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«John Updikes Künstlerroman ist ein Generationenbuch und zugleich ein Buch über Amerika. Eindringlicher und unterhaltender ist das kaum möglich.» (Literaturen) Hope, 78, die bekannte Malerin und Witwe berühmter Maler, wird von der jungen Kunsthistorikerin Kathryn interviewt. In Hopes drei Ehen spielte Kunst die Hauptrolle: Sie war mit einem Maler des Abstrakten Expressionismus, der Pop-Art und danach mit einem Sammler verheiratet. Hope und Kathryn wechseln ihre Rollen, sind bald Tochter und Mutter, Therapeutin und Patientin, Jägerin und Beute. Nie hat jemand die Geschichte der amerikanischen Malerei des 20. Jahrhunderts amüsanter und ironischer beschrieben. «Nur wenige Autoren wären ein solches Wagnis eingegangen.» (Financial Times Deutschland)
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Seitenzahl: 490
John Updike
Sucht mein Angesicht
Roman
Aus dem Englischen von Maria Carlsson
Ihr Verlagsname
«John Updikes Künstlerroman ist ein Generationenbuch und zugleich ein Buch über Amerika. Eindringlicher und unterhaltender ist das kaum möglich.» (Literaturen)
Hope, 78, die bekannte Malerin und Witwe berühmter Maler, wird von der jungen Kunsthistorikerin Kathryn interviewt. In Hopes drei Ehen spielte Kunst die Hauptrolle: Sie war mit einem Maler des Abstrakten Expressionismus, der Pop-Art und danach mit einem Sammler verheiratet. Hope und Kathryn wechseln ihre Rollen, sind bald Tochter und Mutter, Therapeutin und Patientin, Jägerin und Beute. Nie hat jemand die Geschichte der amerikanischen Malerei des 20. Jahrhunderts amüsanter und ironischer beschrieben.
«Nur wenige Autoren wären ein solches Wagnis eingegangen.» (Financial Times Deutschland)
John Updike, 1932 in Shillington, Pennsylvania, geboren, studierte in Harvard, bevor er als Redakteur des «New Yorker», als Lyriker, Essayist und Romancier hervortrat. Er wurde unter anderem mit dem National Book Award, dem National Book Critics Circle Award, dem Prix Médicis und zweimal mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
John Updike starb am 27. Januar 2009 in Beverly Farms, Massachusetts. Sein gesamtes Werk ist auf Deutsch im Rowohlt Verlag erschienen.
Mein Herz denkt an Dein Wort: «Sucht mein Angesicht.»
Dein Angesicht, Herr, will ich suchen.
Psalm 27
Bücher wurden noch bestimmt von der alten Regel, entstanden aus dem Glauben, dass sichtbare Schönheit ein kleiner Spiegel sei für die Schönheit des Seins.
Czeslaw Milosz, Traktat poetycki
Was werden unsere Kindeskinder sagen
Über unsere Kunst-Monstren in künftigen Jahren,
Wenn christlicher Friede die Völker besänftigt
Und, wie in der Sonne der Renaissance,
Die Farbe herrlich sein wird und heilig?
Karl Shapiro, Trial of a Poet
Dies ist ein Roman. Was darin vorkommt, ist nicht unbedingt wahr. Ich will aber nicht verhehlen, dass viele Einzelheiten aus dem vortrefflichen, umfassenden «Jackson Pollock: An American Saga» von Steven Naifeh und Gregory White Smith (Clarkson N. Potter, 1989) stammen und dass einige der Statements meiner fiktiven Maler auf denen beruhen, die in «Abstract Expressionism: Creators and Critics» zusammengestellt sind, einer aufschlussreichen Anthologie, herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Clifford Ross (Harry N. Abrams, 1990).
J.U.
«Zu Beginn», sagt die junge Frau, die schmal, schwarz gekleidet, klappmessergleich auf der Kante des Sessels mit dem ausgeblichenen groben Schottenkarobezug und den breiten Armlehnen aus orangerötlich lasierter Eiche kauert, diesem Sessel, den Hope schon gekannt hat, als er noch im Sonnenzimmer in Germantown stand und ihr Großvater darin saß und die Zeitung las, den Kopf zurückgelehnt, um besser durch die unteren Hälften seiner dicken Zweistärkengläser sehen zu können, siebzig, nein, über siebzig Jahre ist das jetzt her, «möchte ich Ihnen etwas vorlesen, das Sie 1996 im Katalog zu Ihrer letzten Ausstellung geschrieben haben.»
Als Kind hat Hope sich manchmal in den Sessel gesetzt, um herauszufinden, wie es wohl ist, ein Erwachsener zu sein: sie hat ihre kleinen runden Ellbogen auf die breiten Lehnen gestützt und ihre Finger, mit den Fettringen zwischen den Gelenken, über dem Dübel gespreizt, der in die sanft gerundete Lehne eingelassen war, eine Art Münze aus Holz mit einem hellen Streifen darin, dem breiten Ende des Keils, der den Dübel straff hielt. Die Sessellehnen waren zu weit auseinander für sie gewesen, sie konnte immer nur einen Ellbogen und eine Hand aufstützen. Wie alt mag sie gewesen sein – fünf, sechs. Selbst als der Sessel neu war, in den Zwanzigern oder noch davor, war er ein unansehnliches Ding gewesen, ohne Chic, ein Möbel für den Sommer, das vor sich hin dörrte im Sonnenzimmer mit den vielen Fenstern und dem Philodendron und dem runden schiefen Bodenkissen, das wie eine Torte aussah: die Oberseite war in lange dreieckige Stücke aus verschiedenfarbigem Leder eingeteilt. Als ihre Großmutter in den Fünfzigern starb und das Germantown-Haus aufgelöst wurde, wollte Hope unbedingt den alten Sessel haben, und ihr Bruder, der, der noch lebte, war amüsiert und erhob keine Einwände, und so schaffte sie das Möbel nach Long Island und stellte es oben in ihr so genanntes Atelier, wo sie manchmal zu lesen versuchte, am Nordfenster mit dem undichten Schieberahmen, der den heulenden Wind vom Block Island Sound einließ, während Zack unten im Haus, zu laut, Jazzplatten hörte – Armstrong, Benny Goodman, einen zerschrammten Beiderbecke; und dann zog der Sessel mit ins Apartment an der East Seventy-ninth, mit Guy und den Kindern, und stand in dem mausgrauen Hinterzimmer neben der Heizung, die rasselte wie ein verrückt gewordener Gefangener mit seinen Ketten, indes sie mit farbschwerem Pinsel ihren eigenen Rhythmus zu finden trachtete; und weiter nach Vermont, wo sie und Jerry ein Haus gekauft und renoviert und sich für die letzten Jahre ihres Lebens verschanzt hatten – ein Sessel, der aus dem dumpfigen Pennsylvania in einen kälteren, höheren Himmelsstrich verfrachtet worden war, sich aber gut eingefügt hat in dieses schlichte, strenge, niedrige Wohnzimmer; mit seinen runden vorderen Beinen steht er auf dem ovalen Teppich, einem zu einer Spirale gelegten Zopf aus Flicken, mit den eckigen hinteren Füßen ruht er auf den im glänzenden Schwarzrot von Bing-Kirschen gestrichenen Dielenbrettern, und die Braun- und Grüntöne und das spärliche Karmesin des Schottenkaros werden immer blasser und zerfließen zu einem matten Gelbbraun hier im kargen blauen Gebirgslicht im frühen April. Seltsam, denkt Hope, wie Gegenstände uns von einem Ort zum andern folgen, treuer als organische Freunde, die uns abtrünnig werden, indem sie sterben. Das Wachstum rings um das Haus in Germantown geriet in Großmutters einsamen letzten Jahren außer Kontrolle, die dicken Sandsteinmauern wurden bis zu den Fenstersimsen im ersten Stock von düsterem, wucherndem Gesträuch verschluckt, Hortensien, Ilex, ein Perückenstrauch, von dem bei jedem Eissturm, jedem Nassschnee Zweige abbrachen, die Tünche blätterte weg, und der Fugenmörtel fiel in langen brüchigen Stücken heraus und verlor sich irgendwo unten zwischen den Päonienstielen und den Ilexwurzeln. Sie hatte es wunderbar gefunden, dort zu wohnen, als sie ein kleines Mädchen war, aber dann zogen ihre Eltern nach Ardmore, und wenn sie gelegentlich zu Besuch zurückkehrte, war ihr mulmig zumut, die riesige Hemlocktanne mit den niederhängenden Ästen hatte etwas Unheimliches bekommen, im Garten mit dem weichen Gras roch es heiß und drückend, wie in einem Gewächshaus, die Schaukel, die ihr agiler kleiner Großvater, der erste Mensch in Hopes Leben, der starb, an einem dicken Ast des Walnussbaums befestigt hatte, zwei Seile und ein Brett, verrottete immer mehr, eine in alle Ewigkeit fortwährende Verwahrlosung, die ihr Angst machte.
