrecklich der Gestank von ihrem brennenden Fleisch und Haar gewesen war. In jener Nacht konnte man von Owens Fenster den orangefarbenen Schein am Himmel sehen und davor die Umrisse des Daches und der Schornsteine des Hauses neben dem unbebauten Grundstück und die Silhouetten der höchsten Fichten und Hemlocktannen in den Gärten dahinter. Immer wieder ertönten die Feuersirenen der Stadt, ein gewaltiger, wütender Schrei, auf den keine Antwort kam. Wie an dem Morgen, als der Pistolenschuss knallte, hatte Owen sich auf die Seite gerollt und war wieder eingeschlafen und hatte so die Sturzbäche vom Schmerz in der Welt über sich hinwegbranden lassen.
Sich selbst zu töten war der Bibel nach die schlimmste Sünde überhaupt, erklärten Owens Lehrer in der Sonntagsschule; besonders streng in diesem Punkt wie auch in anderen war der blassgesichtige Mr. Dickinson mit dem eisengrauen Haar, der Manager der Bank. Sich selbst zu töten war schlimmer, als einen anderen Menschen in einem Akt der Selbstverteidigung umzubringen, was ja die Jungen der Familie Yost in Übersee taten. Es war, als hätte sich auf der stillen Mifflin Avenue, wo am frühen Morgen immer noch die Pferde des Milchwagens mit ihren trägen Hufen den Asphalt zum Klingen brachten, neben Owens Zimmer ein Krater geöffnet, ein Krater schrecklicher Möglichkeiten, ein Verleugnen von allem, der Bäume und der Vögel und des blauen Himmels und der gesegneten Ruhe der Natur. Buddy Rourkes Vater war in diesen Krater gefallen, obwohl er es nicht beabsichtigt hatte, oder vielleicht – es war unklar, und Buddy wollte nicht darüber sprechen – war der Vater auch noch am Leben, lebte aber anderswo, mit einer anderen Familie zusammen. Er war, so hieß das, «auf Abwege geraten».
Es gab noch eine andere Sünde, auch die machte einen schwindeln. An die hintere Wand des Schuppens, wo die Geräte für den Spielplatz von Willow untergestellt wurden, waren mit roter Kinder-Malkreide zwei Penisse (so hieß das richtige Wort dafür) hingekritzelt, deren Spitzen sich berührten. Gleich daneben hatte eine ältere, kenntnisreichere Hand mit Bleistift Linien tief in das gelb gestrichene Holz geritzt, die dem Anschein nach einen fetten Buchstaben M bildeten, doch bei näherem Hinsehen eine nackte Frau ergaben, die Beine angezogen und gespreizt, sodass dazwischen ein Spalt von der Form eines Kürbiskerns sichtbar wurde, mit geringelten Haaren drum herum und darüber, und darunter einem Punkt, den Owen selbst in der Stille seines Kopfes nicht benennen konnte, so schändlich war er. In Abrundung seiner Idee hatte der Künstler zwischen den Schenkeln zwei Brüste gemalt, mit geschwärzten, steifen Brustwarzen, und dazwischen wiederum etwas, das Owen als die Unterseite einer Nase mit ihren zwei Nasenlöchern identifizierte. Die Frau öffnete sich, um sich (wie die älteren Jungen sagten) ficken zu lassen: Das war klar. Warum sollte sie das tun? Das war nicht klar. Doch es war offensichtlich, dass eine Frau irgendwo erlaubt hatte, so betrachtet und gezeichnet zu werden, dass das Bild hier reproduziert werden konnte. Sie hatte weder Arme noch einen Kopf, und ihre Beine endeten ohne Füße: Der Künstler erachtete dies alles als unwesentlich. Die wesentlichen Teile der Frau waren dargestellt, und irgendetwas regte sich in Owens Unterleib in Anerkennung dieser Wahrheit: Was am wichtigsten war, wurde gezeigt. Der Spalt, die Haare, der kleine Punkt und Brustwarzen, die wie stämmige Flugzeugabwehrkanonen aufrecht in die Luft ragten.