Die junge Frau im Sessel, ein schmales neues Messer in diesem dicken alten Futteral, liest mit ihrer scharfkantigen New-York-Stimme, einer Stimme, die mit nervösem Eifer auf Hope eindringt, doch zugleich mit etwas, das in diesem unsicheren Licht der späten Jahre wie töchterliche Zuneigung erscheint: «Lange Zeit habe ich wie eine Einsiedlerin gelebt, aus Angst vor den Zeugnissen von Gottes Nichtsein, an denen die Welt so reich ist. Die Welt, nach und nach ist mir das klar geworden, ist des Teufels Narrenkleid, bunt, nicht rein. Ich beschränke mich bei meinen gegenwärtigen Arbeiten auf Grauschattierungen, die immer enger beieinander liegen, wie in der Frühe, vor Tagesanbruch, ehe das Licht beginnt, Konturen hervorzuheben. Vielleicht, dass ich versuche, das Heilige zu malen. Vermutlich sollte ich geschmeichelt sein, wenn einige Kritiker diese Phase als meine beste bezeichnen – sie schreiben, dass ich endlich aus dem Schatten meines ersten Mannes herausgetreten sei. Aber ich habe, und das mag erstaunlich klingen, aufgehört, mich darum zu kümmern, was sie denken oder was für eine Figur ich in den Augen von Fremden abgebe. Zitatende. Das war vor fünf Jahren. Würden Sie sagen, dass es immer noch zutrifft?»
Hope möchte die junge Frau dazu bewegen, langsamer zu sprechen, und schlägt einen schleppenden Ton an, als sei sie in Gedanken. «Weitgehend, würde ich sagen, aber es klingt doch eine Spur theatralisch. ‹Angst› ist sicher übertrieben. ‹Abscheu und Widerwille› wäre wahrscheinlich zutreffender gewesen und nicht so – so unziemlich.»
Es schiebt Hope einen Kloß in den Hals, diesen nervös aggressiven ungebetenen Gast hier zu haben, dies Mädchen mit dem großstadtblassen Gesicht und den dunkel lackierten Fingernägeln an den langen Händen und dem kompromisslos schwarzen Outfit – schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Kunstlederjacke mit breitem Reißverschluss, schwarze Haare, von gebogenen Silberkämmen hinter den Ohren festgehalten und gleich einem weichen, seidigen Fächer auf den Rücken niederfallend, und an den Füßen so ein bedrohlich schweres, vorn eckiges Schuhwerk, Kampfstiefel, könnte man fast sagen, mit Schnürbändern, die durch ein Dutzend oder mehr Ösen gefädelt sind und wie zwei kleine schwarze Leitern nach oben steigen in die ausgestellten Hosenbeine hinein, die Hosen aus einem fein gerippten, schwach reflektierenden Stoff, den Hope noch nie gesehen hat, ein Stoff ohne Namen. Die Stiefel mit dieser neuen hohen Absatzform, seitlich breit, aber hinten schmal, können nicht besonders bequem sein, es sei denn, Männerhaftigkeit ist jetzt grundsätzlich bequem. Es ist ein neues Jahrhundert – noch schrecklicher: ein neues Jahrtausend. Diese Jahrtausendwende ist für Hope eine große blinde Tür, die zugefallen ist, und dahinter ist ihr Leben weggesperrt, wie ein Kind, das in einem vergessenen Kühlschrank erstickt.
Die Stimme der Besucherin, mit einer gewissen Aufgebrachtheit insistierend und zugleich weiblich flexibel, sich einschmeichelnd ins Ohr ihrer Beute, stellt fest: «Sie wurden als Quäkerin erzogen.»
«Also, ‹erzogen› ist freundlich ausgedrückt. Mein Großvater war Ältester, das stimmt, aber mein Vater ging sehr selten ins Andachtshaus, so gut wie nie mehr, als wir nach Ardmore gezogen waren, ein- oder zweimal im Jahr, höchstens. Die Ouderkirks waren ursprünglich holländische Quäker, Dutch Quakers: Dutch Quakers haben sich in Germantown niedergelassen, ein falscher Name im Grunde, statt Germantown hätte es Dutchtown heißen müssen, so wie man die Pennsylvania Dutch genau genommen Pennsylvania Germans nennen müsste. Diese holländischen Quäker haben damals kleine Enklaven am Niederrhein gebildet, die Ouderkirks stammen aus Krefeld; Penn persönlich hat sie um sechzehnhundertsiebzig aufgesucht und ihnen von seiner wunderschönen Kolonie erzählt, seinem ‹heiligen Experiment› fern überm Meer. Als sie herüberkamen, irgendwann um sechzehnhundertfünfundachtzig, mussten in der ersten Zeit manche in Höhlen leben, bis sie sich Häuser bauen konnten. Meine Mutter war jedoch Episkopalin, typisch lauwarm, aber sie hätte sich nie als irreligiös bezeichnet. Wir sind ein paarmal alle zusammen im Bethaus gewesen, mir scheint, dass es sogar ziemlich oft war, aber für ein Kind ist kein Unterschied zwischen ein paarmal und oft. Ich erinnere mich vor allem an das Licht und an das Schweigen, all die Erwachsenen, die darauf warteten, dass Gott durch einen in der Versammlung zu ihnen sprach – unterdrücktes Husten, Scharren von Füßen, das Knarzen einer Bank. Am Anfang war es mir peinlich, Sie kennen das, Kinder genieren sich immer für die Erwachsenen. Dann bekam das Schweigen eine andere Qualität, es war, als ob ein Engel vorüberginge, und ich begriff, dass es eine heilsame Art von Spiel war. Die Freunde nennen es das ‹lebendige Schweigen›. Irgendwann redete dann aber doch jemand. Das war abgesprochen. Die Quäker trafen genaue Absprachen, ließen Gott aber sozusagen den Spielraum, die Absprachen über den Haufen zu werfen. Das Ganze war von einer ausgeklügelten Höflichkeit. Früher hatte es ganz vorn eine Bank für die Ältesten und die beauftragten Prediger gegeben, aber zu der Zeit, an die ich mich erinnern kann, es muss Ende der Zwanziger gewesen sein oder in den ganz frühen Dreißigern, 1932 wurde ich zehn, waren die Bänke im Viereck aufgestellt, damit bei der Platzsuche niemand mehr Priorität hatte. Allerdings hat mein Großvater sich mit uns nie auf eine hintere Bank gesetzt.»
Sei still, befiehlt Hope sich selbst. Von jeher ist dies ihre Schwäche gewesen, reden, sich mitteilen, kokettieren, zu sehr bemüht sein zu gefallen, zu verführen. Ihr Großvater hatte einen Quäkerausdruck – «erbsündig» – für alles, das zu viel war, zu menschlich, zu weltlich, zu selbstisch und grausam. Krieg war erbsündig. Wollust und Ausschweifung, das ist klar, aber auch zu viel Denken, übermäßiges Wissen und gelehrtes Disputieren. Kunst im Allgemeinen – abgesehen von der häuslichen Paradieskunst des Gartenbaus und der im Stillen geübten Kunst des Geldmachens – war erbsündig, ein Winseln nach Anerkennung und Herausgehobenheit. Was erbsündig war, war schwächlich, verächtlich und unwürdig; es war eine Form von Lärm. Als Kind hatte Hope zu viel geschwatzt, sie hatte gefühlt, wie ihr rundes sommersprossiges Gesicht rot wurde vor Aufregung und ihr Herz fast zersprang, weil es so heftig schlug und sich in seinem Rippenkäfig so sehr danach sehnte, dass man sie so, wie sie war, von Kopf bis Fuß, von den Haarspitzen bis zu den kleinen Zehen, liebte, in die Arme nahm, nie mehr losließ. Sogar jetzt, am Rand des Grabes, sechs Wochen vor ihrem neunundsiebzigsten Geburtstag im Mai, versucht sie, diese geschmeidige, schwarz gekleidete Fremde zu bezaubern, so wenig bezaubernd sie inzwischen ist in ihrer ausgebeulten braunen Cordhose, dem gelben Baumwollpulli mit dem ausgeleierten Rollkragen und dem dicken wollenen Holzfällerhemd, das sie über der Hose trägt, als ob sie ihren Bauch verbergen wolle, in Wahrheit aber lenkt sie so erst recht die Aufmerksamkeit auf ihn. Ihr Bauch wölbt sich vor, aber ihre Brüste und ihr Hintern sind eingefallen, sie ist unter ihren Kleidern jetzt eine nackte Hexe von Schongauer, in Begleitung von Arthritisschmerzteufelchen, oder Rembrandts träumerische Saskia, etliche Jahrzehnte später, begraben unter Runzeln und schlaffem Fleisch. Ihre glänzenden rötlich braunen Ponys, ihr Kennzeichen, als sie eine junge Frau war, sind jetzt nicht einmal grau, sondern weiß und so trocken und schütter, dass jedes Härchen einzeln sich abhebt, als habe es seine eigene Meinung von dem, was es ist: ein blasses Andenken an das, was einst ihre Stirn mit der sanften Wölbung eines Kupferkürasses bedeckte. Ihr Haar war damals kurz geschnitten und zog sich in zwei leicht zum Gesicht hin gebogenen Spitzen bis zu den Enden ihres Unterkiefers vor, dieses breiten Unterkiefers, welcher das blasse Fünfeck begrenzte, das sie mit täuschender Ruhe aus dem Spiegel ansah, der grüngolden gesprenkelte hellbraune Blick fest, die Nase schmal und gerade, die Lippen nicht besonders üppig, aber gut geschnitten und rasch bereit, sich zu öffnen, zu lachen, zu lächeln, auch über sich selbst konnte sie lächeln, wenn sie ihr Gesicht so ernsthaft im Spiegel taxierte. Ein Grübchen sprang dann unten in ihrer linken Wange auf. Als Kind wunderte sie sich, wo das Spiegelbild wohl blieb, wenn sie sich entfernte. Spiegel hingen in Germantown an den Wänden wie Bilder, die immerfort ihr Sujet änderten. Die Sechziger befreiten sie vom Lippenstift und von der krisseligen Dauerwelle der Vierziger und Fünfziger und von Strumpfgürteln und Strumpfbändern; sie ließ sich die Haare lang und glatt den Rücken hinunterwachsen und bündelte sie mit raschem Griff zu einem Pferdeschwanz, wenn sie malen wollte oder Hausarbeit erledigen musste: sie hatte ein ganzes Sortiment schöner und praktischer Clips und mit Scharnieren versehener runder Kämme, aus Schildpatt und sogar aus Elfenbein, bevor das Problem mit den vom Aussterben bedrohten Elefanten aufkam. Das graue Gespenst dieses Pferdeschwanzes wird jetzt von einem dieser bonbonfarbenen Gummibänder zusammengehalten, die man in Montpelier im Five-and-Ten kaufen kann (einem der wenigen Five-and-Tens, die es überhaupt noch gibt, man nennt sie nicht mehr so, dass sie es noch tut, zeigt, wie sehr sie von gestern ist, für zehn Cent bekommt man heutzutage nichts mehr), und an den Füßen trägt sie dicke flachsfarbene Socken und bequeme Birkenstocksandalen, die sie ebenfalls einer gestrigen Zeit zuordnen. Die sechziger Jahre waren eine Spanne wohltuenden Befreitseins für sie gewesen, eine reine Freude, obschon sie fast die ganze Dekade hindurch in ihren Vierzigern war. Geldsorgen, Partnersorgen lagen hinter ihr, sie lebte in Manhattan, besaß ein Gestüt in Connecticut, war verheiratet mit Guy Holloway, dem supererfolgreichen Wunderknaben der Pop-Art, und hatte, was noch vergnüglicher war, drei kleine Kinder; mit kastanienbrauner Ponyfrisur und im Minirock aus Denim schob sie einen Einkaufswagen durch die Gänge des Gristede’s an der Lexington Avenue, auf dem Kindersitz die kleine Dot im Cordsamt-Overall (die Tasche auf der Brust ein glotzender Teddybär oder ein rundäugiger Kanarienvogel), und die beiden Jungen zottelten quengelig hinterdrein, wollten bald dies und bald das, und ringsum diese Anhäufungen reißerischer Farben unter dem strahlenden kühlen Plafond, Farben, die völlig ungehemmt daherkamen, knalliges Orange, phosphoreszierendes Grün, schneidende Kakipflaumentöne, eine Dekade der unverschämten Regenbögen, der Rückkehr von Blattgold und -silber in die Malerei, der flimmernden psychedelischen Trips. Aber diese Interviewer haben sie immer über die öden, schrecklichen Vierziger und Fünfziger befragt, das eine Jahrzehnt metallgrau, das andere von dem süßlichen Himmelblau, das man aus dem Fernsehen kennt, von den verwaschenen Filmen aus jener Zeit.
«Wie die Bilder Ihres ersten Mannes», sagt die Stimme, zufrieden mit dieser Überleitung. «Attackiert von allen Seiten der Leinwand. Ohne Priorität.»
Sie bezieht sich, begreift Hope, auf das Andachtshaus der Quäker. «Zack war alles andere als ein Quäker. Er hatte keine innere Ruhe, also wirklich nicht. Als Zacks Vater auf und davon war, wollte die Mutter, dass die Familie in eine der bizarren westlichen Sekten eintritt, wo man raufgeht auf einen hohen Hügel und erwartet, dass der Herr runterkommt und allem ein Ende macht. Das hat zu den vielen Dingen gehört, über die er nicht reden mochte. Er war immer noch wütend.»
«Wütend, weil er raufgehn musste oder weil der Herr nicht runterkam?»
Das ist amüsant, denkt Hope. Vielleicht muss man sich gar nicht so heftig sträuben gegen diese junge Frau. Die sagt gerade, und ihre Stimme ist stachlig und seidig zugleich: «Wenn ich an Ihre Bilder denke, so meine ich, auch bei denen dies Fehlen von Priorität wahrzunehmen, vor allem bei den späteren. Alles ausgewogen, nichts sticht heraus. Jeder Quadratzentimeter gleichermaßen wichtig.»
«Für mich gibt es da keinen Zusammenhang», bescheidet Hope sie knapp. Die Antwort hätte milder geklungen, wenn sie in den Namen der jungen Frau hätte hinzufügen können. Ihr Name … Was für ein Name war das, den sie in den Briefen und in den E-Mails an Hopes Galerie an der Fifty-seventh Street angegeben hat und dann am Telefon und schließlich an der Haustür? Sie hat auf einmal leibhaftig dagestanden, unvereinbar mit den ewigen Bergen hinter ihr, bestürzend, eine lange schwarzhaarige Person mit großstadtbleichem Gesicht, in einem lila Umhang mit gewaltiger Kapuze, wie der Gestalt gewordene Tod in einem Bergman-Film. Hope sieht das «K» mit der starken Oberlänge vor sich, das weit nach unten ausschwingende «y»: Kathryn. Diese spinnige, manierierte Schreibweise. Seit die Leute sich nicht mehr an Vorfahren und an der Bibel orientieren, geben sie ihren Kindern die absonderlichsten Namen, Namen, die sie sich ausdenken, von der Sozialhilfe lebende schwarze Mütter nennen ihre Püppchen Luceen, Baylee, Maryvonne. Ihre eigenen Enkelkinder: fünf an der Zahl und keines von ihnen ein John oder eine Mary, nicht einmal ein Bill oder eine Barbara. Jetzt: Barbra. Ardmore und Shipley waren voll von Barbaras und Mary Anns gewesen. Hope überlegt, ob ihre Besucherin wohl Jüdin ist. Sie hat nie die Fähigkeit entwickelt, die Antisemiten und Juden haben: beide erkennen auf Anhieb, wer Jude ist. In Kunstkreisen setzt man voraus, dass jeder einer ist, der ein gewisses Auftreten, eine gewisse Ausstrahlung hat, jeder, der schnell redet und dabei die Konsonanten hervorhebt und das End-«g» mitspricht, aber selbst das stimmt nicht immer. In der Gegend von Philadelphia sind die einzigen Juden, die sie kannten, ihre Zahnärzte gewesen; obgleich beide, Quäker und Juden, verfolgt worden waren und der Bibelreligion näher standen als beispielsweise die Katholiken, gehörten sie verschiedenen Anwaltssozietäten und verschiedenen Countryclubs an. Hopes Familie war im Cricketclub von Germantown, weil er, im Gegensatz zum Cricketclub von Merion, einen Swimmingpool besaß, auch wenn der Speisesaal diese bedrückend niedrige Decke hatte. Es gab ganze Enklaven im Pseudotudorstil, mit saftigen Rasenflächen und hohen Hecken, von denen unsichtbare Immobilienmakler Juden fern hielten. Bernie Nova, zum Beispiel, mit seinem poseurhaften Monokel und den nach oben gezwirbelten, gewichsten Schnurrbartspitzen, hat sie für einen Deutschen gehalten oder gar für einen Armenier, was auf den großen, verrückten Korgi wirklich zutraf. Bernie und Roger Merebien waren in der Schar von Zacks Rivalen diejenigen, mit denen sie sich am wohlsten fühlte, die ihr am brüderlichsten zugetan waren. Sie waren wortgewandter als die anderen, waren die Verfasser von Statements und von Briefen an die Redaktionen, formulierten Credos und setzten hochfahrende Schreiben an die Presse auf und wurden deshalb von den anderen ziemlich herablassend behandelt, von Zack und Phil und Seamus, galten denen als zu zungenfertig, zu wenig sublim, es fehlte ihnen an der wahren amerikanischen Leidenschaft, jenseits von Worten. Kathryns Haut hat den seidenmatten Schimmer, den Schmelz der anderen Rasse, aber so vieles ist heutzutage Make-up, sie könnte auch mediterraner oder osteuropäischer Herkunft sein. Wir sind alle so assimiliert. Vergangenen Samstag hat Hope die Abendnachrichten eingeschaltet, und die Wochenendvertretung für Dan Rather war eine überwältigend aussehende junge Frau, helle Topasaugen, weit auseinander stehend wie die Augen einer kleinen Katze, großer Mund, in den Winkeln scharf eingeschnitten, der alles in perfektem rapiden Tonfall aussprach, amerikanischer als amerikanisch, knackiger, ein bisschen wie die schnellen bellenden Stimmen in den Gangsterfilmen und romantischen Komödien der Dreißiger, und als sie zum Schluss ihren Namen nannte, war der nicht einmal griechisch, er klang eher türkisch, ein rasches Verdrehen von Silben, wie ein englisches Wort, das rückwärts gesprochen wird. Über den alten amerikanischen Stamm wächst Neues hinweg. Höchste Zeit natürlich, kein Grund zur Trauer. Im Gegenteil. Sie und Zack waren vom alten Stamm gewesen – Quaker, Yankee, Westpionier, protestantisch, jeder ein Priester aus Eigenem, herübergekommen aus den nordeuropäischen Nebeln in dieses Land ungefilterter, krebserregender Sonne. «Kathryn», sagt Hope, den Namen in ihrem Gedächtnis verankernd, «muss das wirklich sein, noch ein Artikel über Zack? Gibt’s denn nicht schon mehr als genug über ihn?»