Doch die Mädchen um ihn herum schienen mit diesen wichtigen Dingen nichts zu tun zu haben. Sie hatten braune Beine, weil sie den Sommer über auf dem Spielplatz waren und genauso schnell laufen konnten wie er. Sie wollten bei allen Spielen gewinnen – Dachball und Hockey und Chinesisches Damespiel. Ginger Bitting, die in seine Klasse ging und in der Second Street wohnte, baumelte oft kopfüber mit an den Knien abgeknickten Beinen am Klettergerüst, während ihre dünnen, sommersprossigen und mit weißlichem Flaum bedeckten Arme bis zum staubigen Grund reichten und ihr langes Haar, rot wie Tonerde und fein wie der Staub, zwischen ihren Armen herabhing. Falls ihre Beine nachgaben, würde sie fallen und konnte sich das Genick brechen, so wie der Junge im Sommerlager, als der arme Danny Hoffman Aufsicht geführt hatte. Aber Ginger passierte so etwas nicht. Ginger mit ihren Sommersprossen und den Augen wie grünes Glas, durch das ein Licht schien, war das waghalsigste, das drahtigste Mädchen in seiner Klasse auf der Grundschule, die Schnellste beim Rennen, die Beste im Singen und die Mannschaftsführerin der Mädchen, wenn sie in der Pause gegen die Jungen Fußball spielten. Schnappte sie ihm auf dem Nachhauseweg seine Mütze oder seine karierte Büchertasche weg, konnte er sie erst einholen, wenn sie ihn ließ. Auf der Schaukel auf dem Spielplatz schwang sie sich hoch hinauf, die Ketten knackten und zerrten, rüttelten an dem Rohrgestell und zogen sie zurück, wenn Ginger aus der Horizontale zu fallen drohte, und doch nahm sie neuen Schwung, die braunen Beine steif vor sich hingestreckt. Er sah zu, wie ihre Füße in den rissigen, abgestoßenen Lederschuhen in den Himmel stießen. Damals trug er im Sommer knöchelhohe Sneakers, aber die Mädchen hatten richtige Schuhe an, mit Schnürbändern und glatten Sohlen.
Zum Spielplatz kam man über einen schmalen Gang hinter Owens Haus, weiter auf einem Pfad zwischen zwei Maisfeldern und dann auf einem grasüberwachsenen Weg zwischen den Tribünen des Baseball-Felds und einer Reihe Kirschbäume, die dort wild wuchsen. Ginger kletterte oft mit ihren rutschigen Schuhen auf diese Bäume, höher als Owen es je gewagt hätte. Er sah ihr zu, wie sie emporklomm, aber wenn er in ihre Shorts blickte, sah er nie etwas, das dem komplizierten Arrangement der Zeichnung auf der Wand des Geräteschuppens ähnelte. In der ruhigen Stunde, wenn die Schatten länger wurden und die Aufsichtsperson und die anderen Kinder nach Hause gegangen waren und die Geräte – die Hockey-Stöcke und Pingpongschläger und Halmabretter – wieder eingeschlossen waren, experimentierte Owen am Klettergerüst, ließ sich an den Armen und geknickten Knien herabhängen und wollte sich dazu bringen, die Hände loszulassen. Aber er schaffte es nie. Falls er fiel und sich das Genick brach, würde er die ganze Nacht so daliegen, Dunkelheit und Morgendunst würden ihn bedecken, und erst am nächsten Tag würde man ihn finden, wenn um neun Uhr die Aufsichtsperson, die herrische, pedantische Miss Mull, kam, die Flagge hisste und mit den versammelten Kindern die Pledge of Allegiance sprach.
Ginger war von Satelliten umgeben, obwohl die Mädchen um sie herum sich selbst vielleicht gar nicht so sahen. Jedes der Mädchen hielt sich wahrscheinlich, obwohl das schwer zu glauben war, selbst für den Mittelpunkt des Universums, so wie Owen auch. Es gab eine Menge Barbaras – Barbara Emerich, Barbara Jane Gross, Barbara Dolinski – , dazu Alice Stottlemeyer und Georgene King und Carolyn McManus und Grace Bickta, die alle in Owens Straße oder in den Straßen darüber wohnten, sich auf den Gehwegen einfanden und gemeinsam zur Grundschule und wieder nach Hause gingen. Alice Stottlemeyer, kleiner als die anderen und, wie Owen, mit einer Brille auf der Nase, war die Erste, die Owen mit einer geheimen Bedeutung küsste, eine Art Drücken mit dem Mund, fest, aber weich, als sie bei irgendeiner Geburtstagsfeier, nicht Owens, Flaschendrehen spielten. Seine eigenen Geburtstagsfeste waren, wenn seine Mutter eines ausrichtete, normalerweise eine Katastrophe, sodass er weinend nach oben in sein Zimmer lief, weil seine Gäste mehr Spaß hatten als er, das Geburtstagskind, das nicht genau die Geschenke bekommen hatte, die es sich erhofft hatte. Seine Mutter wollte das Flaschendrehen nie erlauben. Ihre Brillen klickten aneinander, seine und die von Alice, bei dem kleinen Kuss, während die anderen Kinder juchzten und kreischten und plötzlich verstummten, als sie sahen, dass Owen und Alice sich ernsthaft küssten, und alles in einer Sekunde. Und schon drehte sich die Flasche weiter, in der Mitte des Kreises, den sie bildeten, auf dem Linoleumfußboden oder dem gestrichenen Betonfußboden eines Kellers, in dem sie feierten und der zu einem Hobbyraum oder Partykeller umgewandelt worden war.
Das war einer der vielen sozialen Unterschiede, die sich kreuz und quer durch Willow zogen – der Unterschied zwischen Leuten, die in Freizeiträume umgewandelte Keller hatten, mit Wandverkleidung und Teppichen auf dem Fußboden und bequemen Sesseln, und denen, die wie Owens Familie, die Rausch-Mackenzies, noch Keller mit einer düsteren Kiste schmutziger Kohlen und spinnwebenüberzogenen Regalen voller Vorräte in Einmachgläsern hatten, und eine mit Farbe gesprenkelte alte Waschmaschine in der Form eines Bottichs, an dem eine Mangel aus Hartgummi befestigt war. Die feuchte Wäsche schob sich zwischen den zwei Zylindern aus weißem Gummi hervor wie riesige, verschrumpelte Zungen und fiel langsam in den geflochtenen Wäschekorb. Als Owen noch jünger war, noch bevor Alice Stottlemeyer ihn geküsst hatte, als er noch nicht neidisch war auf Familien mit bequemen Sesseln und Dartboards und auf Sperrholztischen aufgebauten elektrischen Eisenbahnen im Keller, war er verzaubert gewesen von dem kraftvollen, rhythmischen Vor-und-zurück-Schlagen der laufenden Waschmaschine, das eine Menge Seifenblasen aufrührte, und von dem Geruch der Seifenflocken, der so stark war, dass er ihm das Gehirn und die Nebenhöhlen zu putzen schien, und von dem holzigen, frischen Duft des Weidenkorbs, dessen Griffe so weit auseinander waren, dass er anfangs nicht beide zugleich anfassen konnte. Es war vorauszusehen, dass er eines Tages die Finger in die Mangel steckte. In einem raschen Aufwallen spürte er, wie der unerbittliche Druck zu seinem Handgelenk hinaufkletterte, und er schrie vor Angst laut auf. Es war einer dieser Augenblicke, in denen der hungrige Abgrund sich unter der sonnigen, täglichen Oberfläche der Dinge auftat, ähnlich wie bei dem Pistolenschuss vorm Morgengrauen, aber nicht so schlimm: Ein Sicherheitsmechanismus ließ die Zylinder auseinander springen, noch bevor seine Mutter um ihn herum eilen und den Hebel betätigen konnte. Wie so oft in den Wirrnissen der Kindheit vermischte sich das Entsetzen der Mutter, der Schrecken, der ihr Gesicht im Kellerlicht der nackten Glühbirne weitete, und danach ihr Schimpfen mit dem Augenblick seines Schmerzes, so als hätte sie den Schmerz verursacht. Trotzdem blieb er ein Bewunderer des Vorgangs, wie die Wäsche sich durch die Mangel bewegte, in den Korb und die Kellertreppe hinauf und durch die Eisentür in den hinteren Garten, wo die weißen Bettlaken um ihn herumhingen wie sich bauschende Wände einer fragilen Burg, ein Dschungelpalast, den er ganz allein erforschte. Bei wechselndem Wind lehnte sich der Pfosten um, in eine andere Richtung, und sein Gesicht kam plötzlich in Berührung mit dem ihn überragenden, feuchten, von Licht durchfluteten Tuch.
Seiner Momma oder Grammy Wäscheklammern zu reichen war eine seiner ersten Möglichkeiten, sich nützlich zu machen. Der kleine Wäscheklammerkorb roch nicht nach frischen Weidenruten, er war dunkel, weil er Jahr um Jahr von Frauenhänden gehalten worden war, seit der Zeit vor Grammy, die ihn geerbt hatte, ein aus Fasern geformtes Behältnis, hart wie Ton, aus «Süßwassergras», gefertigt von Sklaven oder Indianern, Owen wusste nicht genau, von wem. Der Korb hatte das dumpfe Dunkel uralter Zeiten, als es noch keine Autos und Kinos, keine Radios und Glühbirnen gab, lange bevor Owen geboren wurde. Er war, wenn man ihn ergriff, ein wenig schwerer und steinartiger, als man erwartete, während die Wäscheklammern etwas leichter waren. Mit ihren beiden Beinen und dem flachen Knauf am oberen Ende, wie eine Matrosenmütze, lagen sie glatt in seiner Hand und konnten mit Buntstiften in kleine Männer mit starrem Blick oder mit lachenden Gesichtern verwandelt werden, die Matrosenmützen und blaue Mäntel trugen. Man konnte sie Kunststücke vollführen lassen und sie zusammenstecken, wie Akrobaten.