«Nicht Zack, Sie. Ganz allein Sie. Der Moment, der historische Moment, die Explosion, als alles zusammenkam und Amerika die Rolle von Paris übernahm und wir zum allerersten Mal führend waren in der Weltkunst. Warum? Wieso?» Sie klingt wie eine Nachrichtensprecherin, die vom Teleprompter abliest. Hope hat das Gefühl, ihre Knochen seien aus Blei, so schwer sind sie auf einmal unter dem Gewicht der Realität, die diese junge Person ihr beimisst – ihr beimessen muss, damit der Aufwand an Zeit und Energie sich lohnt und sie die Fahrt den Thomas E. Dewey Thruway hinauf nach Vermont nicht umsonst gemacht hat, diese lange, langweilige Fahrt durch hinschwindendes Farmland, vorbei an Kühen auf steinigen Weiden und den Feriensiedlungen mit zu dicht nebeneinander gestellten A-förmigen Skihütten und den hübschen kleinen Sondercolleges für die schwierigen Kinder der Reichen und den Tankstellen, die zugleich Mini-Marts sind, und den kleinen Mittagsrestaurants, die mit weißen Rüschengardinen an den Fenstern einen heimeligen Eindruck machen wollen und um diese Zeit im Jahr meist geschlossen sind, und dann die in unruhigem Schlaf verbrachte Nacht im Motel, um nicht später als neun Uhr dreißig bei Hope vor der Tür zu stehen; Hope hat am Telefon gesagt, dass sie ihre Tage früh, gleich nach Morgengrauen, beginne, sich ein paar Stunden im Atelier aufhalte und früh Schluss mache. Die junge Frau fürchtet, nicht ausreichend entschädigt zu werden für die Meilen, die sie zurückgelegt hat.
Aber das «Ganz allein Sie» war nett. Hope hat nie als bedeutende Soldatin gegolten, sie war immer nur eine aus dem Tross, und dann eine Ehefrau, was wenige aus dem Tross schaffen. Ihre Malerei irritierte Zack, untergrub irgendwie seine Männlichkeit, und er hielt sie, als Malerin, im oberen Stockwerk versteckt, wie die wahnsinnige Mrs. Rochester. «Nun», sagt sie, «es ist ganz einfach, die anderen Länder lagen nach dem Krieg am Boden. Sie waren erschöpft. Deshalb haben wir auch bei den Olympischen Spielen 1948 so fulminant abgeschnitten – alle anderen waren noch geschwächt vom Hunger.»
Kathryn wischt das als gewollt witzig, als unpassend beiseite. Sie kann sich Hunger und Armut nicht als wirklich existierende kulturelle Faktoren vorstellen. Ihr Gesicht rückt einige Zoll näher an Hope heran, sie sitzt in dem weichen alten Sonnenzimmersessel und Hope auf dem harten Schaukelstuhl, den ehemalige Hippies in Burlington hergestellt haben, aus nicht weniger als fünf verschiedenen Holzarten, wie der hübsch in Grün gedruckte Prospekt besagte, der dem Stuhl beigefügt war; das Holz arbeite auf verschiedene Weise, manche Arten zögen sich rascher zusammen als andere, und so werde der Stuhl mit zunehmendem Alter immer stabiler, behauptete der Prospekt. Sie hatte den Stuhl Jerry geschenkt, zu seinem ersten Geburtstag hier oben, und bislang hat sich die Behauptung nicht als falsch erwiesen. Der Schaukelstuhl trägt mühelos ihr Gewicht, als sie sich zurücklehnt, um ihre Befragerin auf Distanz zu halten. Die unhöfliche Klarheit des Morgenlichts – nicht eine Wolke am blauen Himmel, ein Glitzern von Matsch auf der kahlen Erde draußen vor der Küchentür, als sie, zehn Minuten bevor Kathryn überpünktlich vorfuhr, Futter ins Vogelhäuschen getan hatte – nimmt dem Gesicht der Interviewerin alle Schönheit und zeigt, dass es ein Pferdegesicht ist, grob und humorlos, die feuchtdunklen Augen reiten auf einer langen Nase mit einem kleinen Höcker, der Mund ist in den Winkeln nach unten gezogen und verrät ihre Entschlossenheit, sich nicht ablenken oder zu leicht einwickeln zu lassen, ein Mund, der vielleicht schmelzen könnte, wenn jemand ihn küsste, aber in Gefahr ist, zu einem griesgrämigen Dauerausdruck ungestillten Ehrgeizes zu erstarren. Kathryn wirft einen Blick in die Papiere, die sie auf ihrem schwarzen Schoß balanciert, die dünnen Schenkel fest zusammengepresst, Seiten voller in den Computer getippter Fragen, die ihrem Gedächtnis weiterhelfen sollen, während das Interviewband sich abspult in dem kleinen Apparat, einem in zwei Grautönen gehaltenen Sony, der in der Stille blechern vor sich hin schnurrt auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen, nein, kein Tisch, eine alte Schiffstruhe aus Holz, die Hope in den Vierzigern für zwanzig Dollar in Riverhead gekauft und abgeschmirgelt und mit Möbelpolitur behandelt hat, damals, in der ersten Zeit, als sie und Zack begeistert waren von der Idee, sich zusammen ein Heim zu schaffen auf der lichtgetränkten, windigen Spitze von Long Island, Welten entfernt von dem, was er euphemistisch, seine Sauftouren von Bar zu Bar verschleiernd, die «Strapazen» von Manhattan nannte. Kathryn sagt eilig, als ob Hope auf so etwas empfindlich reagiere: «Der Triumph wurde politisch ausgeschlachtet, das ist mir klar, unter anderm von den Rockefellers und von der CIA, aber ursprünglich war’s keine politische Bewegung, jedenfalls sehe ich es nicht so. Ich seh’s als unschuldig an, als das letzte Aufflackern unserer idealistischen Unschuld.»
«Du meine Güte», sagt Hope. «Wir selber sind uns nicht unschuldig vorgekommen. Wir haben uns für sehr sophisticated und ein bisschen verrucht gehalten. Und die Maler haben sich untereinander nicht alle gleich gut gekannt, oder sollte ich besser sagen, sich nicht alle gleich gut leiden können. Viele von den anderen, den intellektuelleren und besser organisierten, mochten Zack nicht besonders, vor allem, als seine Arbeiten so berühmt wurden und sein Trinken wieder schreckliche Ausmaße annahm. Es war nicht leicht, Zack zu mögen oder ihn gar, nach einer Weile, zu lieben.» Sie lässt dies ein paar Sekunden so stehen, will die andere zappeln lassen, sie dazu verleiten, vorschnell nach dem Köder «lieben» zu schnappen, aber Kathryn ignoriert die Provokation, und Hope muss weiterreden, erläutern, klarstellen, was immer schon besser ein Geheimnis geblieben wäre. Interviewer und Kritiker sind die Feinde des Geheimnisvollen, des Unbestimmten, das der Kunst Leben gibt. Sie macht eine schnelle nervöse Bewegung mit der Hand, die knorrig, sommersprossig, nach Farbenverdünner riechend aus dem Ärmel des Männerholzfällerhemds hervorkommt, und sagt: «Heutzutage wird von jedem erwartet, dass er sich auf Kommando nach außen stülpt, wie Impatienssamenkapseln, wenn man sie antippt, oder wie diese Mittelmeerpflanze, wie heißt sie, die mit den explodierenden Früchten, Spritzgurke. Zack hat es gehasst, interviewt zu werden; es hat sein Unterklassengespür für Würde verletzt, das Gefühl, dass es Dinge gibt, die man nicht sagt. Wir alle – ich, Clem, Peggy, Betty, Herbie Forrest – haben ihm immer eingeimpft, was er sagen soll, aber wenn es so weit war, hat er sich geweigert, es zu sagen, oder er hat undeutlich gemummelt. Das war seine Arroganz – er fand, dass man der Anerkennung nicht nachjagen darf, sie soll unaufgefordert zu einem kommen. Er war wild drauf aus, aber das Spiel zu spielen war unter seiner Würde.» Er kommt ihr zögernd wieder in Erinnerung, das eckige bedripste Gesicht eines Jungen, der dauernd etwas anstellt, die drei Einkerbungen in der Muskulatur dieses Gesichts, tiefe Grübchen, wie zur Verstärkung – zur kraftvolleren nochmaligen Feststellung – ihres eigenen einzelnen Grübchens, und als sie sein Gesicht vor sich sieht, hat sie auch wieder die Straßen Manhattans von damals vor Augen, als es noch keine gläsernen Fassaden und keine Plastikmüllsäcke gab: die Bordsteine der East Ninth Street an Abholtagen voll gestellt mit rostzerfressenen verzinkten Tonnen, wütend zerbeult auf der hydraulisch hochgehenden Rampe des Kippladers, und der ungeheure Metalllärm, den sie mitten in der Nacht machten und mit dem die Müllmänner es all denen heimzahlten, die hoch über ihnen warm in ihren Betten lagen. Die Mülltonnen haben damals klar und deutlich nach Müll gerochen, und der Klassenkampf hat sich auf offener Szene abgespielt, Gewerkschaften versus Management, die Roten gegen die Reichen. Dir wurde kein schöner Tag gewünscht; Gebäude sahen in Manhattan ziemlich genauso aus wie in jeder großen Stadt, Backstein und vier Stockwerke hoch; jeder Block war ein kleines Dorf für sich, mit einem Schuhmacher, einem Friseur, einem von zwei Schwestern geführten Kurzwarenladen, einer chinesischen Wäscherei, einer im Keller untergebrachten Holz- und Kohlenhandlung, einem Drugstore mit einem marmornen Mineralwassertresen. Die Eighth Street ähnelte einem Suk, wo du in den Rinnstein gerempelt wurdest, und die Gegend nördlich und östlich vom Washington Square hatte etwas heimlich Europäisches, die Grace Church mit dem grauen Waffelmusterturm ragte genau dort auf, wo der Broadway eine Biegung machte wie eine mittelalterliche gewundene Straße, und die Cooper Union wurde leicht, als schwimme sie, von ihrem Square getragen gleich einem braunen venetianischen Palazzo. University Place war eine Kette von Bars, die Cedar Tavern gehörte dazu, wenn du die Tür aufmachtest, kam es dir drinnen immer warm vor, und das Licht war so gedämpft, dass deine Mängel draußen blieben. Es roch nach Rauch und Sägemehl.