Zu schade, dass Alice nicht hübscher und größer war und dass sie, wie Owen, in der Schule gute Noten bekam. Sie war klug, und das machte sie langweilig. Er fühlte sich zu den ruppigen, wagemutigen Mädchen aus Familien hingezogen, auf die seine Familie herabsah, weil man von einem überlieferten Makel munkelte oder einem Skandal, oder weil der Vater trank oder Arbeiter war, oder weil er die Mutter nicht gut behandelte. Bestand dieses Nicht-gut-Behandeln darin, dass er sie schlug oder beschimpfte, oder bedeutete es, dass etwas anderes, etwas Heimliches und Schmutziges, geschah? Sogar in Willow, ganz zu schweigen von Alton, gab es Orte – Bars, Spielhallen, Kegelbahnen – , wo es nach ungehörigem Benehmen roch, nach sündigem Geschäft. Ging man den namenlosen Kiesweg, der an der Hecke von Owens Garten vorbeiführte, entlang und bog hinter dem Hühnerhaus aus Asbestplatten, das sein Großvater gebaut hatte, als er neu nach Willow gekommen war, im rechten Winkel ab und passierte dann einige Garagen und kleine Scheunen am unteren Rand der Gärten, und dann einen Schuppen aus Teerpappe, der als Schmiede bezeichnet wurde, wo ein einäugiger Mann, Smokey Frye genannt, zu seltsamen Tageszeiten geräuschvoll Metall hämmerte und zuschliff, kam man zu einem fensterlosen Gebäude aus Schlackensteinen, das auf einem Schild über der Tür in handgemalten Buchstaben als Gifford Pinchot Wildlife Society bezeichnet wurde und aus dem die Geräusche trinkender und Karten spielender Männer drangen. Die Erwachsenen von Willow brauchten ihr Vergnügen, und für die jungen Leute gab es eine «Recreation Hall», die «Rec Hall», gegenüber der Grundschule, wo Jugendliche, die älter waren als Owen, tanzten und Flipper spielten und vor der Tür rauchten. Es hieß, dass ein Mädchen, Carol Wisniewski, die zwei Klassen über Owen war, sich dort, in dem dunklen, sandigen Gang zwischen der Rec Hall und der Fabrik daneben, wo Strickwaren und im Krieg Fallschirme hergestellt wurden, von Marty Naftzinger im Stehen hatte ficken lassen.
Im Krieg, während Owen, zwischen acht und zwölf, heranwuchs, war Willow wie eine Siedlung in der Prärie; schwarze Wolken streiften darüber hinweg, entluden aber nicht ihren Tornado, obwohl im Scheherazade Wochenschauen zu sehen waren von Flugzeugen, die Städte in brennende Felder verwandelten, und GIs, die sandige Inselstrände erstürmten, wo sie von fanatischen Japanern unter Beschuss genommen wurden, deren Höhlen wie Insektennester mit Flammenwerfern ausgeräuchert werden mussten. Während der große eurasische Kontinent vom einen Ende bis zum andern unter umherziehenden Massen und unermesslichem Sterben erbebte und die Meere torpedierte Schiffe schluckten, hielt Nordamerika den Atem an, ein Land von Frauen und Kindern und alten Männern, von Preiskontrollen und Lebensmittelbezugsscheinen und Kriegssteuermarken und Hollywood-Komikern im Radio. Doch das Prickeln weltweiter Wagnisse erfüllte die Luft und schlug ihre Insel des Friedens in seinen Bann: Es war ein rascheres Tempo zu spüren, ein Gefühl, dass mehr auf dem Spiel stand als die alten Anstandsregeln. Carol Wisniewski ließ sich von Marty Naftzinger im Stehen ficken, und Momma nahm eine Stelle in der Fallschirmfabrik an und hielt auf dem Dach der Feuerwache Ausschau nach Flugzeugen, während sie mit besonderen Karten Solitaire spielte, und Grampy gab seinen Ruhestand auf und arbeitete bei der Straßenwacht der Gemeinde, und Daddy setzte sich bei Fliegeralarmübungen einen Helm auf und prüfte, ob die Fenster an der Mifflin Avenue gut verdunkelt waren. Owen riss die Banderolen von Blechdosen, sprang auf dem zementierten Fußboden im Hühnerhaus auf die Dosen und stampfte sie flach als Beitrag zu den Kriegsanstrengungen, während die Hühner auf ihren krustigen Stangen raschelten und gackerten oder in den Nischen hockten, wo Glaseier sie anspornen sollten, mehr zu legen. Die Eier – braun, gesprenkelt, mit Hühnerdreck beschmutzt – verkaufte Grammy in wieder benutzten Eierkartons an ihre vielen Verwandten, und die flach getretenen Blechdosen häuften sich auf dem Schulhof zu einem glänzenden Berg, den nur Chub Kroninger, der Dreisternegeneral der Altmaterialsammler der fünften Klasse, besteigen durfte. Befördert wurde man ja nach dem Gewicht des abgegebenen Metalls, aber Owens Familie war zu klein und zu arm, um genügend Altmetall zusammenzubringen, dass Owen im Rang hätte aufsteigen können. Daddy hatte angefangen, sich mit Hilfe einer kleinen, raffinierten Maschine seine eigenen Zigaretten zu drehen; die im Laden gekauften Zigarettenpackungen waren, zusammen mit den Kaugummipäckchen, die Hauptquelle von Metallfolie gewesen.
Als Owen Buddy Rourke vorschlug, seine Zahnspange für die Altmaterialsammlung zu spenden, fand Buddy das gar nicht komisch. Buddy war ein ernster Junge, der eine Laufbahn als Ingenieur oder als Bautechniker oder Elektriker vor sich hatte. Er konnte Lampen reparieren, wusste, wie man gebogenen Kupferdraht in die Klemmen eines Schalters einführte und festschraubte und wie man die Drähte der Weihnachtsbeleuchtung spleißte, wenn eine kaputte Fassung die ganze Lichterkette dunkel werden ließ. Er brachte Owen bei, wie man Strom zähmte, der mit magischem, sofortigem Ergebnis in eine bestimmte Richtung floss, sich aber bei umgekehrten Kontakten aufbäumte und die Drähte zum Schmelzen brachte. Buddy hatte Popular Mechanics abonniert und sich einen Bausatz für ein Radio bestellt, das er so weit zusammengebaut hatte, dass man Statikgeräusche und eine schwache Stimme kommen und wieder vergehen hörte. Zwar verstanden sich die beiden Jungen sehr gut, wenn sie an Projekten in Buddys Keller arbeiteten – nicht gerade ein Hobbykeller, aber besser beleuchtet als Owens, und mit einer gut bestückten Arbeitsbank, die Buddys abwesender Vater gebaut und dann verlassen hatte – , doch gab es Momente der Befangenheit in ihrer Beziehung, weil Buddy anderthalb Jahre älter war als er. Eines Nachmittags, als Owen Buddy zum Monopoly-Spielen erwartete – ein Spiel, das die Jungen eine Saison lang leidenschaftlich spielten, zwischen ihren Leidenschaften für Rommé und Schach – , hatte er das Spielbrett mit liebevoller Sorgfalt auf dem Teppich aufgebaut: Die Ereigniskarten und Anteilscheine waren spiralförmig ausgelegt, wie die große Treppe in einem Hollywood-Musical, und die roten Hotels und grünen Häuser aus Holz waren nach einem bestimmten Muster angeordnet, ein perfektes Dorf in Weihnachtsfarben, wie von einem Flugzeug aus gesehen.
Als Buddy ins Zimmer kam, sagte er mit deutlichem Abscheu: «Ach, Owen!», schob die Karten zu dem üblichen unordentlichen Stapel zusammen und warf die Häuser und Hotels wieder in das Fach. Owen war getroffen und bemühte sich von da an sein Leben lang, nicht zu deutlich zu zeigen, wie wichtig ihm jemand war, um nicht zu riskieren, dass er dann töricht dastand. Man muss sich versichern, dass die Stromkreise stimmen, bevor man etwas anschließt, sonst schmoren die Drähte durch.
Nach einem Streit über etwas, das bald vergessen war, lief Owen unter Tränen aus dem Keller und hörte sich in Buddys Richtung schreien: «Wenigstens hab ich einen Vater!»