«Er war», sagt Hope und zögert dann, sie spürt, dass sie in den hängelidrigen schwarzen Augen ihrer Besucherin eine konfuse weitschweifige Alte ist, zu nichts mehr nutze, höchstens, dass sie noch ein paar Erinnerungsfetzen hergibt, die sich in eines andern Geschichte hineinflechten lassen, «–er hat sich gehen lassen, war faul, war nicht einmal Autodidakt. Und trank natürlich zu viel. Aber wir tranken alle zu viel, der Krieg, ständig die Verdunkelungen, die verzweifelte, trostlose Stimmung, in der wir waren, so viel Tod, die Zeitungen waren jeden Tag voll von Tod, Hunderte, Tausende von Gefallenen, Zahlen, die jetzt gewaltige Schlagzeilen machen würden. Es war eine Männerwelt. Kunst war eine Männerwelt. Uns Frauen konnten sie da im Grunde keinen Platz einräumen, heiraten ja, Platz machen nein. Es war eine harte Welt, diese Männerwelt. Sie halten Zack und die andern für die Helden dieses historischen Moments, den Sie – wie nennt man das heute – konstruiert haben, Sie sehen sie als Titanen in den Wolken, aber die Titanen waren in Wahrheit ein trauriges Geschlecht, mit dem es ein klägliches Ende nahm, wenn ich meinen Bulfinch aus Kindertagen recht in Erinnerung habe. Mit Ausnahme vom lustigen alten Bernie, der hatte Geld geheiratet, und von Roger, der hatte einen Trustfonds, und von Onno, der verkaufte früher als irgendeiner sonst – er hatte dies europäische Flair, für das Händler und Sammler schon ein Verständnis entwickelt hatten, nicht unser armes amerikanisches tastendes Suchen, aus dem Unbewussten heraus, C.G. Jung und all die Archetypen – abgesehn von den dreien waren alle arm, waren es seit Jahren, lebten vom Project, dem Federal Arts Project, vor dem Krieg und sogar noch während des Kriegs, aber diese Quelle trocknete immer mehr aus. Zu dem Zeitpunkt, von dem Sie reden, nach dem Krieg, nachdem sogar die Publicity schon angelaufen war, hat Zack noch immer keine Bilder verkauft. Ein paar Lithographien und Arbeiten auf Papier, aber nicht die großen Sachen. Er wurde berühmt, aber wir blieben erstaunlicherweise arm – es hat ihn rasend gemacht. Peggys Galerie hat ihm mit einem Darlehen ausgeholfen, das brauchten wir, um das Haus zu kaufen, ein Haus und zwölftausend Quadratmeter Grund für viertausend Dollar, stellen Sie sich das nur vor, für den Grund allein müsste man jetzt eine Million hinlegen, da draußen ganz in der Nähe der Hamptons; er hat das Geld nie zusammengekriegt, und da hat die Galerie seine Bilder behalten. Hat sie einfach behalten, jahrelang. Die meisten Leute hatten keine Ahnung, dass sich etwas Wunderbares ereignete. Sie wussten nichts davon, dass es einen ‹historischen Moment› gab. Sie dachten immer noch, moderne Kunst, das seien Picasso und Miró und die Surrealisten. Nicht Dalí – Dalí wurde ebenso verachtet wie Benton, er verkörperte alles, was wir hassten.»
«Klar», sagt Kathryn leise, besänftigend, sie spürt, dass die auflebende Hope ein tiefes Bedürfnis hat weiterzureden.
«Dalí war ein Einmannzirkus, ein Schaufensterdekorateur. Er hat tatsächlich mal Fenster für Bonwit’s gestaltet und ist dann durch die Glasscheibe gekracht und hat die gesamte Auslage verwüstet, als die Geschäftsleitung darauf bestand, dass er den Kleiderpuppen etwas anziehen müsse, bevor er sie in, ich glaube, mit Pelz ausgeschlagene Badewannen steigen ließ und auf rot glühende Kohlen bettete, und überall waren Federn und körperlose Hände, die Spiegel hielten. Sämtliche Zeitungen haben damit aufgemacht, und genau das hat er natürlich gewollt. Er verstand was von Publicity und war schamlos. Europäer sind so, wenn sie hierher kommen. Das war, bevor ich nach New York zog, aber Zack hat es miterlebt und es mir später geschildert und darüber gelacht, aber gleichzeitig hat es seinen Sinn für Würde verletzt, dass ein Künstler so käuflich ist, so ganz ohne Prinzipien. Zack konnte zerlumpt und verdreckt sein von einer Nacht in der Gosse, aber er hatte diesen Sinn für Würde, dies, ich weiß nicht, dies Ideal vom Künstler – nicht als Entertainer und Parasit der Gesellschaft –, sondern als Arbeiter, als jemand, dem mindestens so viel Respekt gebührt wie einem Prediger oder einem Banker. Das habe ich geliebt an ihm.» Hope ist erregt, sie fühlt, wie ihr Gesicht sich rötet und ihr Herz pumpt, sie will gefallen, die Angst treibt sie, sie könnte vertrottelt wirken; der alte Spott, die Herabsetzungen von damals scheinen so nah, als habe dieses Mädchen, diese kleine Nervensäge, zu den kaltschnäuzigen Kunstjournalisten gehört, die während der Vierziger in Time und Life mit billigen Geistreicheleien aufgewartet hatten. Aber als diese Publikationen wirklich Notiz nahmen, hatte das Blatt sich gewendet. «Sie sprechen von einem historischen Moment, Kathryn, aber die Aufmerksamkeit hat sich zur Gänze auf einige wenige Galerien konzentriert, mit Hilfe einiger weniger Kritiker, die ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen und sehen mussten, dass sie sich selber einen Namen machten – Clem hat Zack benutzt, um sich einen Namen zu machen, und als Zack ins Schlingern kam, war Clem der Erste, der von Bord ging. Die Gemälde, die, die später alle Welt ganz selbstverständlich für grandios hielt und die für Millionen weggingen – zu was waren sie nutze? Sie waren zu groß. Sie waren öffentliche Kunstwerke ohne Öffentlichkeit. Es war herzergreifend – wenn Zack angetrunken war, hat er allen möglichen Leuten klar zu machen versucht, was für eine fabelhafte Geldanlage seine Arbeiten seien, und natürlich hatte er Recht. Ein Mann in den Flats – Jimmy Quinn, er hatte einen besseren Gemüsestand – hat damals statt Geld eine kleine Holzfaserplatte von Zack genommen, fünfundsiebzig mal hundert Zentimeter, und sie vor zehn Jahren oder so schließlich für zwei Millionen Dollar verkauft. Er fährt immer noch in seinem zerbeulten Pick-up herum. Zack hätte das gefallen.»
Hope hält inne, und Kathryns Mund öffnet sich, um die nächste Frage ins Tonbandgerät zu spucken, aber Hope ist noch nicht fertig mit ihrem langen, mäandernden Gedankengang. Ein Bild von Zack steht ihr vor Augen, das sie zu Ende bringen möchte, auch wenn sie Angst hat, dass die Erinnerung an ihn sie zurück-, hinaus-, hinabsaugen könnte, wie Wellen, die ihr um die Fesseln schäumten an einem der Strände, einem der abgelegenen felsigen Strände hinter den Kliffen, hinter den alten Fischfabriken, zum Point hin, wo sie oft standen, wenn der Nachmittag sein starkes Licht hergab und rötlich wurde und die Brise auffrischte, im Süden nichts, nur der Atlantik, ein paar graue Schiffe am Horizont wie Karteikartenreiter in einem Aktenschrank. «Wir haben alle getrunken», wiederholt sie, «aber für Zack war es Gift, es hat Dämonen freigesetzt. Wie so mancher berühmte Trinker konnte er im Grunde gar nicht trinken. Ich habe Alkohol besser vertragen als er, und ich war bloß eine halbe Portion mit Anfang oder Mitte zwanzig.» Zack war Mitte dreißig, als sie ein Liebespaar wurden: seine schmalen Hüften, seine mit blondem Gewöll bedeckte Brust, selbst seine nackten Füße waren schön, die Zehenpartien knochig und breit, die Riste so weiß wie die Haut an der Innenseite eines Frauenarms. Sie stand neben ihm und fühlte den Sog knöchelhoher Brandung, fühlte, wie sie ihr den Sand unter den Fersen wegzog. Das weiße Rauschen der Wellen, der weit sich hinziehende Geruch nach Strand und Salz und Jod und verwesendem Meeresgetier, Quallen, Firnispfützen gleich, rund und ockerfarben auf den Felsen liegend, in sich zusammengefallen, außerstande, in ihr Element zurückzukehren, verschwommen ihre Anatomie erkennen lassend innerhalb der Pfütze, nutzlos, vergeudet, ahnbar noch etwas wie ein Atmen, arme, verlorene Geschöpfe, wie wir alle. Es hatte ihr gefallen, dass Zack nicht sehr viel größer war als sie, wie manch andere Männer, einschließlich Ruk; sie empfand sich als eine Eva, die ihm entsprach, wie auf den wunderbaren Cranach-Tafeln in Pasadena oder auf den Fresken in der Brancaccikapelle, der Masaccio so angstgepeinigt und voller Scham, über den Köpfen der beiden der rote Engel, der sie vertreibt, und der Masolino so heiter-gelassen, so erhaben und hochmütig, zu Häupten Evas der kleine zutunliche weibliche Schlangenkopf, Eva, vor dem Sündenfall, kühl, nichts von Reue wissend mit ihrem in der Mitte gescheitelten blonden Haar, die Spalte ihres Geschlechts unverdeckt, ebenso wie Adams Penis. Seien wir ehrlich: auch diese junge Frau ist schön. Hope stellt sich Kathryns nackten Körper vor – der Schwung der Hüfte in den Schenkel, die von den Rippenbögen getragenen Brüste mit den krapprosa Spitzen, das Schamdreieck schieres Elfenbeinschwarz und ölig schimmernd wie bei einem Corot – all das blitzt vor ihr auf, dann verwirft sie das Bild: erbsündig. Ihre Empfänglichkeit für Schönheit – Hope ist sich dessen immer bewusst gewesen – hat sie als Künstlerin im Mittelmaß festgehalten. Die Großen gehen über Schönheit hinaus, sie weisen sie von sich, wie Wüstenheilige lockende Visionen von fleischlicher Lusterfüllung und Bequemlichkeit von sich gewiesen haben als Angebot des Teufels, der zum Lohn die Welt verspricht.