Dass er seinen Freund damit quälte, mit dem fehlenden Vater – er war über sich selbst entsetzt. Scham wallte in ihm auf wie das trüb-schwarze Wasser, wenn sein Fuß das dünne Eis auf dem Morast hinter dem Highschool-Gelände durchbrach. Er versuchte sich am nächsten Tag zu entschuldigen, war sich aber dennoch nicht sicher, ob sich das selbstverständliche Vertrauen zwischen ihm und Buddy je wieder einstellte. Abgesehen davon, dass sie Dinge elektrifi zierten und Modellflugzeuge zusammenklebten, beschäftigten sie sich stundenlang mit kindlichen Bastelarbeiten, die keinen erkennbaren Nutzen hatten – zum Beispiel sägten sie aus Sperrholz Disney-Figuren aus. Mit angehaltenem Atem führte Owen das dünne Blatt seiner Laub säge um eine heikle Ausbuchtung wie Goofys Schnauze oder Mickeys Ohren herum. Geschöpfe aus allen Disney-Zeichentrickfilmen sowie die grünhäutigen Gremlins, die erfunden worden waren, um den Kriegsjargon zu illustrieren, erschienen auf Hunderten von militärischen Abzeichen; fast sah es so aus, als ob Disney und Hollywood den Krieg führten mit seiner millionenstarken Darstellertruppe. Buddy wollte bei den Pionieren dienen und Brücken errichten, über die ganze Armeen marschieren konnten; Owen wollte Testpilot werden und beim Sturzflug erst in der letzten Sekunde das Ruder rumreißen. Er hatte Buddy auf dem Spielplatz im Sandkasten kennen gelernt – er hatte mit seinem gummibereiften M-4-Spielzeugpanzer gespielt, und der größere Junge war zu ihm gekommen und hatte ihm angeboten, ihm seine Sammlung von Modellflugzeugen zu zeigen – P-51er und Zeros und Spitfires und Messerschmitts, manche aus Blei, andere hatte er selbst aus Balsaholz gebastelt – ; sie waren in seinem Keller, in dem Haus gleich hinter dem Maisfeld, nur sechs ungerade Nummern von Owens Haus und drei von dem Unglückshaus der Hoffmans entfernt. Die Rourkes – Buddy, seine gutmütige Mutter und seine schnippische jüngere Schwester – hatten nicht ein ganzes Haus, sondern wohnten im Erdgeschoss und dem Keller eines Doppelhauses aus gelbem Backstein, das ziemlich neu war. Insgesamt wohnten vier Familien darin, Leute, die sich kein eigenes Haus leisten konnten, und das war ein bisschen so, wie in der Second Street zu wohnen oder einen Vater zu haben, der nicht nett zu der Mutter war.
Owen war dankbar, dass er nicht in einer Mietwohnung wohnte, so wie er froh war, dass er kein Mädchen war und kein Linkshänder. Wenn er sich nur vorstellte, er müsste in dieser verkrampften Haltung schreiben, nur um mit dem Handballen die nasse Tinte nicht zu verwischen! Er war ein Glückskind, zu diesem Schluss war er früh gekommen. Und bestimmt hatte er Glück, verglichen mit den Kindern in London oder Leningrad oder, später, mit denen in Berlin oder Tokio. Wenn bei ihm zu Hause die Lampen ausgemacht wurden und sie sich auf den Treppenabsatz hockten, um möglichst vor fliegenden Glassplittern in Sicherheit zu sein, war es ein Probealarm, ein gespielter, und wenn ein Flugzeug über ihren Köpfen dröhnte und er mit Herzklopfen darauf wartete, dass die Bombe fiel, dann war es natürlich eins von unseren Flugzeugen, und es fiel keine Bombe. Aber wieso hätten Tojo und Hitler auch Willow bombardieren wollen? Wegen der einen kleinen Fallschirmfabrik?
Am Sonntagnachmittag machten seine Eltern immer einen Spaziergang; Jahrzehnte mussten vergehen, bevor Owen verstand, dass diese Gewohnheit ihre einzige Gelegenheit war, sich als junges Paar zu zeigen und dem Haus zu entfliehen,das nicht ihres war. Aber er, ihr Kind, war ihres, und sie zogen ihn mit sich, obwohl schon die Aussicht ihm die Beine schwer machte und er immer weiter zurückblieb, bis sein Vater schließlich zurückkam und ihn auf die Schultern nahm. Es war ein komisches Gefühl, so hoch oben, und der Kopf seines Vaters kam ihm seltsam groß und haarig vor, sodass er nach einer Weile glücklich war, wieder auf die Erde zurückzukehren und auf den eigenen Beinen zu stehen.
Es gab verschiedene Routen für den Spaziergang. Die eine bestand darin, dass man links in den namenlosen Weg hinter ihrer Hecke einbog, die Alton Avenue überquerte, durch den neueren Teil von Willow ging und den Shale Hill erklomm. Am Fuße des Hügels waren Victory-Gärten, aber auf der Höhe schlängelten sich die Wege zwischen Kiefern und flachen Felsen hindurch, die ihn an rutschende Stapel im Regen dunkel gewordener, zerknitterter Zeitungen erinnerten. Von dort oben konnte man die ganze Stadt überblicken: Der neueste Teil war am nächsten, an den geschwungenen Straßen standen Platanen und Pappeln, dahinter war ein älterer, in Rechtecke gegliederter Teil mit dunkler und dichter belaubtem Spitzahorn, und jenseits der Alton Pike erstreckte sich der älteste, südlichste Teil. Die Mifflin Avenue, auf beiden Seiten von hohen Rosskastanien bestanden, war deutlich sichtbar. Er sah sein eigenes Haus – das Haus seines Großvaters – , die Backsteinmauern vanillegelb und die Holzteile petersiliengrün gestrichen, und wie sich die Mifflin Avenue im fernen Dunst als Landstraße durch die Blake Farm wand und nach Philadelphia strebte – wie der Fluss, der glitzernd in die gleiche Richtung floss. Die Aussicht interessierte seine Mutter jedes Mal, aber Owen war sie nur zwei Sekunden wert. Was konnte man mit einer Aussicht anfangen? Er hätte lieber einen Stock gefunden und versucht, Kieselsteine zu schlagen wie einen Baseball.
Wenn sie dagegen unter den Weinranken neben der Veranda durchgingen und über den Ziegelsteinweg, an dem Stiefmütterchenbeet vorbei, zu der Lücke in der Hecke, konnten sie in die andere Richtung gehen, nach rechts, und die Mifflin Avenue hinauf, vorbei an dem Gespensterhaus der Hoffmans und Buddy Rourkes traurigem Mietshaus, an der Stelle, wo die Scheune der Bakers abgebrannt war, vorbei an den stinkenden Schweinekoben und eingezäunten Kuhweiden an dem Creek, der da, wo er langsam floss, grün war von Brunnenkresse, die Grammy manchmal pflückte, und zu einer Straße, die zum Cedar Top hinaufführte, dem Shale Hill gegenüber, auf der anderen Seite des Tals, in dem Willow lag.
Jenseits der Stadtgrenze kletterte die Straße bergauf. Rostende Autos standen vor ungestrichenen Häusern in den abschüssigen Vorgärten, und struppige Hunde bellten und bellten, wenn die drei Mackenzies vorbeitrotteten. Dann kam ein Stück Wald und danach eine Kreuzung auf der Kuppe, wo ein verlassener Dairy-Queen-Eiskremwagen stand. Er hatte nie erfahren, wohin die anderen beiden Straßen führten – die eine geradeaus, die andere nach links. Seine Eltern wandten sich nach rechts und gingen bergab, durch ein weiteres Waldstück und an der mit Metallspitzen bewehrten Sandsteinmauer des Pomeroy-Anwesens vorbei. Ein paarmal hörte Owen das Geräusch hinund hergeschlagener Tennisbälle und das Plätschern von einem Swimmingpool, doch gewöhnlich schien niemand zu Hause zu sein. Das Leben der Reichen war schwer vorstellbar, es bestand zu einem großen Teil daraus, nicht zu Hause zu sein. Auf der anderen Straßenseite, am oberen Rand von Willow, rückte der Friedhof in den Blick, mit seinen Granitsteinen, blassrosa und blassgrau, kantig und kahl im Sonnenlicht.
Die Straße, die weiter bergab führte, wurde zur Washington Street, in der die Häuser schmale seitliche Gärten und terrassierte Vorgärten hatten, und ging nach drei Querstraßen in das Geschäftszentrum von Willow über: das Kino, die Sparkasse, der Fahrradladen, und an den fünf Ecken, wo die Straße die Alton Pike kreuzte, waren Eberly’s Drugstore, die lutherische Kirche, das Beerdigungsinstitut Hess, die Gemeindeverwaltung mit ihrer kleinen Grünanlage und Leinbach’s Oyster House, ein Restaurant im Erdgeschoss eines alten Sandsteingebäudes in den Räumen des einstigen Gasthauses, das The Willow geheißen hatte. Jedes Mal wurde Owen leichter ums Herz, und das Gewicht fiel von seinen Beinen, wenn er und seine Eltern ins Zentrum kamen, durch das er an jedem Schultag ging und das er, sechzig Jahre später, Geschäft für Geschäft und Haus für Haus vor seinem geistigen Auge wieder aufleben lassen konnte.
Auf diesem Spaziergang zum Cedar Top, sie waren gerade an dem verlassenen Eisstand vorbeigekommen, geschah es eines Tages, dass Owen im Kies am Straßenrand etwas milchig Weißes bemerkte, das wie ein erschlaffter Luftballon aussah; es hatte das glänzende Äußere eines Spielzeugs. Er bückte sich, um es näher zu betrachten, und seine Mutter, die hinter ihm und über ihm war, sagte mit der Stimme, die sie nur in Momenten äußerster Dringlichkeit benutzte: «Fass das nicht an!»
Worin mochte die Gefahr liegen? Es war nichts Lebendiges, aber ihre Stimme klang so, als wäre es das. «Was ist das?», fragte er.
«Es ist ekelbä», sagte sie.