Sie sagt zu ihrer Interviewerin: «Der Moment, von dem Sie sprechen, als Amerika auf dem Gebiet der Kunst den ihm zustehenden Platz einnahm – Künstler hatten immer schon gesagt, seit der Armory-Ausstellung 1913, dass es so kommen müsse; Regionalismus, was war das denn anderes als der Versuch, es dahin zu bringen? – Benton und so fort, die Works-Progress-Administration-Wandmalereien. Wir waren krasse Außenseiter, Abstraktion war ein Hirngespinst, wie Kommunismus. Die Medien – damals nannte man sie noch nicht so – haben uns als komische Käuze hingestellt, wir waren Verrückte, hatten einen Stich. Amerika war angenehm erregt. Die Bilder damals von Zack in Life und dann der kleine Film, den dieser fürchterliche, herumkommandierende Deutsche gedreht hat, Hans Soundso – das war’s, was Zack in Wahrheit fertig gemacht hat. Er hasste sich dafür, dass er eine Berühmtheit wurde, der neue Dalí. Und weil er nicht mehr wegsehen konnte von der Tatsache, vermute ich, dass er genau das die ganze Zeit gewollt hatte, eine Berühmtheit werden. Er hatte wirklich sehr wenig Talent, etwa so viel wie die meisten Kunststudenten – bloß diesen verzweifelten Drang, groß zu sein. Nicht einfach nur gut, groß. Andere dachten, sie hätten den auch, diesen Drang, aber das gab sich dann, ihr Talent hat sie davon abgelenkt. Zack wurde nicht abgelenkt, jedenfalls nicht so. Er hatte nichts, nur diese –» Sie möchte es nicht sagen: «Hoffnung». Sie fährt fort: «Er war schrecklich ungeschickt mit dem Zeichenstift, mit dem Pinsel. Es war, als ob seine Hände zu klobig dafür seien. Und er wusste nichts, verglichen mit den meisten andern. Er hatte sich in der Art Students League mit Benton angefreundet; ich glaube, Benton hat sich selbst in ihm gesehen, das Prahlerische, das er hatte, und beide stammten sie aus Orten westlich vom Mississippi, und Zacks Talent war keine Bedrohung, und als Zack dann zurück war in Kalifornien, hatte er Siqueiros kennen gelernt und angefangen, auf ähnlich dynamische, wilde Art zu arbeiten, sich am sozialen Protest zu beteiligen oder was immer das war, sie haben die neuen Industriefarben benutzt, alles war heftig und wild und neu, und er ist zum Pomona College rausgefahren, um sich den Prometheus von Orozco anzusehn, das riesige Wandbild im Esssaal, und als er später wieder im Osten war, ist er nach Dartmouth gefahren und hat sich die dortigen Orozcos angesehn, er hat sie geliebt, diese Erdfarben, die schlechte zeichnerische Qualität, und wie jeder im New York der Dreißiger hat er den Surrealismus in sich aufgesogen, ohne sich allerdings viel um die psychologischen Theorien zu kümmern, die dahinter steckten, er nahm einfach alles so, wie es ihm zupass kam, ihm ganz persönlich, Zack McCoy, der so gern ein Großer sein wollte. Sie haben von Politik gesprochen, Kathryn, aber ich erinnere mich nicht, dass wir davon je viel Notiz genommen hätten, es war kein Thema, so wie es das heutzutage ist. Truman, der Marshall-Plan, China, das Mao in die Hände fiel, Europa am Rand des Abgrunds und ständig diese Atomtests, die Alarmsirenen, das Gerede von totaler Vernichtung: mit uns hatte das alles nichts zu tun. Wir waren ausschließlich auf uns selbst fixiert. Sogar im Krieg – nicht jeder kam um den Wehrdienst herum, viele aber doch. Die Musterungsärzte haben sie als unzurechnungsfähig eingestuft oder als homosexuell, auch wenn sie verheiratet waren. Ich war zwanzig, als ich nach New York kam, und es hat mich unglaublich schockiert, dass niemand den Krieg auch nur erwähnte, im schlimmsten Kriegsjahr überhaupt, als alles danach aussah, als ob wir doch noch verlieren könnten und Hitler und Tojo die Welt regieren würden. Und was taten wir? Wir redeten über Malerei und darüber, wer mit mit wem vögelte.»
«Aber viele in der Gruppe», wendet die Interviewerin mit ihrem pedantischen angelesenen Wissen ein, «waren sehr politisch. Sehr links, dreißigerjahremäßig. Vor allem Bernie Nova und Jarl Anders. Man muss nur deren Nachkriegsmanifeste lesen, die sind ausgesprochen – wie sagt man – apokalyptisch. Die beiden haben ihre Arbeit als Revolution empfunden. Anders hat gesagt – ich habe das Zitat nicht im Wortlaut dabei – er hat gesagt, er werde den am menschlichen Geist begangenen Lug und Trug von zweitausend Jahren rückgängig machen.»
Warum betet ihr diese junge Person ihr eigenes Leben vor? Und so, wie sie’s tut, stimmt es nicht. Bernie hat es genossen, Erklärungen abzugeben, je haarsträubender, desto besser, aber er war außerdem ein so lustiger, weitherziger, liebevoller Kerl, ein Bär mit seinem gewichsten Schnurrbart und dem albernen Wasbin-ich-doch-für-ein-verflixter-alter-Knabe-Monokel, die Worte flogen ihm nur so von den Lippen, und sie musste nur nah genug bei ihm stehen, schon wurden ihr wärmend seine onkelhaften Tätscheleien und Umarmungen zuteil. Jarl war distanzierter, enger zusammengehalten, grau und dürr wie ein wieder ausgegrabener Leichnam, seine Bewegungen hatten etwas Gelähmtes, und seine starrenden Augen waren umschattet wie die eines Filmvampirs, ein Monomane, aber gleichwohl fähig zu einer gewissen habichtjähen Zartheit, einem blitzartigen, tiefen Blick in eine Frau hinein, einer Art zu sehen, die es für Zack nicht gab. Zack sah nur eine Mutter, eine intime Feindin, wer immer die Frau war, die er ansah: etwas bedrohlich Weiches, ein Sog unter den Füßen, an den felsigen Stränden, wo er spielerisch Steine zu kleinen Skulpturen aufeinander stellte, besonders, wenn anderer Leute Kinder da waren und unterhalten sein wollten. Er liebte Kinder, hatte aber kein Verantwortungsgefühl. Er dachte, mit seinen eigenen würde es sein wie mit denen der anderen: wenn die Zeit zum Spielen vorüber ist, kehrt man ihnen den Rücken.
Hope sagt: «Sie waren alle älter als ich, ich war das Küken, sie hatten während der Depression darum gekämpft, Künstler zu sein, vielleicht wären sie verhungert oder hätten sich etwas anderem zugewandt, wenn nicht die Regierung und das Federal Arts Project gewesen wären. Dreiundzwanzig Dollar in der Woche war damals ein Vermögen. Manche waren eine ganze Generation älter als ich, und, ja, das stimmt schon, in denen hat noch viel von der alten Linken gelebt. Sie haben geglaubt, dass es eine bessere Gesellschaft geben müsse, eine, in der nicht ein Drittel aller Männer arbeitslos ist und die Reichen Zylinder tragen und sich gehässig über Roosevelt auslassen. Der Krieg hat das unterdrückt. Aber nur an der Oberfläche. Im Verborgenen hat es fortbestanden, dies Bedürfnis nach Revolution. Es ist in die Kunst eingegangen. Krieg bedeutete Entbehrung, aber fürs Künstlerdasein galt das genauso. Die Nachrichten zogen irgendwie alle vorbei, Kunst blieb ganz außen vor. Ich war so verblüfft, als ich mit zwanzig nach New York kam und feststellte, wie viel Zulauf die Kunsthochschulen immer noch hatten. Rationierung und Kriegsanleihen und Propaganda, wohin man sah, und die Straßen voll von Uniformen, und trotzdem …»
Kathryn missversteht Hopes Zögern, hält es für ein seniles Verebben und wirft mildzüngig ein: «Natürlich gab’s all die Emigranten in der Stadt, Duchamp und Mondrian und die Surrealisten, Breton, Max Ernst –»
«Ja», sagt Hope schroff. «Wir, ich zumindest, Sie wären wahrscheinlich an sie herangekommen, habe sie nie gesehn. Die Reichen haben sie zu ihren Schoßtieren gemacht, sie trieben sich in Connecticut und der Upper East Side herum, der Einzige von ihnen, der kein Snob war amerikanischem Leben gegenüber, sondern dachte, er könnte davon lernen, ist Mondrian gewesen – aber schon richtig, sie waren alle da, auf unserer Seite des Atlantiks, haben für höheren Einsatz gesorgt, eine Atmosphäre geschaffen. Es gab Ausstellungen. Wir kamen überhaupt nicht mehr vor, die Galerien überließen ihre Räumlichkeiten sämtlich den Europäern. Und Barr im Modern Art konnte natürlich auch nur europäisch denken, in der Situation damals.»