«Ekelbä» war ein erfundenes Wort, ein privates Wort, das Owen geprägt hatte, als er noch nicht alles aussprechen konnte und ohne Absicht Wörter erfand wie «Orasaf» für «Orangensaft» und «Nana» für «Banane». «Ekelbä» bezog sich auf Essen, das er nicht mochte und das ihm zu schleimig oder undefinierbar war, oder so glibberig, dass er es nicht runterschlucken konnte. Er musste «eklig» im Sinn gehabt haben, vermischt mit «bäbä»; das Wort war geblieben, als beschriebe es eine Wirklichkeit, die von der Zunge nicht mit einem richtigen Wort berührt werden konnte. Frischer Vogeldreck auf dem Rand des steinernen Vogelbeckens und Regenwürmer, die beim Überqueren des heißen Gehwegs vertrocknet waren, waren ebenfalls ekelbä.
«Wofür war das?», fragte er, und mit der Vergangenheitsform zeigte er, dass er es als etwas Weggeworfenes erkannt hatte, dessen geheimnisvoller Augenblick der Benutzung vergangen war.
Beide Eltern schwiegen, als sie zu dritt weitergingen und das faszinierende Gummiding am kiesigen Straßenrand hinter sich ließen. Anders als andere Eltern hielten sie es für falsch, die Fragen eines Kindes unbeantwortet zu lassen. Er spürte förmlich, wie Schuldgefühle an ihnen nagten.
«Es war für die Reinlichkeit, Owen», sagte sein Vater schließlich. «Wie ein Kleenextuch.»
«Es war ein Storch-Stopper», fügte seine Mutter hinzu, jetzt mit besser gelaunter Stimme, in der etwas mädchenhaft Verschwörerisches mitschwang. Er spürte, wie seine Eltern hinter ihm in ihrem geheimen Wissen näher zusammenrückten. Normalerweise waren es er und seine Mutter, die Geheimnisse hatten, in all den Stunden, in denen sein Vater bei der Arbeit war. Das Unglücklichsein seiner Mutter war das Hauptgeheimnis, auch wenn er das, was genau sie unglücklich machte, nicht recht erraten konnte. Tochter, Ehefrau und Mutter zu sein, alles im selben Haus, war anstrengend, soviel sagte sie ihm, obwohl er nicht wusste, warum das so sein sollte. Er selbst war Sohn und Enkel, Klassenkamerad und Spielkamerad, alles in einem, und hätte mit Leichtigkeit der Bruder von jemandem sein können. Es war, als reichte schon die Tatsache, eine Frau zu sein, um unglücklich zu sein. Es gab Tage, an denen seine Mutter mit geschlossenen Augen zu Bett ging; es machte ihm Angst, wenn sie so war, und er hielt sich von ihr fern. Es gab Tage, da sagte ihr ganzes Wesen: Fass mich nicht an.
Owens kleines Zimmer war neben dem Elternschlafzimmer, und ihre Gespräche sickerten unüberhörbar in seine Ohren – die heftigen Stöße und Gegenstöße eines Streits, das Seufzen und Stöhnen vor Müdigkeit am Abend, das spielerische Geplauder, mit dem der Tag begann. Es machte ihn glücklich, dass sie ihn mehr liebte als seinen Vater, aber er wollte, dass es zwischen den beiden Erwachsenen freundlich und behaglich zuging, damit sie ihn nach einem seiner Albträume trösten konnten und ihn zu sich nahmen, in die warme Lücke zwischen sich in ihrem Bett.
Als er heranwuchs, entdeckte er noch weitere Orte in Willow, wo die Sünde ihren Schatten warf, einen, der nicht wegglitt wie die meisten anderen Schatten, sondern etwas Klebriges, Stechendes hatte. Oben auf dem Geräteschuppen des Spielplatzes war ein dreieckiger Platz unter dem Pavillondach, in den man sich nur hineinschwingen konnte, wenn man hochsprang, einen Querbalken umfasste und die Füße hinaufschwang, wobei man eine Sekunde lang gefährlich in der Luft baumelte, und dann den Körper oben auf den Schuppen stemmte. Als Owens Augen sich angepasst hatten, sah er, dass da noch andere, nie übermalte Zeichnungen waren, mit Botschaften und Behauptungen, die sich auf Mädchen und Jungen bezogen, die zu alt waren, als dass er sie hätte kennen können. Ginger Bitting kletterte manchmal nach dem Spielen hier herauf, und es war angenehm, sich auszustrecken und sich vorzustellen, sie läge neben ihm – ihr drahtiger, energiegeladener, furchtloser Körper – , und an den gerippten Planken entlang zu dem Schotterfußboden des Pavillons hinunterzublicken, wo eine verlorene Markierungskugel oder ein roter Spielstein wie ein Geheimnis neben einem der stämmigen Bockbeine der Tische lag.