Für was hält diese junge Frau sich, denkt Hope: drängelt sich (sie muss Jüdin sein) in ihr Leben, liest es ihr aus ihren beflissenen ausgedruckten Seiten vor. Je älter Hope wird, desto weniger scheinen die äußeren Fakten ihres Lebens, einschließlich ihrer legendären Ehe mit Zack, etwas zu tun zu haben mit ihrem inneren Leben, einem Leben, das begann, als sie den Wandschmuck im Haus in Germantown wahrnahm, verschrobene Sachen, zusammengetragen von einem zaghaften Quäkergeschmack – einige Schriftstücke in pennsylvaniadeutscher Fraktur, unleserliche Heiratsurkunden, die puppenartigen Ornamentfigürchen hier und da aquarelliert, gerahmte, in Magazinqualität hergestellte Öldrucke von Lawrences Pinkie und Vermeers Junger Frau mit Wasserkanne am Fenster und Köpfen, Gesichtern mit rosa Wangen und gepudertem Haar, möglicherweise Copley-Porträts aus dem großen, schwermütig vor sich hin brütenden karamellfarbenen Museum in Philadelphia, das sie, hinten in Daddys Packard sitzend, sehen konnte, wenn sie am kohleschwarzen Schuylkill entlang in die Innenstadt fuhren. Und es gab in ihres Großvaters Haus auch einige Originalbilder: still in Samtpassepartouts gebettet, ovale Miniaturporträts von längst toten und in ihren Gräbern zu Staub zerfallenen Ouderkirks, winzige schimmernde hingetüpfelte Erscheinungen mit Wimpern und richtigen Ohrmuscheln und Ringellöckchen, wenn sie genau hinsah, und Aquarelle von Kapuzinerkressekaskaden oder vom Brandywine River, glitzernd zwischen mächtigen überhängenden Bäumen, deren reflektierte Schatten sie auf dem Wasser nachspüren konnte, es waren die Arbeiten einer Cousine oder Tante ihrer Großeltern, die um die Jahrhundertwende Kunstunterricht genommen hatte und bei ihren Freundinnen, gebildeten Damen, als sehr begabt galt, und Ölgemälde mit deutlich sichtbaren Höckern und Graten in der hart gewordenen Farbe, auf einem war eine Obstschale zu sehen, die auf einem karierten Tischtuch stand, und Hope wusste schon als ganz kleines Mädchen, dass es sehr schwer sein würde, so ein Tischtuch richtig hinzubekommen, die Karos, die sich in die Falten des Stoffs hineinzogen und wieder auftauchten, und es gab größere Gemälde, vom Wald, von umgefallenen Baumstämmen, verkrusteten, verrottenden Leichnamen gleich, dunkle Bilder waren das, nicht angenehm, aber eindrücklich insofern, als das Kind die feuchte Düsternis fühlen konnte, die eigentümliche Wahrheit, dass dies moosige dämmrige Gewirr, dies achtlos auf die gelbbraune Laubdecke Hingestürzte, dieser sich selbst überlassene Wald, Teil von William Penns ursprünglicher, einst von Indianern durchstreifter Wildnis, da sein würde, ob einer seine Staffelei dort aufstellte oder nicht. Die Farbe wurde hart, erkannte Hope, als sie die kleinen rauen Grate berührte (das Kind war allein im Zimmer, niemand war da, der ihm hätte sagen können, dass man Bilder nicht berührt). In der hart gewordenen Farbe war die Ahnung von einem leuchtenden Immerdar bewahrt, sie lebte darin fort und ebenso im bald Tastenden, bald sicher Zupackenden von des Malers Hand und Auge. Hope spürte eine ungeheure, alle Grenzen sprengende Magie darin und auch das Element des Protests, der Menschen dazu veranlasste, Stücke von einer Welt, die fortwährend unter ihnen wegglitt, festhalten zu wollen; die Welt war ein Fließband, das unaufhörlich Waren herantransportierte und sie abkippte auf den großen Haufen des Verlorenen und Vergessenen. Mit dem Protest kam die Freude – die der kleinen trotzigen Siege über die Zeit –, Dinge zu schaffen, die blieben.
Die Mutter war es, die die sorgfältigen Zeichnungen der kleinen Tochter aufbewahrte und anregte, dass ein Nachbar in Ardmore, wo sie nach dem Wegzug aus dem großelterlichen Haus in Germantown einen geräumigen, im Pseudotudorstil gehaltenen Neubau an einer gewundenen schattigen Straße bezogen hatten, zu ihnen herüberkomme und ihr Malunterricht gebe. Sie war acht oder neun. Wie sehr sie sich auch anstrengte, es gelang ihr nicht zu sehen, was dieser gedrungene, ungewohnt nach Pfeifentabak und Kochsherry und Zahnfäule riechende Mann in den Schatten sah, die Grüntöne in allem Roten, die Blaunuancen, die sich in jeglichem Braun verbargen. Ihre kleine «Begabung» wurde nahezu zerquetscht unter dem Gewicht seiner maskulinen Aufmerksamkeit – er hieß Rudolph Hartz –, und sie war erleichtert, als ihre Familie sich für den Sommer in Maine einmietete und die sommerlichen Unterrichtsstunden ein Ende hatten, Stunden in der Kopfweh machenden dunstigen Philadelphia-Sonne im Seitengarten oder im Schatten der Weide oder des Walnussbaums, wo die Vegetation sich strumpfbandnattern- und krötengleich in farblichen Finessen erging. Der Unterricht im Haus fand in der Bibliothek statt; Seiten des Evening Bulletin wurden über den Sofatisch gebreitet, der ein eingelegtes Muster hatte: ein langes, rechtwinklig laufendes Band aus helleren Holzplättchen, kleinen Dreiecken und Rhomboiden. Es war, als ob ihr schlanker, friedfertiger Vater an Umfang zugenommen und sich einen Geruch nach deutschen Lastern und roher Gewalt zugelegt hätte und sich über ihre Schulter beugte: eine behaarte Hand griff nach ihrem Pinsel, rührte ungeduldig im Wasserglas herum und in den gemuldeten Rechtecken unverdünnter Farbe in dem kleinen flachen zusammenklappbaren Aquarellkasten, mischte einen schlammigen Farbton zusammen, der ganz und gar falsch aussah, aber, aufs Papier gewitscht, dem Sujet – der Vase, der Kewpie-Puppe, der gelben Paprikaschote – sofort zu Plastizität verhalf. Die kleine Hope fühlte sich zu gering, um vor Mr. Hartz’ Leidenschaft zu bestehen, sie empfand sich als Zeitverschwendung für ihn, sie roch zusammen mit seinem Tabak und seinem Achselschweiß seine Mittelmäßigkeit, seine Enttäuschung; er war einer aus der Legion desillusionierter Maler in Philadelphia, die dann und wann von einem Freund den Auftrag für ein Porträt bekamen oder gelegentlich das Bühnenbild für eine vorstädtische Laienaufführung entwerfen durften.
Der Unterricht hörte auf, auch der an Winterwochenenden. Ihre Eltern müssen höflich, wie Erwachsene das tun, mit Mr. Hartz geredet haben. Hope zog sich taktvoll zurück von der Kunst und ihrem schlammig trüben Liebeswerben – das Wasser im Glas schlierig vom Eintauchen des Pinsels, die glatte Palette aus Lindenholz mit den kleinen runden Ölfarbenklecksen, die grau wurden vom vielen Miteinandervermischtwerden –, sie trennte sich wie von einem Jungen, der, so reizvoll er auch war, nie zum Ehemann taugen würde. Sie war zehn, elf. Sie besuchte, weil das zu einer schicklichen Erziehung gehörte, Museen: das Innere des Schatzhauses oben im Fairmount Park kam ihr wie eine große marmorne Bankhalle vor, in der ein paar Kunden unter den Oberlichtern umherschlurften und flüsterten, während hoch droben, außer Reichweite, eine nackte schlanke Diana auf einem Fuß balancierte. Kirchenartiger – Daddy sagte «byzantinisch» – war die Pennsylvania Academy of the Fine Arts; es gab eine lange Treppe, die hinaufführte zwischen den beiden furchterregenden großen Gemälden von Benjamin West, auf denen irgendetwas aus der Bibel dargestellt war, und dann kamen Räume voller weißer Statuen, die nackt waren, denn es waren Göttinnen, keine Menschen, und alte Bilder hingen dort von Klippen und Wasserfällen und Porträts von Benjamin Franklin mit seinem spitzbübischen kleinen Mund und von George Washington, der einen gequälten Ausdruck im geröteten Gesicht hatte. In den hintersten Räumen waren die Arbeiten von Akademieschülern ausgestellt, Kohlezeichnungen von monumentalen mürrischen starrenden Negergesichtern und von Industriearbeitern, vor geschlossenen Fabriktoren stehend, Mützen aus grobem Stoff auf dem Kopf, die Schirme tief heruntergezogen über Stirnen, die beschämt gesenkt waren, niedergedrückt von Arbeitslosigkeit, zerfurcht von erlittenem Unrecht, die Körper der Männer verkrümmt und verkrüppelt durch die verkürzte Perspektive, die wie eine unsichtbare Industriepresse alle Farbe aus der Welt quetschte. Im nahe gelegenen Merion hatte ein gewisser Dr. Barnes sich für seine Argyrol-Millionen eine Gemäldesammlung zugelegt und zu deren Unterbringung eine von dorischen Säulen umstandene Villa gebaut, in der, nach penibler vorheriger Absprache, einige wenige Auserwählte, inklusive Gruppen kichernder Shipley-Schülerinnen in ihren grünen gefältelten Trägerkleidern und den dazu passenden grünen Kniestrümpfen, Einlass fanden und Wände besichtigen konnten, die über und über mit französischem Fleisch und provençalischem Sonnenlicht bedeckt waren – Bilder des Impressionismus und seiner wilderen Kinder, polychrome Vorstöße in ein neues Heidentum, Kunst, die sich nicht mehr der Geschichte, der Religiosität verpflichtet fühlte, die alles abgestreift hatte bis auf die Herrlichkeit eines jeglichen Tags und seine gesprenkelte Haut aus Farbe. Durch diese stillen Besuche, diese gebilligten Kontakte blieb Hope in Verbindung mit ihrem Kinderstaunen über das schimmernde Rätsel namens Kunst.
In den ersten beiden Jahren des neuen Jahrzehnts, als der Krieg in Europa den Horizont jenseits des Atlantiks verdunkelte, ließ die kunsthistorische Abteilung am Bryn Mawr, wo noch immer die kürzlich hingeschiedene Georgiana Goddard King, eine enge Freundin von Gertrude Stein, ihr Spukwesen trieb, Hopes Interesse an von Menschen geschaffener Schönheit wieder aufleben – ließ es so sehr aufleben, dass ihr klar wurde: Bryn Mawr war nicht genug, Studieren und Bewundern war nicht genug, keine zwei Bahnstunden entfernt gab es eine Welt, wo Kunst Leben war, wo ihr jungfräulicher junger Körper mit seinem Hirn und seinen Augen ein Instrument sein konnte, schaffen und erschaffen und sein konnte, auf eine Weise, wie es ihr vergilbtes, gediegenes Philadelphia nie zulassen würde. Am Ende ihres zweiten Studienjahrs – die Mutter überlegte gerade hin und her, was alles zu bedenken war für den diesjährigen Sommeraufenthalt auf der Insel in Maine, wo der Vater, der es leid war, unrentable Mieten zu bezahlen, ein schindelgedecktes Ferienhaus erworben hatte, dessen Unterhalt ihn teurer kam als alle Mietobjekte zusammen – machte Hope sich in der größten Sommerhitze auf nach New York, um Künstlerin zu werden. Ihre Eltern waren entsetzt, aber es war eine Zeit des Entsetzens, und sie war zwanzig, und es war das Jahr 1942. Ihr älterer Bruder ließ sich einberufen; ihr jüngerer Bruder hatte sich bereits freiwillig gemeldet. Quäker-Pazifismus war überholt und weibliche Passivität ebenfalls. Mit einer, rückblickend betrachtet, absurden Ausrüstung zueinander passenden blauen Gepäcks, einschließlich zweier trommelförmiger Hutschachteln, zog sie aus, sich dem Erbsündigen zu stellen, dem bunten Leben, seinen Farb- und Lockstoffen. Wenn sie durch die gefährlichen Straßen ging, vorbei an Augen, in denen sie flüchtig aufschien, wie mit dem Pinsel hingetupft, nahm ihre Freiheit sie gefangen.
Kathryns Stimme holt sie ein auf diesen überfüllten abendlichen Trottoirs; sie hält Schritt mit Hopes Gedanken. «Heben wir uns die Galerien und das Modern Art für später auf.» Sie schaut auf die Ausdrucke auf ihrem langen schwarzen Schoß. «Sie haben zuerst an der Cooper Union zur Förderung von Wissenschaft und Kunst studiert, in der Kunsthochschulabteilung für Frauen.»
«Ja. Sie waren skeptisch, haben mich dann aber zugelassen, aufgrund einiger Skizzen, die ich auf dem College gemacht hatte, und wegen eines Selbstporträts mit nackten Brüsten, in Acryl. An der Cooper Union ging es damals sehr traditionell akademisch zu. Der Unterricht war in ‹Alkoven› eingeteilt. Im ersten Alkoven haben die Studenten nach Händen und Füßen aus Gips gezeichnet. Im zweiten nach Abgüssen von Torsi. Im dritten nach Abgüssen der ganzen Figur. Erst im vierten kriegte man lebende Modelle zu Gesicht. Ich habe aufgegeben, bevor wir zu den lebenden Modellen kamen. Der Lehrer im zweiten Alkoven, ich habe seinen Namen vergessen, wollte mich nicht einmal in den dritten Alkoven versetzen, er sagte, ich sei zu linear. Aber dann hat er mich doch versetzt, um mich loszuwerden. Ich war ihm lästig, nehme ich an. Ich fand es so aufregend, in New York zu sein, im Village.»
«Der Lehrer war Leonard Wilton, der Bildhauer», informiert ihre Interviewerin sie, nachdem sie in ihren Notizen nachgesehen hat. «Aber bevor Sie abgingen, haben Sie mit einem anderen Lehrer, äh, nähere Bekanntschaft geschlossen, mit dem Porträtmaler Gregor Rukavishnikov.»
«Ruk hatte eigentlich bloß die Vertretung übernommen für jemanden, der eingezogen worden war.» Hope unterdrückt das Verlangen, draußen zu sein, ihr Gehirn in farbloser frischer Luft zu baden. Hinter dem Kopf der jungen Frau, die sie hier im Zimmer festhält, hinter dem schwarzen Haar mit den Silberkämmen wölben sich Forsythienbüsche zu den Fenstersimsen hin, und Hope sieht, wie in den Zweigen ein paar Vögel abrupt zu flattern und zu wippen beginnen, erregt von einer Spannung, die sich zwischen ihnen aufbaut; das Tierreich spürt den Frühlingsreiz zuerst – ein Eichhörnchen taucht aus dem Nichts auf, findet eine Nuss, die es selbst oder ein anderes Eichhörnchen im November vergraben hat, hockt sich auf einen warmen flachen Feldstein in der Mauer, hält die Nuss mit zwei Pfoten fest wie einen Maiskolben und rattert mit den Zähnen los wie eine winzige elektrische Schreibmaschine.
«Ich meine», erklärt sie Kathryn, «er verdiente genug mit seinen Gesellschaftsporträts, seine Sachen hatten Chic, er brauchte nicht zu unterrichten, im Gegensatz zu so vielen anderen Künstlern. Es ging ihm richtig gut, bis der Alkohol ihn in die Krallen bekam. Als Lehrer hat er sich nicht die Mühe gemacht, sein Desinteresse zu verbergen, aber er war freundlich, nie überheblich, hat mächtig geflirtet, wurde aber nie zudringlich – wir Mädchen waren alle in ihn verknallt, überflüssig, das zu sagen, obwohl wir unsere Zweifel hatten an seinem Malstil. Der war kommerziell und nach den Maßstäben der Vierziger auf eine nette, gefällige Weise altmodisch. Lange Hälse, delikate Konturen, Garben bildhauerisch modellierten Haars in stilisierten Streifen, ein Art-déco-Basrelief-Look. Stromlinienförmig. Seine Porträts hatten, wie soll ich sagen, die falsche Glätte, die man von Vanity Fair-Karikaturen kannte.»
«Das Pastell, das er von Ihnen gemacht hat und das jetzt in der Corcoran Gallery hängt, ist wunderschön.»
«Ja, das Profil. Diese schimmernden metallischen Ponys, die Halsmuskulatur, nehme ich an. Aber Ruk, der elegante leichthändige Ruk, fand, dass er bloß kunstfertig war. Er hatte für seine eigene Arbeit nur Spott übrig und bewunderte die Berserker – Soutine, Kokoschka und Picasso, solange der nicht neoklassizistisch malte, und den späten halb blinden Monet. Er glaubte, dass Dubuffet, der in Amerika gerade einige Aufmerksamkeit erregte, auf einer heißen Spur sei. Er riet mir, lockerer zu werden.»
Hope spürt, dass Kathryn unzufrieden ist, sie möchte, dass Hope irgendwie mehr aus der Sache mit dem armen lieben ziellosen Ruk macht. Will sie hören, wie es mit ihm im Bett war? Darum ging es bei Ruk nicht – er war gut im Bett, wenn er nicht zu viel getrunken hatte, aber beim Vögeln war er nicht annähernd so mit dem Herzen beteiligt wie beim Tanzen; er musste sich ausstellen, das war seine Schwäche, und obschon er Hopes erster Liebhaber war, spürte sie bald, dass sie die größere Überzeugtheit ins gemeinsame Bett mitbrachte, die größere Bereitschaft, Peinliches zu riskieren um gewisser Empfindungen willen, die man